HERZLICH WILLKOMMEN

Geehrte Besucherin / Besucher, Sie haben eine Seite der Homepage der
Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.
kurz gesagt der "GGH" angewählt.
Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte.
Mehr über Bendorf und unser Angebot auf unserer Startseite


Protokoll aus der Bendorfer Gemeinderatssitzung vom 16. März 1847

Lebendige Heimatgeschichte

von Hans Scharfenstein †

(Gründungs- & Ehrenmitglied der GGH)



Bürgermeister Verwer, ab 1836 -

Ein Protokoll aus der Gemeinderatssitzung vom 16. März 1847 gibt interessante Einblicke in die Probleme der damals 2.400 Einwohner zählenden Gemeinde Bendorf. Der damalige Bürgermeister, Johann Philipp Verwer, möchte einen Vorsteher als Stellvertreter haben; heute würde man sagen, einen hauptamtlichen Beigeordneten. Als Gründe gibt er Arbeitsüberlastung an. Die Hälfte seiner Zeit nahm die Postverteilung in Anspruch. Sechsmal am Tag kam die Postkutsche nach Bendorf. Es werden aber auch die Spannungen zwischen den Konfessionen deutlich. Verwer war Protestant. Er möchte einen katholischen Stellvertreter, der mit der Mehrheit der Bürger, immerhin machen die Katholiken zwei Drittel der Bevölkerung aus, besser zurechtkommt.

Neben den zahlreichen Ausstellungsstücken aller Art und aus allen Zeiten, die von unserer Bendorfer Geschichte anschaulich berichten, wissen wir auch vieles vom täglichen Leben unserer Vorfahren und dem Geschehen in unserer Heimatstadt aus alten Chroniken, Protokollbüchern und Schrifttum vielfältiger Art.

So wird uns von einer Sitzung des damaligen Gemeinderates vom 16. März 1847 und einem dabei verfaßten Protokoll Hochinteressantes berichtet: Bürgermeister war seit dem Jahre 1836 Johann Philipp Verwer, ein gebürtiger Vallendarer, zwölf Ratsmitglieder, alles bekannte und geachtete Bürger unseres damaligen Fleckens, bildeten den Gemeinderat. Unter dem Vorsitz des königlichen Landrats, des Grafen von Boos-Waldeck, der in Sayn im alten Schloß wohnte, wurde der Beschluß des Gemeinderates vom 27. Januar des Jahres über die Bestellung eines besonderen Ortsvorstehers, der dem Bürgermeister behilflich sei, und ihn entlasten sollte, vom Landrat abgelehnt mit der Begründung, daß die dafür angegebenen Gründe nicht erheblich genug seien. Auf die Frage des Landrats, ob der Gemeinderat zur Motivierung des Antrags weitere Gründe geltend machen könne, sprach sich die Mehrheit wie folgt aus:
Die hiesige Bürgermeisterei besteht aus 3 Gemeinden, nämlich Bendorf, Sayn .und Mülhofen, mit ca. 4.200 Seelen, an deren Spitze der Herr Bürgermeister Verwer steht. Von den beiden letzten Gemeinden hat jeder einen Vorsteher, Bendorf aber, weil es in die Reihe der bei dem Provinzial-Landtage vertretenen Städte gehört, nicht; vielmehr soll hier der Bürgermeister zugleich Vorsteher sein. Da aber nach § 74 gestattet ist, mit Genehmigung des Ministers des Inneren, daß auch selbst im untergebenen Falle für eine solche Stadt ein eigener Vorsteher neben dem Bürgermeister bestallt werden kann, so liegen hierzu für Bendorf allerdings gediegene Gründe vor, welche denn in nachfolgender Art angegeben werden.

  • Die hiesige Gemeinde, welche 2 400 Einwohner hat, besitzt bedeutende Eisenhüttenwerke, 2 Zichorienfabriken, 2 Kalkbrennereien, 3 Sandsteingruben, welche eine bedeutende Anzahl teils einheimischer, teils fremder Leute beschäftigen, und treibt außerdem mit seinen Produkten das ganze Jahr hindurch einen ziemlich bedeutenden Handel zu Wasser und zu Lande, welches alles die Administrativ- und Polizeibehörde täglich in Anspruch nehmen muß.

  • Hat Bendorf 3 katholische und 2 evangelische Schulen sowie eine kleine Kinderbewahranstalt, die alle zunächst ebenfalls unter der Aufsicht des Bürgermeisters stehen und dessen Tätigkeit sehr häufig in Anspruch nehmen.

  • Ist in der hiesigen Bürgermeisterei, insbesondere in Bendorf, ein ziemlich starkes Personal von Unterbeamten, welche gleichfalls unter der Kontrolle des Bürgermeisters sich befindet, die letzterer fast täglich mit Instruktionen zu versehen hat.

