Eine Hinrichtung in der
Grafschaft Sayn im Jahre 1784.
Mitgeteilt von A. Elsen, Bendorf
Am 25. August 1784 wurde in Frensdorf, Amt Freusburg, ein Jude
namens Isak Jakob aus Korburg ermordet. Der Mörder beraubte sein Opfer und
verscharrte den Leichnam im Walde. Nach der Entdeckung des Verbrechens
flüchtete der Täter, wurde aber im Denklingen verhaftet und nach
Freusburg ausgeliefert. Hier wurde er dann abgeurteilt. Ein alter Bericht
über die Gerichtsverhandlung ist dadurch bemerkenswert, weil er ein Licht
auf die damaligen Sitten und Gebräuche in der Rechtspflege wirft. Das in
diesem Falle beobachtete Verfahren wird wenigstens in der Grafschaft Sayn, zu
der das Amt Freusburg damals gehörte, allgemein dasselbe gewesen sein. Der
Bericht lautet ( auszugsweise) folgendermaßen:
"Ich ( der Berichterstatter ) wahr Zeuge, als die sogenannte
Urgicht bei offenen Thüren und vieler Personen Gegenwart gehalten wurde.
Nochmals gestand er seine gesamten Verbrechen und antwortete auf alle an ihn
gestellten Fragen mit vieler Freymüthigkeit. Die Ankündigung der
Todesstrafe hörte er, ohne Miene und Gesichtsfarbe zu ändern, an,
dankte für das gnädige Urteil: denn seine Bitte um die Hinrichtung
mit dem Schwerte wurde ihm gewährt. Er dankte dem Richter für die
gelinde Behandlung während der Gefangenschaft; wünschte diesem und
allen übrigen Anwesenden Honoratioren eine gesegnete Mahlzeit, bestellte
sich auch selbst, sobald er in sein Gefängnis zurückkam, was ihm von
Speisen sonst Leckerbissen gewesen waren. Geistesgegenwart bewies er in allem,
was ihn an den herannahenden Tod erinnern konnte, mehr, als (man) von seiner
Denkungsart oder seinem Temperament hätte erwarten können. Da sein
Totenhemd gebracht wurde, betrachtete er es ohne Entsetzen, mit
hinzugefügten Worten: es wäre schade dafür, dass es mit Blut
bespritzt werden sollte. Eine andere Probe, wie sehr er seine Leidenschaften in
der Gewalt hatte, kann folgender Vorfall abgeben. Einige Tage vor der
Hinrichtung wollte ihn sein Vater besuchen, um Abschied von ihm zu nehmen. Da
derselbe sich bey ihm anmelden ließ, ließ er solchen bitten, eine
kleine Viertelstunde zu warten. Das Herz poche ihn dergestalt, dass solches
durch die Kleidung konnte bemerkt werden. Aber er ließ sich eine Pfeife
Tabak geben, und kaum war diese angeraucht, so fand er sich im Stande, ihn ohne
merkliche Bewegung zu empfangen, sich standhaft mit ihm zu unterreden, ja ihm
beym Abschiede zu sagen: er möchte sich ins Wirtshaus verfügen und
allda auf seine Kosten ein Glas Wein trinken.
