Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Burg, der Ortschaft und der Abtei Sayn.
Von F. W. Kirchbaum, Lehrer a. D. in Bendorf.
Nur wenige Orte an unseren heimatlichen Rheinstrom
mag es geben, wo die Vorzüge hoher landschaftlicher Reize der Umgebung
sich mit einer Fülle der interessantesten geschichtlichen Begebenheiten
und Erinnerungen in dem Maße vereinigen wie in dem am Fuß des
Westerwaldes, eingangs zweier Seitentäler de Rheins, des Sayn- und
Brexbachs gelegenem Orte Sayn, wo die genannten Bäche zusammen
fließen, um als Hängelbach in den Rhein zu münden.
Kaum eine halbe Stunde von diesem Strom entfernt,
entzieht sich der Orte einigermaßen den Augen der rheinauf- oder
rheinabwärts Reisenden, ist aber dennoch nicht weniger leicht durch die
Eisenbahn wie auch zu Schiff und mit der Straßenbahn erreichbar und
bietet denen, die solche Stätten bedeutsamer Ereignisse und zugleich die
erhabene Pracht der unmittelbar sich anschließenden Wälder und
Höhen mit ihren herrlichen Aussichtspunkten zu schätzen wissen, die
angenehmste Überraschung.
Die älteste Geschichte des Ortes und der
Gegend knüpft sich an die auf einem der Vorsprung zwischen den beiden
Bächen Sayn- und Brexbach prächtig aufragende Burgruine, deren
ältester Teil auf der obersten Höhe aus einen in massiver Form sich
erhebenden viereckigen Turm besteht. Das ist der Überrest der einstigen
mächtigen Burg der Ritter und Grafen von Sayn, deren Herkunft sich im
Dunkel der Vergangenheit verliert. Der alte nassauische Chronist Textor
weiß uns zwar von verschiedenen Grafen von Sayn zu berichten, die einen
Zweig des Nassauischen Hauses gebildet hätten, so von einem Grafen
Friedrich, dann Walter und von Gerhard, der sich 933 bei siegreichen Kampfe des
Kaisers Heinrich I. gegen die vordringenden Ungarn beteiligte und 934 die
Grafschaft antrat. Seine Angaben haben viel Wahrscheinlichkeit für sich,
wenn sie auch von späteren Forschern in Zweifel gezogen werden. Wenigstens
spricht der Besitz der Sayner Grafen an auswärtigen Gütern für
eine erst spät erfolgte Ansiedlung in der Sayner Gegend.
Eines Grafen Heinrich von Sayn geschieht zuerst in
einer Urkunde vom Jahre 1112 Erwähnung, worin der Graf von Isenburg dem
Kloster Laach seinen Schutz zusichert, und 1139 der Grafen Eberhard und
Heinrich, wahrscheinlich seine Söhne. Damals stand etwa 1000 Schritte
oberhalb auf dem Bergrücken am rechten Ufer des Brexbaches, wo heute ein
Tunnel der Westerwaldbahn hindurchführt, eine ältere Burg, wovon der
Ritter von Reiffenberg neben Gräben, in den Felsen eingehauen, noch
Trümmer von Türmen und einen verschütteten Brunnen vorgefunden
hat. Zur Ahndung fortgesetzten Landfriedensbruches wurde diese alte Burg durch
den neugewählten Erzbischof von Köln, Grafen von Wied, 1152 bis auf
die Grundmauern zerstört. Hierauf begannen Graf Eberhard und sein Bruder
Heinrich dem Bau der Anfangs erwähnten anderen Burg auf dem sogenannten
Kehrberg, wie der Bergvorsprung zwischen den beiden Bächen genannt wird,
wovon als letztes Überbleibsel der mächtige Turm auf der obersten
Höhe anzusehen ist. Um für die Folge besseren Schutz zu
genießen und vielleicht auch aus Mangel an Geldmitteln,
entäußerten sich die Grafen ihrer bis dahin behaupteten
Reichsunmittelbarkeit und übergaben die Burg nebst den dazugehörigen
Gütern dem Erzbischof von Trierer und empfingen sie als Lehen zurück.
Dafür erhielten sie vom Erzstift 100 Pfund Heller als Jahresbenefiz mit
der Maßgabe in der Urkunde überwiesen, daß ihre Nachkommen
jenen Betrag ohne die Pflicht der Heeresfolge empfangen sollten.
Im Laufe der Zeit entstanden zu Füßen
dieser Burg noch zwei weitere Burghäuser, das mittlere den Herren von
Reiffenberg und das untere denen von Stein, den Ahnherrn des berühmten
rheinischen Staatsmannes Freiherrn von Stein, zugehörig.
Die Grafschaft Sayn lag größtenteils
nördlich, zum kleineren Teil südlich von Wied und gehörte zum
Engersgau, der sich von Linz am Rhein über Dierdorf und Dreifelden bis zum
Ausflusse des Ardebaches in die Lahn, und dann deren rechten Ufer entlang bis
zu ihrer Mündung erstreckte. Zu Zeiten ihrer größten Ausdehnung
umfaßte die Grafschaft Sayn mit Einschluß der Grafschaften
Altenkirchen und Hachenburg den immerhin ansehnlichen Landkomplex von mehr als
20 Quadratmeilen (= ca. 1101 km² ) und gehörte zum
westfälischen Kreise. Als Gaugraf des Engersgaues wird zuerst Friedrich
von Sayn genannt, dann 1142 Eberhard, 1152 Eberhard und sein Bruder Heinrich,
1158 Graf Gottfried von Spohnheim und Graf Heinrich von Sayn. Mit Kaiser
Friedrich Barbarossa kämpfte ein Graf Eberhard von Sayn und nahm an dessen
Belagerung von Mailand im Jahre 1161 teil. Heinrich I. von Sayn hatte mit
seiner Gemahlin Agnes einen Sohn Heinrich II. und zwei Töchter, Agnes und
Adelheid. Er selbst im starb 1202, und von 1205 führte Graf Heinrich II.,
Kreuzfahrer, die Herrschaft. Damals hatten begeisterte Männer wie Johann
von Xanten und Oliver von Köln, in flammenden Predigten in Köln,
Aachen und Andernach zum Kreuzzug aufgerufen, und so hatte auch er nach dem
Beispiel des Herzogs von Bayern, des Pfalzgrafen bei Rhein, des Grafen Gerlach,
des Sohnes Heinrichs von Isenburg, der Grafen Georg von Wied, Johann von
Spohnheim und anderen Ritter das Kreuz genommen.
In der Folgezeit kam er dennoch mit der
kirchlichen Behörde in Konflikt, als er nach Vereinbarung mit dem Abt von
Siegburg an der Sieg, wo er ein Allodium besaß, die Burg Blankenberg
erbaute, deren malerische Ruine noch heute das Ziel vieler Wanderer ist. Wegen
Gewalttätigkeiten, die er an den Gütern der Siegburger Abtei
ausübte, wurde er durch eine päpstliche Bulle aus der kirchlichen
Gemeinschaft ausgeschlossen. Später mit der Kirche wieder ausgesöhnt,
tritt er in gutem Einvernehmen mit dem Erzbischof von Köln wegen der
Gerechtssame des Klosters Laach. In dem besonders für das Rheinland
verhängnisvollem Streit zwischen den beiden Gegenkaisern Philipp von
Schwaben und Otto den IV. von Braunschweig stand er auf des Letzteren Seite und
wurde dafür von den Gegnern durch Belagerung seiner Burg bedrängt,
die er aber siegreich abschlug. Nach solcher langwährenden kriegerischen
Tätigkeit schien sich sein Sinn den frommen Werken des Friedens
zuzuneigen. Er hatte darin ein Beispiel an den Grafen von Isenburg, die "zum
Heil ihrer Seelen" 1135 zu Rommersdorf eine Anzahl Norbertiner-Mönche aus
dem Kloster Floreff bei Namur aufgenommen hatten, die der Erzbischof Albero von
Trier dorther hatte kommen lassen. Nun fing auch 1201 Graf Heinrich II an, im
Brextal eine Abtei zu erbauen, wozu ihm von dem päpstlichen Legaten Guido
von Prenestre und dem Erzbischof von Trier die Bestätigung erteilt wurde.
Die Stiftungsurkunde trägt als Zeugen eine ganze Reihe von Namen, die
für die Geschichte der Rittergeschlechter wertvoll sind, wie Gerlach von
Isenburg, Theoderich von Hönningen, Eberhard von Sayn, dann der Sohn des
Stifters, Heinrich III. und Graf Gottfried von Sponheim.
