Ein Hochzeitsritt nach
Isenburg
von Wilhelm von der Erft.
An dem Wege von Sayn nach Heimbach-Weiß, da wo derselbe von
der Verbindungsstraße zwischen Engers und dem Friedrichs Berg durchkreuzt
wird, liegt ein Fleck Erde in der Größe von ungefähr einer Rute
im Quadrat, der seit Menschengedenken unbebaut und Wüst liegt und
heutzutage leicht durch Haufen von Steinen kenntlich ist, die dort zur
Ausbesserung der Wege abgelagert werden. Ein alter Lindenbaum breitet zur Seite
seine Äste darüber und ältere Leute wissen sich zu erinnern, das
einst an der andern Seite eine zweite Linde gestanden hat.
Ehemals aber stand an dieser Stelle, die erst neuerdings bei
Anlegung des Grundbuchs wieder genau durch Flursteine abgegrenzt worden ist,
ein so genanntes Hochkreuz, wie man es anderwärts wohl im Rheinland
findet, so an der Landstraße zwischen Bonn und Godesberg, wo ein solches
als ein schönes Denkmal deutscher Gotik das Auge des Wanderers fesselt.
Ähnlicher Art ist auch das alte und berühmte Wahrzeichen von Wien,
eine 1451 von Hans Puchsbaum erbaute gotische Denksäule vor der Stadt,
"Spinnerin am Kreuz" genannt, über deren Entstehung manche Sage im
dortigen Volksmunde ist. Auch bei dem Dorfe Igel in der Nähe von Trierer
findet sich eine solche Denksäule, die berühmte Igeler Säule,
noch heute ein Rätsel für die gelehrte Welt, die aber römischen
Ursprungs ist und somit hier nicht in Betracht kommen kann.
Das Bonner Hochkreuz aber, von dem die Kölner Chronik nur die
Erbauer Walram von Jülich und Wilhelm von Gennep nennt, ist nach einer
schriftlichen Aufzeichnung in einem verloren gegangenen Missale in der Kirche
zu Friesdorf an der Stelle errichtet worden, wo ein Ritter von einem andern im
Zweikampf erschlagen und vom Erzbischofs von Köln, Theoderich von
Heinsberg, verurteilt wurde, dieses Kreuz errichten zu lassen. Die kunstreiche
Ausführung des Monuments scheint für die bedeutende
Persönlichkeit des Erschlagenen zu sprechen.
Ganz übereinstimmend damit war auch die Veranlassung zu dem
Sayner Hochkreuz. Während aber das Bonner Hochkreuz noch wohl erhalten
besteht, aber außer den obigen Angaben die Urkunden über dasselbe
nicht mehr vorhanden sind, sind in Bezug auf das Sayner Hochkreuz, dass dagegen
schon lange verschwunden ist, alle Umstände über Zeit, Ort und
Personen und über die Entstehung außer allen Zweifel gestellt. Dem
Bericht darüber verdanken wir der Limburger Chronik, die im 14.
Jahrhundert, fast gleichzeitig mit der in Rede stehenden Begebenheit,
verfaßt wurde und überhaupt über die damaligen
Culturverhältnisse die interessantesten Aufschlüsse gibt. Nach dieser
Chronik hatte sich die Geschichte, wie folgt, zugetragen;
Im Jahre 1371 wurde zu Isenburg, natürlich von der
gräflichen Familie auf der Burg, eine große Hochzeit gefeiert, da
eine Tochter aus diesem Geschlechte vermählt werden sollte. Die
später folgende Zeitangabe von 1380 lässt vermuten, dass die
Jahreszahl 1371, die man wohl dafür angegeben findet wahrscheinlich auf
einem Versehen beruht. Zu dieser Feier versammelte sich begreiflicherweise eine
große Zahl Leute von nah und fern, denn das Geschlecht derer von Isenburg
war hoch angesehen und hatte eine weit verzweigte Verwandtschaft. In der
damaligen Zeit wohnten auch viele Ritter in Städten und anderen
Ortschaften, nachdem sie von mächtigeren Gegnern aus ihren Sitzen
vertrieben worden oder weil sie als nachgeborene Söhne keine eigene Burg
hatten und deshalb in die Dienste einer Bürgerschaft zu treten
genöthigt waren.
So war es auch jedenfalls bei dem Ritter Dietrich von Staffel der
Fall, der in Bendorf, damals Bettendorf genannt, in der Steingasse wohnte und
dem wahrscheinlich die Bewachung und Verteidigung eines Tores dieses Ortes, der
Steinpforte anvertraut war. Auch er setzte sich zu Pferde, um nach Isenburg zur
Hochzeit zu reiten. Das Sayntal muß damals noch ziemlich
unzugänglich gewesen sein, zumal zu Pferde. Alte Leute wissen sich noch zu
erinnern, wie die Landstraße nach Isenburg, die man auch die " Berliner
Straße " nennt, gebaut worden ist, und die kaum länger als 60 Jahre
bestehen wird. So führte denn damals der Weg von dem gedachten
Kreuzungspunkt aus über den Berg nach Isenburg. Kaum war der Ritter
Dietrich über Sayn hinausgekommen, so sah er einem anderen Ritter vor sich
her reiten, der vor ihm von Bendorf hergekommen war. Es war Hans Bretten von
Hiresbach oder Herisbach, sein erbittertster Feind, den er wohl erkannte. Auch
in diesen lockte die Aussicht auf einen glänzenden Festschmaus und eine
fröhliche Gesellschaft nach Isenburg.
