Bauer verhinderte den
Schwedenputsch
Eine Episode aus der uralten Geschichte der
PrämonstratenserAbtei Sayn Nach einem Bericht aus dem Archiv des
Bendorfer Museums
Nacherzählt von Josef Nieth
Gründungsmitglied der GGH
Eine besonders frohe Hochzeit war es nicht, die der Jungbauer
Johannes Kalb am 24. Juni 1632 in Stromberg feierte, denn die Zeiten waren
schlecht und man befand sich mittendrin im 30jährigen Kriege. Der Feinde
waren es viele und sie tummelten sich in deutschen Landen grad wie es ihnen
gefiel.
Und wie es das Unglück wollte, war das gerade der Tag, an dem
die schwedische Soldateska den Putsch auf die Abtei drunten im Tal machte. Die
Stromberger, genau so wie überall die Menschen, vorsichtig und gewitzt
geworden, durch die schlimmen Verhältnisse, bemerkten noch früh genug
den feindlichen Kriegshaufen, der sich ihrem Ort näherte. Hals über
Kopf, den schönen Festbraten und alle anderen guten Dinge im Stich
lassend, suchte die Hochzeitsgesellschaft mit Eltern, Brautmutter und dem
Bruder Pfarrer, schleunigst Schutz in dem Steinbruch, der im hinteren
Buchenforst war, um sich dort zu verstecken.
Nachdem die Späher meldeten, daß der ganze Zug
Kriegsvolk im Dorf verweile und sich im Vorbeigehen an der entdeckten langen
Hochzeitstafel breitmachte, gerade so, als wäre dieselbe für sie
bestellt gewesen, kam dem jungen Hochzeiter als einzigem die einleuchtende und
vernünftige Idee - und das noch dazu an solchem Tage - daß man
sofort ins Tal müsse, um das Kloster zu warnen.
Die ängstlich schluchzende Braut wurde von der Mutter mit
der Versicherung getröstet, die Schweden würden ihren Liebsten schon
nicht so schnell einholen denn sie habe, als Witwe gewohnt, an alles zu denken,
im letzten Augenblick noch den Pfeffer aus dem Pfeffertopf in den Wein
geschüttet, denen werde das schnelle Reiten dadurch schon vergehen.
Gar sorgenvolle und schlimme Gedanken mochten dem Johannes durch
seinen Kopf gehen, derweil er den kürzesten und schnellsten Weg nehmend,
kurzerhand in der Wasserrinne, fast senkrecht, talabwärts sprang. So den
alten, breiten Heerweg meidend, konnte er schon nach einer knappen halben
Stunde aufgeregt an der Klosterpforte zu Sayn pochen und mit letztem Atem, die
Brüder erkannten den flotten Burschen kaum in dem festlichen Putz, ,,die
Schweden" schreiend, diese vor der großen Gefahr warnen, die auf sie
zukam. Der Schreckensruf war noch nicht verklungen, da erhoben sich die
Brüder schon wie ein Schwarm aufgescheuchter Krähen und kopflos
rannten sie alle durcheinander und es gehörte schon die ganze Macht und
Autorität des Abtes dazu, sie zu bewegen, zu helfen, die kostbaren
Gewänder und wertvollen und edlen Gefäße hinauf ins feste Haus
des Herrn von Spangenberg zu schaffen.
Kaum war dieses geschehen, ritten schon die Schweden, die mit dem
schwiegermütterlich gepfefferten Wein doch besser, wie gedacht, fertig
geworden waren, durch Friedhofstor in die Abtei ein. Johannes kam es jetzt vor,
als wäre er von Braut und Außenwelt soweit abgeschlossen, als ob
Stromberg gut seine 100 Meilen von Sayn abläge. Schnell streifte man ihm
noch eine schwarze Prämonstratenserkutte über und somit war aus dem
schmucken Hochzeiter, der statt abends bei seinem geliebten Mädchen
unterzukriechen gedachte, jetzt ein frommer Klosterbruder zu Sayn geworden.
So erheiternd diese Verwandlung unter normalen Umständen
gewesen wäre, so konnte keinem auch nur das geringste Lächeln
entlockt werden, denn die schwedischen Reiter gebärdeten sich wie wild und
tobsüchtig, als ihnen die Erkenntnis kam, daß ihr geheimer
Überfallsplan von der Aushebung des Klosters, offensichtlich
bekanntgeworden und verpfiffen war.
Und da die goldenen Vögel, nämlich der Schmuck, die
Kleinodien und der ganze Klosterschatz, auf den dieselben es ja in erster Linie
abgesehen hatten, scheinbar ausgeflogen waren, ließen sie ihren ganzen
Ärger und ihre maßlose Wut an den armen schwarzen Raben, also den
Klosterbrüdern, aus. Daß dabei die Klosterküche und der im
tiefen Keller wohlbewahrte Klosterwein herhalten mußten, um sie
einigermaßen zu befriedigen, kann man gut verstehen und was nicht den
Schlund hinunterging, fiel der allgemeinen Verwüstung anheim.
