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Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte.
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Vorwort
Bendorfs bewegte Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche - keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten überwiegend in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen Publikationen veröffentlicht. Etliche Zeitungen, wie beispielsweise die alte "Bendorfer Zeitung" oder die Koblenzer Zeitung, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden aber spätestens 1937 eingestellt. Ab 1937 veröffentlichten nämlich die damaligen Machthaber in den parteieigenen NS-Presseorganen viele dieser Artikel erneut - ohne Nennung der Autoren, wie man sich denken kann.
Ein Inhaber der Rechte für den folgenden Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne und umgehend berücksichtigen werden.

Der erwähnte Aufsatz erschien in: Koblenzer Heimatblatt 6. Jahrg., 1929, Heft 37
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.

Eine verschwundene Industrie des Mosellandes

Das Alfer Eisenwerk - Ferdinand Remy

Von Dr. Rink, Bergisch-Gladbach


Gar eng und drückend sind vielfach die Seitentäler der Mosel. Folgt man dem Moselstrande bei Alf etwa 2 km dem nach Bertrich gehenden Tale, so erweitert sich dieses bei Fabrik-Alf ganz bedeutend und geht jetzt in ein größeres und lichteres Tal über, um sich dann bis Bad Bertrich sich wieder so ziemlich zu schließen. Dieser erwähnte Punkt ist von so eigentümlicher Schönheit, daß es sich verlohnt, etwas dabei zu verweilen.

Wählt man in der Nähe des Alfer Forsthauses einen erhöhten Standpunkt, so kann man das Tal am besten übersehen. Vor uns liegen mehrere Häusergruppen, ein Kloster, die katholische und evangelische Kapelle und die heutige Spinnerei in dem Winkel, den Ueß und Alf durch ihren Zusammenschluß bilden. Hier lag das ehemalige Alfer Eisenwerk, das sogenannte "Alte Werk" von der Alf getrieben. Die Ueß trieb daß etwas oberhalb gelegene "Neue Werk", beide Hütten lagen wie heute noch die an denselben Stellen errichteten Betriebe dicht am Fuße eines mächtig aufsteigenden Bergkegels, der Eselkopf heißt und mit dem der Kandelwald ins Tal vorstößt. Links schaut drohend die uralte Feste "Burg Harras" von steiler Höhe; ein scharfer Bergrücken, der Sternkopf verbindet sie mit dem höher gelegenen Sternenwald. Gegenüber auf der anderen Talseite erhebt sich der hohe Sollig, mit seiner nach dem nahen Alf dahin ziehenden Weinbergswand. Das ganze vor uns liegende Gebirgsbild würde einen ernsten Eindruck machen, wenn nicht mehrere Talarme hier zusammenträfen, und dem Auge so einen Fernblick in die wundersame Gebirgswelt gestatteten. Gerade dadurch wird die Beleuchtung in dieser großen Talmulde oft von kaum zu beschreibender Schönheit der sich vom grellen, neben tiefen Schatten leuchtenden Sonnenschein bis zum feinen Violettblau abgestuften Töne.

Das frühere Hüttenwerk, das vor mehr denn 40 Jahren anderen Betrieben wich, hatte eine ruhmvolle Vergangenheit und war eine der ersten Hütten in ganz Deutschland, die nach dem, dann als führenden englischen System, Puddel- und Walzenbetrieb errichtet wurden. Nur zwei Werke derselben Gattung waren im Westen Deutschlands etwas älteren Datums als das Alfer Eisenwerk, nämlich Lendersdorf bei Dürren und der ungefähr gleichzeitig entstandene Rasselstein bei Neuwied, letztere Hütte wurde ebenfalls erbaut von dem Gründer des Alfer Eisenwerkes, Ferdinand Remy

Dieser hochbegabte und mit seltenen Eigenschaften des Geistes und Charakters ausgerüstete Mann von industriellem Genie hatte in England die neue Art der Eisenverhütung, das sogenannte Puddelverfahren, eingehend studiert und sich in jahrelanger und praktischer Arbeit als Hüttenarbeiter und Meister daselbst angeeignet. Bei uns in Deutschland steckte vor 100 Jahren das Hüttenwesen noch in den Kinderschuhen. Die Dampfmaschine hielt man für ungeeignet zum Walzwerkbetrieb. Infolgedessen suchte Ferdinand Remy nach einer starken und reichlichen Wasserkraft, um das neue englische, zweckdienliche Verfahren seiner rheinischen Heimat, die die althergebrachte Zubereitungsweise mit Frischfeuer und Reckhammer nur kannte und ausgeübte, zu vermitteln.