In den ersten Maitagen des Jahres 1202 fand die
große Feier der Einweihung der neuen Kirche und des Klosters zu Sayn
statt, die durch den päpstlichen Legaten selbst vollzogen wurde, wobei die
neuen Klosterbewohner, Prämonstratenser aus der Abtei Steinfeld in der
Eifel, unterstützt durch ihre Rommersdorfer Confratres, durch
Verrichtungen beim Gottesdienst und durch ihren Choralgesang zur Verherrlichung
beitrugen. Eine Unzahl von Gästen war dabei zu beherbergen, außer
dem päpstlichen Gesandten selbst die Erzbischöfe von Trier und
Köln mit ihrem Dompröbsten, die Äbte Ehrenfried von Steinfeld,
Gerhard von Stromburch (Heisterbach) und Reimer von Rommersdorf, dann von
weltlichen Stande Herzog Heinrich von Limburg, Graf Adolf von Berg, Gerhard von
Are, Lothar von Hochstaden, Wilhelm von Jülich, Burggraf Eberhard von
Arberch mit seinem Bruder Otto, der Raugraf und Emicho von Leinigen, dazu
natürlich die schon genannten Zeugin der Urkunde. Vom sonstigem Adel sind
noch zu nennen Otto von Wickrod, der Vogt Hermann von Köln, 9 seiner
Burgmänner von Blankenburg und die Ministerialen der Sayner Grafen und
Isenburger Grafen. Dabei ist noch eine wichtige Persönlichkeit nicht zu
übersehen, der Bruder des Stifters, Graf Bruno von Sayn, damals Probst des
Cassiusstiftes in Bonn, des Sankt Castorstiftes zu Coblenz und Inhaber der
Pfarrstelle zu Engers, der später, als er nach drei Jahren Erzbischof von
Köln geworden war im Jahre 1204 der neuen Abtei in seiner Heimat die
kostbare Reliquie, den Arm des Heiligen Apostel Simon schenkte, was in der
Folge, besonders seit 1206 einen großen Zustrom von Pilgern zur Verehrung
desselben hinzog, so daß man in einem Jahre ihre Zahl auf 20.000
geschätzt haben will.
Es fällt bei der vorhin geschilderten
Einweihungsfeier auf, daß der Stifter und Gastgeber selbst nicht dabei
erwähnt wird. Vielleicht mußte er, durch Krankheit verhindert, ihr
fernbleiben. Jedenfalls war es keine Kleinigkeit die gewaltige Schar der
Gäste für einige Tage zu versorgen und unterzubringen. Außer
der Burg, den beiden Abteien Sayn und Rommersdorf, die dafür in Anspruch
genommen wurden, und den dazu gehörigen Ministerialengebäuden, die
unten gelegen waren, mußten für den ganzen Troß noch Zelte in
Tal aufgeschlagen werden. Nach Beendigung der kirchlichen Feier durfte es
natürlich auch nicht an einem festlichen Male fehlen, wobei die Stimmung
durch etwas beeinträchtigt wurde, daß sich hier zwei Parteien so eng
zusammen saßen, die des päpstlichen Legaten, des Kölner
Erzbischofs und der Sayner Grafen mit ihren Anhängern, die alle zur Sache
Ottos XIV. hielten, und andererseits die Partei des Erzbischofs von Trier, des
Verwandten Philipp von Schwaben, dazu kam noch, daß der Kölner
Erzbischofs dem Trierer in dessen eigener Erzdiözese die Stadt Andernach,
die Burggrafschaft Rheineck und die Schlösser Burgbrohl, Olbrück und
Kempenich weggenommen hatte. Und die Ironie des Schicksals wollte es, daß
gerade genau vor 50 Jahren die Sayner Grafen zum Schutze gegen Köln und
Wied, in dem sie sich der Reichsunmittelbarkeit begaben, den Vorgängern
des Trierer Erzbischofs ihr Gebiet als Lehen angetragen und empfangen hatten.
Das unter solchen Umständen die hohe Politik reichlich zur Sprache kam,
darf man wohl als sicher annehmen, aber auch die Hauspolitik kam nicht zu kurz
dabei. Es handelte sich um Heinrichs II. Sohn, Heinrich III., einem jungen Mann
von riesenhafter Größe und Körperkraft, daher auch Magnus
genannt, dessen mitsamt seinen Söhn'chen in uralter Holzbildnerei
dargestellte Figur am Eingang ins Schloß ins Auge fällt. Sein
Schwert, 25 Pfund schwer, wurde noch lange Zeit nachher auf dem Ehrenbreitstein
aufbewahrt. Er selbst spielt eine bedeutsame Rolle in der Geschichte des Sayner
Grafengeschlechts und war mit mancher ritterlichen Tugend geschmückt, die
nur dadurch verdunkelt wurde, daß auch er dem Raubritterunwesen sich
nicht fernhielt und mit einem anderen seiner Ritter, namens Aleinward, wegen
der dabei gezeigten unerschrockenen Kühnheit weit und breit
gefürchtet war.
Diese Sage erzählt von ihm, daß er
eines Tages von der Jagd heimkehrend, sein einziges Söhn'chen liebkosend
am Kopf erfaßt und seine riesige Kraft nicht abschätzend ihm den
Schädel eingedrückt habe. Bei dem besagten Festmahl sollte nun eine
eheliche Verbindung des damals noch ledigen jungen Grafen mit der Gräfin
Mechthildis von Landsberg, der Erbin großer Güter, wie der
Herrschaften Wied, Rosbach und Windeck, in die Wege geleitet werden, wodurch
das Sayner Gebiet eine sehr günstige Abrundung zu erwarten hatte. Dazu
wußte der päpstliche Legat dem Papst Innozenz III. zu veranlassen,
durch Vermittlung der Äbte von Rommersdorf und Marienstatt die
Eheschließung zu befürworten, die denn auch nachher wirklich zu
Stande kam. Aber noch eine andere wichtige Sache wurde bei dieser Feier ins
Werk gesetzt, das war die Schenkung des Sayner Grafen an die neue Abtei, die
unter dem Schutz des Papstes gestellt und durch den Trierer Erzbischof die
Bestätigung ihrer Dotation erhielt. Diese bestand in den Höfen zu
Witersberg (Weitersburg), Ormunze (Urmitz) und Thüre (Thür), in
Gütern zu Engers, Heimbach, Arwilre (Ahrweiler), Hemingishofen
(Himminghofen), in solchen im Tale Sayn, welche früher der Kapelle und dem
Arnold Herings waren, dann im Wald zu beiden Seiten des Tages, in Wingerten zu
Bedenorf (Bendorf) und im Zehnten zu Menifelt (Meinfeld im Nassauischen) und zu
Metriche (Metternich). Der bisherigen Mutterkirche Engers wurde ein Teil ihres
Pfarrechts vorbehalten, auch sollte das Tochterkloster Sayn der Abtei Steinfeld
untertänig sein. So erhielt sich unter allen Störungen und
Umwälzungen der Zeit die Sayner Abtei 600 Jahre lang, bis die rauhe Hand
der Revolution an die stille Pforte des Klosters klopfte und dieses unter der
Herrschaft von Nassau-Usingen aufgehoben wurde, aber die Kirche blieb bestehen
und statt der Klostergemeinde gab es jetzt eine Pfarrgemeinde.
Im Jahre 1207 tobte der Krieg zwischen Philipp von
Schwaben und Otto IV., weiter. In der Gegend von Köln kam es zum Kampfe,
wobei die Kölner Bürger mit Wallram II. von Luxemburg und dessen
Scharen auf Ottos Seite standen. Aber dieser wurde geschlagen und mußte
verwundet die Flucht ergreifen. Mit ihm floh der neue Erzbischof Bruno, Graf
von Sayn, und Heinrich, der Sohn Wallrams II., in die Feste Wassenburg, aber
auch diese bot keinen sicheren Zufluchtsort. Philipp nahm sie ein und
ließ Bruno gefangen nach Würzburg bringen, der aber auf die
Vorstellungen der Fürsten wieder freigelassen und auf Verwendung des
Papstes in seine Würde wieder eingesetzt wurde. Im folgenden Jahre
ließ er die Burg Landskrone an der Ahr erbauen und übertrug seinem
Erzstift die Vogtei Laach. Ein anderer Bruder Heinrichs II. von Sayn war
Eberhard, Landmeister der Deutschen Ordensritter in Preußen und
Herrenmeister in Lievland.
Eine jüngere Tochter Heinrichs war mit einem
Grafen von Kastell und die ältere Adelheid mit dem Grafen Johann von
Sponheim vermählt.
Bei Gelegenheit der Hochzeit der Letzteren, die
mit großem Aufwand auf der Burg zu Sayn gefeiert wurde, ist eines
Ereignisses zu gedenken, das zu damaliger Zeit viel von sich reden machte und
uns heute ein sprechendes Zeugnis von dem Geiste gibt, der in den Kreisen der
Ritter und Herren herrschte. Es geschah nämlich, daß in der
Weinlaune der Gäste die Rede auf allerhand Kraftleistungen kam, und der
Bräutigam, Graf von Sponheim, in Vollgefühl des Glückes eine so
reichumworbene Braut zu besitzen, um ein Fuder edlem Monzinger Weines den
Herren die Wette anbot, daß sein Schild- und Leibknappe, Michel Mort ein
geborener Kreuznacher und vordem der dortigen Fleischerzunft angehörte, im
Stande sei, die Ritter alle nacheinander kopfunter in den Sack zu stecken.
