Graf Heinrich III. von Sayn
und das Wunder von Heisterbach
von Hermann Müller
Gründungsmitglied der GGH
Ein des Weltlebens überdrüssiger Ritter namens Walther,
die Legende verschweigt den Nachnamen, ließ sich während der
Regierungszeit des Kölner Erzbischofs Bruno II. von Berg (1131 - 1137) als
Einsiedler auf dem Stromberge im Siebengebirge nahe des damaligen Dorfes Winter
(heute Königswinter) nieder. An seine Klause bauten bald Gleichgesinnte
weitere Behausungen, so daß einige Zeit später anno 1142 Papst
lnnozenz II. durch eine Bulle vom 12. Juni die Eremitenniederlassung "Unsere
liebe Frau auf dem Stromberge" in seinen besonderen Schutz nahm und dem kleinen
Kloster die Regeln der Chorherren des hl. Augustinus gestattete. Zuwendungen
und Privilegien des Erzbischofs von Köln ließen das Kloster bald auf
blühen. So wohnten über 50 Jahre die Augustiner auf dem Stromberge,
rodeten den Wald in Ackerland, aber die Ernten gediehen in dem rauhen
Gebirgsklima schlecht. Eine Verlegung des Klosters wurde immer wieder erwogen,
bis Philipp I. von Heinsberg 1167 auf den erzbischöflichen Stuhl von
Köln gelangte. Als treuer und mächtiger Freund Kaiser Barbarossas
genoß jener besonders im Rheinland großes Ansehen. Er war ein
Bewunderer des Zisterzienserordens, der in Burgund unter seinem vierten Abt,
dem großen Heiligen Bernhard von Clairveaux, einen solchen Aufschwung
nahm, daß fünfzig Jahre nach Gründung des Ordens durch den hl.
Robert von Molesme in Citeaux bereits an fünfhundert Abteien trotz (oder
vielleicht wegen), der außergewöhnlich strengen Regeln bestanden. In
seiner Eigenschaft als Schirmvogt des Klosters auf dem Stromberge ließ
Erzbischof Philipp im Jahre 1188 vorn Mutterkloster der Zisterzienser in
Deutschland, der Abtei Himmerod in der Eifel, zwölf Mönche unter der
Leitung des Priors Hermann, der früher Kanoniker des St. Cassiusstiftes in
Bonn war, zum Siebengebirge kommen, und das dortige Kloster im Sinne der
zisterziensischen Ordensregeln umzuwandeln. Zudem ließ er dort noch eine
Kapelle dem hl. Petrus weihen, weshalb der Klosterberg auch "Petersberg"
genannt wurde. Der Name hielt sich bis in die Neuzeit Vier Jahre nach der
Übernahme des Klosters siedelten die Zisterzienser vom Stromberge in das
darunterliegende Tal um, wo der Kallenbach durch ein mit Heisten (altdeutsche
Bezeichnung für Buchen) bestandenes Gelände floß, die dem neuen
Kloster auch den Namen gaben. Dieser Wechsel war nicht nur durch das
ungünstige Klima auf dem Berg geboten, vielmehr entsprach er der
Gewohnheit der Zisterzienser, die grundsätzlich in einsamen Tälern
ihre Niederlassungen errichteten, wie auch ein alter Spruch aussagt: montes
Benedictus, Bernardus valles amabat = Benedictus liebte die Berge (Monte
Cassino), Bernardus die Täler! Übrigens bauten die Zisterzienser ihre
Klöster immer im gleichen Grundriß, da die Einheit der
Ordensverfassung für die absolute Gleichheit der Baupläne sorgte.
Wenn also innerhalb des Ordens ein Mönch in ein anderes Kloster beordert
wurde, fand er sich sofort zurecht und war auch gleich heimisch.
Papst Cölestin III. übermittelte am 10. Juni 1193 dem
jungen Kloster Heisterbach einen Schutzbrief und bestätigte Privilegien
und Besitzungen, darunter Güter zu Burg, im Gebiet des Siebengebirges,
weiter über den Rhein in Meckenheim. Bonn und Dollendorf. Allerdings waren
die Anlieger des Klosters von dem Auftreten der Zisterzienser wenig erbaut, da
sie besorgt darüber waren, daß die Mönche wie in Himmerod alles
Land um sich her erwerben würden. So ließ sich Graf Heinrich II. von
Sayn als Vogt der bäuerlichen Ansiedlungen im Tal von Heisterbach, welche
die Gräfin von Molbach schon den Augustinern auf dem Stromberge vermacht
hatte, von den Zisterziensern das Versprechen geben, daß sie kein Land
ankaufen wollten, das seiner Vogtei unterstünde. Das Heisterbacher
Urkundenbuch vermerkt dies ausdrücklich. Der Sayner Graf hatte böse
Erfahrungen mit der Abtei Siegburg in dieser Hinsicht machen müssen, als
er mit seinem Brüder Eberhard II. die mächtige Feste Blankenberg im
oberen Siebengebirge errichten ließ. Durch einen Vergleich, vermittelt
durch den Erzbischof von Köln, konnte anno 1184 dieser Streit, der zur
Entscheidung bis zum Papst Julius III. sich ausweitete, beigelegt werden. Der
Sohn Heinrichs II., Graf Heinrich III. vermied dagegen weitere
Auseinandersetzungen mit den Klöstern und war darauf bedacht, im besten
Verhältnis mit den Orden innerhalb seines Herrschaftsgebietes zu bleiben.
