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confessio fidei exhibita invictissimo
imperatori Carolo V. Caesari Augusto in comitiis Augustae, anno MDXXX.
Bekenntnis des Glaubens überreicht
Dem unbesiegbaren Herrscher Karolus V. dem Kaiser Augustus Bei der
Versammlung in Augsburg im Jahr 1530 |
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Die evangelischen
Fürsten überreichen Kaiser Karl V. die Confessiones Augustanae - die
Glaubensdarstellung der lutherischen Reformbewegung. Die Confessio wurde in
Lateinisch und Deutsch verfasst. Wir geben hier den deutschen Text wieder. |
Die Confessio Augustana - Begriffserklärungen:
Die Confessio Augustana (CA, oder das
Augsburger Bekenntnis) ist ein grundlegendes Bekenntnis der protestantischen
Reichsstände zu ihrem Glauben. Die Confessio Augustana wurde auf dem
Reichstag zu Augsburg 1530 Kaiser Karl V. dargelegt.
Reichstag. Der Reichstag wurde bis zum 16. Jahrhundert
in unregelmäßigen Abständen jeweils in eine Bischofs- oder
Reichsstadt einberufen und war das maßgebliche Gegengewicht der
Stände gegenüber der kaiserlichen Zentralgewalt. Seit 1489 umfasste
er drei Kollegien: das Kurfürstenkollegium, der Reichsfürstenrat
(übrige Fürsten sowie reichsunmittelbare Grafen und Prälaten)
und das Kollegium der Reichsstädte.
Mit Luthers 95 Thesen begann 1517 die Reformation in Deutschland,
die sich trotz des Wormser Ediktes in Windeseile ausbreitete. Immer mehr
Reichsstände bekannten sich zum Protestantismus. Der Streit um den Rechten
Glauben drohte das Reich zu spalten und auf dem Reichstag zu Augsburg 1530
versuchte Kaiser Karl V. die Glaubenseinheit des Reiches zu retten.
Die Einladung zum Augsburger Reichstag hörte sich sehr
versöhnlich an, und die Protestanten hatten die Hoffnung, nun doch eine
gütige Einigung zu erreichen. Auf dem Reichstag zu Speyer 1529 war das
Wormser Edikt erneut bestätigt worden und so stand die Reformation auf
rechtlich unsicheren Boden. Dies sollte sich nun eventuell mit dem Reichstag in
Augsburg ändern.
Aus diesem Grund beauftragte Friedrich der Weise den Theologen
Melanchthon, eine Apologie (lat. Verteidigung) der Reformation zu schreiben
(Luther konnte wegen der verhängten Reichsacht nicht zum Reichstag
kommen). Nach dem Bekanntwerden der 404 Artikel Ecks, des katholischen
Vertreters, war die kurzgefasste Apologie aber nicht mehr ausreichend. So
begann man auf dem Reichstag die Schrift umzuformulieren, und aus der Apologie
wurde eine Confessio (lat. Bekenntnis). Gleichzeitig stand nun auch die
Betonung der Übereinstimmung mit der katholischen Kirche in vielen Punkten
im Vordergrund, da sich der Kaiser auf dem Reichstag durch sein Verhalten,
insbesondere seinem Versuch, die Protestanten zur Teilnahme an der
Fronleichnamsprozession zu zwingen, als wenig kompromissbereit offenbart hatte.
Die Schrift ist zeitgleich sowohl lateinisch als auch deutsch verfasst worden,
wobei es bedeutende Unterschiede in den beiden Fassungen gibt. Aufgrund von
Meinungsverschiedenheiten zum Abendmahl waren die oberdeutschen Städte und
Zwingli nicht an der CA beteiligt und schrieben ihre eigenen Bekenntnisse, die
aber nicht öffentlich verlesen wurden. Aus diesem Grund waren
Anhänger der reformierten Kirche auch nicht beim Augsburger
Religionsfrieden 1555 inbegriffen und wurden weiterhin verfolgt. Lediglich
Anhänger der Confessio Augustana wurden als gleichbedeutend neben den
Altgläubigen geduldet.
Die katholischen Theologen Eck und Faber schrieben auf Karls
Anweisungen die "Confutatio", womit die Confessio Augustana aus Sicht der
Altgläubigen und des Kaisers widerlegt war. Die Apologie der Confessio
Augustana wurde nicht mehr angenommen und Kaiser Karl V. bestätigte das
Wormser Edikt in seiner Wirksamkeit.
Die evangelischen Reichsstände schlossen sich deshalb 1531
zum Schmalkaldischen Bund zusammen, der nach dem Schmalkaldischen Krieg 1546/47
das Augsburger Interim und 1555 endlich den Augsburger Religionsfrieden
erreichte, in dem die Confessio Augustana anerkannt wurde.
