Erinnerungen aus der Sayner
Geschichte
Von G. Loescher, Sayn
Sayn ist die schönste Perle im Gebirgskranze des Westerwaldes
zum Rhein hin. Still, abhold dem lauten Getriebe der Welt, träumt es
einsam zwischen steilen, tannen- und buchenbegränzten Bergen des Brex- und
Sayntales. Etwas versonnen, etwas müde von allen den Geschicken
vergangener Jahrhunderte, drängen sich die alten, schieferbedeckten
Häuser an den Bergabhang, der auf seiner Höhe die ausgedehnten Ruinen
einst kühngebauter Burgen des alten, rheinischen Adelsgeschlechtes der
Grafen von Sayn und ihrer Vasallen trägt.
Ja, diese efeuumrankten Ruinen!
Der sinnige Besucher sieht in ihnen nicht nur die wuchtigen
Mauern, die, wie die für die Ewigkeit gebauten Fundamente, sondern auch
die geisternden Spuren längst vergangener Dinge, längstvergangener
Herrlichkeit. Trotzige Bergfesten stehen wieder vor ihm auf und von den
aufragenden Söllern und starkbewehrten Mauern schauen wieder wie
früher stolze Herren und liebliche Edelfrauen auf das anmutende Tal, auf
die schimmernden Wasser der Brex- und der Sayn und weit darüberhinaus auf
das breite Silberband des ruhig fließenden Rheinstromes und seine
fruchtbaren Fluren. Und wenn er im Frühjahr in all der Farbenpracht, die
die Natur in verschwenderischer Fülle hier ausgestreut hat dort oben
weilt, so sieht sein geistiges Auge den frohen Reigen der Burginsassen, die um
die alte Burglinde und den Burgbrunnen auf dem weiten Platz tanzen in seliger
Freude, daß der lange Winter vergangenen, und daß die Zeit
gekommen, wo an manchen Tagen der geräumige Burghof widerhallt von dem
Stampfen der Pferde und dem Geklirre der Waffen im edlen Ritterspiel. Und wenn
er im Herbst dort oben steht, so sieht er einen lustigen Jagdzug zu Tal ziehen
und sein Ohr vernimmt den jauchzenden Schal der Hörner.
Vorbei! Stolze Ritterherrlichkeit zerfiel, Feste und Mauern sanken
in Trümmer.
Es war am Gründonnerstag des Jahres 1633, als wiederum, wie
schon so oft in den unheilvollen Zeitläufen des 30jährigen Krieges
die Sturmglocken durchs Land wimmerten. Der grausame Krieg hatte auch ins
Rheintal hin schwedische Heerhaufen geworfen, die plündernd und sengend
die blühenden Gefilde durchzogen und überall den Frieden brachen. So
war an jenem Unglückstage, eben am Gründonnerstag des Jahres 1633,
eine schwedische Heeresabteilung unter Anführung des Obersten Monte ins
Brextale gerückt. Nicht gewillt, dem beutehungrigen Feind und Ort und Burg
kampflos zu überlassen, kam es zu einem "hitzigen" Treffen. Auf der einen
Seite, Wölfen gleich, die wilden rohen Schweden; auf der anderen eine von
Nauort herangerückte Kaiserliche Abteilung. Mann gegen Mann wurde
gerungen. Die Zahl der Toten, die nachher die Wallstatt deckten, war auf beiden
Seiten groß. Auch der schwedische Oberst hatte den Tod gefunden, und
seine wie die seiner gefallenen Leute Gebeine wurden in der Nähe der
Kirche bestattet. Doch war das Blut jener tapferen Männer, die ihre Liebe
zur Heimat höher gesetzt hatten als ihr Leben, leider umsonst geflossen.
Ort und Burg wurden von dem unersättlichen Feind besetzt und 1635 nach
seinem Abzug teilweise in Trümmer gelegt.
Nachdem Werden kam Vergehen, nach Lust und Glanz kam Sterben. -
Weltenlauf !