So wurden er und auch seine Gemahlin Mechthild zu großen Gönnern der
Abtei Heisterbach. Die älteste Urkunde, die hierüber berichtet,
gehört dem Jahre 1216 an. Kurz vorher war die Schwiegermutter Graf
Heinrichs III., Gräfin Jutta von Landsberg, gestorben. Auf ihrem
Sterbebett hatte sie letztwillig den Wunsch ausgedrückt, daß ihr
eine Begräbnisstätte im Kloster Heisterbach bereitet würde. Der
Abtei vermachte sie damals zwei Kölner Mark (= 1 Pfund Silber), die aus
dem Hofe Benzinghausen jährlich zu Martini (11.November) gezahlt werden
mußten. Graf Heinrich III. änderte später diese Schenkung auf
Wunsch seiner Gemahlin dahin, daß er anstatt der zwei Kölner Mark
dem Kloster einen beträchtlichen Teil eines Waldes in Witterschlick
überließ.
So wuchs der Besitz der Abtei ständig, zumal sie immer
stärker zur Zufluchtstätte für Laienstand und Weltgeistlichkeit
wurde und Erbgüter übernahm. Viele Mitglieder des Konvents, wie
Dietrich von Wied, Ludwig von Are und Konrad von Thüringen entstammten
alten Adelshäusern. Das "Kloster der unbefleckten Gottesgebärerin
Maria im Peterstale", wie es bisweilen auch genannt wurde, entwickelte sich
immer stärker zum geistlichen Mittelpunkt der Region. Und es war Anfang
des 13. Jahrhunderts üblich, daß die Großen dieser Zeit ihre
letzten Lebensjahre dort verbrachten, so daß damals das geflügelte
Wort "Zum Rheine gehen" (über den Rhein nach Heisterbach gehen) identisch
mit dem Begriff "zum Sterben gehen" aufkam. Ein verwitterter Grabstein,
den man in den Anlagen des heutigen Heisterbach fand, gibt mit einigen noch
lesbaren Buchstaben darüber kund, daß auch die jüngste
Schwester Heinrichs III., Gräfin Agnes, die einen Grafen von Blies-Castell
geheiratet hatten, dort ihre letzte Ruhestätte fand.
Die weitere günstige Entwicklung des Klosters Heisterbach
wurde jedoch stark durch den ausbrechenden Bürgerkrieg zwischen Staufen
und Welfen beeinträchtigt. Herzog Philipp von Schwaben, Bruder des kurz
zuvor verstorbenen Kaisers Heinrich VI. (von Hohenstaufen), Barbarossas Sohn,
stand im hartnäckigen Ringen mit Herzog Otto von Braunschweig, dem Sohn
Heinrichs des Löwen, der von der Welfenseite als König ausersehen
war. Dieser verheerende Krieg zwischen den beiden Thronprätendenten
spielte sich zum größten Teil am Mittelrhein ab, wo Dörfer und
Städte in Schutt und Asche sanken, so unter anderen Andernach, Remagen und
Bonn. Auch die Abtei Heisterbach wurde von einer böhmischen Kriegsschar,
Hilfstruppen der Staufer, geplündert und zum Teil zerstört.
Auf den Abt Hermann (aus Himmerod) war inzwischen Abt Gevardus
gefolgt, ein ebenso tatkräftiger wie auch mildtätiger Mann, der in
jener Zeit der allgemeinen Bedrängnis und Hungersnot täglich bis zu
zweitausend Arme, die zum Kloster geflüchtet waren, speisen und ihnen
Obdach gewähren ließ. Nachdem sich die Kriegsunruhen verzogen
hatten, zeigte Abt Gervadus seine weiteren hervorragenden Eigenschaften als
kunstverständiger Bauherr. Denn im März 1202 legte er den Grundstein
zu der prächtigen Kirche, deren Chor selbst noch als Ruine heute
Bewunderung auslöst Der Ordensvorschrift der Zisterzienser
gemäß ohne hohen Turm erstand der gewaltige Bau in einer Länge
von 78 Metern mit einem herrlichen Kreuzgang, der allein 200, mit Säulen
versehene Bogenöffnungen hatte. Im Stile der französischen Gotik, wie
sie in der Picardie (Nordfrankreich) anzutreffen ist, wuchs innerhalb von
fünzig Jahren eine Klosteranlage, die zu den schönsten im Rheinland
zählte.
Anno 1208 starb Abt Gevardus. Zu seinem Nachfolger wurde Abt
Heinrich I. auf Walberberg bei Brühl gewählt der den Klosterbau 1237
vollendete. Er war auch derjenige, der eine Zisterzienserniederlassung im
Westerwald bei Hachenburg, Kloster Marienstatt, im Jahre 1222 errichten
ließ. Während seiner Abtzeit erreichte Heisterbach seine
größte Ausdehnung Besitzungen in mehr als vierzig Dörfern und
Städten im weiten Umkreis von Eifel, Hunsrück, Pfalz, Westerwald und
Siegkreis.
Während der Zeit, in der Abt Heinrich I. das Kloster
Heisterbach leitete, arbeitete dort als Prior und später als
Novizenmeister der berühmte Schriftsteller Cäsarius von Heisterbach.
