Aus der Geschichte des
Eisensteinbergbaus
im unteren Westerwald.
von Walter Dielhenn
Der Eisenstein-Bergbau in der hiesigen Gegend reicht ebenso wie
der Eisenhütten-Betrieb bereits in sehr frühe Zeiten zurück.
Doch besitzen wir zuverlässige Nachrichten erst vom 17. Jahrhundert ab.
Wir haben zum Beispiel eine Urkunde aus dem Jahre 1646. Es ist ein Vertrag
zwischen dem Grafen Friedrich von Wied und Matthias Müller,
Hüttenmeister zu Burscheid, worin diesem, nebst dem Lambert Sauermus
bewilligt wird, den Eisenstein auf dem Honnefelder Berg gegen Abgabe des
Zehnten zu suchen und nach Notdurft sich bedienen zu können.
Die Eisenstein-Bergwerke waren also damals ebenso wie die
Eisenhütten und Hämmer nicht freier Besitz, sondern Erblehen der
Landesherren. Dies war eine Folge des Regalrechtes, des so genannten Bergregal
oder "privilegium fori", wonach Bergwerke angelegt und Metalle
geschmolzen auch den Untertanen eine Berechtigung (Belehnung) hierzu erteilt
werden durfte, wurde für die Grafschaft Wied am 22. Mai 1516 seitens des
Kaisers Maximilian I. dem damaligen Grafen Johann III. erteilt.
Das Schürfen auf Metalle stand im Wiedischen jedem frei. Wenn
jemand Anzeichen auf Eisenstein fand, so wurde ihm als dem "ersten Finder" die
"Fundgrube" verliehen. Eine Fundgrube enthielt 12 Lachter; ein Lachter oder
Bergklafter ist ungefähr 2 m. Begehrte er oder ein anderer weiteren Abbau,
so musste er dafür "Mutung" einlegen. Das Abbaurecht stand ihm dann auf
eine bestimmte Anzahl, meist zwei "Maßen" zu. ( 1 Maß ist 28
Lachter). Lohnte sich das Bergwerk, so konnte eine Erbbelehnung begehrt werden.
Es taten sich nun mehrere Mann zusammen und bildeten eine "Gewerkschaft". Das
Bergwerk wurde zu diesem Zwecke in 128 Teile oder "Kuxe" oder 32 "Stämme"
eingeteilt. Jeder "Gewerke" konnte eine beliebige Anzahl von Kuxen
übernehmen, also Anteile an Bergwerkseigentum, nicht, wie nach heutigem
Bergrecht, am Bergwerksvermögen darstellten.
Es sei an dieser Stelle eine Belehnungurkunde mitgeteilt, und zwar
eine solche für die Gewerkschaft "H. W. Remy & Cons." im Kirchspiele
Alsbach in Unterwasserwahlkreis, zweieinhalb Kilometer nördlich von
Grenzhausen.
Wir zu diesen Gräflich Forst- und Berg-Amt verordnete
Oberforstmeister, Räte und assessores beurkundung und bekennen in Kraft
dieses, das auf unthänigstes Ansuchen und Bitten der Admodiatoren Henr.
Wm. Remy & Cons. um Belehnung auf Eisensteine und edle Metalle in dem
Kirchspiel Alsbach, Celsissimi Hochgräfl. Gnaden nicht entstehen wollen,
diesen Gesuch gnädigst zu begünstigen und in der Absicht
gegenwärtige Belehnung unter nachfolgenden Bedingungen auf 100
ohnunterbrochene Jahre dergestalten zu erteilen, dass
1.) gedachte Admodiatoren sich allen billigen Verordnungen dieses
nach gesetzten Forst- und Bergamts fügen, solche für ihre
Vorgesetzten erkennen, und Ihre Maasregeln nach der in hiesigen Landen zur
Richtschnur angenommen Nassau-Katzen-Ellenbogen'schen-Berg-Verordnung
einrichten und nehmen werden, nicht minder
2.) den landesüblichen Zehnten von allen gut zu machenden
Eisen- und Silber-Ertzen, und andere edlen und unedlen Metallen, und zwar von
ersteren 10. Haufen mit 2 Reichstaler, von den Letzteren entweder in natura,
oder nach einer zutreffenden Übereinkunft an Geld zur Gräfl.
Rentkammer, resp. abreichen oder vergüten sollen.
3.) dürfen zwar eröfterte Admodiatoren H. W. Remy &
Cons. die im Kirchspiel Alsbach gut zu machende Silber-, Eisen- und andere edle
Ertze außer Landes verkaufen, es bleibt aber dabei denen
inländischen Hüttenwerker ein Ausdrückliches Vorzugs- und
Vorkaufsrecht darauf, so wie denen hiesigen Unterthanen ein Vorzug vor
ausländischen in Ansehung des Verdienstes in der Maasen vorbehalten, wenn
Sie unter den nehmlichen Bedingungen wie letztere arbeiten und fahren
wollen.
