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Vorwort
Bendorfs bewegte Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche - keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten überwiegend in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen Publikationen veröffentlicht. Etliche Zeitungen, wie beispielsweise die alte "Bendorfer Zeitung" oder die Koblenzer Zeitung, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden aber spätestens 1937 eingestellt. Ab 1937 veröffentlichten nämlich die damaligen Machthaber in den parteieigenen NS-Presseorganen viele dieser Artikel erneut - ohne Nennung der Autoren, wie man sich denken kann.
Ein Inhaber der Rechte für den folgenden Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne und umgehend berücksichtigen werden.

Der erwähnte Aufsatz erschien in: Zeitschrift für Heimatkunde 1. Jahrg., 1920, Heft 8
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.

Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Burg, der Ortschaft und der Abtei Sayn.

Von F. W. Kirchbaum, Lehrer a. D. in Bendorf.


Nur wenige Orte an unseren heimatlichen Rheinstrom mag es geben, wo die Vorzüge hoher landschaftlicher Reize der Umgebung sich mit einer Fülle der interessantesten geschichtlichen Begebenheiten und Erinnerungen in dem Maße vereinigen wie in dem am Fuß des Westerwaldes, eingangs zweier Seitentäler de Rheins, des Sayn- und Brexbachs gelegenem Orte Sayn, wo die genannten Bäche zusammen fließen, um als Hängelbach in den Rhein zu münden.

Kaum eine halbe Stunde von diesem Strom entfernt, entzieht sich der Orte einigermaßen den Augen der rheinauf- oder rheinabwärts Reisenden, ist aber dennoch nicht weniger leicht durch die Eisenbahn wie auch zu Schiff und mit der Straßenbahn erreichbar und bietet denen, die solche Stätten bedeutsamer Ereignisse und zugleich die erhabene Pracht der unmittelbar sich anschließenden Wälder und Höhen mit ihren herrlichen Aussichtspunkten zu schätzen wissen, die angenehmste Überraschung.

Die älteste Geschichte des Ortes und der Gegend knüpft sich an die auf einem der Vorsprung zwischen den beiden Bächen Sayn- und Brexbach prächtig aufragende Burgruine, deren ältester Teil auf der obersten Höhe aus einen in massiver Form sich erhebenden viereckigen Turm besteht. Das ist der Überrest der einstigen mächtigen Burg der Ritter und Grafen von Sayn, deren Herkunft sich im Dunkel der Vergangenheit verliert. Der alte nassauische Chronist Textor weiß uns zwar von verschiedenen Grafen von Sayn zu berichten, die einen Zweig des Nassauischen Hauses gebildet hätten, so von einem Grafen Friedrich, dann Walter und von Gerhard, der sich 933 bei siegreichen Kampfe des Kaisers Heinrich I. gegen die vordringenden Ungarn beteiligte und 934 die Grafschaft antrat. Seine Angaben haben viel Wahrscheinlichkeit für sich, wenn sie auch von späteren Forschern in Zweifel gezogen werden. Wenigstens spricht der Besitz der Sayner Grafen an auswärtigen Gütern für eine erst spät erfolgte Ansiedlung in der Sayner Gegend.

Eines Grafen Heinrich von Sayn geschieht zuerst in einer Urkunde vom Jahre 1112 Erwähnung, worin der Graf von Isenburg dem Kloster Laach seinen Schutz zusichert, und 1139 der Grafen Eberhard und Heinrich, wahrscheinlich seine Söhne. Damals stand etwa 1000 Schritte oberhalb auf dem Bergrücken am rechten Ufer des Brexbaches, wo heute ein Tunnel der Westerwaldbahn hindurchführt, eine ältere Burg, wovon der Ritter von Reiffenberg neben Gräben, in den Felsen eingehauen, noch Trümmer von Türmen und einen verschütteten Brunnen vorgefunden hat. Zur Ahndung fortgesetzten Landfriedensbruches wurde diese alte Burg durch den neugewählten Erzbischof von Köln, Grafen von Wied, 1152 bis auf die Grundmauern zerstört. Hierauf begannen Graf Eberhard und sein Bruder Heinrich dem Bau der Anfangs erwähnten anderen Burg auf dem sogenannten Kehrberg, wie der Bergvorsprung zwischen den beiden Bächen genannt wird, wovon als letztes Überbleibsel der mächtige Turm auf der obersten Höhe anzusehen ist. Um für die Folge besseren Schutz zu genießen und vielleicht auch aus Mangel an Geldmitteln, entäußerten sich die Grafen ihrer bis dahin behaupteten Reichsunmittelbarkeit und übergaben die Burg nebst den dazugehörigen Gütern dem Erzbischof von Trierer und empfingen sie als Lehen zurück. Dafür erhielten sie vom Erzstift 100 Pfund Heller als Jahresbenefiz mit der Maßgabe in der Urkunde überwiesen, daß ihre Nachkommen jenen Betrag ohne die Pflicht der Heeresfolge empfangen sollten.

Im Laufe der Zeit entstanden zu Füßen dieser Burg noch zwei weitere Burghäuser, das mittlere den Herren von Reiffenberg und das untere denen von Stein, den Ahnherrn des berühmten rheinischen Staatsmannes Freiherrn von Stein, zugehörig.

Die Grafschaft Sayn lag größtenteils nördlich, zum kleineren Teil südlich von Wied und gehörte zum Engersgau, der sich von Linz am Rhein über Dierdorf und Dreifelden bis zum Ausflusse des Ardebaches in die Lahn, und dann deren rechten Ufer entlang bis zu ihrer Mündung erstreckte. Zu Zeiten ihrer größten Ausdehnung umfaßte die Grafschaft Sayn mit Einschluß der Grafschaften Altenkirchen und Hachenburg den immerhin ansehnlichen Landkomplex von mehr als 20 Quadratmeilen (= ca. 1101 km² ) und gehörte zum westfälischen Kreise. Als Gaugraf des Engersgaues wird zuerst Friedrich von Sayn genannt, dann 1142 Eberhard, 1152 Eberhard und sein Bruder Heinrich, 1158 Graf Gottfried von Spohnheim und Graf Heinrich von Sayn. Mit Kaiser Friedrich Barbarossa kämpfte ein Graf Eberhard von Sayn und nahm an dessen Belagerung von Mailand im Jahre 1161 teil. Heinrich I. von Sayn hatte mit seiner Gemahlin Agnes einen Sohn Heinrich II. und zwei Töchter, Agnes und Adelheid. Er selbst im starb 1202, und von 1205 führte Graf Heinrich II., Kreuzfahrer, die Herrschaft. Damals hatten begeisterte Männer wie Johann von Xanten und Oliver von Köln, in flammenden Predigten in Köln, Aachen und Andernach zum Kreuzzug aufgerufen, und so hatte auch er nach dem Beispiel des Herzogs von Bayern, des Pfalzgrafen bei Rhein, des Grafen Gerlach, des Sohnes Heinrichs von Isenburg, der Grafen Georg von Wied, Johann von Spohnheim und anderen Ritter das Kreuz genommen.

In der Folgezeit kam er dennoch mit der kirchlichen Behörde in Konflikt, als er nach Vereinbarung mit dem Abt von Siegburg an der Sieg, wo er ein Allodium besaß, die Burg Blankenberg erbaute, deren malerische Ruine noch heute das Ziel vieler Wanderer ist. Wegen Gewalttätigkeiten, die er an den Gütern der Siegburger Abtei ausübte, wurde er durch eine päpstliche Bulle aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Später mit der Kirche wieder ausgesöhnt, tritt er in gutem Einvernehmen mit dem Erzbischof von Köln wegen der Gerechtssame des Klosters Laach. In dem besonders für das Rheinland verhängnisvollem Streit zwischen den beiden Gegenkaisern Philipp von Schwaben und Otto den IV. von Braunschweig stand er auf des Letzteren Seite und wurde dafür von den Gegnern durch Belagerung seiner Burg bedrängt, die er aber siegreich abschlug. Nach solcher langwährenden kriegerischen Tätigkeit schien sich sein Sinn den frommen Werken des Friedens zuzuneigen. Er hatte darin ein Beispiel an den Grafen von Isenburg, die "zum Heil ihrer Seelen" 1135 zu Rommersdorf eine Anzahl Norbertiner-Mönche aus dem Kloster Floreff bei Namur aufgenommen hatten, die der Erzbischof Albero von Trier dorther hatte kommen lassen. Nun fing auch 1201 Graf Heinrich II an, im Brextal eine Abtei zu erbauen, wozu ihm von dem päpstlichen Legaten Guido von Prenestre und dem Erzbischof von Trier die Bestätigung erteilt wurde. Die Stiftungsurkunde trägt als Zeugen eine ganze Reihe von Namen, die für die Geschichte der Rittergeschlechter wertvoll sind, wie Gerlach von Isenburg, Theoderich von Hönningen, Eberhard von Sayn, dann der Sohn des Stifters, Heinrich III. und Graf Gottfried von Sponheim.