Um die Bewahrung alten Sagen-und Legendengutes tat er sich zunächst
hervor, daß er in seinen Büchern unter dem Titel "Dialogus
miraculorum", also in Zwiegesprächen, veröffentlichte. Weiter schrieb
er verschiedenen Biographien, so eine über den Kölner Erzbischof St.
Engelbert I., Graf von Berg, der er den Titel "Vita Engelberti", gab und in der
er das damals unerhörte Ereignis der Ermordung dieses Kirchenfürsten
und Kanzlers des Reiches ausführlich schildert. Auch eine
Lebensbeschreibung der hl. Elisabeth von Thüringen, deren Mägde er
noch befragte, Verfaßte er. Jedoch dürfte sein Hauptwerk seine
große geistliche Anekdotensammlung sein, die für die deutsche Sagen-
und Kulturgeschichte von eminenter Bedeutung ist. Auch seine theologischen
Schriften enthalten eine Fülle historischer Notizen, wobei mitunter
philosophische Erkenntnisse eingefügt sind, so z.B. ein Satz in Latein,
der auch mit Abstrichen einiger Buchstaben ebenso sinngemäß
rückwärts gelesen werden kann: "In cirgum imus noctae et consumimus
igni (Passionibus) = Wir gehen im Kreise im Dunkeln und verzehren uns durch das
Feuer (der Leidenschaften) Während er in seinen retigösen
Darlegungen voll Tiefe und Strenge ist, weht in seinen Erzählungen oft ein
geradezu spukhafter Geist. Doch muß gegenüber einem evtl. Vorwurf
der Wundersucht und Leichtgläubigkeit bei ihm berücksichtigt werden,
daß er diese Erzählungen nicht als historische Vorgänge
darstellte, sondern eher im erbaulichen Sinne nacherzählte, wobei er
Ergänzungen und Betrachtungen hinzufügte. Überdies war er ein
Mensch des Hochmittelalters, in dem übernatürlich Erscheinendes ohne
Bedenken geglaubt wurde. So berichtetet er im Buch VIII, Abschnitt 54, seiner
Erzählungen von der Heilung eines Ritters im Gefolge Graf Heinrichs III.
von Sayn auf wunderbare Weise. Durch Auflegen einer Reliquie in der Abtei
Heisterbach. Es handelte sich um den Zahn des hl. Johannes des Täufers.
Bevor auf dieses Ereignis einzugehen ist, muß zunächst die gesamte
Vorgeschichte hierzu dargelegt werden.
Der oströmische Kaiser Justinian (518-565) ließ jene
kostbare Johannes Reliquie in seiner von 532-537 errichteten, damals
größten Kirche der Christenheit, in der "Hagia Sophia" (Kirche zur
göttlichen Weisheit) in einem wertvollen Reliquiar aufbewahren. Justinian
I. war übrigens der Kaiser, der noch einmal die Einheit des römischen
Reiches verwirklichte, nachdem unter Diokletian (284 305) das weiträumige
Imperium in ein westliches und ein östliches Herrschaftsgebiet aufgeteilt
worden war, um es besser verwalten zu können. Als Hauptstadt des
östlichen Reiches erbaute dann Kaiser Konstantin (324 337) an der
äußersten Spitze Europas, am sog. Goldenen Horn, seine Stadt, die
auch nach ihm ihren Namen erhielt: Konstantinopel, auf griechisch: Byzantion,
verstümmelt: Byzanz. Das oströmische oder byzantische Reich hielt
sich bis zur Eroberung dieser mächtigen Stadt durch die Türken im
Jahre 1453. Das weströmische Reich dagegen ging schon wesentlich
früher unter, denn schon ab 475 n. Chr. reißt die Reihe der
westlichen Kaiser ab. Von da an besteht die Geschichte Roms nur noch im Ablauf
der Barbareneinfälle in Italien (Hunnen. Vandalen, Goten, Normannen). In
den Zwischenzeiten übten griechisch-byzantinische Kaiser die Herrschaft
auch über das ehemalige weströmische Gebiet aus, was auch kulturelle
Auswirkungen hatte. So finden sich z.B. bei den Grabmälern der damaligen
Päpste griechisch geschriebene Grabtafeln, da auch der Stuhl Petri in
jener Zeit von Griechen besetzt war, wie von 221 - 227 dem Byzantiner Calixtus.
Über 200 Jahre war die Kirchensprache das Griechische. Viele der
hauptsächlichsten christlichen Bezeichnungen in Liturgie und Lehre bis auf
den heutigen Tag sind griechischen Ursprungs, z.B. Chrisma, Katechismus,
Eucharistie, Presbyter, Diözese, Hymne, Psalm u.a. Die gesamte damalige
Kunstauffassung, von der Antike übernommen, schlug sich auch in den
Darstellungen der ersten Christen in Rom und in Kleinasien nieder. So hatte man
damals in den Abbildungen, die in Katakomben entdeckt wurden, den ans Kreuz
geschlagenen Christus kaum dargestellt, wie er später im Mittelalter
geschaffen wurde. Vielmehr stellte man den Heiland meist als guten Hirten oder
im Kreise seiner Jünger dar. Es wehte hier eher eine frohe Erwartung auf
die baldige Rückkehr des Herrn durch alle Darstellungen, und es fielen die
in der Kunst der späteren Zeiten einen so breiten Raum einnehmenden
Passionsdarstellungen weg. Erst außerhalb des griechischen
Einflußbereiches mehr im Norden entwickelte sich eine Kunst, die die
Passion und das christliche Märtyrertum darstellte. Auch die
Versammlungsorte der frühen Konzilien deuten auf den starken
byzantinischen Einfluß hin, so das 1. Konzil in Nicäa bei
Konstantinopel im Jahre 325 n. Chr., das 2.Konzil 381 direkt in der
oströmischen Metropole, weiter das 3. Konzil 431 in Ephesos und anno 451
schließlich das 4. Konzil zu Chalcedon gegenüber von Konstantinopel
auf der anderen Meerseite.