Anfänglich wollten sich diese fast beleidigt fühlen, da sie auf ihre
Kraft als tapfere Männer nicht wenig stolz waren. Bekanntlich waren auch
die Sayner Grafen ein kraftvolles Geschlecht und genossen den Ruf eines
solchen, denn einer von ihnen mit dem Beinamen Eisenhardt hatte auf einem
Turnier in Trier 6 Ritter nacheinander in den Sand gestreckt. Der Isenburger
als der erste, ein gewaltiger Mann, war besonders begierig, sich das Fuder zu
verdienen und erklärte, er halte es um diesen Preis nicht unter seiner
Würde, mit einem Knechte zu ringen und seinem Beispiel folgend gingen dann
noch sechs andere Ritter die Wette ein. Darauf wurden dann die Bedingungen
festgestellt. Waffen und Oberkleider sollten abgelegt und zum Zeichen,
daß sie dem Knappen nichts Böses nachtragen wollten, sollte jeder
ihm nach Ausgang der Wette 3 Gulden schenken. Alle sieben erklärten sich
da des mit einverstanden, und so wurde der Knappe hereinbeschieden. Es war eine
wahre Hühnengestalt, der man die innewohnende Kraft wohl ansah und bei
deren Anblick manchem Ritter doch etwas unheimlich zu werden anfing.
Graf Sponheim fragte ihn, ob er sich wohl getraue,
jeden der Ritter im Ringkampf zu überwinden und kopfunter in den Sack zu
stecken, und erklärte ihm die vereinbarten Bedingungen. Bescheiden
erwiderte der junge Mann, er wisse wohl, daß es ein eigenes Unternehmen
sei, mit so hohen und edlen Herren zu ringen, aber auf seines Herrn
Geheiß getraue er sich wohl dazu, wenn es ihm nicht verübelt
würde. Übrigens sei er leibeigen und habe seinem gnädigen Herrn
zu dienen. Dem Grafen gefiel die Antwort so gut, daß er feierlich
gelobte, ihm die Freiheit zu schenken, wenn er das Stücklein fertig
brächte.
Der Isenburger fiel dem Knappen heftig an, aber
trotz der Aufbietung seiner ganzen Kraft wurde er von ihn bald
überwältigt und kopfunter in den Sack gesteckt, ebenso der Graf von
Cobern, der auch als einer der stärksten galt. Jedes Mal beeilte sich der
Knappe den Ritter so schnell als möglich aus der engen Haft zu befreien
nun kam der dritte Gegner an die Reihe, der Ritter Nikolaus von Winneburg, der
in der Annahme, das Mort schon durch die vorhergegangenen Kämpfe
geschwächt sei, ihn durch einen geschickt angebrachten Kunstgriff zu
werfen gedachte. Er machte auch zu mehreren den Versuch, so daß die
angestellten Kampfrichter ihm zu rufen mußten: "ringet ehrlich, Herr
Ritter!" Darauf begann der Kampf von neuen, bis auch dieser Ritter von Mort
überwältigt wurde, der sich nur die Genugtuung könnte, ihn etwas
länger in dem Sack zu lassen. Man vergegenwärtigte sich schier das
Staunen der mächtigen Gegner, das dröhnen des Saales und das Gaudium
der Zuschauer, wenn wieder ein Ritter in den Sack gestreckt wurde. Die vier
übrigen standen vom Kampfe ab und erlegten auch ihre Goldgulden, aber
Mort, um zu zeigen, wie wenig er durch die Anstrengungen erschöpft sei,
nahm unter jedem Arm einen von ihnen und tanzte zum höchsten Jubel und
Ergötzen der Festgesellschaft damit im Saale herum, was zugleich den Unmut
verscheuchte, deren sich der Besiegten hatte bemächtigen wollen. Als
wieder Ruhe eingetreten war ließ der Knappe sich auf die Knie nieder und
bat die Herren um Verzeihung, so etwas gewagt zu haben, er habe aber nur auf
Befehl seines Herrn gehandelt und würde sich sonst derartiges nicht
einfallen lassen. Die Ritter lachten und reichten ihm versöhnt die Hand.
Graf Sponheim aber führt ihn in die Mitte des Saales und erklärte ihn
vor allen Anwesenden für einen freien Mann, indem er sagte, daß
derjenige, der so tapfere und mannhafte Ritter zu bezwingen im Stande sei,
nicht länger Leibeigener und Diener sein dürfe.
Aber auch nach dieser Zeit verließ Mort
seinen Herren nicht und stand ihm noch in manchem heißen Kampfe
schützend zur Seite, bis er in der blutigen Fehde mit dem Erzbischof von
Mainz um den Besitz des Schlosses Böckelheim seinen schwer verwundeten
Herren mit seinem Körper deckte und von Pfeilern und Lanzenstichen
durchbohrt den Heldentod fand. Eine solche rührende Treue und Aufopferung
fand begeisterte Anerkennung sowohl bei dem Chronisten Trithemius - als auch
bei seinem Landsmann, dem bekannten Kreuznacher Maler und Dichter Müller,
der ihm ein unverlöschliches Andenken in seinem Liebe hinterlassen hat,
worin er ihn mit den Worten feiert:
Ein freier Mann ward Michel Mort in jenen
Festestagen; doch hat in Treue er hinfort für Sponheim sich
geschlagen. Bei Sprendlingen blieb auf dem Plan er für den Freund,
und hat fortan Ihm manches Lied
geklungen.
Ebenso hat auch noch später seine Vaterstadt
d.h. Heldensohn durch einen Denkstein für seine Taten geehrt.
Im Jahre 1232 wurde den Grafen von Sayn von Kaiser
Friedrich II, ihre Reichsstanschaft und Landeshoheit bestätigt. Damit
waren anscheinend ihre Reichsunmittelbarkeit wiederhergestellt, was sich
freilich mit ihrem Lehensverhältnis zum Erzstift Trier nicht gut
vereinigen läßt. Der Stifter der Abtei, Graf Heinrich II, starb 1205
und sein Bruder, der Erzbischof Bruno von Köln, 1208. Nun führte Graf
Heinrich III. Magnus mit seiner Gemahlin Mechthildis von Landsberg die
Herrschaft. Bemerkenswert ist, daß die Sayner Grafen den Aufenthalt in
Köln liebten. Schon 1157 hatte Graf Eberhard von Sayn von dem Grafen von
Blankenheim ein Haus in Köln gekauft, um häufig dort Absteigequartier
zu nehmen. So geschah es auch 1232, das Graf Heinrich III. ein Haus in der
Trankgasse zu Köln kaufte, um mit seiner Gemahlin dort öfters zu
verweilen. Es war dieses die zweite Frau mit dem selben Namen Mechthildis,
vermutlich aus dem Hause Wied-Neuerburg (de novo castro) stammend, mit der er
nach dem Tode der ersten 1222 die Ehe eingegangen war. Den Kölnern blieb
das gräfliche Paar nicht unbekannt; denn das Kloster für
Zisterzienserinen-Nonnen St. Maria in Seyen, oder Sayn, auch Sion genannt,
verdankt ihm sein Entstehen und wurde auch die Grabstätte der frommen
Gräfin, deren Andenken noch heute durch ein Epitaphium daselbst bewahrt
wird. Dieser Gräfin schreibt man auch das Verdienst zu, daß sie als
die erste unter den rheinischen Dynastengeschlechtern für ihre Urkunden
sich der deutschen Sprache bediente und sie dadurch mit zu Ehren brachte,
während sonst die Urkunden fast ausnahmslos lateinisch abgefaßt
waren. Aber trotz seiner großartigen Schenkungen und der
Mildtätigkeit seiner Gemahlin, aus deren reichen Mitteln auch das Kloster
Marienstatt bei Hachenburg mit seinen noch heute erhaltenen ausgedehnten
Gebäuden eine sehr rege Förderung erfuhr, entging er nicht dem Neid
und der Verdächtigungen seitens seiner Gegner. Er und Graf Heinrich von
Solms wurden 1233 von dem päpstlichen Legaten Konrad von Marburg nach
Mainz vor das Inquisitionsgericht wegen Irrgläubigkeit vorgeladen, aber
als unschuldig wieder entlassen. Abermals 1234 nach Frankfurt am Main
vorgeladen, ging er auf Zureden des ihm befreundeten Erzbischofs von Trier auch
dahin und verteidigte, von dem Erzbischof unterstützt, sich derart,
daß der Legaten selbst bat, er möge seinen Anklägern
verzeihen.