Viel wanderte er umher im Westerwald und Eifel, um eine geeignete Stelle zu finden. Gerade die Eifel mit ihren zahlreichen und ziemlich wasserreichen nach der Mosel gehenden Zuflüssen erregte seine besondere Aufmerksamkeit, er entschied sich schließlich für den Punkt wo Alf und Ueß sich treffen. Diese Stelle erschien ihm als die beste und am geeignetsten zur Ausnutzung der Wasserkraft beider Bäche. Hier erbaute eher im Jahre 1825 sein Werk. Am 5. Juni 1827 steckte er den ersten Puddelofen (englisch; pudling furnace ) an, wonach bald der Walz- und Schweißofenbetrieb eröffnet wurde. Zunächst beschäftigte Ferdinand Remy nur englische Facharbeiter in dem eröffneten Betrieb, da er seine Moselaner erst heranbilden mußte: zwei Orte, Alf und Bengel, lieferten ihm bald einen vorzüglichen Arbeiterstamm. Dieselben beiden Orte haben auch bei den nachfolgenden Betrieben bis heute das meiste Kontingent der Arbeiter gestellt. Die Produkte des Alfer Eisenwerkes, erzeugt aus den Roheisen des vortrefflichen Bendorfer Sphärosideritz und dem roten Eisenstein der Lahn, bei Holzkohle erblassen, gewannen vor 100 Jahren rasch Boden, verdrängten durch ihren billigen Preis bei gleicher Güte daß gehämmerte Eisen, und erlangte bald einen vorzüglichen Ruf. Die Waffen- und Messerschmiede des Bergischen Landes, die preußischen Gewehrfabriken, Nagelschmiede, Stellmacher und alle, die vorzügliches Material verarbeiteten, nahmen das Alfer Eisen, das jahrzehntelang führend in Deutschland blieb, bis endlich die Konkurrenz der in den Kohlengebieten wie Pilze aus der Erde schießenden Hüttenwerke das Alfer Werk überflügelten und erdrücken mußte. Dieser Massenproduktion von Eisen in den Kohlerevieren stellte Ferdinand Remy den Grundsatz gegenüber, in seinen Werken stets und gewissenhaft nur das Beste zu liefern es ist außerordentlich interessant hier mitzuteilen, daß die Schienen der ersten deutschen mit Dampf betriebenen Eisenbahnen in Alfer Eisenwerk hergestellt wurden, nämlich zu der Bahn Düsseldorf-Elberfeld, deren Strecke Düsseldorf-Erkrath am 20. Dezember 1838 eröffnet wurde. Die Bahn Nürnberg-Fürth wurde zwar schon im November 1835 dem Betrieb übergeben, aber zunächst als Pferdebahn und mit entsprechend leichteren Schienen, die auf dem Werk Rasselstein gewalzt worden waren.

Ferdinand Remy hatte anfangs dem Plan, das Werk bei Reil an der Mosel zu errichten und den Alfer Bach mittels Stollen durch den Reilerhals zu leiten, wodurch sich bis Reil ein Gefälle von 30 m hätte gewinnen lassen. Aber Mühlengerechtsame verhinderten die Ausführung und die Zeitverhältnisse drängten zu raschem Entschluß. So entschied er sich für Alf, wo er zwei Gebirgsbäche zur Verfügung hatte. Trotzdem litt die Hütte oft an empfindlichen Wassermangel, namentlich weil der Alfbach zu gewissen Zeiten im Wittlichertal zur Wiesenbewässerung benutzt wird. Ferdinand Remy gedachte dieser Störung durch eine eigentümliche Weise zu begegnen. Der Alfbach entspringt aus dem Schalkenmehrener Maar bei Daun in der Eifel. Dicht neben diesem Maar, aber 56 1/2 Meter höher liegt das Weinfelder Maar. Er wollte diese beiden Maare miteinander verbinden, um bei Wassermangel die Schleuse des höher Gelegenen zu öffnen und das obere Maare zur Speisung des Unteren zu benutzen. Es erwies sich jedoch als an Ort und Stelle, daß ein Müller in der Gegend schon früher einen gleichen Versuch gemacht hatte. Der Spiegel des Weinfelder Maares sank beim Ablassen bis zur Grabensohle; der Ausfluß hörte auf und der Wasserstand erhöhte sich nicht wieder. Dem Weinfelder Maare konnte somit kein Wasser entnommen werden. Später wurde auf dem "Alten Werk" eine Dampfmaschine für die Zeit des Wassermangels zur Aushilfe errichtet. Der Kamin derselben ist als Kanal den steilen Eselskopf hinaufgezogen und endigt oben in einer kurzen Senkrechten. Die dadurch erlangte Zughöhe beträgt senkrecht 56 m.