Bekenntnis des Glaubens
überreicht Dem unbesiegbaren Herrscher Karolus V. dem Kaiser Augustus
Bei der Versammlung in Augsburg im Jahr 1530
Vorrede
unueberwindlichster Kaiser, allergnaedigster Herr! Als Eure
Kaiserlich Majestaet kurz verschienener [abgelaufener] Zeit
Alleerdurchlauchtister, grossmaechtigster, einen gemeinen Reichstag allhier gen
Augsburg gnaediglich ausgeschrieben mit Anzeige und ernstem Begehr, von Sachen,
unsern und und des christlichen Namens Erbfeind, den Tuerken, betreffend, und
wie demselben mit beharrlicher Hilfe stattlich widerstanden, auch wie der
Zwiespalte halben in dem heiligen Glauben und der christlichen Religion
gehandelt moege werden, zu ratschlagen und Fleiss anzukehren, alle eines
jeglichen Gutduenken, Opinion und Meinung zwischen uns selbst in Liebe und
Guetigkeit zu hoeren, zu ersehen und zu erwaegen und dieselben zu einer einigen
christlichen Wahrheit zu bringen und zu vergleichen, alles, so zu beiden Teilen
nicht recht ausgelegt oder gehandelt waere, abzutun und durch uns alle eine
einige und wahre Religion anzunehmen und zu halten, und wie wir alle unter
einem Christo sind und streiten, also auch alle in einer Gemeinschaft, Kirche
und Einigkeit zu leben;
Und wir, die unten benannten Kurfuerst und Fuersten samt unsern
Verwandten, gleich andern Kurfuersten, fuerstne und Staenden dazu erfordert: so
haben wir uns darauf dermassen erhoben, dass wir sonder Ruhm mit den ersten
hierher gekommen.
Und alsdann auch E. K. M. zu untertaenigster Folgtuung beruehrten
E. K. M. Ausschreibens und demselben gemaess dieser Sache halben, den Glauben
beruehrend, an Kurfuersten, Fuersten, und Staende insgemein gnaediglich, auch
mit hoechstem Fleiss und erenstlich begehrt, dass ein jeglicher vermoege
vorgemeldeten E. K. M. Ausschreibens sein Gutduenken, Opinion und Meinung
derselben Irrungen, Zwiespalte und Missbraeuche halben usw. zu Deutsch und
Latein in Schrift stellen und ueberantworten sollte; darauf dann nach
genommenem Bedacht und gehaltenem Rat E. K. M. an vergangenem Mittwoch ist
vorgetragen worden, als wollten wir auf unserm Teil das Unsere vermoege E. K.
M. Vortrags in Deutsch und Latein auf heute, Freitag, uebergeben: hierum und E.
K. M. zu untertaenigstem Gehorsam ueberreichen und uebergeben wir unserer
Pfarrherren, Prediger und ihrer Lehren, auch unsers Glaubens Bekenntnks, was
und welchergestalt sie aus Grund goettlicher Heiliger Schrift un insern Landen,
Fuerstentuemern, Herrschaften, Staedten und Gebieten predigen, lehren, halten
und Unterrlicht tun.
Und sind gegen E. K. M., unsern allegnaedigsten Herrn, wir in
aller Untertaenigkeit erboetig, so die andern Kurfuersten, Fuersten und Staende
dergleichen gezwiesachte schriftliche Uebergebung ihrer Meinung und Opinion in
Latein und Deutsch jetzt auch tun werden, dass wir uns mit ihren Leibden und
ihnen gern von von bequemen, gleich maessigen Wegen unterreden und derselben
soviel der Gleichheit nach immer moeglich, vereinigen wollen, damit unser
beiderseitiges, als Parte, schriftliches Vorbringen und Gebrechen zwischenuns
selbst in Liebe und Guetigkeit gehandelt und dieselben Zwiespalte zu einer
einigen wahren Religion, wie wir alle unter einem Christo sind und streiten und
Christum bekennen sollen, alles nach Laut ostgemeldeten E. K. M. Ausschreibens
und nach goettlicher Wahrheit gefuehrt moegen werden. Als [wie] wir denn auch
Gott den Allmaechtigen mit hoechster Demut anrufen und bitten wollen, seine
goettliche Gnade dazu zu verliehen. Amen.