Um das Jahr 1240 erbaute er die Burg zu Vallendar,
was in der Geschichte des Grafengeschlechtes eine wichtige Wendung zur Folge
hatte. Nach dem Tode seiner zweiten Gemahlin spaltete es sich nämlich in
zwei Linien, in die Johannitische und die Engelbertinische. Die
Angehörigen der Ersteren nannten sich von da an Grafen zu Sayn und die
anderen Grafen von Sayn und Herren von Vallendar.
Da Heinrichs III. Tochter Sophia, Herzogin von
Brabant, und seine Schwester Agnes, Gräfin von Kastell, ohne Erben
starben, so vermachte er vor seinem Tode, der Ende 1246 erfolgte, mit
Einwilligung seiner Gemahlin "per testamentum" die gesamte Grafschaft an die
vier Söhne seiner Schwester Adelheid, verehelichte von Sponheim, von deren
einstigen glänzenden Hochzeitsfeier im Vorhergehenden ausführlich die
Rede war. Zugleich gab er im Gefühl tiefster Reue über manche einst
begangenen Gewalttätigkeiten seiner Gemahlin den Auftrag, unrechtes Gut an
die Kirche zu schenken und möglichst alles wieder zu erstatten, damit Gott
seine arme Seele in Gnaden annehme, was alles auch von der frommen Frau in
überreichem Maße ausgeführt wurde. Doch sollte sie bis zu ihrem
Tode im Besitz aller Güter verbleiben, gab aber schon zu ihren Lebzeiten
die Schlösser Blankenburg, Hachenburg, Freusberg, Sayn, Saffenburg und
Hadamar ab. Dem Erzstift Köln, beziehungsweise der Domkirche, schenkte sie
ihren Anteil an den Burgen Wied, Windeck und Renneberg, ihre Höfe aber an
sieben verschiedenen Orte mit allen Leibeigenen, zugehörigen
Ländereien und Gerechtsame. Sie blieb noch bis 1283 am Leben.
Von den vier Sponheimer Grafen der trat nun der
älteste der Söhne des Grafen Johann I. von Sponheim-Starkenburg mit
Namen Gottfried die Herrschaft in Sayn an, der zweite, Herr zu Heinsberg, starb
1255, der dritte Namens Simon vermählte sich mit Margarete von
Böckelheim, und der vierte Eberhard, auch von Eberstein genannt, war
anfangs Statthalter in Preußen, dann Herr oder Ordensmeister in Lievland
(gestorben 1258).
Am 31. August 1273 empfing Graf Gottfried von dem
Pfalzgrafen bei Rhein die Lehen über seine Grafschaft. Die drei
Schlösser Altenkirchen, Freusberg und Friedewald gehörten alle dem
Grafen von Sayn. Freusberg, auch Fregusberg genannt, kommt 1247 in einer
Urkunde als festes Castrum vor, daß seine eigene Burgmannen hatte.
Friedewald, auch Frede Waldt oder Fridwald, wird 1367 in Urkunden
angeführt und wird gewöhnlich als das "Huis Friedwald" bezeichnet. Im
Jahre 1294 erwarb Grafen Johann I. von Sayn von dem Grafen von Neuenahr die
Grafschaft Altenkirchen und vom Grafen von Sponheim das Amt Selters und
Maxsayn. Zu der Grafschaft Sayn gehörte auch noch die Herrschaft
Varrenrode in Thüringen. Die Veranlassung zu den oftmaligen Verhandlungen
der Sayner Grafen mit dem Trierer oder Kölner Erzbischof über die
Vogtei oder die Gerechtsame der Abtei Laach ist darin zu suchen, daß der
Ort Bendorf unter drei Besitzer geteilt war, nämlich unter den beiden
Abteien Laach und Siegburg und die Grafen von Sayn. Rheinbrohl, ehemals auch zu
Grafschaft Sayn gehörig, wurde von Heinrich IV., dem letzten Sayner
Grafen, am 20. September 1601 an Kurtrier verkauft.
Zur Zeit der Regierung des Kaisers Rudolf von
Habsburg war das Raubritterunwesen, besonders am Rhein, zu einer schrecklichen
Plage geworden, und der Kaiser vermochte erst spät durch Enthauptung von
26 Landfriedensbrecher einigermaßen Ruhe und Ordnung zu schaffen. Gegen
den kriegerischen Erzbischof Siegfried von Köln, Grafen von Westerburg,
hatte sich eine Koalition von Fürsten und Grafen gebildet, an deren Spitze
der Herzog von Brabant und Graf Adolf VII. von Berg, der nachmalige
Gründer von Düsseldorf, standen. Brabant, Berg, Markt und Jülich
führten etwa 15.000 Mann gegen 40.000 vom Erzstift Köln, Luxemburgs
und Geldern in den Kampf, der am 5. Juni 1288 bei Worringen stattfand.
Merkwürdig genug nahmen auch die Bürger der freien Reichsstadt
Köln, um ihren Heerwagen gescharrt, auf dem das Banner der Stadt wehte,
gegen ihren Erzbischof auf Seiten der Sieger daran teil. Die Bergischen gaben
durch ihre glänzende Tapferkeit den Ausschlag. Der Erzbischof selbst, Graf
Adolf von Nassau, Reinhold von Geldern und gegen 1100 andere Edle verloren ihr
Leben. Auch die Grafen von Sayn haben am siegreichen Kampf teilgenommen,
während Graf Salentin I. von Isenburg seine Teilnahme durch längere
Gefangenschaft büßen mußte.
Im Jahre 1293 entstanden unter den Söhnen des
Grafen Gottfried von Sayn wegen der zu dieser Grafschaft gehörenden
Landesteile blutige Streitigkeiten. Zu Engelbert, der die Burg Vallendar
behauptete, hielten die Grafen von der Mark, von Hammerstein und von Montabaur
- zu Johann die Grafen von Solms, Virneburg und von Neuenahr. Es gelang
Engelbertus, der Gegenpartei eine schwere Niederlage beizubringen, aber
trotzdem setzte Johann seine Anstrengungen fort, um Engelbert und die Mutter
Gutta, die bei diesen Sohn wohnte, aus der Burg zu vertreiben, bis der Kaiser
Adolf von Nassau auf seinem Zug in die hiesige Gegend auch nach Vallendar kam
und den Streit dahin vermittelte, daß dem Grafen Johann der alleinige
Besitz von Sayn durch Verzicht seines Bruders bestätigt wurde, dieser aber
die Herrschaft und Burg Vallendar behalten sollte. Die Herrschaft Homburg aber,
die Gutta ihrem verstorbenen Gemahl mit in die Ehe gebracht hatte, wurde zu
gleichen Teilen unter die Brüder geteilt, dagegen sollte Graf Johann das
Patronatsrecht über die Kirche von Vallendar behalten, und sein eigener
Sohn Heinrich wurde zugleich zum dortigen Pastor ernannt. Die Urkunde
darüber wurde am 29. Januar 1294 in Gegenwart des Kaisers und der
zahlreichen Fürsten, Grafen und Ritter als Zeugen ausgestellt. In der
Freude über die Beendigung des Streites vereinte noch am selbigen Tage ein
festliches Mal alle Teilnehmer im Bischofsaal der Burg mit fröhlichem
Spiel und Tanz, und der Kaiser selbst eröffnete mit einer schönen
Edeldame den Reigen.
Im Streit zwischen den beiden Gegenkaisern Ludwig
von Bayern und Friedrich von Österreich hielt Graf Gottfried II. von Sayn
zur Partei des Ersteren, wofür dieser sich dadurch dankbar erwies,
daß er 1314 den Einwohnern der Sayner Städte Hachenburg und
Altenkirchen ähnliche Freiheiten, wie sie Wetzlar besaß,
bestätigte, und auch dem Orte Weitersburg gewisse Vorrechte gab.
Auch bestellte er den Grafen zum kaiserlichen
Statthalter in Dortmund und verlieh dem späteren Grafen Johann und dessen
Erben die Ermächtigung, Hellermünzen zu schlagen.
Ein langwieriger Streit zwischen den Sayner und
Wieder Grafen entspann sich im Jahre 1340 und zog sich bis 1551 hin, in dem die
Wieder Grafen die Oberhoheit über die Leibeigenen beanspruchten, die in
den, den Sayner Grafen gehörende, Höfen zu Irlich sich befanden. Dies
wurde aber von den Sayner nicht anerkannt. Versuche, den Streit durch
Schiedsspruch beizulegen, scheiterten jedes Mal und die Entzweiung lebte immer
von neuem wieder auf.