Ab dem Jahre 775 n. Chr. ging das byzantinische Reich (Ostreich)
seinen eigenen Weg, während der lateinische Westen .mehr und mehr von den
Päpsten in Rom geleitet wurde, bis Leo III. im Jahre 800 in der damaligen
Peterskirche den fränkischen König, Karl den Großen, zum
westlichen Kaiser krönte und die große Zeit des Römischen
Reiches Deutscher Nation begann
Das oströmische oder byzantinische Reich verlor in den
nächsten Jahrhunderten immer stärker die Bindungen, die es kulturell
und religiös noch mit dem Westen verband, bis es schließlich
innerhalb der Kirche im Jahre 1054 zum sog. morgenländischen Schisma kam.
Als nämlich der Patriarch von Konstantinopel, Michael Cerularius
(1043-1058), in der Stadt alle Kirchen der Lateiner schließen und ihre
Klöster unter fadenscheinigen Argumenten aufheben ließ, beauftragte
der damalige Papst Leo IX. (1049- 1054) den gelehrten Kardinal Humbert von
Silva Candida den schweren Streit im Osten beizulegen, zumal der
oströmische Kaiser Konstantin IX. Monomachos dringend darum bat. Doch
wollte der Patriarch die päpstliche Gesandtschaft nicht empfangen, auch
keine einzelnen Legaten, darunter der Kardinal Humbert. Er verbot ihnen sogar
die Feier der hl. Messe in der Stadt. So blieb jenen nur noch der für den
Fall des Mißlingens ihres Auftrages vorgesehenen letzten Schritt. Am 16.
Juni 1054 legten sie die von dem Kardinal Humbert gegen den Patriarchen und
seine Anhänger verfaßte Bannbulle auf dem Hauptaltar der Hagia
Sophia vor allem Volk und dem Klerus mit den Worten nieder: "Gott sehe es und
richte !" Dann reisten sie zum Bedauern des Kaisers ab. Der Bruch blieb seitdem
trotz der Einigungsversuche auf den Konzilien von Lyon (1274) und Florenz
(1439) bestehen. Die römischkatholische und die griechisch-orthodoxe
Kirchen gingen völlig verschiedene Wege. Während die Kirche im Westen
in ständigem Kampf mit dem Kaisertum geriet und auch durch die Reformation
Luthers gespalten wurde, blieb die Ostkirche weiter stark in der Einheit und in
der Tradition. Sie kannte von nun an keine dogmatischen Änderungen mehr,
keine Konzilien zu ständigen Reformen, keine Inquisation und
Scheiterhaufen, unverändert wie vor 1000 Jahren blieb ihre Liturgie, die
heute mit ihren Gesängen und ihrer kultischen Pracht, z.B. bei den
Osterfeiern, auch Andersgläubige begeistert und tief beeindruckt.
Erst kürzlich am 29. Mai dieses Jahres trafen sich auf
Ägäis-Insel Patmos hohe Vertreter der beiden großen Kirchen des
Ostens und des Westens, um in einem theologischen Dialog die Bemühungen um
eine Wiederherstellung der christlichen Einheit und insbesondere die
Wiedervereinigung, die mit dem Bruderkuß zwischen Papst Paul VI. und dem
ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras,. in Jerusalem im
Januar 1964 begonnen haben, nun intensiv fortzusetzen.
Das byzantinische Ostreich hatte sich bis zu Beginn des 13.
Jahrhunderts durch alle Wirren und Bedrängnisse der Völkerwanderung
behaupten können und stand weiterhin mit seiner mächtigen Hauptstadt
Konstantinopel als Bollwerk gegen die vom Osten Kleinasiens her
vorrückenden Steppenvölker. Seine Flotten beherrschten das Mittelmeer
und sperrten die Dadarnellen. Die byzantinische Oberherrschaft bestand noch bei
verschiedenen Küstengebieten an der Adria, sowohl auf dalmatinischer Seite
als auch auf der italienischen. Besonders die auftrebende. Seemacht Vendig
drängte, mit List und Macht sich ihrer zu entledigen. Schließlich
ergab sich für den Dogen Enrico Dandolo beim vierten Kreuzzug, die
Gelegenheit, Byzanz, den verhaßten Nebenbuhler, entscheidend zu
schwächen. Er heckte einen teuflischen Plan aus, dessen Nachwirkungen
für Europa, verhängnisvoll wurden. Der Historiker Erhard Kästner
schreibt hierüber: "Europa feierte damals einen seiner glorreichen
Selbstmordversuche, in denen es sich bis zum heutigen Tag so geübt hat,
daß es zur Meisterschaft fortschritt!"