Wo aber bei unsern Herren, Freunden und besonders den
Kurfuersten, Fuersten und Staenden des andern Teils die Handlung vermassen, wie
E. K. M. Ausschreiben vermag, unter uns selbst in Liebe und Guetigkeit bequeme
Handlung nicht [*vermag ("bequeme Handlung unter uns selbst in iebe und
Guetigkeit") nicht] versangen noch erspriesslich sein wollte, als doch an uns
in keinem, das mit Gott und Gewissen zu christlicher Einigkeit dienstlich sein
kann oder mag, erwinden soll; wie E. K. M. auch gemeldete unsere Freunde, die
Kurfuersten, Fuersten, Staende und ein jeder Liebhaber christlicher Religionen,
dem diese Sachen vorkommen, aus nachfolgenden unsern und der Unsern
Bekenntnissen gnaediglich, um ein Konzilium fleissigen und Anhaltung tun
wollten; und vor einem Jahr auf dem letzten Reichstag zu Speier vermoege einer
schriftlichen Instruktion Kurfuersten, Fuersten und Staenden des Reichs, durch
E. K. M. Statthalter im Reich, Koeniglich Wuerden zu Ungarn und Boehmen usw.
samt E. K. M. Orator und verordneten Kommissarien dies unter andern haben
vortragen und anzeigen lassen, dass E. K. M. derselben Statthalter,
Amtsverwalter und Raete des kaiseum ein Konzilium fleissigen und Anhaltung tun
wollten; und vor einem Jahr auf dem letzten Reichstag zu Speier vermoege einer
schriftlichen Instruktion Kurfuersten, Fuersten und Staenden des Reichs, durch
E. K. M. Statthalter im Reich, Koeniglich Wuerden zu Ungarn und Boehmen usw.
samt E. K. M. Orator und verordneten Kommissarien dies unter andern haben
vortragen und anzeigen lassen, dass E. K. M. derselben Statthalter,
Amtsverwalter und Raete des kaiserlichen Regiments, auch der abwesenden
Kurfuersten, Fuersten und Staende Botschafter, so auf dem ausgeschriebenen
Reichstag zu Regensburg ersammelt gewesen, Gutduenken, das Generalkonzilium
belangend, nachgedacht und solches anzusetzen auch fuer fruchtbar erkannt; und
weil sich aber diese Sachen zwischen E. K. M. und dem Papst zu gutem,
christlichem Verstand schicken, dass E. K. M. gewiss waere, dass durch den
[*Papst das Generalkonzilium zu halten nicht geweigert: so waere E. K. M.
gnaediges Erbeiten zu fordern und zu handeln, dass der] Papst solch
Generalkonzilium neben E. K. M. zum ersten auszuschreiben bewilligen und daran
kein Mangel erscheinen sollte.
So erbieten gegen E. K. M. wir uns hiemit in aller
Untertaenigkeit und zum Ueberfluss, in beruehrtem Fall ferner auf ein solch
gemein, frei christlich Konzilium, darauf auf allen Reichstagen, so E. K. M.
bei Ihrer Regierung im Reich gehalten, durch Kurfuersten, fuersten und Staende
aus hohen und tapfern Bewegungen geschloffen, an welches auch zusamt E. K M.
wir uns von wegen dieser grosswichtigsten Sache in rechtlicher Weise und Form
verschienener [abgelaufener] Zeit berufen und appelliert haben, der wir hiemet
nochmals anhaengig bleiben und uns durch diese oder nachfolgende Handlung (es
werden den diese zwiespaltigen Sachen endlich in Liebe und Guetigkeit, laut E.
K. M. Ausschreibens, gehoert, erwogen, beigelegt und zu einer christlichen
Einigkeit verglichen) nicht zu begeben wissen, davon wir hiemit oeffentlich
bezeugen und protestieren. Und sind das unsere und der Unsern Bekenntnisse, wie
unterschiedlich von Artikel zu Artikel hernach folgt.
Der I. Artikel. Von Gott.
Erstlich wird eintraechtiglich gelehrt und gehalten, laut des
Beschlusses Concilii Nicaeni, dass ein einig goettlich Wesen sei, welches
genannt wird und wahrhaftiglich ist Gott, und sind doch drei Personen in
demselben einigen goettlichen Wesen, gleich gewaltig, gleich ewig, Gott Vater,
Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, alle drei ein goettlich Wesen, ewig, ohne
Stuecke, ohne Ende, unermesslicher Macht, Weisheit und Guete, ein Schoepfer und
Erhalter aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und wird durch das Wort
Persona verstanden nicht ein Stueck, nicht eine Eigenschaft in einem andern,
sondern das selbst besteht, wie denn die Vaeter in dieser Sache dies Wort
gebraucht haben.
Derhalben werden verworfen alle Ketzereien, so diesem Artikel
zuwider sind, als Manichaei, die zwei Goetter gesetzt haben, einen boesen und
einen guten; item Valentiniani, Ariani, Eunomiani, Mahometisten und alle
dergleichen, auch Samosateni, alte und neue, so nur eine Person setzen und von
diesen zweien, Wort und Heiligem Geist, Sophisterei machen und sagen, dass es
nich muessen unterscheidene Personen sein, sondern Wort bedeute leiblich Wort
oder Stimme, und der Heilige Geist sei erschaffene Regung in Creaturen.
Der II. Artikel. Von der
Erbsuende.