  • Bekleidet der Bürgermeister das Amt eines Post-Expediteurs, welches ihn mehr als die Hälfte seiner Bürozeit beraubt, indem täglich 6 Postwagen an- und abfahren, deren schleunige und pünktliche Besorgung strengen Vorschriften unterworfen ist.

  • Ist die Gesundheit des Bürgermeisters nicht die beste zu nennen, da seine Kräfte seit seiner vor einigen Jahren entstandenen langwierigen Krankheit sehr geschwächt wurden, und er somit öfters verhindert ist, allen seinen obliegenden amtlichen Funktionen den erforderlichen Nachdruck zu geben. Jedenfalls würde die Ausübung von amtlichen Dienstfunktionen zur Machtzeit die doch öfters wohl vorkommen können, auf seine Gesundheit nur nachteilig wirken.

  • Der Herr Bürgermeister ist Protestant und mag bei den vielen und schwierigen Konfessionsverhältnissen, welche hier in Bendorf obwalten, nicht immer seiner amtlichen Stellung und Überzeugung, vielmehr menschlicher Schwachheit gemäß handeln und dadurch Mißtrauen bei den katholischen Einwohnern erregen.

  • Kann man es nur für ersprießlich, ja für durchaus notwendig halten, daß der künftige Vorsteher Bendorfs ein Katholik ist, indem die hiesigen katholischen Einwohner mehr als 2/3 der ganzen Gemeinde ausmachen, welche, weil sie die ärmere Klasse bilden, die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde am meisten beanspruchen müssen. Dieselben suchen aus leicht verzeihlichen Gründen sich eher ihre Hilfe und ihren Rat in der Not bei einem katholischen Vorsteher als bei einem mit vielen verschiedenartigen Geschäften beladenen protestantischen Bürgermeister.

  • Endlich kann und muß es aus dem unter Nr. 5 aufgeführten Grunde der Wunsch des Bürgermeisters selbst sein, daß ihm eine Hilfe bei Ausübung der vielen und verschiedenartigen Gemeindeangelegenheiten in der Person eines Vorstehers, der immer gegenwärtig sein muß, beigegeben werde. Was die Person des bereits vorgeschlagenen Vorstehers Peter Kamp betrifft, so entspricht dessen Wahl allen Erfordernissen, welche die Kommunalordnung in § 72 vorschreibt, Kamp ist in den letzten 8 bis 9 Jahren von der ganzen Gemeinde mehrmals zum Ortsschöffen gewählt worden, hat während dieser Zeit seine Pflichten und Obliegenheiten als solcher nach Kräften pünktlich und gewissenhaft erfüllt und sich dadurch nicht allein das Zutrauen seiner Vorgesetzten, sondern auch der ganzen Gemeinde erworben. Er hat sich als Vater der Armen, welche seine Hilfe nachgesucht haben, gezeigt, und besitzt die besondere Eigenschaft, daß er nicht allein mit den Gemeinde -sondern auch mit den Konfessionsverhältnissen ziemlich genau vertraut ist, was den dem Vorsteher vom Gemeinderat jährlich bewilligten Gebührenbezug von 50 Talern anlangt, so ist derselbe für die ihm obliegenden Funktionen nur als ein sehr geringer zu nennen, indem auf die Seele nur einige Pfennige berechnet wurden.

Die Gemeindeverordneten Jakob Andreas Neitzert, Georg Peter Eisfelder, Dr. Eduard Cuno und Louis Otto erklärten, daß sie ihr Separatvotum später schriftlich einreichen würden. Dieses Protokoll, liebe Leser, läßt uns heute einen Einblick nehmen gleich einer Studie in die Zeit Bendorfs vor 135 (jetzt 164) Jahren mit all ihren Problemen, Nöten und dem Existenzkampf ihrer Einwohner.