4.) werden dieselben gegen die ihnen etwa gemacht werden wollende
Beeinträchtigungen und widerrechtliche Eingriffe in ihre in dem Kirchspiel
Alsbach ausschußweise habende Bergbau Rechte binnen der
Hundertjährigen Belehnungszeit nachdrücklichst geschützt
werden.
5.) Sollen sich auch selbige eines Vorzugs und Einstand Rechts vor
allem andere Bergbaulustigen unter Erbietung zur Erfüllung der von diesen
offerierten Bedingungen auf den Bergbau im Kirchspiel Alsbach nach
Verfluß der Belehnungszeit zu einer anderweitigen Erbe der Temporal
Belehnung, je nachdem es am ratsamsten gehalten werden wird, auf den Fall, wenn
Gnädigste Herrschaft solches nicht unverlehent behalten, oder anders ist
darüber disponieren wollte, zu erfreuen haben.
Neuwied, den 30. September 1783.
L.S Gräfl. Wied. Forst- und Bergamt.
Als Entgelt für die Belehnung musste der Herrschaft von dem
Eisenstein der Zehnte, d.h. der zehnte Teil seines Wertes ( meist 2 bis 3
Reichstaler ) entrichtet werden, oder, was im Wiedischen häufiger der Fall
war, der Zehnte Kübel oder Haufen Erz. Jedoch solange die Grube noch
Zubuße erhielt, d.h. so lange anstatt Gewinne abzuwerfen, Zuschüsse
seitens der Gewerken gemacht werden mussten, was bei Eröffnung der
Bergwerke stets der Fall war, wurde kein Zehnte erhoben. Man konnte den
gewonnenen Eisenstein entweder selbst verhütten oder auf den
herrschaftlichen Hütten, wie Raubacher Hütte, Rasselstein, schmelzen
lassen. Im Übrigen mussten sich die Gewerken der betreffenden Bergordnung
fügen.
Es ist nun interessant zu beobachten, dass selten in einem Gebiet
so viele verschiedene Bergordnung Geltung hatten, wie gerade im unteren
Westerwald. Dass eine solche Mannigfaltigkeit der Gesetzgebung, verbunden mit
den abweichensten Verwaltungsgrundsätzen, die u.a. in mancherlei Ein- und
Ausfuhrverboten gipfelten, keinen günstigen Einfluss auf die Entwicklung
des Bergbaues haben konnte, liegt auf der Hand.
Für die einzelnen Landesgebiete des Unteren Westerwaldes
kamen folgende Bergordnungen in Betracht:
- Für die obere und untere Grafschaft Wied die
Nassau-Katzenellenbogensche Bergordnung vom 1. Mai 1559.
- Für das Kurtrierische Gebiet, hauptsächlich den
Horhäuser Grubenkomplex, die Kurtrierische Bergordnung vom 22. Juli
1564
- Für die Kurkölnischen Ämter Neuerburg, Altenwied
und die sogenannte "Herrlichkeit Lahr" die Kurkölnische Bergordnung vom 4.
Januar 1669
- Für das Sayn-Altenkirchener und Sayn-Hachenburger Gebiet,
das gemeine deutsche Bergrecht, für letzteres kommt in unserer Gegend vor
allem die von beiden Sayn gemeinsame besessene, später ansbachische
Gemarkung Bendorf mit dem Grubenfeld "Werner" in Betracht.
Die Erze der früheren Bergwerke wurden selten außer
Landes befördert, sondern meist im Lande selbst verhütet. Deshalb
ließen sich die Hüttengewerken mit den in Ihrer Nähe sich
befindlichen Bergwerken belehen oder, wie es zuerst der Fall war, die
Berggewerken ließen sich von ihren Landesherren die Konzession zur
Anlegung von Hütten- und Hammerwerken erteilen, um Ihre Bergwerksprodukte
vorteilhaft verwerten zu können. Die ersten bedeutenden Eisensteingruben
waren:
- Luisenglück: 1-3 im Honnefelder Holz
- Die Katzenschleife bei Waldbreitbach
Diese fünf Bergwerke waren der Gewerkschaft "H. W. Remy &
Cons." in Lehen gegeben und lieferten Ihrem Eisenstein an deren
Hüttenwerke zu Rasselstein und zu Honnefelder Hütte und später
auch Clemenshütte.
- Das Reichensteiner Bergwerk, bei der Ruine Reichenstein im
Holzbachttal gelegen,
- Das Bergwerk "aufm Prangenberg " bei Hahnroht;
diese beiden Gruben gehörten der sogenannten Raubacher
Gewerkschaft ( Joh.(ann) Ph. (illip) Freudenberg aus Hachenburg ) deren
Eisenschmelze, Raubacher Hütte, das dortige Eisenerz verwertete.
- Die Horhäuser Gruben: Georg, Friedrich Wilhelm und
Louise.
Sie wurden zuerst von Eigenenlöhnern und Gewerken betrieben,
zu denen u.a. auch die Remy'schen Erben von Neuwied gehörten. Wegen der
sehr einengenden Vorschriften der hier geltenden Kurtrierischen Bergordnung,
dass nämlich Zulassung von Mutungen auf Eisenstein der freien
Entschließung des Landesherrn vorbehalten bleibe und der in
Übereinstimmung mit dieser Verordnung steten Zurückweisung
sämtlicher eingelegten Mutungen seitens der Kurtrierischen Verwaltung,
muss wohl geschlossen werden, daß diese Gruben bereits vor 1664 verliehen
worden waren, als die Kirchspiele Horhausen und Peterslahr noch ein Bestandteil
der Herrschaft Isenburg-Grenzau gebildet hatten. Am 3. Mai 1771 gingen die
Gruben durch Kaufvertrag in Kurfürstlich-Trierischen Besitz über und
versorgten das kurfürstliche Kameralwerk Sayner Hütte mit Eisenstein.
Von 1803 bis 1815 wurden sie für Nassauisch-Weilburg'sche Rechnung
geführt. Worauf sie im Besitz des Preußischen Staates und
später 1865, in den der Firma Krupp zu Essen übergingen.
- Die Bergwerke in der Kurkölnischen "Herrlichkeit Lahr",
umfassend die Gemarkungen Ober- und Burglahr, z.B. "Lammerichs Kaule",
"Harzberg ".
Sie lieferten an die Burscheder- oder "alte Hüte" und an die
Clemenshütte;
- Die Gruben "der Werrend", die "Lück", "die obere und
untere Kunst", "der Grübbelsberg" (später "Ferdinand").
Sie standen der Clemenshütte-Gewerkschaft zu und belieferten
deren Schmelzhütte.
- Die Gruben bei Bendorf: Vierwinde (gleich zu den vier Winden),
Loh- und Eisenberg.
Sie wurden im Jahre 1724 von dem damaligen Besitzern von Bendorf,
dem Fürsten Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach und Georg Friedrich,
Burggrafen zu Kirchberg, an die Erbauer der Bendorfer Hütte und bald
darauf an die Gewerkschaft "Remy, Hoffmann & Co." zu Bendorfer Hütte
verliehen.
- Das Eisenbergwerk bei Dernbach (bei Montabaur), das die
Grundlage und den Ausgang der industriellen Schöpfungen der Familie Mariot
bildete.
Der Eisensteinbergbau in unserer engeren Heimat hatte früher
eine viel größere Bedeutung als heute. Denn zunächst bildete er
eine gewaltige Einnahmequelle für die landesherrlichen Kassen, (Zehnten,
Wasserlaufzins). Deshalb suchten ihn weitblickende Herrscher mit allen Mitteln
zu fördern:
1. Durch billige oder gar freie Holzlieferung aus den
herrschaftlichen Waldungen zum Grubenausbau, durch Zehntfreijahre für den
anfänglichen Betrieb, durch Erteilung eines "privilegium
exklusivium", d.h. außer der betreffenden Gewerkschaft durfte sonst
niemand in einer bestimmten Gemarkung Eisenstein graben oder schmelzen. Solche
Herrscher waren in der ehemaligen Grafschaft Wied Friedrich Wilhelm (1706 bis
1737) und vor allem der tüchtige Graf Johann Friedrich Alexander (1737 bis
1791), unter dessen Regierung der Bergbau wie auch das Hüttenwesen zu
hoher Blüte gelangte.
2. Durch Anlegung von landesherrlichen und
Privat-Hüttenwerken konnten die Erze gleich an Ort und Stelle verschmolzen
werden, und man sparte so die teueren Frachten, wie sie heute durch die
notwendig gewordene Verlegung der Hüttenwerke an große
Verkehrsstraßen entstehen.
3. Der Bergbau bildete dann nebst dem Hüttenbetrieb einen
beträchtlichen Nebenerwerb für die Bewohner. Man konnte deshalb in
den Bergbautreibenden Gebieten einen mittelmäßigen Wohlstand
bemerken. Der reiche sowohl als der Mittelbauer ernährte sich vom Ackerbau
und Fuhrwesen für Erze und Roheisen, und der arme vom Tagelohn im
Bergwerk, Hütte und Köhlerei.
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