Weiter wird bei uns gelehrt, dass nach Adams Fall alle Menschen,
so natuerlich geboren werden, in Suenden empfangen und geboren werden, das ist,
dass sie alle von Mutterliebe an voll boeser Lust und Reigung sind und keine
wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Nature haben koennen; das
auch dieselbe angeborne Seuche und Erbsuende wahrhaftiglich Suende sei und
verdamme alle die unter ewigen Gotteszorn, so nicht durch die Taufe und
Heiligen Geist wiederum neugeboren werden.
Hieneben werden verworfen die Pelagianer und andere, so die
Erbsuende nicht fuer Suende haben, damit sie die Natur fromm machen durch
natuerliche Kraefte, zu Schmach dem Leiden und Verdienst Christi.
Der III. Artikel. Von dem Sohne
Gottes.
Item, es wird gelehrt, dass Gott der Sohn sei Mensch geworden,
geboren aus der reinen Jungfrau Maria, und dass die zwei Naturen, goettliche
und menschliche, in einer Person, also unzertrennlich vereinigt, ein Christus
sind, welcher wahrer Gott und Mensch ist, wahrhaftig geboren, gelitten,
gekreuzigt, gestorben und begraben, dass er ein Opfer waere nicht allein fuer
die Erbsuende, sondern auch fuer alle andern Suenden, und Gottes Zorn
versoehnte.
Item, dass derselbe Christus sei abgestiegen zur Hoelle,
wahrhaftig am dritten Tage von den Toten auferstanden, aufgefahren gen Himmel,
sitzend zur Rechten Gottes, dass er ewig herrsche ueber alle Kreaturen und
regiere, dass er alle, so an ihn glauben, durch den Heiligen Geist heilige,
reinige, staerke und troeste, ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Gueter
austeile und [sie] wider den Teufel und wider die Suende schuetze und
beschirme.
Item, dass derselbe Herr Christus endlich wird oeffentlich
kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten usw., laut des Symboli
Apostolorum.
Der IV. Artikel. Von der
Rechtfertigung.
Weiter wird gelehrt, dass wer Vergebung der Suenden und
Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen moegen durch unser Verdienst, Werke und
Genugtun, sondern dass wir Vergebung der Suenden bekommen und vor Gott gerecht
werden aus Gnaden, um Christus' willen, durch den Glauben, so wir glauben, dass
Christus fuer uns gelitten hat, und dass uns um seinetwillen die Suenden
vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen glauben
will Gott fuer Gerechtigkeit vor ihm halten und zurechnen, wie St. Paulus sagt
zu den Roemern am 3. und 4.
Der V. Artikel. Vom Predigtamt.
Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt,
Evangelium und Sakramente gegeben, dadurch er, als durch Mittel, den Heiligen
Geist gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in denen, so das
Evangelium hoeren, wirkt, welches da lehrt, dass wir durch Christus' Verdienst,
nich durch unser Verdienst, einen gnaedigen Gott haben, so wir solches glauben.
Und werden verdammt die Wiedertaufer und andere, so lehren, dass
wir ohne das leibliche Wort des Evangelii den Heiligen Geist durch eingene
Bereitung, Gedanken und Werke erlangen.
Der VI. Artikel. Vom neuen
Gehorsam.
Auch wird gelehrt, dass solcher Glaube gute Fruechte und gute
Werke bringen soll, und dass man muesse gute Werke tun, allerlei, so Gott
geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf solche Werke zu vertrauen,
dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. Denn wer empfangen Vergebung der Suenden
und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum, wie Christus selbst sprict
Luk. 17, 10: "So ihr dies alles getan habt, sollt ihr sprechen: Wir sind
untuechtige Knechte." Also lehren auch die Vaeter. Den Ambrosius spricht: "Also
ist's beschlossen bei Gott, dass, wer an Christum glaubt, selig sei und nicht
durch Werke, sondern allein durch den Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der
Suenden habe."
Der VII. Artikel. Von der
Kirche.
Es wird auch gelehrt, dass allezeit muesse eine heilige
christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller
Glaeubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen
Sakramente laut des Evangelii gereicht werden.
Denn dieses ist genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche,
dass da eintraechtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die
Sakramente dem goettlichen Wort gemaess gereicht werden. Und ist nicht not zu
wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, dass allenthalben gleichfoermige
Zeremonien, von der Menschen eingesetzt, gehalten werden; wie Paulus spricht
Eph. 4, 5. 6: "Ein Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einerlei Hoffnung
eures Berufs; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe."
Der VIII. Artikel. Was die Kirche
sei.
Item, wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes
ist denn die Versammlung aller Glaeubigen und Heiligen, jedoch dieweil in
diesem Leben viel falsche Christen und Heuchler sind, auch oeffentliche Suender
unter den Frommen bleiben, so sind die Sakramente gleichwohl kraeftig, obschon
die Priester, dadurch sie gereicht werden, nicht fromm sind; wie denn Christus
selbst anzeigt Matth. 23,2: "Auf dem Stuhl Mosis sitzen die Phariseer" usw.