Im Jahre 1347 verkaufte Graf Johann III. von Sayn
an dem Erzbischof Balduin von Trier seinen Anteil an der Burg Covern , (heute
Cobern) an der Mosel, der über 100 Jahre im Besitz der Sayner gewesen war,
für 17.000 Gld. Derselbe Graf wurde 1359 von seinem Vetter Salentin aus
der Homburger Linie veranlaßt, gemeinsam mit seiner Gemahlin Lysa von
Irlich eine Urkunde auszustellen, worin sie für sich und ihre Nachkommen
versichern, ihre Besitzungen zu Sayn und alle ihre Güter und Rechte nie
verpfänden und veräußern zu wollen. Auch gab Johann III.1367
dem Trierer Kurfürsten Kuno von Falkenstein seine Lande, seine Vesten,
dazu sein Dorf Bendorf von neuem in den Lehensschutz.
Zur Beurteilung der damaligen Verhältnisse
muß eines Ereignisses Erwähnung getan werden, woran die Sayner
Grafen, wohl wegen ihres erst kürzlich erneuerten Lehensverhältnisses
zu Trier nicht selbst beseitigt beteiligt waren, wovon sie aber wegen des
Schauplatzes mitten in ihrem Gebiet stark berührt wurden.
Es trug sich nämlich zu, daß nach der
Limburger Chronik im Jahre 1371 zu Halbfasten Kaufleute aus Köln, wo die
Wollenweberzunft damals in höchster mit Blüte stand, mit ihrem Gewand
(Tuchwaren) den Rhein hinauf zur Frankfurter Messe reisten. Als sie 1 Meile
Weges oberhalb Andernach kamen, wurden sie von dem Grafen von Wied und Velten
(wohl gekürzt aus Valentin) von Isenburg überfallen, die ihnen Tuch
im Werte von 4000 Gld. abnahmen und mit dem anderen Raub nach Isenburg
schleppten. Da drang der kriegerische Kurfürst von Trier, Kuno von
Falkenstein, mit Kriegsscharen in das Gebiet von Wied vor und setzte sich in
den Besitz von Herschbach und anderen Dörfern. Die Stadt Köln, die
als mächtige Handelsstadt ein großes Interesse an der Sicherheit der
Rheinhandelsstraße hatte, stellte ihm dazu "50 reisige Mann" mit voller
Ausrüstung und 20 Armbrustschützen auf eigene Kosten zur
Verfügung. So wurde dem Wegelager der Raub und das Tuch wieder abgenommen.
Am Martinstage desselben Jahres mußte dann Graf Wilhelm von Wied und
seine Gemahlin Lysa den Sühnebrief unterzeichnen mit der Verpflichtung,
den beraubten Kaufleuten eine Entschädigung von 12.130 schweren Gld. in
vier Raten zu zahlen. Außerdem mußten sie alle Ansprüche auf
Engers und das dazu gehörige aufgeben. Der Kurfürst aber nahm im
folgenden Jahre (1372) Engers und das damals noch unterhalb Engers gelegene
Dorf Riol oder Reul (das rheinische Rigodulum), wovon heute nur noch ein
verschütteter Brunnen vorhanden ist, in Besitz und erbaute zu Engers auf
dem Grunde einer verfallenen karolingischen Veste die nach seinem Namen
benannte starke Burg Kunostein, wonach der Ort auch in vielen alten Urkunden
Kunostein-Engers genannt wird.
Im Jahre 1359 war Graf Salentin, ein Enkel
Engelberts, der mit seinem Bruder Johann sich in die Sayner Erbschaft geteilt
hatte, zur Herrschaft gelangt. Er heiratete 1360 die Gräfin Adelheid
(andere nennen sie Elisabeth), die Erbin der Grafschaft Wittgenstein, und
führte von da an den Namen eines Grafen von Sayn-Wittgenstein und Herren
von Vallendar und Homburg. Sie war die einzige Tochter des Grafen Siegfried von
Wittgenstein aus einem uralten Geschlecht, das schon um das Jahr 800 auf der
Felsenburg Wittgenstein an der oberen Lahn seinen Sitz hatte. Über 350
Jahre lang, nämlich bis zum Jahre 1606, die stehen nun die beiden Linien
Sayn und Sayn-Wittgenstein nebeneinander fort. Mit dem Tode des letzten
Nachkommen, des Grafen Heinrich IV., der 1605 starb und in der Kirche zu
Hachenburg beigesetzt wurde, erlosch die Linie Sayn und die Grafschaft Sayn
ging auf seinen Neffen, dem Grafen Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein,
über, den er schon zu seinen Lebzeiten zum Mitregenten eingesetzt hatte,
jedoch ohne die Burg Sayn und die Orte Rheinbrohl, Heimbach, Weis, Gladbach,
Urmitz und Irlich.
Dem Grafen Gerhard von Sayn verlieh Kaiser
Rupprecht 1410 unter anderem die Belehnung auch zwei Turnus (Anteile) an dem
Rheinzoll zu Engers. Diese Belehnung erhielt 1434 ihre Bestätigung durch
Kaiser Sigismund, aber wegen der schwierigen Anfahrt wurde der Rheinzoll
später nach Koblenz verlegt.
Im Kriege gegen die Hussiten 1421 befinden sich
die Sayner Grafen als Mitkämpfer im Kurfürstlichen Heer und 1447
wiederum gegen den Herzog Johann von Cleve.
In dem Testament des im Jahre 1493 verstorbenen
Grafen Gerhard II, von Sayn, datiert vom Jahre 1491, findet sich folgende
Stelle:
"Unser Leib soll in dem Kloster Marienstatt
begraben werden it: unser Gederme in die alte Stadt Hachenburg zu graben, uf
den Kirchhof und nit in die Kirche, sondern vor das Cruzifix, das uf dem
Kirchhof steiht, nachdem des unser Mutterkirche solches ist it: unser Herz zu
dem heiligen Blut zu Wilsnack zuschicken, in Blei gefaßt und daselbst zu
begraben vor dem Fuß des Altars, der geheiligt und geweiht ist zu Ehren
des heiligen Sacraments mitten in der Kirche, und 100 Gld. von Gold mit
zusenden, um eine ewige Messe zu stiften und Memorien davon zu tun. Die
Haupt-Exequien sollen in den Klosterkirchen zu Marienstatt und Sayn seien, dann
aber in allen Kirchspielen der Grafschaft gehalten werden, wie eher wie besser,
um uns bald aus dem Gefängnis zu helfen und nach Marienstatt und Sayn soll
man einen Hengst, mit schwarzen Tüchern bedeckt, opfern wie man unseren
Eltern und vorher getan hat."
Die letzte merkwürdige Stimmung zeigt,
daß man damals noch zum Teil altgermanischen-sächsischen, aus der
heidnischen Zeit stammenden Sitten und Gebräuchen huldigte.
Nach ihm kam Graf Gerhard III. zur Herrschaft, der
sich mit der Gräfin Johannette aus dem Hause Wied vermählte. Sie
erhielt zur Erbsteuer 10.000 Gld. und zwei wollene Röcke, "so einer
Gräfin wohl ansteht und gebühret".
Im Herbst 1522 begann Franz von Sickingen, der
kühnste und mächtigste Reichritter am Rhein die Fehde gegen Trier und
belagerte den Erzbischof mit mehr als 12.000 Mann in seiner eigenen Hauptstadt.
Er war schon nahe daran, sich derselben zu bemächtigen, da vereinigten
sich die Grafen von Isenburg, von Sayn und Solms und von Nassau gegen ihn. Auch
700 Mann von Koblenz, 300 von Wittlich, 70 von Limburg, 100 von Montabaur,
Boppard und Bernkastel und 60 aus dem Amt Mayen dazu. Auch der Pfalzgraf bei
Rhein und der Pfalzgraf Philipp von Hessen rüsteten sind gegen ihn. Da
wandte sich das Glück von Sickingen. Nachdem er großen Schaden
angerichtet hatte, mußte er am 14. September unverrichteter Sache
abziehen. Kurfürst Richard von Greifenklau, und seine Verbündeten
verfolgten ihn. Sein Sohn Hans wurde schwer verwundet, er selbst aber in seiner
Burg Landstuhl eingeschlossen und belagert. In wenigen Tagen schossen die
Soldaten des Kurfürsten, zu denen auch die Grafen von Sayn als seine
Lehensmannen ihr Kontingent gestellt hatten, mit den 12 in Frankfurt am Main
neu gegossenen Kanonen, die 12 Apostel genannt, die Burg in Trümmer.
Sickingen wurde den 1. Mai 1523 durch einen Balkensplitter tödlich
getroffen und starb am Tage nach der Kapitulation, den 7. Mai 1523. Auch die
Burgen seiner Anhänger, wozu auch ein Boos-Waldeck gehörte, wurden
schnell erobert. Der Name Boos, der uns in der Geschichte von Sayn noch
begegnen wird, wird darauf zurückgeführt, daß in einer Urkunde
vom Jahre 1284, worin von dem Erzbischof Konrad von Köln, zum ersten Mal
darin Erzkanzler durch Italien genannt, den Rittern von Waldeck Heribert, Udo,
Bosso, und Winand das von ihnen ihm übertragene Lehen zurückgegeben
wird, zuerst der Name Bosso vorkommt. Von dem Träger dieser
merkwürdigerweise italienischen Vornamen soll für seine Nachkommen
der Familienname Boos-Waldeck entstanden sein.
