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Die Bendorfer Wandplattenfabrik

von Werner Kutsche


Die Bendorfer Wandplattenfabrik "Plättches" (um 1975)

Über wohl kein anderes Industrieunternehmen in Bendorf ist so wenig von der Firmengeschichte bekannt wie von der ehemaligen "Bendorfer Wandplatten-Fabrik". Selbst ihren Standort dürfte nur noch "älteren Bendorfern" bekannt sein.

Die Fabrik lag außerhalb des "Fleckens" in der unteren Rheinstraße, vor dem Bahnübergang - rechts, dort, wo sich heute der städt. Bauhof und das Rathausgebäude 3 befinden.

Als vor ca. 30 Jahren die, in der Bendorfer Mundart, "Plättches" genannte Firma ihre Pforten für immer schloß, ging eine ca. 80jährige wechselvolle Firmengeschichte zu Ende. Ihre Anfänge liegen im Dunkel der Vergangenheit begraben. Für eine erste Erwähnung einer Wandplatten-Fabrik in Bendorf steht eine Notiz in der Heimatchronik der Stadt- und des Landkreises Koblenz, wo ohne Angaben von Quellen, der Autor die Feststellung trifft: "...gegen Ende des Jahrhunderts (Anm.: gemeint ist hier das 19.Jahrhundert) die Bendorfer Wandplattenfabrik gegründet wurde.......".

Dem steht aber die nachfolgende Meldung entgegen.

Firmenstempel der Fa. Niemann, Bendorf

In dem Jahresbericht des Bürgermeisteramtes in Bendorf für das Jahr 1904 wird vermerkt: "Mit dem 13. Sept. d. J. hat die Firma Erwin H. Niemann in Bendorf ein Werk für Kunsttöpferei in den Betrieb gesetzt". Der Unternehmer Erwin H. Niemann schreibt am 26.Okt. 1904 an den Bürgermeister in Bendorf, dass er mit Beginn der Produktion: "..25 Arbeiter beschäftigen werde". Als Jahresziel der Produktion war ein Ausstoß von 25.000 Wandplatten, pro Anno, geplant.

Bis zum 29. September 1905 hatte sich das kleine Unternehmen in zufriedenstellenderweise entwickelt. Der Absatz der erzeugten Wandplatten war gut und die Firma war ausreichend mit Aufträgen versehen. Als nächstes hören wir von einem Schadensereignis, das den Aufbau der Firma empfindlich traf. Am 14. Juli 1906 vernichtete ein großer Brand Fabrikanlagen und Lagerstätten. Ein Großteil der Arbeiter verlor dadurch ihre Arbeitsstelle. In einem Schreiben des königlichen Landrats in Koblenz an den Regierungspräsidenten der Rheinprovinz, mit Datum vom 21.September 1906, plante der Unternehmer Niemann: "nach vollständiger Wiederherstellung des Werkes den Betrieb wesentlich auszudehnen" und rechnete mit einer Beschäftigtenzahl von voraussichtlich 55 bis 60 Arbeitern.

Die Schwierigkeiten bei dem Wiederaufbau der Anlagen scheinen aber größer als erwartet gewesen zu sein. Die bisherigen Besitzer Niemann und Nagel verkauften ihre Fabrik schon im September 1906 und zogen sich völlig aus dem Betrieb zurück.

Die neuen Besitzer wandelten die Firma in eine GmbH. um und firmierten, ab dem Monat September des Jahres 1906, unter der Bezeichnung:

"Bendorfer Wandplatten-Fabrik GmbH".