Derhalben werden die Donatisten und alle andern verdammt, so
anders halten.
Der IX. Artikel. Von der Taufe.
Von der Taufe wird gelehrt, dass sie noetig sei, und dass dadurch
Gnade angeboten werde, dass man auch die Kinder taufen soll, welche durch
solche Taufe Gott ueberantwortet und gefaellig werden.
Derhalben werden die Wiedertaeufer verworfen, welche lehren, dass
die Kindertaufe nicht recht sei.
Der X. Artikel. Vom heiligen
Abendmahl.
Vom Abendmahl des Herrn wird also gelehrt, dass wahrer Leib und
Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestalt des Brots und Weins im Abendmahl
gegenwaertig sei und da ausgeteilt und genommen wird. Derhalben wird auch die
Gegenlehre verworfen.
Der XII. Artikel. von der Busse.
Von der Busse wird gelehrt, dass diejenigen, so nach der Taufe
gesuendigt haben, zu aller Zeit, so sie zur Busse kommen, moegen Vergebung der
Suenden erlangen, und ihnen die Abolution von der Kirche nicht soll geweigert
werden. Und ist wahre, rechte Busse eigentlich, Reue und Leid oder Schrecken
haben ueber die Suende und doch daneben glauben an das Evangelium und
Absolution, dass die Suenden vergeben und durch christum Gnade erworben sei;
welcher Glaube wiederum das Herz troestet und zufrieden macht. Danach soll auch
Besserung folgen, und dass man von Suenden lasse; denn dies sollen die Fruechte
der Busse sein, wie Johannes spricht Matth. 3, 8: "Wirket rechtschaffene
Fruechte der Busse."
Hier werden verworfen die, so lehren, dass diejenigen, so einst
[einmal] sind fromm geworden, nicht wieder fallen moegen.
Dagegen werden auch verdammt die Novatiani, welche die Absolution
denen, so nach der Taufe gesuendigt hatten, weigerten
Auch werden die verworfen, so nicht lehren, dass man durch
Glauben Vergebung der Suenden erlange, sondern durch unser Genugtun.
Der XIII. Artikel. Vom Gebrauch der
Sakramente.
Vom Gebrauch der Sakramente wird gelehrt, dass die Sakramente
eingesetzt sind nicht allein darum, dass sie Zeichen seien, dabei man
aeusserlich die Christen kennen moege, sondern dass es Zeichen und Zeugnisse
sind goettliches Willens gegen uns, unsern Glauben dadurch zu erwecken und zu
staerken; derhalben sie auch Glauben fordern und dann recht gebraucht werden,
so man's im Glauben empfaengt und den Glauben dadurch staerkt.
Der XIV. Artikel. vom
Kirchenregiment.
Vom Kirchenregiment wird gelehrt, dass niemand in der Kirche
oeffentlich lehren oder predigen oder Sakramente reichen soll ohne ordentlichen
Beruf
Der XV. Artikel. von
Kirchenordnungen.
Von Kirchenordnungen, von Menschen gemacht, lehrt man diejenigen
halten, so ohne Suende moegen gehalten werden und zum Frieden, zu guter Ordnung
in der Kirche dienen, als gewisse Feier, Feste und dergleichen. Doch geschieht
Unterricht dabei, dass man die Gewissen nicht damit beschweren soll, als sei
solch Ding noetig zur Seligkeit. Darueber wird gelehrt, dass alle Satzungen und
Traditionen, von Menschen dazu gemacht, dass man dadurch Gott versoehne und
Gnade verdiene, dem Evangelio und der Lehre vom Glauben an Christum entgegen
sind; derhalben seien Klostergeluebde und andere Tradtitionen von Unterschied
der Speise, Tage usw., dadurch man bemeint Gnade zu verdienen und fuer Suenden
genugzutun, untuechtig und wider das Evangelium.
Der XVI. Artikel. Von Polizei und weltlichem
Regiment.
Von Polizei und weltlichem Regiment wird gelehrt, dass alle
Obrigkeit in der Welt und geordnete Regimente und Gestetze gute Ordnung, von
Gott geschaffen und eigesetzt sind; und dass Christen moegen in Obrigkeit=,
Fuersten= und Ricteramt ohne Suende sein, nach kaiserlichen und andern
ueblichen Rechten Urteil und Recht sprechen, uebeltaeter mit dem Schwert
strafen, rechte Kriege fuehren, streiten, kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide
tun, Eigenes haben, ehelich sein usw.
Hier werden verdammt die Wiedertaeufer, so lehren, dass der
Obangezeigten keines christlich sei.