Endlich kam der 11. März 1785, der zu seiner Hinrichtung
bestimmte Tag. Die Nacht vor demselben hatte er sanften Schlaf und erwachte
nicht viel früher, als er sonst gepfleget. Sein Frühstück, im
Kaffee und Semmeln bestehend, verzehrte er mit ziemlichen Appetite. Bald nach 7
Uhr hub schon der Zug an nach der eine kleine Stunde entfernten
Richtstätte. Feyerlichkeit ist wohl nötig bey solchen Handlungen, die
Eindruck auf das Volk machen sollen. Sollen die Strafen der Gerechtigkeit des
Landesherren ihre Furcht in den Zuschauern erwecken, so, denke ich, muss der
Richter, durch welchen er dieselbe ausgeübt, mit gewissen Feyerlichkeiten
erscheinen. Unstreitig dienet doch eine ansehnliche Begleitung bewaffneter
Männer zur Erreichung dieser Absicht. Von der Mannschaft des Kirchspiels
Fischbach zur Hälfte vor sich, zur Hälfte hinter sich begleitet, in
der Mitte zwischen seinen zwei Geistlichen, der Blutrichter nebst seinen
Actuarius und einigen wohlberittenen Männern, um alle Unordnung
vorzubeugen, verließ der Mörder das Gefängnis, schlug den ihm
angebotenen und zur Vorsorge hinten nachfolgenden Wagen aus und hat seinen
Todesgang mit nicht geringer Standhaftigkeit. Als er sich dem Dorfe Kirchen
näherte, so wurde an die Hauptglocke geschlagen, ein dumpfer Schall, der
noch, indem ich dieses schreibe, in meinen Ohren tönet. Hier wurde nach
alter Sitte das Hochnotpeinliche Halsgericht mitten im Dorfe unter freyem
Himmel abgehalten. Der von einer doppelten Reihe bewaffneter Männer
geschlossene Kreis, eine lange Tafel mit schwarzen Tuch bedeckt, der Richter
mit seinem Aktuar, im feyerlichsten Ernst, sieben Gerichtsschöffen mit
schwarzen Anzuge ihm zur Seite sitzen, der Nachrichter mit verhültem
Schwerte dastehend und das Opfer erwartend, das unter dem Streiche seiner Hand
bluten soll, dieses Schlachtopfer das selbst von zwölf mit geladenen
Obergewehr und Seitengewehr versehenen Männern, an der einen Seite seinen
Geistlichen, an der andern den Gerichtsdiener haben, fesselnlos und nur
gebunden vorgeführt, dann das Blutgericht mit den in der
Halsgerichtsordnung vorgeschriebenen Gebräuchen gehegt: halte das für
gleichgültig wer da will. Ich weiß, dass es auf manches rohe
Gemüt Eindruck gemacht. Der Missetäter wurde zum letzten Male
über alle seine Verbrechen zur Rede gestellt, bekennt noch einmal alle.
Dann wurde ihm sein Todesurteil vom Aktuar vorgelesen. Der Richter brach ihm
den Stab, den er ihm vor die Füße warf, ihn dem Nachrichter
übergeben und, dessen Gehilfen grimmigen Tieren gleich über ihn
herfallen, ihn mit Stricken binden, ihn in ihre nicht ehrenvolle Mitte fassen
und sogleich den Weg nach dem furchtbaren Todesort antreten. Indem er in den um
den Richtplatz geschlossenen engeren Kreis eintrat, sah er den Scharfrichter,
daß Stühlchen, den Sarg, das geöffnete Grab, ohne sich zu
entfärben. Er betete noch einige Zeit seinen Geistlichen nach und wollte
nun den Volke eine Warnung geben. Aber die Besinnung war so schwach und die
Stimme so matt, dass sein geistlicher Beystand die Worte ihm in den Mund legen
musste. Die gewöhnlichen Vorbereitungen wurden nun gemacht, ohne daß
er die ihm eigene, etwas boshaft lächelnde Miene veränderte.
Während das noch einige Vaterunser sollten gebetet werden, führte der
Diener der Criminaljustiz, dessen erste Heldentat dies war, den Streich, der
ihm den Kopf und Leben im nu wegriß.
Nach der Enthauptung wurde auf Befehl der Obrigkeit von dem
evangelisch- lutherischen Pfarrer in Kirchen, als dem Orte der Bestrafung, an
das gesammelte Volk eine Rede gehalten, um es vor den Verbrechen zu warnen, die
den Enthaupteten an diesen traurigen Ort und zu solcher Todesart geführt
hatten.
Man nimmt nicht zuviel an, wenn man die Menge der Zuschauer auf
6000 Personen setzet, wobey jedoch der ganze Akt ohne die geringste Unordnung
oder Störung vollzogen wurde".
Geehrte Besucherinnen und Besucher, wir danken Ihnen für
Ihren Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von
Ihnen freuen. GGH_56170 Bendorf/Rhein Postfach 1218 Für
Ihre Anregungen und Hinweise:
|