In der Tat noch. heute ist es unfaßbar. wie damals solches
geschehen konnte. Enrico Dandolo, ein neunzigjähriger Greis, halb
erblindet, doch noch mit messerscharfem Verstand, gelang es, im Jahre 1204 die
Anführer des IV. Kreuzzuges, vor allen anderen Balduin von Flandern und
Bonifacius von Montferrat, mit ihren christlichen Rittern, fränkische,
burgundische, flandrische, lothringische, rheinische, alemannische,
provencalische Edle für die Eroberung von Konstantinopel zu gewinnen. Das
Kreuzheer lag seit Wochen in Venetien und wartete auf die Einschiffung, die
meist venezianische Galeeren übernahmen, gegen Geld natürlich. Aber
gerade das kam nicht in ausreichendem Maße zusammen. Der Winter nahte,
das Heer litt auch sonst unter Versorgungsschwierigkeiten. Es steckt in einer
Zwangslage. Da brachten die Venzianer mit tausend Listen, Überredungen,
den Einen gegen den Anderen ausspielend, die Kreuzritter, die ausgezogen waren
zur Eroberung des Heiligen Landes, soweit, daß sie das Angebot annahmen,
für 85.000 kölnische Mark den Raubzug gegen Byzanz zu unternehmen.
Für diese Summe ließen sie sich kaufen, verrieten die Ideale ihres
Auf bruchs, ihrer eigentlichen Ziele und sahen in der Einnahme Konstaninopels
eine Beute, die sie sich nicht entgehen lassen wollten, obwohl hier keine
Ungläubigen niederzukämpfen waren. Fünfzig Galeeren stellte
Venedig, dazu Verpflegung für 13.500 Ritter mit ihren Pferden, ferner
für 20.000 Gewappnete.
Der damalige Geschichtsschreiber der Kreuzfahrer, der den Zug
mitmachte, Gottfried von Villehardouin, schildert den Raubkrieg
ausführlich, wie zunächst alle byzantinischen Stützpunkte in
Dalmatien erobert wurden, ehe der Vorstoß ins ägäische Meer und
zum Goldenen Horn mit seiner mächtigen Bastion Konstantinopel
erfolgte.
Schon der Erbauer dieser Stadt, Kaiser Konstantin der Große,
ließ 330 n. Chr. starke Befestigungen um sie errichten. Anno 500 n.Chr.
baute dann Kaiser Theodosius II. die inzwischen zu einer Riesenstadt
angewachsene Metropole zu einer mächtigen Festung aus, die in Dreiecksform
an den beiden Landseiten mit Vormauern und 26 Türmen und dahinter nochmals
mit 11 m hohen Mauern und insgesamt 96 Türmen angelegt war. Zwischen den
Mauern befand sich ein 7 m tiefer und 18 m breiter Graben. Die Seemauer,
ebenfalls 11 m hoch, zog sich 9000 m entlang des Bosporus hin und war durch
rund 100 Türme zusätzlich verstärkt. Ausgangs des 11.
Jahrhunderts lebten über 600.000 Griechen in Konstantinopel. Bis dahin
hatten die Einwohner allen Anstürmen der Hunnen, der Goten, der Awaren,
der Perser, Slaven, Bulgaren, Gepiden, der furchtbaren Seldschucken (Araber) in
der Vergangenheit getrotzt, nun aber näherte sich ein in Eisen gewappnetes
Heer, unterstützt von einer Flotte mit damals modernem technischen
Sturmgerät, das auch sofort eingesetzt wurde. Aber die Griechen unter
ihrem Kaiser Alexius V. Dukas-Murzuphlos verteidigten tapfer ihre Stadt. Doch
mit den Tagen erlahmte mehr und mehr die Widerstandskraft, bis sich dann das
Ende anbahnte.
Dies geschah wie folgt: Die venezianischen Galeeren, schon in
Gefechten mit byzantinischen arg mitgenommen, wurden von den Kreuzrittern
paarweise mit Ketten aneinandergebunden, um breitere Plattform für den
Ansturm von der Seeseite zu haben. Zusätzlich hatte man von Mast zu Mast
Leitern und Rahstangen befestigt. Dann ließ man die Schiffe im starken
Wind gegen die Stadtmauern treiben, die hier bis zum Wasser standen. Die Maste
der Schiffe reichten in der Höhe bis an die Mauerkronen. Mit raschem
Hinüberschlagen der Leitern von den Mastkörben zu den Mauern gab es
plötzlich die Möglichkeit, auf sie zu gelangen. Und verwegene Ritter,
es waren Franzosen, kletterten über die Leitern, das Schwert in der Hand
hinüber und sprangen unter die Verteidiger. Sofort Nachrückende
unterstützten sie, und bald war der erste Turm erobert. Wie rasend um sich
schlagend, erreichten die Franzosen rasch das erste Stadttor und öffneten
es den hereinströmenden anderen Angreifern an der westlichen Landseite.