Die Wirkungen der Reformation machten sich bald im
Rheinland bemerkbar und riefen darin manche politische Änderung hervor.
Zuerst fand die lutherische Lehre unter dem Erzbischof Hermann von Wied seit
1451 Eingang das Erzstift Köln. Im Jahre 1577 legte Salentin VII, von
Isenburg-Grenzau, Erzbischof von Köln und Fürstbischof von Paderborn,
seine geistlichen Würden nieder, vermählte sich mit einer Gräfin
zur Mark und Arburg und starb 1610 mit Hinterlassung zweier Söhne auf der
Isenburg. Dann brach 1583 der so genannte Kölnische Krieg gegen den von
Rom abgesetzten Gerhard, Truchsess von Waldburg, aus, der seit 1577 Erzbischof
von Köln war und aus Neigung zu der Gräfin Agnes von Mansfeld, die er
später heiratete, Protestant geworden und nach wechselvoller Fahrt 1601 in
Straßburg starb.
Bei dem Tode des letzten Grafen von Sayn, Heinrich
IV, der, wie schon erwähnt, 1605 starb, lagen nun die Verhältnisse
so, daß er selber ein Anhänger der lutherischen Lehre gewesen war,
während der Erbe der Grafschaft dem reformierten Glauben angenommen und
diesen auf das eifrigste zu verbreiten suchte. Dies gab dem Kurfürsten von
Trier, Lothar von Metternich, Veranlassung, Offiziere und Soldaten nach Sayn
zuschicken, um die Burg zu besetzen. Bei dem gewaltsamen Eindringen in dieselbe
wurde der Pförtner erschossen und das trierische Wappen anstelle des
Saynischen angeheftet. Die Saynischen Besitzungen und Rechte im Kirchspiel
Heimbach-Weis-Gladbach waren bereits 1602 vom Erzstift erworben worden. Graf
Wilhelm und sein Sohn Ernst wurden mit ihrem Einspruch abgewiesen, Trier und
Köln aber zogen hierauf alle Saynischen Besitzungen als eröffnete
Lehen an sich. Die Grafen von Sayn-Wittgenstein und Herren von Vallendar gaben
nach langen Streitigkeiten mit Kurtrier ihren Wohnsitz in Vallendar auf und
bezogen ihre früheren Stammburgen Berleburg und Wittgenstein.
Eine Urkunde vom Jahre 1400, ausgestellt von
Ritter Arnold von Wittersberg (Weitersburg), derzeit wohnhaft in Urbar war, ist
geeignet, uns einen Einblick in das Verhältnis dieses Ortes zu den Sayner
Grafen zu verschaffen. Bis zu dieser Zeit hatte unweit von dem (damals von 19
Familien bewohntem) Dorf und dem Sayner Hof die Burg des genannten Ritters
gestanden, die aber vom Städtebund wahrscheinlich von Koblenz aus
zerstört worden war. Bei diesem Unternehmen scheint Graf Johann von
Sayn-Wittgenstein beteiligt gewesen zu sein, denn ihm wurden die
zugehörigem und nahe dabei gelegenen 14 Morgen Feldes erblich
zugesprochen. Kaiser Wenzel aber sprach den Grafen schuldig, dem Ritter als
Entschädigung jährlich 24 DM brabäntisch zu zahlen, der Ritter
aber verpfändete diesen Betrag zugleich mit seinem Haus und einem
Weingarten an die Klausnerrinnen zu Besselich, denen er auch eine
jährliche Rente von einem Gld. Geldes verkaufte.
Am 21. Juni 1588 verkaufte Graf Heinrich von Sayn,
der 1562 zur lutherischen Lehre übergetreten war, das Patronatsrecht- und
Präsentations-Recht der Pfarrei Engers für 1000 Goldgulden an den
Trierer Erzbischof Johann VII, von Schönenberg. In der Urkunde heißt
es: "jedoch dieweil die Kirch Bedendorf in unserem Gebiett und Gravechaft
gelegen, daselbst die Religion der Augspurgischen Confession in üblichem
Prauch hergebracht ist, als haben wir uns und unseren Erben jederzeit einen
Pfarrherrn, der unserer Religion ist, dahin zu verordnen vorbehalten, welchem
jährlich ein Fuder Weins aus bemelter Kirchenzehnten und deroselben
zugehörig dritte Teil des ganzen Fruchtzehntes daselbst zu seinem
Unterhalt gefolgt werden sollen."
Nachdem der Weinbau am Saynbach eingestellt worden
war, wurde die Abgabe des Fuders Wein (6 Ohm weisen und 6 Ohm roten, "wie er an
der Saynbach wächst") in eine solche von jährlich 62 Talern
umgewandelt.
Hier war der ganz eigenartige Fall eingetreten,
daß die katholische Engerser Mutterkirche an die inzwischen zur
Reformation übergetretene frühere katholische Tochterkirche zu
Bendorf Abgaben zu entrichten hatte. An 50 Jahre dauerte dieser Zustand,
daß die evangelischen Geistlichen neben den katholischen in der Kirche zu
Sayn ihr Amt ausübten. Später wurde sie ihnen ganz eingeräumt,
bis im Jahre 1606 Kurtrier das Gebiet von Sayn in Besitz nahm und dort den
katholischen Kultus wieder herstellte. Der Sohn und Erbe Wilhelms III, Graf
Ernst erneuerte seine Reklamationen beim Kurfürsten, aber auch diesmal
vergebens. Im Gegenteil wurden ihm auch noch die Orte Daaden, Kirchen,
Fischbach und andere Besitzungen von Kurtrier weggenommen und die Burg und
Stadt Hachenburg vom Kurköln besetzt.
Unterdessen war der schreckliche
dreißigjährige Krieg ausgebrochen, in dem ganze Ortschaften, wie das
unterhalb von Engers damals gelegene, schon genannte Riol oder Reul und das
Dorf Langendorf, das an der Stelle des heutigen Neuwied stand, bis auf die Spur
eines Brunnens unweit Engers gänzlich vom Erdboden verschwunden sind,
nachdem sie durch Plünderung, Brand und Zerstörung von der wilden
Soldateska heim gesucht wurden. Was in dieser Zeit Sayn und die anderen Orte
der Gegend gelitten haben, läßt sich denken. In den Jahren 1632 und
1633 wurden Burg und Ort Sayn, abwechselnd von Spaniern, Schweden, Franzosen
und kaiserlichen Truppen besetzt. In wiederholten Belagerungen wurde die Burg
ebenso wie die von Engers durch die Schweden zerstört.
Sie ist von dieser Zeit an eine Ruine geblieben,
und kein Angehöriger des Sayner Grafengeschlechtes hat seitdem mehr in ihr
gewohnt.
Im April 1633 hatte ein Trupp spanischer oder
italienischer Kriegsleute Burg und Dorf Sayn besetzt, als eines Tages von
Vallendar die Schweden unter dem Oberst Mauron herankamen und nach Vertreibung
der Besatzung sich in den Besitz von Burg und Dorf setzten. Aber noch andere
Streitkräfte waren im Anzug, nämlich etwa 500 kaiserliche Soldaten
vom Regiment Bönninghausen, die über Nauort und Stromberg in das
Brextal herabstiegen, um dem Schweden die Talpässe streitig zu machen.
Diese setzten sich bei der Abtei hinter Garten- und Kirchhofsmauern fest und
erwarteten so die Kaiserlichen. In dem nun folgenden, erbitterten,
dreistündigen Gefecht siegten zwar die Schweden, aber ihr Oberst wurde
schwer verwundet, und eine Menge Toter und Verwundeter blieb auf dem
Kampfplatz. Voll Schrecken hatten die Mönche sich zuerst
zurückgehalten, aber nun wagten sie sich heraus und nahmen sich hilfreich
der Verwundeten an. Auch in diesem dreißigjährigen Krieg fühlte
sich ein Graf von Sayn Wittgenstein angetrieben, sich an den Kämpfen zu
beteiligen. In der Schlacht von Stadtlohn am 5. und 6. August 1623 stand er auf
den Seiten des Herzogs Christian von Braunschweig gegen Tilly, mußte sich
aber nach der Niederlage seiner Partei diesem Feldherrn gefangen geben.