In den ersten Maitagen des Jahres 1202 fand die große Feier der Einweihung der neuen Kirche und des Klosters zu Sayn statt, die durch den päpstlichen Legaten selbst vollzogen wurde, wobei die neuen Klosterbewohner, Prämonstratenser aus der Abtei Steinfeld in der Eifel, unterstützt durch ihre Rommersdorfer Confratres, durch Verrichtungen beim Gottesdienst und durch ihren Choralgesang zur Verherrlichung beitrugen. Eine Unzahl von Gästen war dabei zu beherbergen, außer dem päpstlichen Gesandten selbst die Erzbischöfe von Trier und Köln mit ihrem Dompröbsten, die Äbte Ehrenfried von Steinfeld, Gerhard von Stromburch (Heisterbach) und Reimer von Rommersdorf, dann von weltlichen Stande Herzog Heinrich von Limburg, Graf Adolf von Berg, Gerhard von Are, Lothar von Hochstaden, Wilhelm von Jülich, Burggraf Eberhard von Arberch mit seinem Bruder Otto, der Raugraf und Emicho von Leinigen, dazu natürlich die schon genannten Zeugin der Urkunde. Vom sonstigem Adel sind noch zu nennen Otto von Wickrod, der Vogt Hermann von Köln, 9 seiner Burgmänner von Blankenburg und die Ministerialen der Sayner Grafen und Isenburger Grafen. Dabei ist noch eine wichtige Persönlichkeit nicht zu übersehen, der Bruder des Stifters, Graf Bruno von Sayn, damals Probst des Cassiusstiftes in Bonn, des Sankt Castorstiftes zu Coblenz und Inhaber der Pfarrstelle zu Engers, der später, als er nach drei Jahren Erzbischof von Köln geworden war im Jahre 1204 der neuen Abtei in seiner Heimat die kostbare Reliquie, den Arm des Heiligen Apostel Simon schenkte, was in der Folge, besonders seit 1206 einen großen Zustrom von Pilgern zur Verehrung desselben hinzog, so daß man in einem Jahre ihre Zahl auf 20.000 geschätzt haben will.

Es fällt bei der vorhin geschilderten Einweihungsfeier auf, daß der Stifter und Gastgeber selbst nicht dabei erwähnt wird. Vielleicht mußte er, durch Krankheit verhindert, ihr fernbleiben. Jedenfalls war es keine Kleinigkeit die gewaltige Schar der Gäste für einige Tage zu versorgen und unterzubringen. Außer der Burg, den beiden Abteien Sayn und Rommersdorf, die dafür in Anspruch genommen wurden, und den dazu gehörigen Ministerialengebäuden, die unten gelegen waren, mußten für den ganzen Troß noch Zelte in Tal aufgeschlagen werden. Nach Beendigung der kirchlichen Feier durfte es natürlich auch nicht an einem festlichen Male fehlen, wobei die Stimmung durch etwas beeinträchtigt wurde, daß sich hier zwei Parteien so eng zusammen saßen, die des päpstlichen Legaten, des Kölner Erzbischofs und der Sayner Grafen mit ihren Anhängern, die alle zur Sache Ottos XIV. hielten, und andererseits die Partei des Erzbischofs von Trier, des Verwandten Philipp von Schwaben, dazu kam noch, daß der Kölner Erzbischofs dem Trierer in dessen eigener Erzdiözese die Stadt Andernach, die Burggrafschaft Rheineck und die Schlösser Burgbrohl, Olbrück und Kempenich weggenommen hatte. Und die Ironie des Schicksals wollte es, daß gerade genau vor 50 Jahren die Sayner Grafen zum Schutze gegen Köln und Wied, in dem sie sich der Reichsunmittelbarkeit begaben, den Vorgängern des Trierer Erzbischofs ihr Gebiet als Lehen angetragen und empfangen hatten. Das unter solchen Umständen die hohe Politik reichlich zur Sprache kam, darf man wohl als sicher annehmen, aber auch die Hauspolitik kam nicht zu kurz dabei. Es handelte sich um Heinrichs II. Sohn, Heinrich III., einem jungen Mann von riesenhafter Größe und Körperkraft, daher auch Magnus genannt, dessen mitsamt seinen Söhn'chen in uralter Holzbildnerei dargestellte Figur am Eingang ins Schloß ins Auge fällt. Sein Schwert, 25 Pfund schwer, wurde noch lange Zeit nachher auf dem Ehrenbreitstein aufbewahrt. Er selbst spielt eine bedeutsame Rolle in der Geschichte des Sayner Grafengeschlechts und war mit mancher ritterlichen Tugend geschmückt, die nur dadurch verdunkelt wurde, daß auch er dem Raubritterunwesen sich nicht fernhielt und mit einem anderen seiner Ritter, namens Aleinward, wegen der dabei gezeigten unerschrockenen Kühnheit weit und breit gefürchtet war.

Diese Sage erzählt von ihm, daß er eines Tages von der Jagd heimkehrend, sein einziges Söhn'chen liebkosend am Kopf erfaßt und seine riesige Kraft nicht abschätzend ihm den Schädel eingedrückt habe. Bei dem besagten Festmahl sollte nun eine eheliche Verbindung des damals noch ledigen jungen Grafen mit der Gräfin Mechthildis von Landsberg, der Erbin großer Güter, wie der Herrschaften Wied, Rosbach und Windeck, in die Wege geleitet werden, wodurch das Sayner Gebiet eine sehr günstige Abrundung zu erwarten hatte. Dazu wußte der päpstliche Legat dem Papst Innozenz III. zu veranlassen, durch Vermittlung der Äbte von Rommersdorf und Marienstatt die Eheschließung zu befürworten, die denn auch nachher wirklich zu Stande kam. Aber noch eine andere wichtige Sache wurde bei dieser Feier ins Werk gesetzt, das war die Schenkung des Sayner Grafen an die neue Abtei, die unter dem Schutz des Papstes gestellt und durch den Trierer Erzbischof die Bestätigung ihrer Dotation erhielt. Diese bestand in den Höfen zu Witersberg (Weitersburg), Ormunze (Urmitz) und Thüre (Thür), in Gütern zu Engers, Heimbach, Arwilre (Ahrweiler), Hemingishofen (Himminghofen), in solchen im Tale Sayn, welche früher der Kapelle und dem Arnold Herings waren, dann im Wald zu beiden Seiten des Tages, in Wingerten zu Bedenorf (Bendorf) und im Zehnten zu Menifelt (Meinfeld im Nassauischen) und zu Metriche (Metternich). Der bisherigen Mutterkirche Engers wurde ein Teil ihres Pfarrechts vorbehalten, auch sollte das Tochterkloster Sayn der Abtei Steinfeld untertänig sein. So erhielt sich unter allen Störungen und Umwälzungen der Zeit die Sayner Abtei 600 Jahre lang, bis die rauhe Hand der Revolution an die stille Pforte des Klosters klopfte und dieses unter der Herrschaft von Nassau-Usingen aufgehoben wurde, aber die Kirche blieb bestehen und statt der Klostergemeinde gab es jetzt eine Pfarrgemeinde.

Im Jahre 1207 tobte der Krieg zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV., weiter. In der Gegend von Köln kam es zum Kampfe, wobei die Kölner Bürger mit Wallram II. von Luxemburg und dessen Scharen auf Ottos Seite standen. Aber dieser wurde geschlagen und mußte verwundet die Flucht ergreifen. Mit ihm floh der neue Erzbischof Bruno, Graf von Sayn, und Heinrich, der Sohn Wallrams II., in die Feste Wassenburg, aber auch diese bot keinen sicheren Zufluchtsort. Philipp nahm sie ein und ließ Bruno gefangen nach Würzburg bringen, der aber auf die Vorstellungen der Fürsten wieder freigelassen und auf Verwendung des Papstes in seine Würde wieder eingesetzt wurde. Im folgenden Jahre ließ er die Burg Landskrone an der Ahr erbauen und übertrug seinem Erzstift die Vogtei Laach. Ein anderer Bruder Heinrichs II. von Sayn war Eberhard, Landmeister der Deutschen Ordensritter in Preußen und Herrenmeister in Lievland.

Eine jüngere Tochter Heinrichs war mit einem Grafen von Kastell und die ältere Adelheid mit dem Grafen Johann von Sponheim vermählt.