Kaum daß die Schweden ihre Bäuche gefüllt und
ihre Kehlen heißer gegröhlt hatten und etwas Ruhe eingetreten war,
denn sie lagen in Reihen schlafend, friedlich zwischen Kreuzen und Säulen
der Gräber des Friedhofes, da kam erneuter Kriegslärm auf in dem
sonst so stillen Tal. Ein schwacher Trupp Kaiserlicher war auf ihrem
Erkundungsritt den Schweden über den Weg gekommen und nichts Gutes ahnend,
hatten sie deren Spur verfolgt. Droben in Stromberg hatten sie die
Hochzeitstafel vollends leer gegessen und kamen ohne Sicherungen den Berg
hinunter. Die Schweden, trotz ihrer vollen Bäuche und umnebelten
Köpfe, waren im Nu im Sattel und die Kaiserlichen kamen unversehens in
arge Bedrängnis, denn zwischen Kreuzgang und Brexbach waren die vordersten
Schwedenreiter schon unter ihnen.
Da aber ertönte ganz unerwartet und mit lautem Knall vom Dach
des Umgangs eine kräftige Salve. Dort droben nämlich hing Johannes
mit einer Anzahl junger Brüder und mit den Musketen, die sie den vom
Hochzeits und Klosterwein endgültig Besiegten und in tiefem Schlafe
liegenden Schweden abgenommen hatten, gabs kein schlecht Donnerwetter in die
erschreckte Soldateska. Die Kaiserlichen bekamen durch diesen unvermuteten
Segen von oben etwas Luft und bei der zweiten Ladung waren sie es schon, die an
den Feind drangingen und nicht wenig erschreckt über die unerwartete
Hilfe, Hals über Kopf auf ihren Gäulen gestreckt, gingen die Schweden
mit verhängten Zügeln auf und davon, hinter sich lassend, was mochte.
Das Kloster war für diesesmal gerettet und Johannes, von
allen bedankt und den Segenswünschen der Brüder begleitet, ließ
sich nicht mehr im Kloster halten, es drängte ihn vielmehr, nachdem die
Arbeit getan war, und wer könnte das nicht verstehen, zu nichts mehr als
zu seiner jungen Frau.
Die lange Kutte ungewohnt, hinderte ihn doch sehr beim Gehen den
steilen Berg nach Stromberg hinauf. Er verfluchte ein bißchen den
Übereifer des Küchenmönches, der sein feines Hochzeitskamisol
beim Einreiten der Feinde kurzerhand in den prasselnden Kamin geworfen und den
verräterischen spitzen Hut noch hinterher gefeuert hatte.
Die Stromberger daheim hatten inzwischen die Kaiserlichen gesehen
und das Schießen drunten im Tal gehört und da sie niemand
zurückkehren sahen, mit Recht daraus geschlossen, daß ihr Hochzeiter
sich zwischen den kaiserlichen und fremden Reitern befand. Hart gemacht durch
harte Zeiten, verstanden sie sich, zumal das Feuer aufgehört hatte,
daß man nichts Gescheiteres tun könne, als die Hochzeit, so gut es
mit fremden Spenden gehen mochte, wieder herzurichten und auf den lang
verweilenden Hochzeitsmann zu warten.
Nicht mehr so recht wollte Fröhlichkeit aufkommen, hatten
doch die Schweden in aller Eile Kästen und Schränke erbrochen und
Hemd und Kamisol, was nicht mitgehen konnte, verdreckt und vertan.
Die Lugposten brachten da plötzlich den jungen Bruder
Johannes an und gleichzeitig die Märe von dem tapferen Bräutigam und
Dachreiter zu Sayn. Das gab dann ein Lärmen, Begrüßen und
Freuen und nur die schämige Braut traute sich nicht an den Johannes ran,
denn ihr lag es fern, den heiligen Rock zu entweihen. Nun kam der Arme doch zum
zweitenmal an diesem Tage in große Not, denn waren ihm eben noch die
schwedischen Schnauzbärte über den Hals gekommen, so war es jetzt
seine eigene geliebte Frau, die vor ihm zurückwich, als sei er der
leibhaftige ,,Gottseibeiuns." Aber die gewiefte Schwiegermutter wußte
auch hier guten Rat und da das Kriegsvolk tatsächlich keinen einzigen
Männerrock ungeschoren gelassen, saß in allen Ehren lieblich mit
Schnepptaille und Klunker angetan, der brave Bräutigam neben seiner hold
errötenden Braut.
So kam es, daß am Tag des Schwedenputsches auf Sayn anno
1632, der junge Bauer Kalb aus Stromberg, am selben Tag Hochzeiter,
Klosterbruder und Frauenzimmer gewesen und noch vor kanpp hundert Jahren zeigte
der Wirt des Dorfes einen Silberbecher mit gräflich Sayn'schem Wappen und
zwei schwedischen Sattelpistolen, zum Andenken an den Schwedenputsch.
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