Im Oktober des Jahres 1908 war der Wiederaufbau, eine Modernisierung und die Erweiterungsarbeiten abgeschlossen. Die Produktion lief gut, so daß bis September 1909 wieder ca. 77 Arbeiter und 33 Arbeiterinnen beschäftigt wurden. Wenn auch die Produktion der "Bendorfer Wandplatten-Fabrik GmbH" scheinbar gut lief, scheinen die geschäftlichen Erfolge eher mäßig gewesen zu sein. Ein Jahr später, am 18. Okt. 1910, erschien in der Bendorfer Zeitung folgende Anzeige:

Ueber das Vermögen der Bendorfer Wandplattenfabrik G.m.b.H. zu Bendorf ist am 15. Oktober 1910, Vorm. 11 Uhr 15 Min. das Konkursverfahren eröffnet.
Verwalter: Rechtsanwalt Justizrat Tilmann in Neuwied.
Offener Arrest mit Anzeigepflicht bis zum 1. Dezember 1910.
Termin zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretendenfalls über die in § 132 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände den 9. November 1910, Vorm. 10 Uhr.
Allgemeiner Prüfungstermin den 16. Dezember 1910, Vorm. 10 Uhr.
Neuwied, den 15. Oktober 1910.

Um das Jahr 1911 firmierte dann die Bendorfer Wandplatten-Fabrik unter der Bezeichnung:

"Rheinische Wandplatten-Fabrik G.m.b.H. Bendorf am Rhein bei Koblenz",

was auf einen Eigentumswechsel der Gesellschaftsanteile deutet. Neuer Hauptanteilseigner war der Unternehmer Wortmann. Wortmann war allerdings nicht an Wandplatten, sondern an Ofenkacheln interessiert. Die verkehrsgünstige Lage des Werkes, die Nähe zu den Zuliefererfirmen und die gestiegene Nachfrage waren zu dieser Zeit noch so ideal, daß die Produktion in kürzester Zeit hochgeschraubt werden konnte. Das bedeutete auch kurzfristig einen Zuwachs an Personal. Infolge einer Krise im Baugewerbe und unter der starken Konkurrenz anderer nahegelegener Wandplattenfabriken (z.B. Wessel in Bonn und Engers), mußte die Betriebsleitung bereits bis zum Januar 1911 etwa 50 Prozent der Arbeiter entlassen.

Infolge der drohenden Kriegsgefahr auf dem Balkan in den Jahren bis zum Ausbruch des 1.Weltkriegs und dem damit verbundenen Anstieg des Zinssatzes, stagnierten die Investitionen auf dem europäischen Baumarkt. Die Lager der Wandplattenfabriken waren überfüllt, so daß durch das Überangebot die Preise im freien Wettbewerb bis 1913 rapide sanken. Mit dem Monat Oktober des Jahres 1913 schloß die Rheinische Wandplatten-Fabrik GmbH ihren Betrieb, weil der sich abzeichnende Krieg den Baumarkt vollends lahmlegte.

Die Werksleitung führte in einem Bericht zur Lage der Wandplatten-Industrie aus, daß mit einer Wiedereröffnung des Betriebes nicht vor der Beendigung des Krieges zu rechnen sei. Erst im Jahre 1921, nach einer kurzzeitigen Stillegung des Werkes infolge des Ersten Weltkrieges, konnte die Produktion, wenn auch im kleinen Rahmen, wiederaufgenommen werden. Ungefähr zu dieser Zeit wurde auch der spätere Besitzer der Fabrik, Johann Witte, als Betriebs- und kaufmännischer Leiter eingestellt.

In der nachfolgenden Inflationszeit von 1921-1924 wurde dann die "Rheinische Wandplatten-Fabrik G.m.b.H. Bendorf am Rhein bei Koblenz", an den Niederländischen Unternehmer Ten Cate Brouwer verkauft. Brouwer stellte die Produktion von Ofenkacheln ein und stieg auf Wandplattenherstellung um. Damals bekam die Firma von den Bendorfern ihren Namen "Plätt'ches" (von Wandplatten).