Kaum war Dietrich seines verhaßten Gegners inne geworden, so
gab er seinem Roß die Sporen, um denselben einzuholen. Hans in Bretten
schien die Absicht zu haben, seinem Verfolger auszuweichen, wahrscheinlich um
an diesen viel verheißenden Tage in seinem Vergnügen nicht
gestört zu werden. Er setzte deshalb sein Pferd auch in rascheren Lauf,
und so gestaltete sich denn der Vorgang zu einer wilden Verfolgung. Damals
stand links vom Wege, gegenüber der Stelle, wo jetzt das letzte Haus von
Sayn steht, eine dem heiligen Georg geweihte Kapelle, von der man noch in
unserer Zeit (1895) Mauerreste gefunden hat. Der Distrikt heißt heute
noch "an der St. Görgenkapelle" oder einfach "an der Kapelle". Dort wurde,
wie die Chronik meldet, der Ritter Hans von seinem Gegner, der wohl ein
schnelleres Pferd hatte, eingeholt. Da warf er, als er einsah, daß er
ereilt und ein Ausweichen nicht mehr möglich war, sein Roß herum und
traf seinen Feind mit gezücktem Schwert durch einen Stich dicht über
dem Auge, dass dieser tödlich getroffen vom Pferde stürzte und gleich
darauf verschied. So endete das Vergnügen der beiden Ritter an jenem Tage,
denn wenn auch der eine nach dieser Tat seinen Ritt nach Isenburg fortgesetzt
hat, so wird er durch das Bewußtsein des Geschehenen und seine
wahrscheinlichen Folgen doch nicht zu einer rechten Teilnahme an den Freuden
des Hochzeitsfestes gekommen sein.
Die Folgen des Ereignisses zeigten sich auch bald und waren
weitgehender, als man hätte vermuten sollen. Ein Bruder des Ritters Hans
Bretten war Hauptmann der Stadt Limburg, und so wandte sich jetzt der Zorn der
Verwandten und Freunde des getöteten Ritters gegen die Stadt Limburg, die
dem Täter um seines Bruders, des Hauptmanns Hans Brender von Herisbach,
willen, wahrscheinlich in ihren Mauern Schutz gewährte. Limburg wurde nun
von dem Ritter von Stein, der auf der mittleren Burg zu Sayn wohnte, und von
den Rittern von Langenau und Nauenburg heftig befehdet, wobei die sogenannte
neue Stadt an der (1315 erbauten) Limburger Brücke eingenommen,
geplündert und niedergebrannt wurde. So wurden die Bürger von Limburg
in diesem Streit sehr in Mitleidenschaft gezogen.
Da wandte aber 1380 der Erzbischofs von Trierer, Kuno von
Falkenstein, dessen Ruhestätte in der St. Castorkirche zu Coblenz noch
heute mit einem Denkmal geziert zu sehen ist, seinen mächtigen
Einfluß an und legte die Streitsache in der Art bei, daß die
Schuldigen, wenn von einer eigentlichen Schuld hierbei die Rede sein kann, 1200
Pfund Wachs erlegen, in der Kirche der Abtei zu Arnstein eine ewige Messe und
eine ewige Lampe stiften und an dem Orte, wo die Tat geschehen, ein steinernes
Hochkreuz mit dem Wappen derer von Staffel errichten sollten.
Wann und wie das Hochkreuz verschwunden ist, ist der jetzigen
Generation unbekannt. Es muß darum schon eine lange Zeit her sein, aber
eine Erinnerung an das selbe und an seine Veranlassung hat sich bis heute im
Volke erhalten, die denn im Hinzufügen von allerlei besonderen Zutaten
sich gefällt, um die Umstände mitunter in ganz anderer Weise
dargestellt, als sie von der Chronik angegeben werden.
Noch mancher geht des Abends mit geheimen Gruseln an dem Orte
vorbei und irgend ein Reiter oder Fuhrmann, der von der Geschichte hat
erzählen hören, schwört hoch und teuer darauf, daß sein
Pferd an der geheimnisvollen Stelle gescheut habe, oder hat sogar im Zwielicht
die Gestalt des erschlagenen Ritters erkennen vermeint, ohne zu bedenken, das
nicht bloß Tiere, sondern auch Menschen durch die dort aufgeschichteten
Steinhaufen bei nächtlicher Dunkelheit leicht getäuscht werden und in
Furcht geraten können.
Eine solch verhängnisvolle Wirkung hatte dieser Hochzeitsritt
daß er seine Schatten durch so lange Zeiten hindurch noch bis in unser
Jahrhundert des Dampfes und der Electrizität hinein wirft, wo man so gerne
mit allen Ueberresten der Vergangenheit aufräumt. Der Weg vom Tatort zum
Friedrichsberg heißt noch heute im Volke der Ritterweg.
Anmerkung Zum vorliegenden Aufsatz von Wilhelm von der Erft;
Ein Hochzeitsritt nach Isenburg.
Der Autor, Friedrich Wilhelm Kirchbaum war Gymnasiallehrer an der
Privaten Höheren Bürgerschule in Bendorf-Sayn. Er
veröffentlichte in verschiedenen Zeitungen Beiträge heimatkundlichen
Inhaltes unter dem Pseudonym Wilhelm von der Erft 1895 gab er eine kleine
Schrift mit dem Titel: "Land und Leute am Rhein" heraus. Der Untertitel lautet:
Ein Beitrag zur Kenntnis unserer schönen Heimat mit besonderer Beziehung
auf die Rheinprovinz und den "Neuwieder Becken" benannten Theil derselben.
Erschienen ist das Buch bei: W. Groos, Kgl. Hofbuchhandlung, Coblenz
Die Arbeit ist besonders in den Teilen, welche die frühe
Zeit behandelt und bei genealogischen Angaben, mit Vorsicht zu benutzen. W.
Kutsche.
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