Panik ergriff die Griechen, die sich zur Stadtmitte zurückzogen. Bald zog
von dort den weiter Nachstürmenden eine Prozession aus der Hagia Sophia
ent entgegen, um Gnade bittend, Doch jene hieben diese nieder und steigerten
sich in einen Blutrausch, dem kein Einhalt mehr geboten werden konnte. Tagelang
wurde geplündert, gemordet und geschändet. Gottfried von
Villehardouin, der Chronist, schreibt: "Niemals seit Erschaffung der Welt sei
soviel in einer einzigen Stadt gestohlen und geplündert worden, und
niemand könne das Gold und das Silber und das kostbare Geschirr und die
heiligen Geräte und die unermeßlichen Werke der Kunst zählen,
die damals aus Kirchen und Palästen, öffentlichen Bauten und Anlagen
geraubt und zum größten Teil zerstört wurden." Vieles an Gold
und Silber wurde eingeschmolzen, damit es als Raubgut nicht erkannt wurde. Nur
wenige Kostbarkeiten entgingen der Zerstörung, so z.B. die vier antiken
Pferde am Markusdom in Venedig neben Reihen von Säulen in ihm. Vieles
gelangte auch nach Deutschland, wo es heute in Museen und in den
Domschätzen zu finden ist, so auch in Köln und Limburg und anderswo.
Vor allem Reliquien in wertvollen Reliquiaren verschwanden aus den Kirchen
Konstantinopels in jenen Tagen des Schreckens und tauchten auf den
verschlungensten Wegen in Italien, Frankreich und Deutschland auf, so daß
man sich noch heute fragt, wie kommt der Splitter des hl. Kreuzes oder die
Reliquien der hl. Drei Könige ins Rheinland? Die Beantwortung dieser Frage
führt meist auf dieses Ereignis der Plünderung Konstantinopels
zurück, das in seinen Mauern Kostbarkeiten von Jahrhunderten aufbewahrt
hatte, darunter viele Reliquien aus dem biblischen Land.
Der Hauptstadt des bzantinischen Reiches war seit dieser
Katastrophe das Rückgrat gebrochen. Mehrere Wellen griechischer Emigranten
wandten sich gegen Westen, bis schließlich, nur noch 40.000 Einwohner
zurückblieben. Entscheidend geschwächt, konnte Konstantinopel sich
nicht mehr erholen, um weiterhin als Bollwerk gegen Kleinasien zu stehen. So
ist es auch zu erklären, weshalb diese einst so mächtige Stadt dem
gewaltigen Ansturm der Osmanen (Türken) unter dem jungen Sultan Mechmed
II. nicht lange Widerstand leisten konnte und am 29. Mai 1453 fiel. Diese
Bresche zum Vormarsch auf dem Balkan, der dann bis vor Wien zur tödlichen
Bedrohung Europas wurde, ist schon damals im Spätjahr 1204 von
christlichen Rittern gelegt worden.
Unter den Plünderern jener Tage befand sich auch der
rheinische Ritter Heinrich von Uelmen, über dessen Beute im nächsten
Kapitel zu berichten sein wird, da sie mit dem Wunder von Heisterbach
zusammenhängt.
Der Ritter Heinrich von Uelmen (Eifel) brachte die kostbare
Reliquie eines Zahnes des hl. Johannes des Täufers vom IV. Kreuzzug in die
Rheinlande. Wie in einer Chronik die Plünderung verschleiernd
recht merkwürdig berichtet wird, hatte jener ".... bei der Einnahme
von Constantinopel gleich vielen seiner Genossen die Heiligthümer der
Hagia Sophia zum Gegenstand frommen Raubes erlesen. Reichlich damit beladen,
kehrte er nach Deutschland zurück, geriet jedoch während einer Fehde
in die Gefangenschaft des Reichsministerialen Werner von Bolanden (Pfalz), der
ihn in harter Haft im Verlis schmachten ließ ...." Und die Chronik
berichtet weiter: ".....Da träumte eine Nonne des Klosters Stuben, Ritter
Heinrich würde befreit werden, sobald er jenen inzwischen überall
berühmten Zahn des hl. Johannes der Abtei Heisterbach zum Geschenk gemacht
habe. Was der Traum verkündet hatte, geschah, als sich der Ritter, wenn
auch mit schwerem Herzen, von seinem liebsten Kleinod, für das er auf
seiner Eifelburg eine besondere Kapelle hatte erbauen lassen, trennte."
Die Verbindung des Klosters Stuben mit dem Ritter von Uelmen bestand bereits
lange, da er auch diesem Augustiner-Nonnen-Kloster (gegenüber dem Moselort
Bremm) im Jahre 1208 eine sehr wertvolle Reliquie überlassen hatte, eine
sogenannte Staurothek. Es ist dies ein überaus kostbarer Behälter
einer Kreuzesreliquie, der in der Zeit von 948 - 959 in den
Kunstwerkstätten von Byzanz hergestellt worden war. Er gelangte mit der
Reliquie nach Aufhebung des Stubener Klosters 1794 durch französische
Revolutionstruppen zunächst nach Trier, wurde aber dann durch Anordnung
des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 an das Herzogtum Nassau ausgeliefert,
wo er 1827 dem neugegründeten Bistum Limburg überlassen wurde. Die
Staurothek gehört heute zum Schatz des Limburger Domes und ist auch dort
zu besichtigen.