Dekorfliese aus der Produktion der Bendorfer Wandplatten-Fabrik

Brouwer hatte als Niederländer neben seinem Devisen-Kapital ( Holländische Gulden) auch die besten Geschäftsbeziehungen nach den Niederlanden. So fertigte er neben den "normalen Wandfliesen" ganz spezielle Dekorfliesen im Jugendstil. Diese Fertigung der Dekorfliesen war aber dem Modegeschmack unterworfen und wurde zu Beginn der 30er Jahre eingestellt. Einzelstücke aus dieser Produktion werden heute auf dem Antiquitätenmarkt zu horrenden Preisen angeboten.

Sodann kam es zu einer ganz besonderen Deutsch-Niederländischen Zusammenarbeit. Hier in Bendorf, in der Nähe der keramischen Rohstoffe und industriellen Produktionsstätten für Wandplatten wurden die "Rohlinge" für die "Delfter Kacheln" in Holland hergestellt. Das heißt: die nur einmal gebrannten, unglassierten Fliesen, die sogenannten "Scherben", wurden nach einer besonderen Qualitätskontrolle verpackt und nach Delft in den Niederlanden verschickt, zur weiteren Verarbeitung zu "Delfter Kacheln". Der Sinn dieser Transaktion war; daß in den Niederlanden, durch den Besitz von Kolonien, Kobald für das "Delfter Blau" billiger zu haben war und die Rohstoffe zur Herstellung der Kacheln nicht auf die weite Reise nach den Niederlanden versendet werden mußten.

Mitte der 30er Jahre zog sich Brouwer, angewidert durch die politischen Verhältnisse in Deutschland, trotz florierender Geschäfte, aus der Firma zurück und verpachtete die Fabrik an seinen langjährigen Betriebsleiter in Bendorf Herr Johann Witte, der schließlich im Jahre 1941 die Fabrik käuflich erwerben konnte.

Herr Witte hatte aber von Anfang an mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Zwischenzeitlich war der 2.Weltkrieg ausgebrochen und die Produktion von Wandfliesen mußte eingestellt werden. Die zum Brennen von Wandplatten vorhandenen 5 Rundöfen wurden nun zum Brennen von Chamotte für die kriegswichtige Schwerindustrie verwendet. Neben dem Ausfall der Produktion wurde das Werk auch durch direkte Kriegseinwirkungen schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Der Wiederaufbau nach 1945 ging nur schleppend voran. Doch 1947 lief die Produktion mit 15 Beschäftigten wieder an. Erst 1948, nach der Währungsreform, sollte sich die wirtschaftliche Lage zum Bessern wenden.

Die Produktion von Wandplatten belief sich auf rund 10.000 Quadratmeter Wandfliesen im Monat. Hinzu kamen jetzt auch Formstücke wie Seifenschalen und Toilettenpapierhalter. Über 100 Mitarbeiter fanden in der "Rheinischen Wandplattenfabrik" nun ihre Arbeit.

Die alten Rundöfen, die noch mit Kohle und Briketts auf 1100 Grad beheizt wurden, waren mit der Zeit unrentabel geworden und genügten auch nicht mehr dem gestiegenen qualitativen Anforderungen. So wurde dann mit dem Bau von 2 modernen Tunnelöfen begonnen und diese ab dem Jahr 1956 in Betrieb genommen. Nachdem die neuen Tunnelöfen in Betrieb genommen waren, wurden die alten Rundöfen abgerissen. Zur weiteren Modernisierung wurde ein Generator gekauft. Von nun an konnten die Briketts vergast werden, womit die neuen Öfen beheizt wurden. Die Produktion lief schneller und rationeller, sie wurde auf 25.000 Quadratmeter im Monat in die Höhe geschraubt.