Bei Gelegenheit der Hochzeit der Letzteren, die mit großem Aufwand auf der Burg zu Sayn gefeiert wurde, ist eines Ereignisses zu gedenken, das zu damaliger Zeit viel von sich reden machte und uns heute ein sprechendes Zeugnis von dem Geiste gibt, der in den Kreisen der Ritter und Herren herrschte. Es geschah nämlich, daß in der Weinlaune der Gäste die Rede auf allerhand Kraftleistungen kam, und der Bräutigam, Graf von Sponheim, in Vollgefühl des Glückes eine so reichumworbene Braut zu besitzen, um ein Fuder edlem Monzinger Weines den Herren die Wette anbot, daß sein Schild- und Leibknappe, Michel Mort ein geborener Kreuznacher und vordem der dortigen Fleischerzunft angehörte, im Stande sei, die Ritter alle nacheinander kopfunter in den Sack zu stecken. Anfänglich wollten sich diese fast beleidigt fühlen, da sie auf ihre Kraft als tapfere Männer nicht wenig stolz waren. Bekanntlich waren auch die Sayner Grafen ein kraftvolles Geschlecht und genossen den Ruf eines solchen, denn einer von ihnen mit dem Beinamen Eisenhardt hatte auf einem Turnier in Trier 6 Ritter nacheinander in den Sand gestreckt. Der Isenburger als der erste, ein gewaltiger Mann, war besonders begierig, sich das Fuder zu verdienen und erklärte, er halte es um diesen Preis nicht unter seiner Würde, mit einem Knechte zu ringen und seinem Beispiel folgend gingen dann noch sechs andere Ritter die Wette ein. Darauf wurden dann die Bedingungen festgestellt. Waffen und Oberkleider sollten abgelegt und zum Zeichen, daß sie dem Knappen nichts Böses nachtragen wollten, sollte jeder ihm nach Ausgang der Wette 3 Gulden schenken. Alle sieben erklärten sich da des mit einverstanden, und so wurde der Knappe hereinbeschieden. Es war eine wahre Hühnengestalt, der man die innewohnende Kraft wohl ansah und bei deren Anblick manchem Ritter doch etwas unheimlich zu werden anfing.

Graf Sponheim fragte ihn, ob er sich wohl getraue, jeden der Ritter im Ringkampf zu überwinden und kopfunter in den Sack zu stecken, und erklärte ihm die vereinbarten Bedingungen. Bescheiden erwiderte der junge Mann, er wisse wohl, daß es ein eigenes Unternehmen sei, mit so hohen und edlen Herren zu ringen, aber auf seines Herrn Geheiß getraue er sich wohl dazu, wenn es ihm nicht verübelt würde. Übrigens sei er leibeigen und habe seinem gnädigen Herrn zu dienen. Dem Grafen gefiel die Antwort so gut, daß er feierlich gelobte, ihm die Freiheit zu schenken, wenn er das Stücklein fertig brächte.

Der Isenburger fiel dem Knappen heftig an, aber trotz der Aufbietung seiner ganzen Kraft wurde er von ihn bald überwältigt und kopfunter in den Sack gesteckt, ebenso der Graf von Cobern, der auch als einer der stärksten galt. Jedes Mal beeilte sich der Knappe den Ritter so schnell als möglich aus der engen Haft zu befreien nun kam der dritte Gegner an die Reihe, der Ritter Nikolaus von Winneburg, der in der Annahme, das Mort schon durch die vorhergegangenen Kämpfe geschwächt sei, ihn durch einen geschickt angebrachten Kunstgriff zu werfen gedachte. Er machte auch zu mehreren den Versuch, so daß die angestellten Kampfrichter ihm zu rufen mußten: "ringet ehrlich, Herr Ritter!" Darauf begann der Kampf von neuen, bis auch dieser Ritter von Mort überwältigt wurde, der sich nur die Genugtuung könnte, ihn etwas länger in dem Sack zu lassen. Man vergegenwärtigte sich schier das Staunen der mächtigen Gegner, das dröhnen des Saales und das Gaudium der Zuschauer, wenn wieder ein Ritter in den Sack gestreckt wurde. Die vier übrigen standen vom Kampfe ab und erlegten auch ihre Goldgulden, aber Mort, um zu zeigen, wie wenig er durch die Anstrengungen erschöpft sei, nahm unter jedem Arm einen von ihnen und tanzte zum höchsten Jubel und Ergötzen der Festgesellschaft damit im Saale herum, was zugleich den Unmut verscheuchte, deren sich der Besiegten hatte bemächtigen wollen. Als wieder Ruhe eingetreten war ließ der Knappe sich auf die Knie nieder und bat die Herren um Verzeihung, so etwas gewagt zu haben, er habe aber nur auf Befehl seines Herrn gehandelt und würde sich sonst derartiges nicht einfallen lassen. Die Ritter lachten und reichten ihm versöhnt die Hand. Graf Sponheim aber führt ihn in die Mitte des Saales und erklärte ihn vor allen Anwesenden für einen freien Mann, indem er sagte, daß derjenige, der so tapfere und mannhafte Ritter zu bezwingen im Stande sei, nicht länger Leibeigener und Diener sein dürfe.

Aber auch nach dieser Zeit verließ Mort seinen Herren nicht und stand ihm noch in manchem heißen Kampfe schützend zur Seite, bis er in der blutigen Fehde mit dem Erzbischof von Mainz um den Besitz des Schlosses Böckelheim seinen schwer verwundeten Herren mit seinem Körper deckte und von Pfeilern und Lanzenstichen durchbohrt den Heldentod fand. Eine solche rührende Treue und Aufopferung fand begeisterte Anerkennung sowohl bei dem Chronisten Trithemius - als auch bei seinem Landsmann, dem bekannten Kreuznacher Maler und Dichter Müller, der ihm ein unverlöschliches Andenken in seinem Liebe hinterlassen hat, worin er ihn mit den Worten feiert:

Ein freier Mann ward Michel Mort
in jenen Festestagen;
doch hat in Treue er hinfort
für Sponheim sich geschlagen.
Bei Sprendlingen blieb auf dem Plan
er für den Freund, und hat fortan
Ihm manches Lied geklungen.

Ebenso hat auch noch später seine Vaterstadt d.h. Heldensohn durch einen Denkstein für seine Taten geehrt.

Im Jahre 1232 wurde den Grafen von Sayn von Kaiser Friedrich II, ihre Reichsstanschaft und Landeshoheit bestätigt. Damit waren anscheinend ihre Reichsunmittelbarkeit wiederhergestellt, was sich freilich mit ihrem Lehensverhältnis zum Erzstift Trier nicht gut vereinigen läßt. Der Stifter der Abtei, Graf Heinrich II, starb 1205 und sein Bruder, der Erzbischof Bruno von Köln, 1208. Nun führte Graf Heinrich III. Magnus mit seiner Gemahlin Mechthildis von Landsberg die Herrschaft. Bemerkenswert ist, daß die Sayner Grafen den Aufenthalt in Köln liebten. Schon 1157 hatte Graf Eberhard von Sayn von dem Grafen von Blankenheim ein Haus in Köln gekauft, um häufig dort Absteigequartier zu nehmen. So geschah es auch 1232, das Graf Heinrich III. ein Haus in der Trankgasse zu Köln kaufte, um mit seiner Gemahlin dort öfters zu verweilen. Es war dieses die zweite Frau mit dem selben Namen Mechthildis, vermutlich aus dem Hause Wied-Neuerburg (de novo castro) stammend, mit der er nach dem Tode der ersten 1222 die Ehe eingegangen war. Den Kölnern blieb das gräfliche Paar nicht unbekannt; denn das Kloster für Zisterzienserinen-Nonnen St. Maria in Seyen, oder Sayn, auch Sion genannt, verdankt ihm sein Entstehen und wurde auch die Grabstätte der frommen Gräfin, deren Andenken noch heute durch ein Epitaphium daselbst bewahrt wird. Dieser Gräfin schreibt man auch das Verdienst zu, daß sie als die erste unter den rheinischen Dynastengeschlechtern für ihre Urkunden sich der deutschen Sprache bediente und sie dadurch mit zu Ehren brachte, während sonst die Urkunden fast ausnahmslos lateinisch abgefaßt waren. Aber trotz seiner großartigen Schenkungen und der Mildtätigkeit seiner Gemahlin, aus deren reichen Mitteln auch das Kloster Marienstatt bei Hachenburg mit seinen noch heute erhaltenen ausgedehnten Gebäuden eine sehr rege Förderung erfuhr, entging er nicht dem Neid und der Verdächtigungen seitens seiner Gegner. Er und Graf Heinrich von Solms wurden 1233 von dem päpstlichen Legaten Konrad von Marburg nach Mainz vor das Inquisitionsgericht wegen Irrgläubigkeit vorgeladen, aber als unschuldig wieder entlassen. Abermals 1234 nach Frankfurt am Main vorgeladen, ging er auf Zureden des ihm befreundeten Erzbischofs von Trier auch dahin und verteidigte, von dem Erzbischof unterstützt, sich derart, daß der Legaten selbst bat, er möge seinen Anklägern verzeihen.