Unterschrieben haben dieses Protokoll die Ratsherren Jakob Andreas Neitzert, der selbst lange Jahre Bürgermeister in Bendorf war und Weinhandel betrieb; Stephan Flohr, der die Steinfabrik im Oberhof betrieb; Dr. med. Eduard Cuno, der in Bendorf praktizierte. Peter Kamp, der im Andorf das heutige Haus Dr. Unckell erbaute; Joh. Josef Richarz, der Besitzer des Blaudruck- und Färbereibetriebes in der Bachstraße (heutiges Haus Spies); Peter Görk, damals der einzige Kannen- und Pfeifenbäcker aus der Steinstraße, der seinen Betrieb im heutigen Haus der Metzgerei Hemmerle hatte; Joh. Josef Thewald, einem Bendorfer Geschäftsmann; Louis Otto, dem Gastwirt des »Grünen Waldes« in der Bachstraße. August Schwamborn, dem langjährigen Gerichtsschreiber des Bendorfer Justizamtes in dem ehemaligen evangelischen Schulgebäude (freiadelige Haus) auf dem Marktplatz, der im heutigen Haus der Drogerie Karl Erz wohnte; Johann Schmidt VIII., dessen Familie in Bendorf nur die »Alte Bowe« genannt wurden (Alte Buben) und eine gut florierende Wollweberei betrieben; Georg Peter Eisfelder, der noch Weinbau- und Handel betrieb; Jakob Philipp Lose, der Amtsschreiber war und die Sitzungs-Protokolle schrieb. Als letzter unterschrieb der Königliche Landrat Graf von Boos-Waldeck aus Sayn, der noch in dem selben Jahr sein altes Stammhaus dem Fürsten Ludwig von Sayn-Wittgenstein verkaufte. Dieser erbaute sich dort das neugotische Schloß von Sayn, dessen Außenmauern heute noch stehen. Bürgermeister Johann Philipp Verwer hatte an dieser Sitzung nicht teilgenommen.

Chronistenpflicht gebietet vieles des niedergeschriebenen heute näher zu erläutern.
So waren die Pfarrer von Bendorf, Sayn und der von Engers (Mülhofen gehörte kirchlich zu Engers) sowie die Ortsvorsteher verpflichtet, alle Vierteljahre dem Bürgermeisteramt in Bendorf zu berichten, wer jeweils in diesem Zeitraum geheiratet, geboren und gestorben war. Da es noch keine Standesämter hier gab, wurden alle Personenstandsfälle von den Pfarrämtern jeglicher Konfession registriert. Die Eisenhütten damals in Bendorf waren die Remy'sche Hütte in der Rheinstraße und die Kupferhütte am Rhein, aus der in späterer Zeit die heutige Fabrik Dr. Otto entstand. Erstere entstand 1724 und letztere um 1800. Die erwähnten Cichorienfabriken waren einmal die 1839 gegründete Firma Remy und Gräff und die nach der Stillegung 1844 der Remy'schen oberen Hütte in derselben später entstandenen Cichorienfabrik der Firma J. Friedrich Tilemann.

Die beiden Kalkbrennereien waren damals die 1842 gegründete Firma Theodor Neizert und die der Gebrüder Pusch an der Sayner Chaussee heutige Hauptstraße. Mehrere Sandsteingruben befanden sich damals im Gebiet zwischen der Hengelbach und der Langfuhr. Der Sandstein wurde mit Beilen aus der sogenannten »Brück«, einer festen Zwischenlage im Bims, passend herausgehauen. Der Handel Bendorfs bestand im Verkauf von Obst, Wein und anderen Naturalien und den monatlichen Viehmärkten. Die 5 Schulen, deren Lehrer alle aus dem Stadtsäckel bezahlt wurden, die vielen Wald- und Flurschützen, die Nachtwächter und andere, unterstanden alle der Aufsicht der Bürgermeisterei. Daß damals schon 6 mal täglich die Postkutschen in Bendorf hielten, zeigt von einem recht regen Verkehr. Die Haltestelle soll am Niederhof gewesen sein. Lag er doch an dem damaligen Hauptverkehrsweg, der von Unkel - Neuwied unsere heutige Engerser-, Untere Vallendarer Straße und den Hohrgraben hinab, nach Koblenz führte. Die konfessionellen Schwierigkeiten in Bendorf über Jahrhunderte sind allseits bekannt - Gott sei Dank sind sie heute einem freundschaftlichen Miteinander gewichen -, doch zur Berichtszeit noch sehr in Erscheinung getreten. Dieses trat damals auch bei Ratstagungen noch sehr in Erscheinung. So ist es auch garnicht verwunderlich, daß Peter Kamp kein Vorsteher wurde und alles beim alten blieb.

Ein Jahr später, im Frühjahr 1848, bei der allgemeinen revolutionären Erhebung überall im Lande, wehte auch dieser Sturm des Aufbegehrens ganz besonders heftig über Bendorf, und ein prominentes Opfer dieser Zeit wurde kein geringerer als Bürgermeister Verwer, den die große Mehrheit der Einwohner Bendorfs hassen gelernt hatte und seinen Rücktritt erzwang. Wahrlich eine Begebenheit, die im preußischen Staat weit und breit für nicht möglich angesehen und gehalten wurde, aber damals in Bendorf von einer gequälten Volksseele möglich gemacht wurde.



Geehrte Besucherinnen und Besucher, wir danken Ihnen für Ihren Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von Ihnen freuen.
GGH_56170 Bendorf/Rhein
Postfach 1218
Für Ihre Anregungen und Hinweise: