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Eisenverarbeitende Unternehmer im 19. Jahrhundert in Sayn

Franz Sebastian Menn, Familie d'Ester und Ferdinand Freiherr von Bleul

von Hans-Peter Kleber

 

Franz Sebastian Menn

Der nach 1817 einsetzende Aufschwung der Sayner Hütte und die zwischen 1831 und 1835 erfolgte verkehrsmäßige Erschließung des Ortes lockten erstmals eisenverarbeitende Privatbetriebe nach Sayn. Noch während der Projektierung der heutigen Koblenz-Olper-Straße, im Abschnitt Ortsausgang Bendorf -Sayner Hütte, ließ sich mit dem Eisenhändler Franz Sebastian Menn der erste Unternehmer dieser Art in der Nähe des staatlichen Hüttenwerks nieder.

Als Sohn des Kaufmanns und Weinhändlers Gottfried Menn am 17. Juli 1789 in Koblenz geboren, unterhielt F. S. Menn am Plan 14, einem 1944 zerstörten, prachtvollen Rokokobau, eine Eisenwarenhandlung. Hier vertrieb er hauptsächlich Kunstguß, aber auch gewerbliches Stab- und Flacheisen der Sayner Hütte. Die Auswahl der in Sayn hergestellten Eisenwaren war jedoch unzureichend und genügte oft nicht den unterschiedlichen Käuferwünschen.

Karl Ludwig Althans, *5.Dez. 1788 in Bückeburg, + 10 Okt. 1864 in Sayn

Hütteninspektor Karl Ludwig Althans, ein ausgesprochener Förderer der Privatwirtschaft, unterstützte und ermutigte darum Menn, das im Hüttenwerk erblasene Roheisen direkt in Sayn nach den Vorstellungen der Koblenzer Kundschaft zu verarbeiten. Anfang 1830 erwarb Menn von dem in Sayn lebenden Großgrundbesitzer und Landrat Graf Boos von Waldeck ein Grundstück (heute Koblenz-Olper-Straße 175), auf dem er eine Stahlwarenfabrik errichtete. Zwei Jahre später, im Jahr 1832, beschäftigte das Werk bereits sechs Schlosser. Die Tatsache, daß auch zwei Schreiner zur Belegschaft gehörten, deutet darauf hin, daß sich Menn auch mit der Eisengußherstellung beschäftigte, da meist Schreiner zum Anfertigen der Sandformkästen in Gießereien eingesetzt wurden. Was die Stahlwarenfabrik im einzelnen herstellte, ist nicht bekannt, doch werden sich die Gegenstände ohne weiteres ins Sortiment eines Eisenhändlers eingepaßt haben.

Neben der Herstellung und dem Verkauf von Eisenwaren trieb Menn in Sayn auch Handel in anderen, nicht eisenspezifischen Sparten. So bot er Wein, Champagner und Mineralwasser, ebenso wie Wiesenheu von seinem Sayner Grundstück zum Verkauf an. Seine Tätigkeit als Agent der Gotha-Feuerversicherung vervollständigten das Bild eines Allroundhändlers. Mitte 1834 verließ F. S. Menn Sayn und kehrte nach Koblenz zurück. Er starb am 13. November 1848.

 

Die Familie d'Ester

Gegen Ende des Jahres 1834 erwarb die Firma Q. J. d'Ester aus Vallendar das Werk. Die Familie d'Ester, seit 1769 zu den bedeutendsten Lederfabrikanten des Rheinlandes zählend, war 1830 durch ein verheerendes Großfeuer ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt worden. Mit dem Kauf der Sayner Stahlwarenfabrik hoffte man, eine neue krisensichere Existenz aufbauen zu können. Auch diesem Unternehmen stand Hütteninspektor Althans, der gesellschaftlich im Hause d'Ester verkehrte, beratend zur Seite. Der Familienvorstand übertrug 1835 Michael Joseph Johann d'Ester (12. 8. 1798 bis 19. 10. 1863) die Leitung der Eisen- und Stahlwarenhandlung, die 1836 den Namen "Maschinenfabrik und Gußwaarenhandlung" erhielt.

Michael Josef Johann d'Ester, *12 Aug. 1798 + 19. Okt. 1863

In diesem Jahr beschäftigte das Werk bereits 24 Arbeiter und Angestellte, die 15 000 Zentner Eisenwaren, hauptsächlich aus verzierten Gußöfen und kleineren Maschinenanlagen bestehend, im Wert von 10.000 Talern produzierten. Vergleichend hierzu beschäftigte 1836 die Sayner Hütte 142 Leute, die 34.000 Zentner Stabeisen bzw. Gußwaren herstellten und einen Umsatz von 100.000 Talern erwirtschafteten. 1840 zählte das d'Ester'sche Werk zwar 44 Beschäftigte, sank aber in der Jahresproduktion auf 7000 Zentner, die allerdings 35.000 Taler erbrachten. Im gleichen Zeitraum erhöhte die Königliche Hütte ihren Personalbestand auf 170 und steigerte den Umsatz auf 243.282 Taler. Die von 1836 bis 1840 um mehr als die Hälfte gesunkene Jahresproduktion der d'Ester'schen Fabrik zwang zu einer Reduzierung der Arbeitskräfte, so daß die Beschäftigtenzahl bis zum Jahr 1842 auf 32 zurückging.

Da Joseph d'Ester durch öffentliche Ämter und Beaufsichtigung der verbliebenen Lederfabrikation in Vallendar (1836 = 30 Beschäftigte) nur unvollkommen die Leitung der Sayner Fabrik wahrnehmen konnte, nahm die Familie bereits 1835 Ferdinand Freiherr von Bleul, einen Cousin Joseph d'Esters, in die Geschäftsleitung auf.

 

Ferdinand Freiherr von Bleul

Die Familie des Freiherrn von Bleul, ursprünglich aus dem Rheinland stammend, kam aus Salzburg, wo der Vater den Titel eines "Salzburgischen Hofkanzlers" innehatte. Nach dem Tod des Vaters 1807 verließ die Witwe, eine geborene d'Ester, Salzburg und kehrte mit ihren fünf unmündigen Kindern, darunter auch der am 7 Dezember 1806 geborene Ferdinand, in die Obhut ihrer Familie nach Vallendar zurück.

Beide, d'Ester wie Bleul, verstanden zunächst wenig vom Eisenfach, weshalb sie auf den Rat und die Unterstützung von Fachleuten angewiesen waren. Neben dem unermüdlichen Althans sicherte man sich die Mitarbeit des ehemaligen Hütten-Magazinverwalters Carl Osterwald (20. 10. 1793 bis 4. 8. 1868), der bereits 1834 mit 41 Jahren den Hüttendienst quittiert hatte. Carl Osterwald war zunächst Techniker, später Betriebsleiter der Sayner Maschinenfabrik.

Ferdinand von Bleul, * 7. Dez. 1806

Allgemein gilt 1839 als das Jahr, in dem die Familie d'Ester aus der Geschäftsleitung ausschied und die Firma in den Alleinbesitz Bleuls überging. Andererseits wird die Geschäftspost noch 1854 mit dem Prokura Q. J. d'Ester unterzeichnet. Aufgrund des engen Verwandtschaftsverhältnisses der Familien Bleul und d'Ester erfolgte der Besitzwechsel wohl fließend und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Um 1839 wurde auch das architektonisch reizvolle, heute noch bestehende Fabrikgebäude errichtet, dessen Vorläufer übrigens schon 1835 über die gleiche Grundrißfläche verfügte. Im leicht vorstehenden Mitteltrakt der Fabrik befanden sich die Büros und die Privatwohnung Bleuls, während die beiden Seitenflügel die Maschinen- und Bearbeitungswerkstätten aufnahmen. In der nordwestlichen Ecke des von einer Bruchsteinmauer begrenzten Innenhofs lagen die Schmiede und ein Lagerschuppen. An der nördlichen Begrenzungsmauer zum Friedrichsberg war eine weitere Maschinenwerkstatt untergebracht. Daran anschließend befand sich eine kleine Gießerei, deren etwa 25 m hoher, aus einzeln zusammengeschraubten, zylinderförmigen Metallröhren bestehender Schornstein in der nordöstlichen Ecke des Innenhofs Platz fand. 1851 wurde das Werk vergrößert und im Innenhof rechtwinklig an den westlichen Seitenflügel des Hauptgebäudes eine zweigeschossige Fabrikhalle angebaut, die einen Kupolgießofen und einen konisch zulaufenden, quadratisch gemauerten Ziegelschornstein aufnahm.

Unter der Federführung Bleuls erlangte die "Maschinenfabrik & Gußwaarenhandlung", besonders im Dampfmaschinenbau, einen hervorragenden Ruf. So wurde auf Anregung von Hütteninspektor Althans 1848 das wasserkraftbetriebene Hochofengebläse der Sayner Hütte durch ein bei Bleul erbautes, dampfbetriebenes Gebläse ersetzt. Wahrscheinlich stammte auch die Ende 1850 im Sayner Schloß installierte vier PS starke Dampfmaschine zum Betreiben der Wasserpumpen aus dem Bleul'schen Werk. Ebenfalls 1850 lieferte man eine dampfbetriebene Anlage zur Seifenherstellung nach Heddesdorf. Selbstverständlich wurde auch in der Fabrik eine Dampfmaschine eingesetzt.

Die Maschinenfabrik des Frhrn von Bleul und späteren Krupp'schen Erholungsheimes

Von einem bisher unbekannten eisernen Pavillon im Sayner Schloßpark, den das Fürstenhaus an Bleul in Auftrag gab, berichtet ein Lehrling der Maschinenfabrik in einem Brief vom April 1850:

" . . . ich habe auch drei Wochen an einem Lusthaus (gearbeitet), das ist 38 Fuß (ca. 11 m) hoch ohne Spitze und ist von lauter Schmiedeeisen. Es wiegt 4000 Zentner, dafür kann man sich ein schönes Haus bauen. Es steht auf der Grotte (gemeint ist die sog. Löwengrube), ... wo der Haupteingang in den fürstlichen Garten ist."

Neben Maschinen aller Art, wie z. B. Tonpressen für das nahegelegene Kannenbäckerland oder hydraulischen Weinkeltern, produzierte das Werk auch Gebrauchs- und Ziergegenstände aus Gußeisen wie Gitterwerke, Treppen, Grabmonumente, Gartentische und Bänke. Außerdem lieferte man Modelle an andere Gießereien, so z. B. an die im Kreis Birkenfeld gelegene Abentheurer Hütte der Gebr. Böcking. Fachleute zur Herstellung der Gußwaren standen in genügender Zahl zur Verfügung, denn einmal bildete man bereits vor 1849 Lehrlinge aus, die dann als Gesellen übernommen wurden, zum anderen wechselten etliche Fachkräfte der Sayner Hütte zu Bleul. Auch sonst unterhielt die Maschinenfabrik enge wirtschaftliche Beziehungen zum Sayner Gießwerk und ließ dort aus produktionstechnischen Gründen größere Werkstücke und Maschinenteile anfertigen. Ebenso gestattete das Sayner Hüttenamt der Maschinenfabrik, auf dem Werkgelände der 1856 errichteten Mülhofener Hütte ein von der Neuwieder Brückengesellschaft an Bleul in Auftrag gegebenes Dampffährboot zu bauen. Das auf den Namen "Neuwied" getaufte Schiff bestand am 14. Juni 1860 die technische Überprüfung in Koblenz und nahm nach erfolgreicher Jungfernfahrt am 16. Juni den Fährbetrieb zwischen Neuwied und Weißenthurm auf.

Bezüglich der Wirtschaftsstruktur und der Arbeitsplatzsituation innerhalb des Ortes spielte die Maschinenfabrik wohl nur eine sekundäre Rolle. Nach einer statistischen Erhebung des frz. Sozialwissenschaftlers F. Le Play von 1851 ernährte das Werk 16 Familien, die insgesamt 83 Personen oder 5,9 % der Einwohner Sayns umfaßten. Die staatliche Sayner Hütte gewährte dagegen 69 Haushaltungen mit 346 Angehörigen oder 32,4 % der 1406 Einwohner zählenden Gemeinde einen ausreichenden Lebensunterhalt. Die Bleul'sche Fabrik verfügte bereits vor 1850 über eine Betriebskrankenkasse, in die alle Beschäftigten von jedem verdienten Taler einen Silbergroschen abführen mußten. Der Krankenstand schien übrigens beträchtlich, denn 1850 stand die Kasse mit 300 Talern im Minus. Trotzdem war diese Einrichtung fortschrittlich zu nennen; A. Krupp in Essen führte beispielsweise erst 1853 eine betriebseigene Kranken- und Sterbekasse ein.

Freiherr von Bleul, der auch eine Reihe öffentlicher Ämter bekleidete - er war Kreisdeputierter des Landkreises Koblenz und vom 1. März bis 10. November 1857 sogar Landrat -verkaufte im Juli 1872 die Maschinenfabrik an den Stahlmagnaten Krupp, der sieben Jahre zuvor bereits die Sayner und die Mülhofener Hütte in seinen Besitz gebracht hatte. Bleuls einziger, am 3. April 1847 in Sayn geborener Sohn Clemens hatte das Angebot seines Vaters, die Firma zu übernehmen, ausgeschlagen. Er wählte die standesgemäßere Laufbahn eines königlich preußischen Offiziers und trat 1867 ins Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4 in Koblenz ein. Nach dem Verkauf der Firma zog Ferdinand Freiherr von Bleul nach Koblenz, wo er am 10. Januar 1890 im Alter von 83 Jahren starb.

Die Gartenseite des Krupp'chen Erholungsheimes, der ehem. Bleul'schen Maschinenfabrik.

Noch bis 1907 nutzte Krupp die Maschinenfabrik und stellte u. a. Bergwerkspumpen und Grubenwagen für seine rheinischen Erzgruben her. Bereits vor der Jahrhundertwende wurde in den unteren Räumen des Ostflügels ein Konsumladen für Werksangehörige errichtet. Ab 1909, nach zweijähriger Umbauzeit, diente das ehemalige Fabrikgebäude als Erholungsheim für Kruppsche Beamte und deren Angehörige. Im Zweiten Weltkrieg als Reservelazarett eingerichtet, wird das im Besitz der Stadt Bendorf befindliche Gebäude heute als Mietshaus genutzt.



Quellen

Landeshauptarchiv Koblenz: Best.655/64, Nr. 694, 820, 1257.
Stadtarchiv Koblenz: Zivilstands-Zweitregister.
Hist. Archiv Fried. Krupp, Essen: WA XV c 36.
Salzburger Landesarchiv: Rubrik XLV/B 3.
Korrespondenz Pohl 1849 - 1851 (Privatbesitz)

Literatur

Adelmann, G. (Hrsg.): Der gewerbliche Zustand der Rheinprovinz im Jahr 1836. Bonn 1967.
Becker, K.: Die kommissarische Verwaltung des Kreises Koblenz und die Wahl des Frh. Raitz von Frentz zum Landrat, in: Heimatkalender 1955 für den Landkreis Koblenz,
von Braunmüller: Geschichte des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4. Berlin 1901.
d'Ester, K.: Schwarz auf Weiß. München 1951.
Genealogisches Handb. der Frhn. Häuser. B Bd. IV 1967
Helmrath, E.: Die Sayner Hütte und ihre Gießhalle. Sonderschr. des Mittelrhein. Bez. Vereins des VDI. 1928.
Michel, F.: Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz. Die profanen Denkmäler und die Vororte. Düsseldorf 1954.
Schabow, D.: Sayn: Sozialstruktur des Ortes und Lebensbedingungen einer Arbeiterfamilie in der Mitte des 19. Jahrh., in: Heimatjahrbuch Kreis Mayen-Koblenz 1986. S. 65 - 70.
Stramberg, Chr. von: Rhein. Antiquarius. IM. Abt. Bd. 1. Koblenz 1853.

Zeitungen und amtl. Veröffentlichungen:

Coblenzer Anzeiger (ab 1850 Coblenzer Zeitung), 1829 - 1836, 1850/51, 1860, 1866.
Öffentlicher Anzeiger, 13. Okt. 1847 (Beilage zum Amtsblatt der Reg. Koblenz Nr. 68 vom 13. Okt. 1847).




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