Um das Jahr 1240 erbaute er die Burg zu Vallendar, was in der Geschichte des Grafengeschlechtes eine wichtige Wendung zur Folge hatte. Nach dem Tode seiner zweiten Gemahlin spaltete es sich nämlich in zwei Linien, in die Johannitische und die Engelbertinische. Die Angehörigen der Ersteren nannten sich von da an Grafen zu Sayn und die anderen Grafen von Sayn und Herren von Vallendar.

Da Heinrichs III. Tochter Sophia, Herzogin von Brabant, und seine Schwester Agnes, Gräfin von Kastell, ohne Erben starben, so vermachte er vor seinem Tode, der Ende 1246 erfolgte, mit Einwilligung seiner Gemahlin "per testamentum" die gesamte Grafschaft an die vier Söhne seiner Schwester Adelheid, verehelichte von Sponheim, von deren einstigen glänzenden Hochzeitsfeier im Vorhergehenden ausführlich die Rede war. Zugleich gab er im Gefühl tiefster Reue über manche einst begangenen Gewalttätigkeiten seiner Gemahlin den Auftrag, unrechtes Gut an die Kirche zu schenken und möglichst alles wieder zu erstatten, damit Gott seine arme Seele in Gnaden annehme, was alles auch von der frommen Frau in überreichem Maße ausgeführt wurde. Doch sollte sie bis zu ihrem Tode im Besitz aller Güter verbleiben, gab aber schon zu ihren Lebzeiten die Schlösser Blankenburg, Hachenburg, Freusberg, Sayn, Saffenburg und Hadamar ab. Dem Erzstift Köln, beziehungsweise der Domkirche, schenkte sie ihren Anteil an den Burgen Wied, Windeck und Renneberg, ihre Höfe aber an sieben verschiedenen Orte mit allen Leibeigenen, zugehörigen Ländereien und Gerechtsame. Sie blieb noch bis 1283 am Leben.

Von den vier Sponheimer Grafen der trat nun der älteste der Söhne des Grafen Johann I. von Sponheim-Starkenburg mit Namen Gottfried die Herrschaft in Sayn an, der zweite, Herr zu Heinsberg, starb 1255, der dritte Namens Simon vermählte sich mit Margarete von Böckelheim, und der vierte Eberhard, auch von Eberstein genannt, war anfangs Statthalter in Preußen, dann Herr oder Ordensmeister in Lievland (gestorben 1258).

Am 31. August 1273 empfing Graf Gottfried von dem Pfalzgrafen bei Rhein die Lehen über seine Grafschaft. Die drei Schlösser Altenkirchen, Freusberg und Friedewald gehörten alle dem Grafen von Sayn. Freusberg, auch Fregusberg genannt, kommt 1247 in einer Urkunde als festes Castrum vor, daß seine eigene Burgmannen hatte. Friedewald, auch Frede Waldt oder Fridwald, wird 1367 in Urkunden angeführt und wird gewöhnlich als das "Huis Friedwald" bezeichnet. Im Jahre 1294 erwarb Grafen Johann I. von Sayn von dem Grafen von Neuenahr die Grafschaft Altenkirchen und vom Grafen von Sponheim das Amt Selters und Maxsayn. Zu der Grafschaft Sayn gehörte auch noch die Herrschaft Varrenrode in Thüringen. Die Veranlassung zu den oftmaligen Verhandlungen der Sayner Grafen mit dem Trierer oder Kölner Erzbischof über die Vogtei oder die Gerechtsame der Abtei Laach ist darin zu suchen, daß der Ort Bendorf unter drei Besitzer geteilt war, nämlich unter den beiden Abteien Laach und Siegburg und die Grafen von Sayn. Rheinbrohl, ehemals auch zu Grafschaft Sayn gehörig, wurde von Heinrich IV., dem letzten Sayner Grafen, am 20. September 1601 an Kurtrier verkauft.

Zur Zeit der Regierung des Kaisers Rudolf von Habsburg war das Raubritterunwesen, besonders am Rhein, zu einer schrecklichen Plage geworden, und der Kaiser vermochte erst spät durch Enthauptung von 26 Landfriedensbrecher einigermaßen Ruhe und Ordnung zu schaffen. Gegen den kriegerischen Erzbischof Siegfried von Köln, Grafen von Westerburg, hatte sich eine Koalition von Fürsten und Grafen gebildet, an deren Spitze der Herzog von Brabant und Graf Adolf VII. von Berg, der nachmalige Gründer von Düsseldorf, standen. Brabant, Berg, Markt und Jülich führten etwa 15.000 Mann gegen 40.000 vom Erzstift Köln, Luxemburgs und Geldern in den Kampf, der am 5. Juni 1288 bei Worringen stattfand. Merkwürdig genug nahmen auch die Bürger der freien Reichsstadt Köln, um ihren Heerwagen gescharrt, auf dem das Banner der Stadt wehte, gegen ihren Erzbischof auf Seiten der Sieger daran teil. Die Bergischen gaben durch ihre glänzende Tapferkeit den Ausschlag. Der Erzbischof selbst, Graf Adolf von Nassau, Reinhold von Geldern und gegen 1100 andere Edle verloren ihr Leben. Auch die Grafen von Sayn haben am siegreichen Kampf teilgenommen, während Graf Salentin I. von Isenburg seine Teilnahme durch längere Gefangenschaft büßen mußte.

Im Jahre 1293 entstanden unter den Söhnen des Grafen Gottfried von Sayn wegen der zu dieser Grafschaft gehörenden Landesteile blutige Streitigkeiten. Zu Engelbert, der die Burg Vallendar behauptete, hielten die Grafen von der Mark, von Hammerstein und von Montabaur - zu Johann die Grafen von Solms, Virneburg und von Neuenahr. Es gelang Engelbertus, der Gegenpartei eine schwere Niederlage beizubringen, aber trotzdem setzte Johann seine Anstrengungen fort, um Engelbert und die Mutter Gutta, die bei diesen Sohn wohnte, aus der Burg zu vertreiben, bis der Kaiser Adolf von Nassau auf seinem Zug in die hiesige Gegend auch nach Vallendar kam und den Streit dahin vermittelte, daß dem Grafen Johann der alleinige Besitz von Sayn durch Verzicht seines Bruders bestätigt wurde, dieser aber die Herrschaft und Burg Vallendar behalten sollte. Die Herrschaft Homburg aber, die Gutta ihrem verstorbenen Gemahl mit in die Ehe gebracht hatte, wurde zu gleichen Teilen unter die Brüder geteilt, dagegen sollte Graf Johann das Patronatsrecht über die Kirche von Vallendar behalten, und sein eigener Sohn Heinrich wurde zugleich zum dortigen Pastor ernannt. Die Urkunde darüber wurde am 29. Januar 1294 in Gegenwart des Kaisers und der zahlreichen Fürsten, Grafen und Ritter als Zeugen ausgestellt. In der Freude über die Beendigung des Streites vereinte noch am selbigen Tage ein festliches Mal alle Teilnehmer im Bischofsaal der Burg mit fröhlichem Spiel und Tanz, und der Kaiser selbst eröffnete mit einer schönen Edeldame den Reigen.

Im Streit zwischen den beiden Gegenkaisern Ludwig von Bayern und Friedrich von Österreich hielt Graf Gottfried II. von Sayn zur Partei des Ersteren, wofür dieser sich dadurch dankbar erwies, daß er 1314 den Einwohnern der Sayner Städte Hachenburg und Altenkirchen ähnliche Freiheiten, wie sie Wetzlar besaß, bestätigte, und auch dem Orte Weitersburg gewisse Vorrechte gab.

Auch bestellte er den Grafen zum kaiserlichen Statthalter in Dortmund und verlieh dem späteren Grafen Johann und dessen Erben die Ermächtigung, Hellermünzen zu schlagen.

Ein langwieriger Streit zwischen den Sayner und Wieder Grafen entspann sich im Jahre 1340 und zog sich bis 1551 hin, in dem die Wieder Grafen die Oberhoheit über die Leibeigenen beanspruchten, die in den, den Sayner Grafen gehörende, Höfen zu Irlich sich befanden. Dies wurde aber von den Sayner nicht anerkannt. Versuche, den Streit durch Schiedsspruch beizulegen, scheiterten jedes Mal und die Entzweiung lebte immer von neuem wieder auf.