Die Übergabe der berühmten Zahn-Reliquie an Heisterbach
bedeutete für die Abtei einen großen Gewinn, wurden doch im
Mittelalter gerade allgemein bekannte Reliquien als besonders wertvoll
angesehen. So befanden sich zum Beispiel unter den Reichskleinodien neben
Krone, Zepter und Reichsapfel auch verschiedene Reliquien in kostbaren
Reliquiarien, darunter auch ein weiterer Zahn des hl. Johannes des
Täufers. Diese Reichskleinodien wurden anno 1106 mit den Reichsinsignien
auf einer Fürstenversamm lung in Mainz vom Kanzler des Reiches, Erzbischof
Rudhard von Mainz, an König Heinrich IV., dem späteren Kaiser,
ausgehändigt. Neunzehn Jahre später übergab der sterbende
Kaiser, der letzte Salier, diese Reichskleinodien seiner Gemahlin Mathilde mit
dem Auftrag, sie auf die Burg Hammerstein, oberhalb von Honnef, die im
Reichsbesitz war, bringen zu lassen. Von hier wurden dann die Insignien zur
Krönung zum Kaiserdom in Aachen jeweils abgeholt und wieder
zurückgebracht. Denn Burg Hammerstein war damals eine sichere und durch
die Felsenhöhe uneinnehmbare Feste. In ihren starken Mauern barg sie auch
die andere Reliquie eines Zahnes des hl. Johannes des Täufers. Es befand
sich also ganz in der Nähe von Heisterbach eine zweite Zahn-Reliquie, die
allerdings nicht zugänglich war. Als kirchliches Gegengewicht ließ
man dann auch der Abtei eine gleich bedeutende zukommen.
Aus den "Homilien", dem Sammelband über Ereignisse damaliger
Zeit, von Caesarius von Heisterbach erfährt man, daß Caesarius bei
Abholung des Zahnes seinen Abt nach der Burg Uelmen in der Eifel begleitete. In
seinen späteren Schriften kommt Caesarius wiederholt auf diese Reliquie,
die sich nun in der Abtei Heisterbach befand und der inzwischen Wunderheilungen
nachgesagt wurden, zu sprechen. In seinem "Dialogus miracolorum" schildert er
im Buch VIII, Abschnitt 54, als große Besonderheit eine wunderbare
Begebenheit, die sich wohl zwischen 1210 und 1220 abgespielt haben mag, da jene
Aufzeichnungen im Jahre 1221 abgeschlossen wurden. Hier ist wie folgt
nachzulesen: "Graf Heinrich von Sayn hatte einen achtbaren, aber des Verstandes
beraubten Ritter, den er hoch schätzte. In der Hoffnung, derselbe
könne sowohl durch die Kraft unserer Heiligtümer, als auch durch
unser Gebet geheilt werden, brachte er den Kranken zu uns. Kaum aber mit
dem hochheiligen Zahn des Johannes berührt, empfand der Ritter die Wirkung
dieser Berührung und nur einen Bogenschuß weit vom Kloster entfernt,
erklärte er sich freudig für genesen"
In jener Zeit der tiefen Gläubigkeit wurde natürlich
dieses Ereignis von Burg zu Burg, von Ort zu Ort in heiligem Schauer
weiterberichtet. Es spricht viel für den Charakter des großen
Grafen, der seinen Gefolgsmann, als jener schwer erkrankte nicht einfach seinem
Schicksal überließ. Er brachte ihn nicht, dem Brauch damaliger
Heilpraktik entsprechend, in einem vergitterten Raum unter, sondern zu den
Zisterziensern nach Heisterbach, wenn es auch noch so aussichtslos zur Heilung
schien.
Graf Heinrich III. von Sayn blieb der Abtei weiter sehr gewogen,
mit Zuwendungen und Privilegien. Erstaunt liest man in seinem Testament
allerdings nichts von einer letztwilligen Verfügung zu Gunsten dieses
Klosters, obgleich man der Umstände wegen, die oben geschildert sind, eine
solche hätte erwarten können. Wohl traf Graf Heinrich III. eine
Verordnung, die aber erst indirekt der Abtei im Siebengebirge zugute kam. Einen
schon früher angeregten Plan, ein Hospital für dreizehn Arme bei
seiner Stadtburg Blankenburg a.d. Sieg zu erbauen, legte der sterbende Regent
seiner Gemahlin Mechthild noch einmal ans Herz wie diese Februar 1253 in einer
Urkunde bekannte. Gräfin Mechthild schritt auch zur Ausführung, aber
sie ließ das Hospital nicht in Blankenberg errichten, sondern das bereits
in Heisterbach bestehende Hospital um weitere dreizehn Pflegestellen für
Arme erweitern.
Über das weitere Schicksal der Abtei Heisterbach ist zu
berichten, daß bald nach der Regentschaft Graf Heinrichs III. von Sayn,
in dessen Machtbereich ja das Kloster lag, dort mehr und mehr ein
wirtschaftlicher Niedergang erfolgt Erst unter dem Abt Theoderich II. erholte
sich die Abtei, da jener es verstand, aus den klostereigenen Steinbrüchen
des Stenzelberges beim Drachenfels, die Steine zum Dombau nach Köln
lieferten, Gewinne zu erzielen, da der dortige Trachyt gesucht war.