Die Genealogie des Sayner Grafengeschlechtes ist
eine weit verzweigte wie kaum eine andere, während die Sponheimer
früh ausstarben. Grabmonumente von diesen finden sich in der Pfarrkirche
zu Trabach, denn ihr Gebiet erstreckte sich später über die Mosel
hinaus. Der letzte Graf von Sponheim, dessen Messingsbildnis in die Abteiwand
eingelassen ist, wurde 1437 dort bestattet. Das Sayner Geschlecht teilte sich,
wie erwähnt 1294 so, das Graf Johann im alleinigen Besitz von Sayn blieb
und die Hälfte der Herrschaft Homburg, Engelbert die Herrschaft und Burg
Vallendar mit der anderen Hälfte von Homburg erhielt. Ein Enkel des
Letzteren, Salentin, von anderen Valentin genannt, erwarb durch Heirat die
Grafschaft Wittgenstein und durch Erbschaft 1606 auch die Grafschaft Sayn und
nannte sich von da an Graf von Sayn-Wittgenstein. Nun entstanden aber 1607
durch Teilung unter drei Brüder drei neue Linien: Sayn-Wittgenstein-Sayn,
Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Davon führte
die zweite Linie ihren Namen von dem zur Grafschaft Wittgenstein gehörigem
Amt Berleburg, sie besaß dazu die Herrschaft Homburg und die Herrschaft
Neumagen an der Mosel. Für den Verlust der Letzteren nach dem Luneviller
Frieden (9. Februar 1801) wurde sie durch die eine Jahresrente von 15.000 Gld.
entschädigt, verkaufte aber 1821 die standesherrlichen Gerechtsame
für 100.000 Fl. an Preußen. Diese Linie besaß eine
Curiatstimme auf der Wetterau'schen Grafenbank und hielt 1792 die
Reichsfürstenwürde. Ihre Mitglieder bekleideten hohe
Staatsämter, und einer, Prinz Emil, hat sich auch als Dichter durch
"Gedichte" (1844) und unter dem Namen Casimir Röspe, durch "Deutsche
Lieder" (1848) und das Epos "Aßlan Aga" (1856) bekannt gemacht.
Von dieser Hauptlinie zweigte sich wieder ab die
Karlsburgische Speziallinie (Stifter Graf Karl), die sich nach der zum Stammgut
gehörigen Besitzungen Karlsburg nannte. Nach dem Tod des letzten
Nachkommen (1859) gingen aber infolge von Familienverträgen alle Rechte
und Besitzungen auf den Fürsten Ludwig, das Haupt der zweiten, der
Ludwigsburgischen Speziallinie, über. Dem Religionsbekenntnis nach ist das
der Speziallinien katholisch, daß der drei Hauptlinien evangelisch. Von
dieser Ludwigsburgischen Speziallinie stammen die noch heute lebenden
Mitglieder des Sayner Grafen- und Fürstengeschlechts ab.
Die Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn erlosch im
Mannesstamm mit dem am 24. Juni 1846 verstorbenen Grafen Gustav. Die dritte
Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Hohenstein führte diesen Namen seit 1647, als
sie von Brandenburg mit den zur Grafschaft Hohenstein gehörigen
Besitzungen Lora und Klettenberg belehnt wurde, die sie aber später wieder
an Brandenburg verkaufte. Auch diese Linie wurde in den Reichsfürstenstand
erhoben.
Der älteste Sohn des Stifters der
Ludwigsburger Linie war Graf Christian Ludwig Casimir, der schon als junger
Mann in russische Dienste trat (1733) und sich im Kriege mehrfach auszeichnete,
so das er bis zum Range eines Generalleutnants aufstieg. Auch hatte er das
Glück, durch Heirat das bedeutende Gut Reichan in Ostpreußen in
seinem Besitz zu bringen. Noch höher stieg sein Sohn Ludwig, Graf von
Wittgenstein und Herr zu Reichan, geboren 1769, also in demselben Jahr wie
Napoleon I, und ein Kriegsgenie war, daß diesem aber später noch zum
Verhängnis werden sollte. Schon mit 30 Jahren russischer Generalmajor und
Chef eines Husarenregiments, zeichnete er sich 1805 und 1807 durch
glückliche Gefechte aus und stand 1812 als Generalleutnant an der Spitze
eines russischen Korps von 30.000 Mann gegen die Heere Napoleons mit der
Aufgabe, die Ostseeprovinzen gegen sie zu schützen und sie von dem Wege
nach Petersburg abzudrängen. Mit großem Geschick wußte er in
einer Reihe von meist siegreichen Gefechten die Marschälle Quidinot und
St. Cyr dieser Absicht gerecht zu werden. Quidinot wurde von ihm am 31. Juli
und beide vereinigt am 16. August geschlagen. Verstärkt durch frische
Kräfte warf er sich in neuen siegreichen Gefechten vom fünfte 14. bis
18. Oktober auf St. Cyr, der dabei verwundet wurde. Es galt jetzt, mit den
anderen russischen Feldherren an der Beressina der großen Armee Napoleons
den Rückzug zu versperren. Es gelang nicht Napoleon selbst und den
Hauptteil seines Heeres abzuschneiden, aber Wittgensteins Angriff auf den
Nachtrab bei dem Übergang über den Fluß und seine Kanonenkugeln
fügten dem Feinde jene entsetzlichen Verluste zu, die sich dem
Gedächtnis der Nachwelt so tief eingeprägt haben. In Wilna
überraschte er mit seinen Kosaken den Schwager Napoleons, Murat, der sich
in eiligster Flucht vor ihm rettete. Als General der Kavallerie drang er im
folgenden Jahre (1813) mit seinen, den rechten Flügel der Russen bildenden
Heer von 32.000 Mann gegen die Oder und Elbe vor und erreichte am 11. März
mit seinem Hauptquartier Berlin. Sein rasches Vorgehen hatte es dem
preußischen General York ermöglicht, sich von den Franzosen zu
trennen und durch den denkwürdigen Vertrag mit den Russen in der
Mühle zu Tauroggen am 30. Dezember 1812 sich freie Hand zu verschaffen.
Sein Erscheinen in Berlin bewahrte den König vor der drohenden
Gefangennahme durch die Franzosen, so daß dieser seine Residenz nach
Breslau verlegen und dort den berühmten Aufruf an sein Volk zum
Befreiungskampf erlassen konnte. Einen Angriff der Franzosen auf Berlin am 6.
April 1813 schlug Wittgenstein mit Unterstützung der Generäle York
und Bülow zurück. Wittgenstein wurde bald darauf zum Oberbefehlshaber
über die vereinigten Streitkräfte der Russen und Preußen in
einer Gesamtstärke von etwa 85.000 Mann ernannt. Er entwarf nun den
kühnen Plan, Napoleons neues, großes Heer auf dem langausgedehnten
Marsch durch seine Reiterei zu zersprengen, hatte aber das Mißgeschick,
sich gleich beim ersten Angriff einem tüchtigen und entschlossenen Gegner
wie den General Ney gegenüber zu finden und bei Lützen am 2. Mai 1813
ein Terrain anzutreffen, wo seine Reiterei sich nicht entwickeln konnte. Der
Plan war vereitelt, und er ging deshalb mit der Hauptarmee nach Dresden
zurück, wobei Napoleon ihm nachfolgte. Auch die Schlacht bei Bautzen am
20. Mai 1813 ging verloren, aber mit schweren Verlusten für die Sieger,
unter denen wieder Ney zur Entscheidung beigetragen hatte. Auch hatte die
Anwesenheit der Monarchen von Russland und Preußen im Hauptquartier
hemmend auf die Leitung eingewirkt. Nach diesen Mißerfolgen sah er sich
genötigt, am 25. Mai das Oberkommando niederzulegen, daß Barkley de
Tolly übernahm, ohne daß Wittgenstein aber aufhörte, seine
Dienste noch weiter der Armee zu widmen, indem er im Gegenteil durch
Anführung des neuen Flügels noch einmal tatkräftig in den Gang
der Schlachten Eingriff. Am 14. Oktober als er Schwarzenbergs Herr in der
Richtung auf Leipzig mit der Reiterei voranzog, gelang es ihm nach langen
blutigen Kampf, die kriegsgewohnten französischen Reitermassen Murats zu
überwältigen, gleichsam als Vorspiel und Einleitung der gewaltigen
Völkerschlacht bei Leipzig, die zwei Tage später begann. Auch an dem
französischen Winterfeldzuge 1814 nahm er teil, war aber durch eine
Verwundung genötigt zurückzukehren und konnte auch 1815 nicht mit ins
Feld rücken. Im Jahre 1826 wurde ihm die Würde eines
Generalfeldmarschalls verliehen und 1828 im Kriege Russlands gegen die
Türkei das Oberkommando über ein Heer von 100.000 Mann anvertraut,
mit dem er Braila und Schumia eroberte.
Nach dem aber General Diebitsch, ein Schlesier von
Geburt und hochstrebender Militär, den Kaiser gegen die weiteren
Feldzugspläne Wittgensteins eingenommen hatte, wurde er aus dem
Winterquartier abberufen. Gleichwohl zeigte sich sein Kaiser nicht undankbar
gegen ihn, sondern belohnte mit einer reichen Dotation, und auch die Stadt
Petersburg ließ ihm in Anerkennung seiner Verdienste ein Geschenk von
150.000 Rubel überreichen. Von da an lebte er als Privatmann auf seinen
Gütern und starb 1843 im Alter von 72 Jahren, nachdem er noch 1834 vom
König von Preußen in den erblichen Fürstenstand erhoben worden
war.