Im Jahre 1347 verkaufte Graf Johann III. von Sayn an dem Erzbischof Balduin von Trier seinen Anteil an der Burg Covern , (heute Cobern) an der Mosel, der über 100 Jahre im Besitz der Sayner gewesen war, für 17.000 Gld. Derselbe Graf wurde 1359 von seinem Vetter Salentin aus der Homburger Linie veranlaßt, gemeinsam mit seiner Gemahlin Lysa von Irlich eine Urkunde auszustellen, worin sie für sich und ihre Nachkommen versichern, ihre Besitzungen zu Sayn und alle ihre Güter und Rechte nie verpfänden und veräußern zu wollen. Auch gab Johann III.1367 dem Trierer Kurfürsten Kuno von Falkenstein seine Lande, seine Vesten, dazu sein Dorf Bendorf von neuem in den Lehensschutz.

Zur Beurteilung der damaligen Verhältnisse muß eines Ereignisses Erwähnung getan werden, woran die Sayner Grafen, wohl wegen ihres erst kürzlich erneuerten Lehensverhältnisses zu Trier nicht selbst beseitigt beteiligt waren, wovon sie aber wegen des Schauplatzes mitten in ihrem Gebiet stark berührt wurden.

Es trug sich nämlich zu, daß nach der Limburger Chronik im Jahre 1371 zu Halbfasten Kaufleute aus Köln, wo die Wollenweberzunft damals in höchster mit Blüte stand, mit ihrem Gewand (Tuchwaren) den Rhein hinauf zur Frankfurter Messe reisten. Als sie 1 Meile Weges oberhalb Andernach kamen, wurden sie von dem Grafen von Wied und Velten (wohl gekürzt aus Valentin) von Isenburg überfallen, die ihnen Tuch im Werte von 4000 Gld. abnahmen und mit dem anderen Raub nach Isenburg schleppten. Da drang der kriegerische Kurfürst von Trier, Kuno von Falkenstein, mit Kriegsscharen in das Gebiet von Wied vor und setzte sich in den Besitz von Herschbach und anderen Dörfern. Die Stadt Köln, die als mächtige Handelsstadt ein großes Interesse an der Sicherheit der Rheinhandelsstraße hatte, stellte ihm dazu "50 reisige Mann" mit voller Ausrüstung und 20 Armbrustschützen auf eigene Kosten zur Verfügung. So wurde dem Wegelager der Raub und das Tuch wieder abgenommen. Am Martinstage desselben Jahres mußte dann Graf Wilhelm von Wied und seine Gemahlin Lysa den Sühnebrief unterzeichnen mit der Verpflichtung, den beraubten Kaufleuten eine Entschädigung von 12.130 schweren Gld. in vier Raten zu zahlen. Außerdem mußten sie alle Ansprüche auf Engers und das dazu gehörige aufgeben. Der Kurfürst aber nahm im folgenden Jahre (1372) Engers und das damals noch unterhalb Engers gelegene Dorf Riol oder Reul (das rheinische Rigodulum), wovon heute nur noch ein verschütteter Brunnen vorhanden ist, in Besitz und erbaute zu Engers auf dem Grunde einer verfallenen karolingischen Veste die nach seinem Namen benannte starke Burg Kunostein, wonach der Ort auch in vielen alten Urkunden Kunostein-Engers genannt wird.

Im Jahre 1359 war Graf Salentin, ein Enkel Engelberts, der mit seinem Bruder Johann sich in die Sayner Erbschaft geteilt hatte, zur Herrschaft gelangt. Er heiratete 1360 die Gräfin Adelheid (andere nennen sie Elisabeth), die Erbin der Grafschaft Wittgenstein, und führte von da an den Namen eines Grafen von Sayn-Wittgenstein und Herren von Vallendar und Homburg. Sie war die einzige Tochter des Grafen Siegfried von Wittgenstein aus einem uralten Geschlecht, das schon um das Jahr 800 auf der Felsenburg Wittgenstein an der oberen Lahn seinen Sitz hatte. Über 350 Jahre lang, nämlich bis zum Jahre 1606, die stehen nun die beiden Linien Sayn und Sayn-Wittgenstein nebeneinander fort. Mit dem Tode des letzten Nachkommen, des Grafen Heinrich IV., der 1605 starb und in der Kirche zu Hachenburg beigesetzt wurde, erlosch die Linie Sayn und die Grafschaft Sayn ging auf seinen Neffen, dem Grafen Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein, über, den er schon zu seinen Lebzeiten zum Mitregenten eingesetzt hatte, jedoch ohne die Burg Sayn und die Orte Rheinbrohl, Heimbach, Weis, Gladbach, Urmitz und Irlich.

Dem Grafen Gerhard von Sayn verlieh Kaiser Rupprecht 1410 unter anderem die Belehnung auch zwei Turnus (Anteile) an dem Rheinzoll zu Engers. Diese Belehnung erhielt 1434 ihre Bestätigung durch Kaiser Sigismund, aber wegen der schwierigen Anfahrt wurde der Rheinzoll später nach Koblenz verlegt.

Im Kriege gegen die Hussiten 1421 befinden sich die Sayner Grafen als Mitkämpfer im Kurfürstlichen Heer und 1447 wiederum gegen den Herzog Johann von Cleve.

In dem Testament des im Jahre 1493 verstorbenen Grafen Gerhard II, von Sayn, datiert vom Jahre 1491, findet sich folgende Stelle:

"Unser Leib soll in dem Kloster Marienstatt begraben werden it: unser Gederme in die alte Stadt Hachenburg zu graben, uf den Kirchhof und nit in die Kirche, sondern vor das Cruzifix, das uf dem Kirchhof steiht, nachdem des unser Mutterkirche solches ist it: unser Herz zu dem heiligen Blut zu Wilsnack zuschicken, in Blei gefaßt und daselbst zu begraben vor dem Fuß des Altars, der geheiligt und geweiht ist zu Ehren des heiligen Sacraments mitten in der Kirche, und 100 Gld. von Gold mit zusenden, um eine ewige Messe zu stiften und Memorien davon zu tun. Die Haupt-Exequien sollen in den Klosterkirchen zu Marienstatt und Sayn seien, dann aber in allen Kirchspielen der Grafschaft gehalten werden, wie eher wie besser, um uns bald aus dem Gefängnis zu helfen und nach Marienstatt und Sayn soll man einen Hengst, mit schwarzen Tüchern bedeckt, opfern wie man unseren Eltern und vorher getan hat."

Die letzte merkwürdige Stimmung zeigt, daß man damals noch zum Teil altgermanischen-sächsischen, aus der heidnischen Zeit stammenden Sitten und Gebräuchen huldigte.

Nach ihm kam Graf Gerhard III. zur Herrschaft, der sich mit der Gräfin Johannette aus dem Hause Wied vermählte. Sie erhielt zur Erbsteuer 10.000 Gld. und zwei wollene Röcke, "so einer Gräfin wohl ansteht und gebühret".

Im Herbst 1522 begann Franz von Sickingen, der kühnste und mächtigste Reichritter am Rhein die Fehde gegen Trier und belagerte den Erzbischof mit mehr als 12.000 Mann in seiner eigenen Hauptstadt. Er war schon nahe daran, sich derselben zu bemächtigen, da vereinigten sich die Grafen von Isenburg, von Sayn und Solms und von Nassau gegen ihn. Auch 700 Mann von Koblenz, 300 von Wittlich, 70 von Limburg, 100 von Montabaur, Boppard und Bernkastel und 60 aus dem Amt Mayen dazu. Auch der Pfalzgraf bei Rhein und der Pfalzgraf Philipp von Hessen rüsteten sind gegen ihn. Da wandte sich das Glück von Sickingen. Nachdem er großen Schaden angerichtet hatte, mußte er am 14. September unverrichteter Sache abziehen. Kurfürst Richard von Greifenklau, und seine Verbündeten verfolgten ihn. Sein Sohn Hans wurde schwer verwundet, er selbst aber in seiner Burg Landstuhl eingeschlossen und belagert. In wenigen Tagen schossen die Soldaten des Kurfürsten, zu denen auch die Grafen von Sayn als seine Lehensmannen ihr Kontingent gestellt hatten, mit den 12 in Frankfurt am Main neu gegossenen Kanonen, die 12 Apostel genannt, die Burg in Trümmer. Sickingen wurde den 1. Mai 1523 durch einen Balkensplitter tödlich getroffen und starb am Tage nach der Kapitulation, den 7. Mai 1523. Auch die Burgen seiner Anhänger, wozu auch ein Boos-Waldeck gehörte, wurden schnell erobert. Der Name Boos, der uns in der Geschichte von Sayn noch begegnen wird, wird darauf zurückgeführt, daß in einer Urkunde vom Jahre 1284, worin von dem Erzbischof Konrad von Köln, zum ersten Mal darin Erzkanzler durch Italien genannt, den Rittern von Waldeck Heribert, Udo, Bosso, und Winand das von ihnen ihm übertragene Lehen zurückgegeben wird, zuerst der Name Bosso vorkommt. Von dem Träger dieser merkwürdigerweise italienischen Vornamen soll für seine Nachkommen der Familienname Boos-Waldeck entstanden sein.