Der Begründer des Alfer Eisenwerkes, der nachmalige Kommerzienrat Ferdinand Remy geb. 1788 zu Bendorf a. Rh., starb 1848 tief betrauert von der ganzen Gegend, deren Aufblühen er größtenteils begründet und deren öffentliche Interessen er stets mit der ihm eigenen Hochherzigkeit und frischen Tatkraft gefördert hat. Seine Verdienste um die ganze Alfer Gegend sichern ihm ein bleibendes und ehrenvolles Andenken. Die sterblichen Reste des edlen Mannes

wurden in Alf zur letzten Ruhe gebettet; hier ruht er mit seinen 1871 und 1890 verstorbenen Nachfolgern und Mitarbeitern Eduard und Hermann Remy. Ein Denkmal bezeichnet die Ruhestätte.

Wie erwähnt, erlag im Anfang der 80er-Jahre das Alfer Eisenwerk dem übermächtigen Wettbewerb der Eisenindustrie des Ruhrgebietes. 1885 wurde das ganze Besitztum der Firma Remy an den Fabrikbesitzer Gustav Müller, Fulda, verkauft, der daselbst eine Seilerwaren und Teppichfabrikation schuf, die 40 Jahre bestand und der Bevölkerung Verdienst brachte. Heute betreibt das Werk die Viersener AG. Ges. als Spinnerei und Weberei und stellt Flachsgarne her. Das ehemalige "Neue Werk" am der Ueß wurde nach umfassenden baulichen Veränderungen später in eine Filzfabrik umgeändert, die 1913 einem Brande zum Opfer fiel. In den letzten Jahren war hier eine Flachsröhrenanstalt, die augenblicklich nach dem Rückgang des Flachsanbaus zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist.

Die Bäche Ueß und Alf haben ganz verschiedenen Charakter, obschon beide unter ähnlichen Verhältnissen entstehen. Beide entspringen aus Maaren, die Alf in einer Höhe von 422, 5 m aus dem Schalkenmehrener Maare, die Ueß 494,3 m hoch aus dem Mosbacher Weiher in der Nähe von Kehlberg; bis zu ihrem Zusammenfluß in Fabrik-Alf fällt die Alf 319, 5 m die Ueß 391, 3 m. Die Alf durchschneidet das Gebiet des roten Sandsteins, findet durchweg wenig Bodenhindernisse und durchzieht in friedlicher Ruhe das Wittlicher Tal; dagegen muß die Ueß sich in unzähligen Windungen durch das Schiefergebirge arbeiten. Ihr Wasser ist, während die Alf nach Regengüssen rot dahinfließt, nur leicht Gefälle gefärbt und sonst von der herrlichsten Klarheit und Frische. Das Tal der Ueß ist namentlich zu Bertrich hin voll der wunderbarsten Partien und daher sein Besuch sehr zu empfehlen. Nicht immer aber fließen Alf und Ueß so geruhsam und friedlich dahin, sie kommen oft im Frühjahr oder nach Wolkenbrüchen gleich wilden Strömen angestürmt, Brücken, Bäume und Schutzmauern niederreißend.

Manchen harten Kampf hat das Alfer Eisenwerk bzw. die nachfolgenden Betriebe besonders mit der wilden Ueß durchmachen müssen.




Berichtigung aus Heft Nr. 52 zu: Das Rasselsteiner Eisenwerk.

In dem Aufsatz "Eine verschwundene Industrie des Mosellandes: Das Alfer Eisenwerk" von Doktor Rink in Nummer 37 des Jahrgangs 1929 des Koblenzer Heimatblattes befinden sich nach Mitteilung der Rasselsteiner Eisenwerksgesellschaft einige Ungenauigkeiten, die wir im folgenden gerne berichtigen:

1. Das Rasselsteiner Eisenwerk ist eine Gräflich Wiedische Gründung und Aktenmäßig im Jahre 1737 als Gräfliches Hüttenwerk vom Grafen Friedrich Alexander zu Wied erbaut. Es wurde bereits 1766 - also 22 Jahre vor der Geburt des in dem Artikel erwähnten Ferdinand Remy - durch Heinrich Wilhelm Remy, der einem anderen Zweige der Bendorfer Familie Remy entstammte, von dem Grafen (sein Vater und Schwager) bereits 1784 von dem Grafen zu Wied käuflich erworben.

2. Der erste Puddelofen für Steinkohlen in Deutschland wurde auf dem Rasselstein erbaut und 1824 in Betrieb genommen.

3. Die Eisenbahn Nürnberg-Fürth war anfangs nur für Pferdebahn-Betrieb gebaut, wurde aber trotzdem 1835 als Dampfbahn eröffnet. Die Schienen dieser ersten Deutschen Eisenbahn waren auf den Rasselsteiner Werken hergestellt, wie dies ja auch in der Fachliteratur unbestritten ist.





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