Kehren wir zurück zur Gegenwart! Von der Burghöhe
fällt unser Blick auf die altehrwürdige Abtei im Brextale. In etwa
zehn Minuten stehen wir dort vor dem, im Jahre 1201 -1202 von Graf Heinrich II.
von Sayn "in der Hoffnung auf die ewige Vergeltung" gegründeten
Gebäude. Die Abtei wurde eine Niederlassung des
Prämonstratenser-Ordens, der hier für den Orden ein Priesterseminar
errichtete. Die im romanischem Stil erbaute Kirche, die ursprünglich eine
dreischiffige Kreuzkirche war, hat im Laufe der Zeit manche bauliche
Veränderung erfahren. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
wurde das Gebäude sehr schadhaft. Der linke Teil des Querschiffes und die
Seitenkapellen mußten niedergelegt werden und zur Stütze der Kirche
wurde 1731 der schwere massive Turm an der Nordseite erbaut. Die rechten
Seitenkapellen wurden im Jahre 1803 nach der Säkularisierung ebenfalls
wegen Baufälligkeit abgebrochen. Eine besondere Sehenswürdigkeit
besitzt die Abtei in dem westlichen Teil des früheren Kreuzganges. Er ist
ebenfalls im romanischen Stil erbaut und wie auf den Burgruinen, so werden auch
hier die Gedanken des Besuchers zurückgeführt in jene Zeiten, wo
jeden Sonnen- und Festtag die frohe Mönchesschar unter uralten
Gesängen in feierlicher Prozession den Kreuzgang durchzogen. Das Kreuz,
des Heiles Zeichen, wurde vorangetragen, und darauf beruht eben der Name
Kreuzgang.
Die Sayner Abteikirche besitzt kostbare Reliquien. Zuerst sei der
Arm des Heiligen Apostel Simon genannt. Ein armenischer Bischof, der im Jahre
1203 zu Besuch bei dem Bonner Propst Bruno, einem Bruder des Sayner Grafen
Heinrich II. weilte, schenkte die kostbare Reliquie dem Propst, und dieser
wiederum gab sie seinem Bruder Heinrich für seine Abteikirche in Sayn.
Seit dieser Zeit kommen von nah und Fern Wallfahrer am vierten Sonntage nach
Ostern nach Sayn, um die an diesem Tage auf dem Piusaltar in der Abteikirche
zur Verklärung ausgestellte Reliquien zu besuchen. Wie groß der
Zulauf im Mittelalter war, erfahren wir aus der Handschrift des Laacher
Mönches Butzbach aus dem Jahre 1509. Nach seiner Aufzeichnung waren damals
in Sayn an 22 000 Pilger um die auf dem Platz vor der Kirche errichtete Kanzel
versammelt, um die Festpredigt des Franziskanerpaters Jasperus zu hören.
Und wie es ehedem war, so ist es auch noch heute. Noch eine weitere kostbare
Reliquie, die sich in der Abteikirche Sayn befindet, bedürfte
Erwähnung. Es sind die Gebeine des Heiligen Märtyrers Pius. Im Jahre
1853 hatte der Papst Pius IX. der Fürstin Leonilla von Sayn, einer wegen
ihrer Frömmigkeit und Wohltätigkeit hochgeschätzten Dame, jene
Reliquie verehrt. Die Fürstin hat dann den kostbaren Schatz der
Abteikirche geschenkt. Unter dem Namen "Arm der Heiligen Elisabeth" wird in
Sayn noch eine namhafte Reliquie der Heiligen Elisabeth, Landgräfin von
Thüringen verehrt. Nicht unerwähnt sollen hier noch die sehenswerten
Grabdenkmäler in der Sayner Kirche bleiben. Es sind dies:
1. Grabmal des Reichsfreiherrn Jakob Georg von Spangenberg,
gestorben 1779 und seiner Gemahlin Dorothea, geborene Wallhof gestorben
1754. 2. Grabmal Friedrich Johannes von Steinen und seiner Gemahlin Jutta
von Lahnstein. 3. Grabmal des Freiherrn Johann Philipp von Reiffenberg und
seiner Gemahlin Margarete von Hoheneck, gestorben 1722. Sehenswert sind auch
das Taufbecken im Langchor der Kirche und der Springbrunnen in dem Kreuzgang,
beide spätromanisch.
Diese Zeilen sollen genügen, dem Leser einigen
Aufschluß über die Zerstörung der Sayner Burgen, sowie
über die Entstehung und die Geschicke der Abtei, ihre kostbaren Reliquien
und sonstige Sehenswürdigkeiten zu geben.
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