Die Wirkungen der Reformation machten sich bald im Rheinland bemerkbar und riefen darin manche politische Änderung hervor. Zuerst fand die lutherische Lehre unter dem Erzbischof Hermann von Wied seit 1451 Eingang das Erzstift Köln. Im Jahre 1577 legte Salentin VII, von Isenburg-Grenzau, Erzbischof von Köln und Fürstbischof von Paderborn, seine geistlichen Würden nieder, vermählte sich mit einer Gräfin zur Mark und Arburg und starb 1610 mit Hinterlassung zweier Söhne auf der Isenburg. Dann brach 1583 der so genannte Kölnische Krieg gegen den von Rom abgesetzten Gerhard, Truchsess von Waldburg, aus, der seit 1577 Erzbischof von Köln war und aus Neigung zu der Gräfin Agnes von Mansfeld, die er später heiratete, Protestant geworden und nach wechselvoller Fahrt 1601 in Straßburg starb.

Bei dem Tode des letzten Grafen von Sayn, Heinrich IV, der, wie schon erwähnt, 1605 starb, lagen nun die Verhältnisse so, daß er selber ein Anhänger der lutherischen Lehre gewesen war, während der Erbe der Grafschaft dem reformierten Glauben angenommen und diesen auf das eifrigste zu verbreiten suchte. Dies gab dem Kurfürsten von Trier, Lothar von Metternich, Veranlassung, Offiziere und Soldaten nach Sayn zuschicken, um die Burg zu besetzen. Bei dem gewaltsamen Eindringen in dieselbe wurde der Pförtner erschossen und das trierische Wappen anstelle des Saynischen angeheftet. Die Saynischen Besitzungen und Rechte im Kirchspiel Heimbach-Weis-Gladbach waren bereits 1602 vom Erzstift erworben worden. Graf Wilhelm und sein Sohn Ernst wurden mit ihrem Einspruch abgewiesen, Trier und Köln aber zogen hierauf alle Saynischen Besitzungen als eröffnete Lehen an sich. Die Grafen von Sayn-Wittgenstein und Herren von Vallendar gaben nach langen Streitigkeiten mit Kurtrier ihren Wohnsitz in Vallendar auf und bezogen ihre früheren Stammburgen Berleburg und Wittgenstein.

Eine Urkunde vom Jahre 1400, ausgestellt von Ritter Arnold von Wittersberg (Weitersburg), derzeit wohnhaft in Urbar war, ist geeignet, uns einen Einblick in das Verhältnis dieses Ortes zu den Sayner Grafen zu verschaffen. Bis zu dieser Zeit hatte unweit von dem (damals von 19 Familien bewohntem) Dorf und dem Sayner Hof die Burg des genannten Ritters gestanden, die aber vom Städtebund wahrscheinlich von Koblenz aus zerstört worden war. Bei diesem Unternehmen scheint Graf Johann von Sayn-Wittgenstein beteiligt gewesen zu sein, denn ihm wurden die zugehörigem und nahe dabei gelegenen 14 Morgen Feldes erblich zugesprochen. Kaiser Wenzel aber sprach den Grafen schuldig, dem Ritter als Entschädigung jährlich 24 DM brabäntisch zu zahlen, der Ritter aber verpfändete diesen Betrag zugleich mit seinem Haus und einem Weingarten an die Klausnerrinnen zu Besselich, denen er auch eine jährliche Rente von einem Gld. Geldes verkaufte.

Am 21. Juni 1588 verkaufte Graf Heinrich von Sayn, der 1562 zur lutherischen Lehre übergetreten war, das Patronatsrecht- und Präsentations-Recht der Pfarrei Engers für 1000 Goldgulden an den Trierer Erzbischof Johann VII, von Schönenberg. In der Urkunde heißt es: "jedoch dieweil die Kirch Bedendorf in unserem Gebiett und Gravechaft gelegen, daselbst die Religion der Augspurgischen Confession in üblichem Prauch hergebracht ist, als haben wir uns und unseren Erben jederzeit einen Pfarrherrn, der unserer Religion ist, dahin zu verordnen vorbehalten, welchem jährlich ein Fuder Weins aus bemelter Kirchenzehnten und deroselben zugehörig dritte Teil des ganzen Fruchtzehntes daselbst zu seinem Unterhalt gefolgt werden sollen."

Nachdem der Weinbau am Saynbach eingestellt worden war, wurde die Abgabe des Fuders Wein (6 Ohm weisen und 6 Ohm roten, "wie er an der Saynbach wächst") in eine solche von jährlich 62 Talern umgewandelt.

Hier war der ganz eigenartige Fall eingetreten, daß die katholische Engerser Mutterkirche an die inzwischen zur Reformation übergetretene frühere katholische Tochterkirche zu Bendorf Abgaben zu entrichten hatte. An 50 Jahre dauerte dieser Zustand, daß die evangelischen Geistlichen neben den katholischen in der Kirche zu Sayn ihr Amt ausübten. Später wurde sie ihnen ganz eingeräumt, bis im Jahre 1606 Kurtrier das Gebiet von Sayn in Besitz nahm und dort den katholischen Kultus wieder herstellte. Der Sohn und Erbe Wilhelms III, Graf Ernst erneuerte seine Reklamationen beim Kurfürsten, aber auch diesmal vergebens. Im Gegenteil wurden ihm auch noch die Orte Daaden, Kirchen, Fischbach und andere Besitzungen von Kurtrier weggenommen und die Burg und Stadt Hachenburg vom Kurköln besetzt.

Unterdessen war der schreckliche dreißigjährige Krieg ausgebrochen, in dem ganze Ortschaften, wie das unterhalb von Engers damals gelegene, schon genannte Riol oder Reul und das Dorf Langendorf, das an der Stelle des heutigen Neuwied stand, bis auf die Spur eines Brunnens unweit Engers gänzlich vom Erdboden verschwunden sind, nachdem sie durch Plünderung, Brand und Zerstörung von der wilden Soldateska heim gesucht wurden. Was in dieser Zeit Sayn und die anderen Orte der Gegend gelitten haben, läßt sich denken. In den Jahren 1632 und 1633 wurden Burg und Ort Sayn, abwechselnd von Spaniern, Schweden, Franzosen und kaiserlichen Truppen besetzt. In wiederholten Belagerungen wurde die Burg ebenso wie die von Engers durch die Schweden zerstört.

Sie ist von dieser Zeit an eine Ruine geblieben, und kein Angehöriger des Sayner Grafengeschlechtes hat seitdem mehr in ihr gewohnt.

Im April 1633 hatte ein Trupp spanischer oder italienischer Kriegsleute Burg und Dorf Sayn besetzt, als eines Tages von Vallendar die Schweden unter dem Oberst Mauron herankamen und nach Vertreibung der Besatzung sich in den Besitz von Burg und Dorf setzten. Aber noch andere Streitkräfte waren im Anzug, nämlich etwa 500 kaiserliche Soldaten vom Regiment Bönninghausen, die über Nauort und Stromberg in das Brextal herabstiegen, um dem Schweden die Talpässe streitig zu machen. Diese setzten sich bei der Abtei hinter Garten- und Kirchhofsmauern fest und erwarteten so die Kaiserlichen. In dem nun folgenden, erbitterten, dreistündigen Gefecht siegten zwar die Schweden, aber ihr Oberst wurde schwer verwundet, und eine Menge Toter und Verwundeter blieb auf dem Kampfplatz. Voll Schrecken hatten die Mönche sich zuerst zurückgehalten, aber nun wagten sie sich heraus und nahmen sich hilfreich der Verwundeten an. Auch in diesem dreißigjährigen Krieg fühlte sich ein Graf von Sayn Wittgenstein angetrieben, sich an den Kämpfen zu beteiligen. In der Schlacht von Stadtlohn am 5. und 6. August 1623 stand er auf den Seiten des Herzogs Christian von Braunschweig gegen Tilly, mußte sich aber nach der Niederlage seiner Partei diesem Feldherrn gefangen geben.