Durch diese Modernisierungsmassnahmen (man sprach damals noch nicht von "Rationalisierung und Freisetzung") wurden jetzt nicht mehr so viele Arbeiter gebraucht. Ihre Zahl sank auf zunächst 65, später dann auf 50. Wurden vorher nur Platten in Elfenbein und Weiß hergestellt, so konnten nun auch farbige Fliesen produziert werden. Die Form und das Dessin der Platten blieb aber in den Jahrzehnten immer gleich: 15 mal 15 Zentimeter und eine biedere Ausstattung, Auch wurden keine Bodenfliesen hergestellt. Die Nachfrage war trotzdem, durch den Nachholbedarf der Nachkriegszeit und der überbordenden Baukonjunktur, anhaltend hoch. Doch das merkten auch andere Unternehmer. Ab 1960 drängten jetzt verstärkt ausländische Fliesenhersteller (hier zuerst Italienische und danach Spanische Hersteller) mit wesentlich günstigeren Preisen auf den deutschen Markt. Der Import von Billigware drückte merklich auf die Preise. Das Ende der Rheinischen Wandplattenfabrik war aber noch nicht vorauszusehen.

Zwei Brände in zwei Jahren

Brand der Bendorfer Wandplatten-Fabrik 1964

Weitere Schicksalsschläge für die Bendorfer Fabrik folgten 1963 und 1964. Zunächst brannte der Bürotrakt vollkommen aus. Am 23. April 1964, wurde das gesamte Werk zum zweiten mal durch ein Großfeuer in Mitleidenschaft gezogen. Die Bendorfer Zeitung schrieb damals: ,,Die Fabrik bot nach dem Brand ein Bild der Verwüstung. In den unteren Räumen, bei den Öfen und Maschinen, verkohlte Balken und viel Löschwasser, das wie ein Regen in dicken, schmutzigen Tropfen herabkam."

Die Löschzüge aus Bendorf, Sayn und Mülhofen, die Werksfeuerwehr der Rheinstahl Concordiahütte und die Berufsfeuerwehr von Koblenz waren im Einsatz. Das gesamte Obergeschoß des Mitteltraktes konnte nicht mehr gerettet werden. Man schätzte den Schaden auf einige hunderttausend Mark. Doch die wertvollen Maschinen in den unteren Räumen und viel Material blieben erhalten. Der damalige Betriebsleiter Herr Göhringer erinnerte sich später in einem Interwiev: ,,Wir haben zum Teil unter freiem Himmel weitergemacht. Über uns wurde wieder aufgebaut und auch modernisiert. Aber das Produktionsverfahren insgesamt war zu veraltet. Gegen die ausländische Konkurrenz waren wir machtlos."

Der Abriss des Kamins bedeutet das entgültige "Aus" der Bendorfer "Plättches"

1969 war die Firma "Bendorfer Wandplatten-Fabrik" endgültig am Ende. Der Preisverfall der Wandplatten auf dem Markt führte dazu, dass die Herstellungskosten höher als der Erlös war. So entschloß sich der Firmeninhaber Johann Witte die Fabrik an die Wandplattenfabrik Engers zu verkaufen, die daraus ihr Werk II machte. Man schätzt, daß Engers ab dieser Zeit noch rund zwei Millionen Mark in das Bendorfer Werk reingesteckt hat. Neue Maschinen kamen hinzu und Gebäudeteile wurden erneuert. Doch der Verfall war schneller. Es hätte noch viel mehr investiert werden müssen. Hinzu kamen Absatzschwierigkeiten und noch genügend freie Kapazitäten in Engers.

Das bedeutete bereits 1975 das Ende der Rheinischen Wandplattenfabrik in Bendorf. Den zum Schluß 45 Beschäftigten wurde gekündigt. Ein neuer Unternehmer, der bereit gewesen wäre die Produktion weiterzuführen, konnte nicht gefunden werden. Die Tore vor den ausgeräumten Hallen blieben geschlossen und der Kamin wegen Baufälligkeit abgerissen. Der endgültige Verfall der Gebäude war nicht mehr aufzuhalten.

Nach jahrelangem Verfall der Gebäude kaufte die Stadt Bendorf (Mitte der 1990er Jahre) das gesamte Areal und baute dort das Verwaltungszentrum für die städtischen Eigenbetriebe ( Rathausgebäude III ) mit den dazugehörigen Werkstätten und Bauhof.




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