Auch werden diejenigen verdammt, so lehren, dass christlich
Vollkommenheit sei, Haus und Hof, Weib und Kind leiblich verlassen und sich der
vorberuehrten Stuecke aeussern, so doch dies allein rechte Vollkommenheit ist:
rechte Furcht Gottes und rechter Glaube an Gott. Denn das Evangelium lehrt
nicht ein aeusserlich, zeitlich, sondern innerlich, ewig Wesen und
Gerechtigkeit des Herzens und stoesst nicht um weltlich Regiment, Polizei und
Ehestand, sondern will, dass man solches alles halte als wahrhaftige Ordnung
[*Gottes], und insolchen Staenden christliche Liebe und rechte, gute Werke, ein
jeder nach seinem Beruf, beweise. Derhalben sind die Christen schuldig, der
Obrigkeit untertan und ihren Geboten gehorsam zu sein in allem, so ohne Suende
geschehen mag. Denn so der Obrigkeit Gebot ohne Suende nicht geschehen mag,
soll man Gott mehr gehorsam sein denn den Menschen. Act. 5, 29.
Der XVII. Artikel. Von der Wiederkunft Christi
zum Gericht.
Auch wird gelehrt, dass unser Herr Jesus Christus am Juengsten
Tage kommen wird, zu richten, und alle toten auferwecken, den Glaeubigen und
Auserwaehlten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber
und die Teufel in die Hoelle und ewige Strafe verdammen [wird].
Derhalben werden die Wiedertaeufer verworfen, so lehren, dass die
Teufel und [die] verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.
Item, hier werden verworfen etlich juedische Lehren, die sich auch
jetzund ereignen, dass vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein
weltlich Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden.
Der XVIII. Artikel. Vom frein
Willen
Vom freien Willen wird gelehrt, dass der Mensch etlichermassen
einen freien Willen hat, aeusserlich ehrbar zu leben und zu waehlen unter den
Dingen, so die Vernunst begreift; aber ohne Gnade, Hilfe und Wirkung des
Heiligen Geistes vermag der Mensch nicht Gott gefaellig [zu] werden, Gott
herzlich zu fuerchten oder zu glauben oder die angeborne boese Lust aus dem
Herzen zu werfen, sondern solches geschieht durch den Heiligen Geist, welcher
durch Gottes Wort gegeben wird. Denn Paulus spricht 1 Kor. 2, 14: "Der
natuerliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes."
Und damit man erkennen moege, dass hierin keine Neuigkeit gelehrt
werde, so sind das die klaren Worte Augustini vom freien Willen, wie jetzund
hierbei geschrieben aus dem 3.Buch "Hypognostiton" [Verfasser dieser
antipelagianishcen Schrift ist nicht Augustin, sondern Marius Mercator oder der
Presbyter Sixtus, der nach Coelestin Bischof zu Rom wurde]: "Wir bekennen, dass
in allen Menschen ein freier Wille ist; denn sie haben je alle natuerlichen,
angebornen Verstand und Vernunst, nicht dass sie etwas vermoegen, mit Gott zu
handeln, als, Gott von Herzen zu lieben, zu fuerchten; sondern allein in
aeusserlichen Werken dieses Lebens haben sie Freiheit, Gutes oder Boeses zu
waehlen. Gutes, meine ich, das die Natur vermag, als auf dem Acker zu arbeiten
oder nicht, zu essen, zu trinken, zu einem Freunde zu gehen oder nicht, ein
Kleid an= oder auszutun, zu bauen, ein Weib zu nahmen, ein Handwerk zu treiben
und derglichen etwas Nuetzliches und Gutes zu tun; welches alles doch ohne Gott
nicht is noch besteht, sondern alles aus ihm und durch ihn ist. Dagegen kann
der Mensch auch Boeses aus eigener Wahl vornehmen, als vor einem Abgott
niederzuknien, einen Totschlag zu tun usw."
Der XIX. Artikel. Von der Ursache der
Suende.
Von [der] Ursache der Suende wird bei uns gelehrt, dass, wiewohl
Gott der Allmaechtige die ganze Nature geschaffen hat und erhaelt, so wirkt
doch der verkehrte Wille die Suende in allen Boesen und Veraechtern Gottes; wie
denn des Teufels Wille ist und aller Gottlosen, welcher alsbald, so Gott die
Hand abgetan, sich von Gott zum Argen gewandt hat, wie Christus spricht Joh.
8,44: "Der Teufel redet Luegen aus seinem Eigenen."
Der XX. Artikel. Vom Glauben und guten
Werken.
Den Unsern wird mit Unwahrheit aufgelegt, dass sie gute Werke
verbieten. Denn ihre Schriften von [den] zehn Geboten und andere beweisen, dass
sie von rechten christlichen Staenden und Werken guten, nuetzlichen Bericht und
Ermahnung getan haben, davon man vor dieser Zeit wenig gelehrt hat, sondern
allermeist in allen Predigten auf kindische, unnoetige Werke, als Rosenkraenze,
Heligendienst, Moenchwerden, Wallfahrten, gefetzte Fasten, Feier,
Bruederschaften usw., getrieben. Solche unnoetige Werke ruehmt auch unser
Widerpart nun nicht mehr so hoch als vorzeiten; dazu haben sie auch gelernt,
nunn vom Glauben zu reden, davon sie doch in Vorzeiten gar nichts gepredigt
haben; lehren dennoch nun, dass wir nicht allein aus Werken gerecht werden vor
Gott, sondern setzen den Glauben an Christum dazu, sprechen, Glaube und Werke
machen uns gerecht vor Gott, welche Rede mehr Trost bringen moege, dann so man
allein lehrt, auf Werke zu bertrauen.