Die Genealogie des Sayner Grafengeschlechtes ist eine weit verzweigte wie kaum eine andere, während die Sponheimer früh ausstarben. Grabmonumente von diesen finden sich in der Pfarrkirche zu Trabach, denn ihr Gebiet erstreckte sich später über die Mosel hinaus. Der letzte Graf von Sponheim, dessen Messingsbildnis in die Abteiwand eingelassen ist, wurde 1437 dort bestattet. Das Sayner Geschlecht teilte sich, wie erwähnt 1294 so, das Graf Johann im alleinigen Besitz von Sayn blieb und die Hälfte der Herrschaft Homburg, Engelbert die Herrschaft und Burg Vallendar mit der anderen Hälfte von Homburg erhielt. Ein Enkel des Letzteren, Salentin, von anderen Valentin genannt, erwarb durch Heirat die Grafschaft Wittgenstein und durch Erbschaft 1606 auch die Grafschaft Sayn und nannte sich von da an Graf von Sayn-Wittgenstein. Nun entstanden aber 1607 durch Teilung unter drei Brüder drei neue Linien: Sayn-Wittgenstein-Sayn, Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Davon führte die zweite Linie ihren Namen von dem zur Grafschaft Wittgenstein gehörigem Amt Berleburg, sie besaß dazu die Herrschaft Homburg und die Herrschaft Neumagen an der Mosel. Für den Verlust der Letzteren nach dem Luneviller Frieden (9. Februar 1801) wurde sie durch die eine Jahresrente von 15.000 Gld. entschädigt, verkaufte aber 1821 die standesherrlichen Gerechtsame für 100.000 Fl. an Preußen. Diese Linie besaß eine Curiatstimme auf der Wetterau'schen Grafenbank und hielt 1792 die Reichsfürstenwürde. Ihre Mitglieder bekleideten hohe Staatsämter, und einer, Prinz Emil, hat sich auch als Dichter durch "Gedichte" (1844) und unter dem Namen Casimir Röspe, durch "Deutsche Lieder" (1848) und das Epos "Aßlan Aga" (1856) bekannt gemacht.

Von dieser Hauptlinie zweigte sich wieder ab die Karlsburgische Speziallinie (Stifter Graf Karl), die sich nach der zum Stammgut gehörigen Besitzungen Karlsburg nannte. Nach dem Tod des letzten Nachkommen (1859) gingen aber infolge von Familienverträgen alle Rechte und Besitzungen auf den Fürsten Ludwig, das Haupt der zweiten, der Ludwigsburgischen Speziallinie, über. Dem Religionsbekenntnis nach ist das der Speziallinien katholisch, daß der drei Hauptlinien evangelisch. Von dieser Ludwigsburgischen Speziallinie stammen die noch heute lebenden Mitglieder des Sayner Grafen- und Fürstengeschlechts ab.

Die Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn erlosch im Mannesstamm mit dem am 24. Juni 1846 verstorbenen Grafen Gustav. Die dritte Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Hohenstein führte diesen Namen seit 1647, als sie von Brandenburg mit den zur Grafschaft Hohenstein gehörigen Besitzungen Lora und Klettenberg belehnt wurde, die sie aber später wieder an Brandenburg verkaufte. Auch diese Linie wurde in den Reichsfürstenstand erhoben.

Der älteste Sohn des Stifters der Ludwigsburger Linie war Graf Christian Ludwig Casimir, der schon als junger Mann in russische Dienste trat (1733) und sich im Kriege mehrfach auszeichnete, so das er bis zum Range eines Generalleutnants aufstieg. Auch hatte er das Glück, durch Heirat das bedeutende Gut Reichan in Ostpreußen in seinem Besitz zu bringen. Noch höher stieg sein Sohn Ludwig, Graf von Wittgenstein und Herr zu Reichan, geboren 1769, also in demselben Jahr wie Napoleon I, und ein Kriegsgenie war, daß diesem aber später noch zum Verhängnis werden sollte. Schon mit 30 Jahren russischer Generalmajor und Chef eines Husarenregiments, zeichnete er sich 1805 und 1807 durch glückliche Gefechte aus und stand 1812 als Generalleutnant an der Spitze eines russischen Korps von 30.000 Mann gegen die Heere Napoleons mit der Aufgabe, die Ostseeprovinzen gegen sie zu schützen und sie von dem Wege nach Petersburg abzudrängen. Mit großem Geschick wußte er in einer Reihe von meist siegreichen Gefechten die Marschälle Quidinot und St. Cyr dieser Absicht gerecht zu werden. Quidinot wurde von ihm am 31. Juli und beide vereinigt am 16. August geschlagen. Verstärkt durch frische Kräfte warf er sich in neuen siegreichen Gefechten vom fünfte 14. bis 18. Oktober auf St. Cyr, der dabei verwundet wurde. Es galt jetzt, mit den anderen russischen Feldherren an der Beressina der großen Armee Napoleons den Rückzug zu versperren. Es gelang nicht Napoleon selbst und den Hauptteil seines Heeres abzuschneiden, aber Wittgensteins Angriff auf den Nachtrab bei dem Übergang über den Fluß und seine Kanonenkugeln fügten dem Feinde jene entsetzlichen Verluste zu, die sich dem Gedächtnis der Nachwelt so tief eingeprägt haben. In Wilna überraschte er mit seinen Kosaken den Schwager Napoleons, Murat, der sich in eiligster Flucht vor ihm rettete. Als General der Kavallerie drang er im folgenden Jahre (1813) mit seinen, den rechten Flügel der Russen bildenden Heer von 32.000 Mann gegen die Oder und Elbe vor und erreichte am 11. März mit seinem Hauptquartier Berlin. Sein rasches Vorgehen hatte es dem preußischen General York ermöglicht, sich von den Franzosen zu trennen und durch den denkwürdigen Vertrag mit den Russen in der Mühle zu Tauroggen am 30. Dezember 1812 sich freie Hand zu verschaffen. Sein Erscheinen in Berlin bewahrte den König vor der drohenden Gefangennahme durch die Franzosen, so daß dieser seine Residenz nach Breslau verlegen und dort den berühmten Aufruf an sein Volk zum Befreiungskampf erlassen konnte. Einen Angriff der Franzosen auf Berlin am 6. April 1813 schlug Wittgenstein mit Unterstützung der Generäle York und Bülow zurück. Wittgenstein wurde bald darauf zum Oberbefehlshaber über die vereinigten Streitkräfte der Russen und Preußen in einer Gesamtstärke von etwa 85.000 Mann ernannt. Er entwarf nun den kühnen Plan, Napoleons neues, großes Heer auf dem langausgedehnten Marsch durch seine Reiterei zu zersprengen, hatte aber das Mißgeschick, sich gleich beim ersten Angriff einem tüchtigen und entschlossenen Gegner wie den General Ney gegenüber zu finden und bei Lützen am 2. Mai 1813 ein Terrain anzutreffen, wo seine Reiterei sich nicht entwickeln konnte. Der Plan war vereitelt, und er ging deshalb mit der Hauptarmee nach Dresden zurück, wobei Napoleon ihm nachfolgte. Auch die Schlacht bei Bautzen am 20. Mai 1813 ging verloren, aber mit schweren Verlusten für die Sieger, unter denen wieder Ney zur Entscheidung beigetragen hatte. Auch hatte die Anwesenheit der Monarchen von Russland und Preußen im Hauptquartier hemmend auf die Leitung eingewirkt. Nach diesen Mißerfolgen sah er sich genötigt, am 25. Mai das Oberkommando niederzulegen, daß Barkley de Tolly übernahm, ohne daß Wittgenstein aber aufhörte, seine Dienste noch weiter der Armee zu widmen, indem er im Gegenteil durch Anführung des neuen Flügels noch einmal tatkräftig in den Gang der Schlachten Eingriff. Am 14. Oktober als er Schwarzenbergs Herr in der Richtung auf Leipzig mit der Reiterei voranzog, gelang es ihm nach langen blutigen Kampf, die kriegsgewohnten französischen Reitermassen Murats zu überwältigen, gleichsam als Vorspiel und Einleitung der gewaltigen Völkerschlacht bei Leipzig, die zwei Tage später begann. Auch an dem französischen Winterfeldzuge 1814 nahm er teil, war aber durch eine Verwundung genötigt zurückzukehren und konnte auch 1815 nicht mit ins Feld rücken. Im Jahre 1826 wurde ihm die Würde eines Generalfeldmarschalls verliehen und 1828 im Kriege Russlands gegen die Türkei das Oberkommando über ein Heer von 100.000 Mann anvertraut, mit dem er Braila und Schumia eroberte.