Während des sog. "Truchseßschen" oder auch "Kölner Krieges" von
1582 - 85 wurde das Kloster von Landsknechten des abgefallenen Kurfürsten
Gebhard II., Truchseß von Waldburg, überfallen und Abt Johann VI.
nebst zwei Brüdern zur Godesburg verschleppt. Erst bayrische Truppen
befreiten sie ein halbes Jahr später. Dann brachen niederländische
Freischärler unter ihrem Anführer Martin Schenk in das Kloster ein,
plünderten es aus und steckten es in Brand, so daß
größtenteils alles zerstört war. Dieser Zustand blieb über
die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, bis es dem Abt Johann VII. in
zäher Arbeit gelang, die Gebäude in alter Schönheit
wiederherzustellen. Ausgangs des 17. Jahrhunderts hatte die Abtei ihren alten,
guten Ruf wiedererlangt, so daß damals drei Lehrstühle errichtet
wurden: in Heisterbach, Marienstatt und Himmerod, die sämtlich mit
Zisterziensern aus Heisterbach besetzt wurden. Während der schlimmen
Raubkriege Ludwig XIV. von Frankreich, die die Rheinpfalz, Rheinhessen und
weite Teile des Rheinlandes verheerten und auch während des Spanischen
Erbfolgekrieges, der sich ebenfalls größtenteils hier am Rhein
abspielte, hatte auch die Abtei Heisterbach Gewalttaten und wiederholte
Plünderungen zu erleiden. Doch konnte sie sich unter dem energischen Abt
Ferdinand Hartmann von Mehlem erholen.
Erst die Zeit Napoleons I. brachte für Heisterbach das Ende.
Denn im Frieden von Luneville anno 1802 mußten alle deutschen Gebiete
links des Rheins an Frankreich abgetreten werden, während die hiervon
betroffenen Landesherren durch meist geistliche Besitztümer rechts des
Stromes entschädigt wurden. Diese schwerwiegenden Veränderungen
wurden zwar von einer Deputation des Reichstages vorgenommen, dem sog.
Reichsdeputationshauptschluß von 1803, tatsächlich aber wurde alles
in Paris entschieden. So erhielt das Herzogtum Berg die Abtei Heisterbach
zugesprochen, die sofort aufgelöst wurde.
Einige Jahre später gab man dann 1810 die herrliche Kirche
nebst dem anstoßenden Kreuzgang zum Abbruch frei. Erst gegen Mitte des
vorigen Jahrhunderts ließ dann die preußische Verwaltung den
weiteren Verfall stoppen, aber es war längst zu spät. Nur noch Teile
des Chorgebäudes konnten erhalten werden. Die einst reiche,
künsterlisch hochwertige Ausstattung der Abtei war bereits in alle Winde
verstreut; darunter die illuminierte "Heisterbacher Bibel" um 1240 (heute in
der Staatsbibliothek Berlin) und der sog. "Heisterbacher Altar" aus der
Werkstatt Stephan Lochners um 1440, dessen Tafeln an mehrere Museen
(München, Nürnberg, Köln) gelangten.
Die Ruine des spätromanischen Chores, ein selbst als Torso
bedeutendes Baudenkmal der Stauferzeit, erinnert heute den Besucher auch an
jene Legende vom Mönche der einst im Heisterwald sich erging und, dort der
Erde entrückt, erst nach drei Jahrhunderten wieder unter die Brüder
kehrte, wo ihn keiner mehr kannte, während er glaubte, nur kurze Zeit
weggewesen zu sein. Denn bei Gott sind "Tausend Jahre wie der gestrige Tag,
wenn er vergangene wie eine Wache in der Nacht." (HI. Schrift, 90. Psalm, Vers
4).
Dieser Aufsatz ist erstmals erschienen in:
Bendorfer-Zeitung als Fortsetzung, beginnend 31. Mai 1980
Exkurs: zur Geschichte
Im Jahre 1192 stieg ein Cister[c]ienserkonvent aus
Himmelrode i.d. Eifel, der seit dem Jahre 1189 in den von einer
Augustiner-Genossenschaft verlassenen Zellen auf dem Petersberge gewohnt hatte,
in das Thal von Heisterbach und gründete hier die Abtei. 1202 wurde der
Grundstein zur Kirche gelegt, die 1232 vollendet und 1808 seitens der
Bergischen Regierung auf Abbruch verkauft wurde. Das Langschiff derselben war
ca. 64 m lang, 24 m breit, 26 m hoch, das grosse Querschiff 48 m lang. Zu Ende
des 12. und Beginn des 13. Jahrhunderts lebte in Heisterbach der gelehrte
Mönch Caesarius, dessen Denkmal bei der Chorruine steht; er sah unter dem
Abte Heinrich I. die glanzvollste Zeit der Abtei, die am politischen Leben
dieser Zeit grossen Anteil hatte. Ihre Bedeutung liegt auf wirtschaftlichem
Gebiete. Sie besass zur Zeit ihrer Blüte über 50 grosse
Gutshöfe, unzählige Häuser, Gärten, Weinberge,
Ländereien, das Visitationsrecht über viele Abteien und Klöster,
das Patronat über manche Kirche und endlich die Herrschaft über das
Ländchen Flerzheim-Neunkirchen i.d. Sürst. Fast in jedem Jahrhundert
durch Kriegsscharen zerstört, hat sie doch über 600 Jahre bestanden
und ist 1803 durch die Bergische Regierung aufgehoben worden. im Jahre 1820
wurde das Gut nebst der Ruine an den Grafen von Lippe-Biesterfeld verkauft und
ist es heute noch im Besitz der Familie, welche auch ihre Grabstätte in
Heisterbach hat.
Zitat aus: http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3714 |
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