Dieweil nun die Lehre vom Glauben, die das Haupstueck ist in
christlichem Wesen, so lange Zeit, wie man bekennen muss, nicht getrieben
worden, sondern allein Weerklehre an allen Orten gepredigt, ist davon durch die
Unsern solcher Unterricht geschehen:
Erstlich, dass uns unsere Werke nicht moegen mit Gott versoehnen
und Gnade erwerben, sondern solches geschieht allein durch den Glauben, so man
glaubt, dass uns um Christus' willen die Suenden vergeben werden, welcher
allein der Mittler ist, den Vater zu bersoehnen. 1 tim. 2, 5. Wer nun vermeint,
solches durch Werke auszurichten und Gnade zu verdienen, der verachtet Christum
und sucht einen eigenen Weg zu Gott, wider das Evangelium.
Diese Lehre vom Glauben ist oeffentlich und klar im Paulo an
vielen Orten gehandelt, sonderlich zu den Ephesern am 2, 8: "Aus Gnaden seid
ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, sondern es
ist Gottes Gabe; nicht aus Werken, damit sich neimand ruehme" usw.
Und dass hierin kein neuer Verstand eingefuehrt sei, kann man aus
Augustino beweisen, der diese Sache fleissig handelt und auch also lehrt, dass
wir durch den Glauben an Christum Gnade erlangen und vor Gott gerecht werden
und nicht durch Werke, wie sein ganzes Buch De Spiritu et Litera ausweist.
Wiewohl nun diese Lehre bei unversuchten Leuten sehr verachtet
wird, so befindet sich's doch, dass sie den bloeden und erschrockenen Gewissen
sehr troestlich und heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht zu Ruhe und
Frieden kommen durch Werke, sondern allein durch [den] Glauben, so es bei sich
gewisslich schliesst, dass es um Christus' willen einen gnaedigen Gott habe,
wie auch Paulus spricht Roem. 5,1: "So wir durch den Glauben sind gerecht
worden, haben wir Ruhe und Frieden mit Gott."
Diesen Trost hat man vorzeiten nicht getrieben in Predigten,
sondern die armen Gewissen auf eigene Werke getrieben, und sind mancherlei
Werke vorgenommen. Denn etliche hat das Gewissen in die Kloester gejagt, der
Hoffnung, daselbst Gnade zu erwerben durch Klosterleben; etliche haben andere
Werke erdacht, damit Gnade zu verdienen und fuer Suende genugzutun. Derselben
viele haben erfahren, dass man dadurch nicht ist zum Frieden gekommen. Darum
ist not gewesen, diese Lehre vom Glauben an Christum zu predigen und fleissig
zu treiben, dass man wisse, dass man allein durch den Glauben, ohne Verdienst,
Gottes Gnade ergreift.
Es geschieht auch Unterricht, dass man hier nicht von solche
Glauben redet, den auch die Teufel und [die] Gottlosen haben, die auch die
Historien glauben, dass Christus gelitten habe und auferstanden sei von [den]
Toten, sondern man redet von wahrem Glauben, der da glaubt, dass wir durch
Christum Gnade und Vergebung der Suenden erlangen.
Und der nun weiss, dass er einen gnaedigen Gott durch Christum
hat, kennt also Gott, ruft ihn an und ist nicht ohne Gott wie die Heiden. Denn
der Teufel und [die] Gottlosen glauben diesen Artikel, Vergebung der Suenden,
nicht, darum sind sie Gott feind, koennen ihn nicht anrufen, nichts Gutes von
ihm hoffen. Und also, wie jetzt angezeigt ist, redet die Schrift vom Glauben,
und heisst nicht glauben ein solches Wissen, das Teufel und gottlose Menschen
haben. Denn also wird vom Glauben gelehrt zu den Hebraeern am 11., dass glauben
sei nicht allein die Historien wissen, sondern Zuversicht haben zu Gott, seine
Zusage zu empfangen. Und Augustinus erinnert uns auch, dass wir das Wort
"Glaube" in der Schrift verstehen sollen, dass es heisse Zuversicht zu Gott,
dass er uns gnaedig sei, und heisse nicht allein solche Historien wissen, wie
auch die Teufel wissen.