Nach dem aber General Diebitsch, ein Schlesier von Geburt und hochstrebender Militär, den Kaiser gegen die weiteren Feldzugspläne Wittgensteins eingenommen hatte, wurde er aus dem Winterquartier abberufen. Gleichwohl zeigte sich sein Kaiser nicht undankbar gegen ihn, sondern belohnte mit einer reichen Dotation, und auch die Stadt Petersburg ließ ihm in Anerkennung seiner Verdienste ein Geschenk von 150.000 Rubel überreichen. Von da an lebte er als Privatmann auf seinen Gütern und starb 1843 im Alter von 72 Jahren, nachdem er noch 1834 vom König von Preußen in den erblichen Fürstenstand erhoben worden war.

Der älteste Sohn dieses hervorragenden, hochberühmten Mannes, nach seinem Vater auch Ludwig genannt, dem militärischen Range nach kaiserlich russischer Flügeladjutant, war in erster Ehe mit einer Prinzessin Raziwill und in zweiter mit der Tochter des Fürsten Bariatinsky vermählt. Aus der ersten Ehe stammen als Kinder die spätere Fürstin Maria von Hohenlohe-Schillingsfürst und Prinz Peter, der Erbe der ungeheueren russischen Güter, von denen Biala in Potlesien 30.000 ha mit einer Stadt und 23 Dörfer mit 15.000 Einwohner umfaßte. Aus der zweiten Ehe gingen hervor die Prinzessin Antoniette die spätere Fürstin Chigi, und die Prinzen Friedrich, geboren den 3. April 1836, dann Ludwig, geboren den 15. Juli 1843, und Alexander, geboren den 14. Juli 1847, der jetzt noch lebende Graf von Hachenburg. Das Majorat ist heute im Besitz seines Sohnes, des Fürsten Stanislaus von Sayn-Wittgenstein, wie sich die Linie nach Erwerbung der alten Stammburg mit königlicher Genehmigung wieder genannt hat.

siehe Fußnote *

Fürst Ludwig nämlich, der Sohn des Feldmarschalls und Vater des vorhin Genannten, erinnerte sich um das Jahr 1847 der rheinischen Heimat seines Geschlechts und erwarb die Besitzungen in Sayn wieder zurück. Lange vorher war der Anteil derer von Reiffenberg, der ehemaligen Ministerialen von Kurtrier, durch Heirat an den Grafen Joseph von Boos-Waldeck übergegangen, ebenso mit dem Anteil der Reiffenbergs auch diejenige der Freiherren von Stein, und der Graf von Boos-Waldeck hatte sich am Fuße des Burgberges ein Wohngebäude errichten lassen. Alles dies ging durch Kauf in den Besitz des Fürsten Ludwig über, der nun vergrößerte und verschönerte, das Schloß erbauen und aus dem früheren "Bongart" den Park herrichten ließ. Dazu wurde ihm die Burgruine vom preußischen Staat überlassen, so, daß das ganze wieder in seiner Hand vereinigt war und es bildete seit 1861 mit zugehörigem Rittergut und Kapitalien das Fideikommiß der Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Sayn.

Es ist hier noch einer Persönlichkeit zu gedenken, die wegen ihres Edelsinnes und ihrer sonstigen hervorragenden Eigenschaften vollste Würdigung verdient. Es ist dies die zweite Gemahlin des vorgenannten Fürsten, die Fürstin Leonilla, die Tochter des Fürsten Iwan Bariatinsky, geboren zu Moskau und auf dem Schloßgut Iwanoff im Gouvernement Kursk aufgewachsen. Mit 16 Jahren wurde sie am russischen Hofe vorgestellt und lebte in der Umgebung der Kaiserin Charlotte, einer Schwester Friedrich Wilhelms IV. und Wilhelms I. und war der Liebling des Kaisers Nikolaus. Im Winter hielt sie sich mit ihrem Gemahl gewöhnlich in Berlin auf und verkehrte viel am Hof und besonders bei der kunstsinnigen Fürstin Luise von Raziwill. Nach dem Tode ihres Gemahls im Jahre 1866 lebte sie bald in Baden-Baden, bald in Rom, wo ihre Tochter mit dem Fürsten Chigi verheiratet war, und zog sich anfangs der 70 er Jahre auf die Villa Monahri am reizenden Gestade des Genfer Sees bei Lausanne zurück. Sie gründete das als Nonnenkloster und Krankenhaus dienende Leonilla-Stift zu Sayn und gab die Veranlassung zur Abhaltung des Pius-Festes, das alljährlich in der Sayner Abtei Kirche gefeiert wird. Gelegentlich eines Aufenthalts in Rom nämlich erhielt sie von dem damaligen Papst den Leichnam des heiligen Märtyrers Pius zum Geschenk, der in den Katakomben aufgefunden worden war. Sie ließ ihn feierlich nach Sayn überführen und das jährliche Fest dafür anordnen. Am 9. Mai 1916 war es, daß sie unter den Mitgliedern der Fürstenhäuser Europas das einzig darstehende patriarchalische Alter von 100 Jahren erreichte. Der Tod hat sie inzwischen aus dem Erdenleben abberufen, aber im Andenken ihrer treuen Verehrer wird sie fortleben, besonders in den weiblichen Kreisen der Sayner Einwohnerschaft, von denen noch manche mit Vorliebe ihren Namen Leonilla führen.

Der unmittelbar bei Sayn gelegene Friedrichsberg mit seinen uralten Anlagen hat seinen Namen von dem Herzog Friedrich von Nassau-Usingen, der zurzeit seine Resistenz im Engerser Schloß hatte und die Bestimmung traf, daß die Anlagen stets für das Publikum zugänglich bleiben sollten. Bei der Übergabe an Preußen ist auch diese Bestimmung in Kraft geblieben. Die anderen herrlichen Anlagen auf den verschiedenen Höhen der Umgebung sind hauptsächlich durch die unablässigen Bemühungen der früheren Krupp'schen Generaldirektion zu Stande gekommen. Die Sayner Hütte, die am 1. Februar 1865 von der Firma Krupp in Essen übernommen worden war, war bis dahin eine Geschoßfabrik im Besitz des preußischen Staates gewesen. Es ist bemerkenswert, daß die Eisenerzeugung und seine Verarbeitung von alters her in der Gegend gehandhabt worden ist, wofür die genannte Sayner Hütte und die Eisenschmelzen Oberhammer im Sayntal und Steinebrückerhammer im Brextal sowie die alten Eisenerzstollen den Beweis liefern. Auch hier sei auf die früher in Isenburg, im Volksmund auch vielfach Eisenburg geheißen, so lebhaft betriebene Nagelschmiederei hingewiesen. Vor allem aber gilt für den biederen Bewohner von Sayn, der, nebenbei bemerkt, den Namen seines Ortes fast genauso ausspricht wie der Franzose den seines Flusses Seine, von größter Wichtigkeit das heimische Kirchweihfest, das den Reigen der Feste gleicher Art zu eröffnen pflegt und in den ersten Tagen des Wonnemonats Mai stattfindet, so daß in Erwartung desselben der ehrsame Bewohner der ländlichen Umgebung zu sagen gewohnt ist: "es wird nicht eher warm, bis man in Sayn zeigt Simons Arm", was üblich jedes Jahr am Kirchweihfeste der Fall ist.


*) an der Stelle des heutigen Schlosses standen damals die Wohngebäude des Herren von Boos-Waldeck. Im Vordergrund rechts ist neben dem Heiligenhäuschen der Eingang zu dem späteren Park zu sehen. Links befindet sich die so genannte Wolfsmühle in ihrer altertümlichen Bauart.


Anmerkung
Zum vorliegenden Aufsatz von F. W. Kirschbaum, Zur Geschichte der Burg, der Ortschaft und der Abtei Sayn.

Die vorliegende Arbeit von Kirschbaum entstand vor dem Jahre 1920 als eine gemeinfassliche Darstellung aus verschiedenen geschichtlichen Werken, ohne die auch damals schon vorliegenden neueren Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Sie beruht in der Hauptsache auf den Vorarbeiten Graf Alexanders zu Hachenburg für seine "Chronik von Sayn" (erschienen 1929), wobei ich mir noch nicht sicher bin, wer Was von Wem abgeschrieben hat, sowie der Nacherzählungen aus der geschichtlichen Darstellung von Braun über die "Geschichte der Reichsgrafschaft Sayn-Altenkirchen", (1886, Betzdorf) und aus den "Urkunden" aus den "Mittelrhein. Regesten" von Goerz und aus dem "Codex diplomaticus Rheno-Moselanus" von W. Günther zur Geschichte der Grafschaft Sayn. Hinzu kamen einige Angaben zur Genealogie aus den genealogischen Arbeiten von May und H.Grote. Die Arbeit ist besonders in den Teilen, welche die frühe Zeit behandelt und genealogischen Angaben, mit alleräußerster Vorsicht zu benutzen. W. Kutsche.




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