Der älteste Sohn dieses hervorragenden,
hochberühmten Mannes, nach seinem Vater auch Ludwig genannt, dem
militärischen Range nach kaiserlich russischer Flügeladjutant, war in
erster Ehe mit einer Prinzessin Raziwill und in zweiter mit der Tochter des
Fürsten Bariatinsky vermählt. Aus der ersten Ehe stammen als Kinder
die spätere Fürstin Maria von Hohenlohe-Schillingsfürst und
Prinz Peter, der Erbe der ungeheueren russischen Güter, von denen Biala in
Potlesien 30.000 ha mit einer Stadt und 23 Dörfer mit 15.000 Einwohner
umfaßte. Aus der zweiten Ehe gingen hervor die Prinzessin Antoniette die
spätere Fürstin Chigi, und die Prinzen Friedrich, geboren den 3.
April 1836, dann Ludwig, geboren den 15. Juli 1843, und Alexander, geboren den
14. Juli 1847, der jetzt noch lebende Graf von Hachenburg. Das Majorat ist
heute im Besitz seines Sohnes, des Fürsten Stanislaus von
Sayn-Wittgenstein, wie sich die Linie nach Erwerbung der alten Stammburg mit
königlicher Genehmigung wieder genannt hat.
Fürst Ludwig nämlich, der Sohn des
Feldmarschalls und Vater des vorhin Genannten, erinnerte sich um das Jahr 1847
der rheinischen Heimat seines Geschlechts und erwarb die Besitzungen in Sayn
wieder zurück. Lange vorher war der Anteil derer von Reiffenberg, der
ehemaligen Ministerialen von Kurtrier, durch Heirat an den Grafen Joseph von
Boos-Waldeck übergegangen, ebenso mit dem Anteil der Reiffenbergs auch
diejenige der Freiherren von Stein, und der Graf von Boos-Waldeck hatte sich am
Fuße des Burgberges ein Wohngebäude errichten lassen. Alles dies
ging durch Kauf in den Besitz des Fürsten Ludwig über, der nun
vergrößerte und verschönerte, das Schloß erbauen und aus
dem früheren "Bongart" den Park herrichten ließ. Dazu wurde ihm die
Burgruine vom preußischen Staat überlassen, so, daß das ganze
wieder in seiner Hand vereinigt war und es bildete seit 1861 mit
zugehörigem Rittergut und Kapitalien das Fideikommiß der
Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Sayn.
Es ist hier noch einer Persönlichkeit zu
gedenken, die wegen ihres Edelsinnes und ihrer sonstigen hervorragenden
Eigenschaften vollste Würdigung verdient. Es ist dies die zweite Gemahlin
des vorgenannten Fürsten, die Fürstin Leonilla, die Tochter des
Fürsten Iwan Bariatinsky, geboren zu Moskau und auf dem Schloßgut
Iwanoff im Gouvernement Kursk aufgewachsen. Mit 16 Jahren wurde sie am
russischen Hofe vorgestellt und lebte in der Umgebung der Kaiserin Charlotte,
einer Schwester Friedrich Wilhelms IV. und Wilhelms I. und war der Liebling des
Kaisers Nikolaus. Im Winter hielt sie sich mit ihrem Gemahl gewöhnlich in
Berlin auf und verkehrte viel am Hof und besonders bei der kunstsinnigen
Fürstin Luise von Raziwill. Nach dem Tode ihres Gemahls im Jahre 1866
lebte sie bald in Baden-Baden, bald in Rom, wo ihre Tochter mit dem
Fürsten Chigi verheiratet war, und zog sich anfangs der 70 er Jahre auf
die Villa Monahri am reizenden Gestade des Genfer Sees bei Lausanne
zurück. Sie gründete das als Nonnenkloster und Krankenhaus dienende
Leonilla-Stift zu Sayn und gab die Veranlassung zur Abhaltung des Pius-Festes,
das alljährlich in der Sayner Abtei Kirche gefeiert wird. Gelegentlich
eines Aufenthalts in Rom nämlich erhielt sie von dem damaligen Papst den
Leichnam des heiligen Märtyrers Pius zum Geschenk, der in den Katakomben
aufgefunden worden war. Sie ließ ihn feierlich nach Sayn
überführen und das jährliche Fest dafür anordnen. Am 9. Mai
1916 war es, daß sie unter den Mitgliedern der Fürstenhäuser
Europas das einzig darstehende patriarchalische Alter von 100 Jahren erreichte.
Der Tod hat sie inzwischen aus dem Erdenleben abberufen, aber im Andenken ihrer
treuen Verehrer wird sie fortleben, besonders in den weiblichen Kreisen der
Sayner Einwohnerschaft, von denen noch manche mit Vorliebe ihren Namen Leonilla
führen.
Der unmittelbar bei Sayn gelegene Friedrichsberg
mit seinen uralten Anlagen hat seinen Namen von dem Herzog Friedrich von
Nassau-Usingen, der zurzeit seine Resistenz im Engerser Schloß hatte und
die Bestimmung traf, daß die Anlagen stets für das Publikum
zugänglich bleiben sollten. Bei der Übergabe an Preußen ist
auch diese Bestimmung in Kraft geblieben. Die anderen herrlichen Anlagen auf
den verschiedenen Höhen der Umgebung sind hauptsächlich durch die
unablässigen Bemühungen der früheren Krupp'schen
Generaldirektion zu Stande gekommen. Die Sayner Hütte, die am 1. Februar
1865 von der Firma Krupp in Essen übernommen worden war, war bis dahin
eine Geschoßfabrik im Besitz des preußischen Staates gewesen. Es
ist bemerkenswert, daß die Eisenerzeugung und seine Verarbeitung von
alters her in der Gegend gehandhabt worden ist, wofür die genannte Sayner
Hütte und die Eisenschmelzen Oberhammer im Sayntal und
Steinebrückerhammer im Brextal sowie die alten Eisenerzstollen den Beweis
liefern. Auch hier sei auf die früher in Isenburg, im Volksmund auch
vielfach Eisenburg geheißen, so lebhaft betriebene Nagelschmiederei
hingewiesen. Vor allem aber gilt für den biederen Bewohner von Sayn, der,
nebenbei bemerkt, den Namen seines Ortes fast genauso ausspricht wie der
Franzose den seines Flusses Seine, von größter Wichtigkeit das
heimische Kirchweihfest, das den Reigen der Feste gleicher Art zu eröffnen
pflegt und in den ersten Tagen des Wonnemonats Mai stattfindet, so daß in
Erwartung desselben der ehrsame Bewohner der ländlichen Umgebung zu sagen
gewohnt ist: "es wird nicht eher warm, bis man in Sayn zeigt Simons Arm", was
üblich jedes Jahr am Kirchweihfeste der Fall ist.
*) an der Stelle des heutigen
Schlosses standen damals die Wohngebäude des Herren von Boos-Waldeck. Im
Vordergrund rechts ist neben dem Heiligenhäuschen der Eingang zu dem
späteren Park zu sehen. Links befindet sich die so genannte
Wolfsmühle in ihrer altertümlichen Bauart.
Anmerkung Zum vorliegenden Aufsatz von F. W.
Kirschbaum, Zur Geschichte der Burg, der Ortschaft und der Abtei Sayn.
Die vorliegende Arbeit von Kirschbaum entstand vor
dem Jahre 1920 als eine gemeinfassliche Darstellung aus verschiedenen
geschichtlichen Werken, ohne die auch damals schon vorliegenden neueren
Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Sie beruht in der Hauptsache auf
den Vorarbeiten Graf Alexanders zu Hachenburg für seine "Chronik von Sayn"
(erschienen 1929), wobei ich mir noch nicht sicher bin, wer Was von Wem
abgeschrieben hat, sowie der Nacherzählungen aus der geschichtlichen
Darstellung von Braun über die "Geschichte der Reichsgrafschaft
Sayn-Altenkirchen", (1886, Betzdorf) und aus den "Urkunden" aus den
"Mittelrhein. Regesten" von Goerz und aus dem "Codex diplomaticus
Rheno-Moselanus" von W. Günther zur Geschichte der Grafschaft Sayn. Hinzu
kamen einige Angaben zur Genealogie aus den genealogischen Arbeiten von May und
H.Grote. Die Arbeit ist besonders in den Teilen, welche die frühe Zeit
behandelt und genealogischen Angaben, mit alleräußerster Vorsicht zu
benutzen. W. Kutsche.
Geehrte Besucherinnen und Besucher, wir danken Ihnen für
Ihren Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von
Ihnen freuen. GGH_56170 Bendorf/Rhein Postfach 1218 Für
Ihre Anregungen und Hinweise:
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