Ferner wird gelehrt, dass gute Werke sollen und muessen
geschehen, nicht dass man darauf vertraue, Gnade damit zu verdienen, sondern um
Gottes willen und Gott zu Lob. Der Glaube ergreift allezeit allein Gnade und
Vergebung der Suenden. Und dieweil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben
wird, so wird auch das Herz geschickt, gute Werke zu tun. Denn zuvor, dieweil
es ohne den Heiligen Geist ist, so ist es zu schwach, dazu ist es in des
Teufels Gewalt, der die arme menschliche Natur zu vielen Suenden treibt; wie
wir sehen in den Philosophen, welche sich unterstanden, ehrlich und
unstraeflich zu leben, haben aber dennoch solches nicht ausgerichtet, sondern
sind in viele grosse, oeffentliche Suende gefallen. Also geht es mit dem
Menschen, so er ausser dem rechten Glauben ohne den Heiligen Geist ist und sich
allein durch eingene menschliche Kraefte regiert.
Derhalben ist die Lehre vom Glauben nicht zu schelten, dass sie
gute Werke verbiete, sondern vielmehr zu ruehmen, dass sie lehre, gute Werke zu
tun, und Hilfe anbiete, wie man zu guten Werken kommen moege. Denn ausser dem
Glauben und ausserhalb Christo ist menschliche Natur und Vermoegen viel zu
schwach, gute Werke zu tun, Gott anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den
Naechsten zu lieben, befohlene Aemter fleissig auszurichten, gehorsam zu sein,
boese Luefte zu meiden. Solche hohe und rechte Werke moegen nicht geschehen
ohne die Hilfe Christi, wie er selbst spricht Joh. 15,5: "Ohne mich koennt ihr
nichts tun
Der XXI. Artikel. Vom Dienst der
Heiligen.
Vom Heiligendienst wird von den Unsern also gelehrt, dass man der
Heiligen gedenken soll, auf dass wir unsern Glauben staerken, so wir sehen, wie
ihnen Gnade widerfahren, auch wie ihnen durch Glauben geholfen ist; dazu, dass
man Exempel nehme von ihren guten Werken, ein jeder nach seinem Befur,
gleichwie die Kaiserliche Majestaet seliglich und goettlich dem Exempel Davids
folgen mag, Kriege wider den Tuerken zu fuehren; denn beide sind sie in dem
koeniglichen Amt, welches Schutz und Schirm ihrer Untertanen fordert. Durch
Schrift aber mag man nicht beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe
bei ihnen suchen soll. Denn es ist allein ein einiger Versoehner und Mittler
gesetzt zwischen Gott und dem Menschen, Jesus Christus, 1 Tim. 2, 5, welcher
ist der einige Heiland, der einige oberste Priester, Gnadenstuhl und
Fuersprecher vor Gott, Roem. 8, 34. Und der hat allein zugesagt, dass er unser
Gebet erhoeren wolle. Das ist auch der hoechste Gottesdienst nach der Schrift,
dass man denselben Jesum Christum in allen Roeten und Anliegen von Herzen suche
und anrufe. 1 Joh. 2, 1: "So jemand suendigt, haben wir einen Fuersprecher bei
Gott, der gerecht ist, Jesum."
Der XXII. Artikel.
Den Laien wird bei uns beide Gestalt des Sacraments gereicht aus
dieser Ursache, dass dies ist ein klarer Befehl und Gebot Christi, Matth. 26,
27: "Trinket alle daraus!" Da gebietet Christus mit klaren Worten von dem
Kelch, dass sie alle daraus trinken sollen.
Und damit niemand diese Worte anfechten und glossieren koenne, als
gehoere es allein den Priestern zu, so zeigt Paulus 1 Kor. 11, 26 an, dass die
ganze Versammlung der Korintherkirchen beide Gestalt gebraucht hat. Und dieser
Brauch ist lange Zeit in der Kirche geblieben, wie man durch die Historien und
der Vaeter Schriften beweisen kann. Cyprianus bedenkt an vielen Orten, dass den
Laien der Kelch die Zeit gereicht sei. So spricht St. Hieronymus, dass die
Priester, so das Sakrament reichen, dem Volk das Blut Christi austeilen. So
gebietet Gelasius, der Papst selbst, dass man das Sakrament nicht teilen soll,
distinct. 2. De consecrat., cap. Comperimus. Man findet nicht auch nindert
[nirgend] keinen Kanon, der da gebiete, allein eine Gestalt zu nehmen. Es kann
auch niemand wissen, wann oder durch welche diese Gewohnheit, eine Gestalt zu
nehmen, eigefuehrt ist, wiewohl der Kardinal Cusanus gedenkt, wann diese Weise
approbiert sei. Nun ist's oeffentlich, dass solche Gewohnheit, wider Gottes
Gebot, auch wider die alten Canones eingefuehrt, unrecht ist. Derhalben hat
sich nicht gebuehrt, derjenigen Gewissen, so das heilige Sakrament nach
Christus' Einsetzung zu gebrauchen begehrt haben, zu beschweren und [sie zu]
zwingen, wider unsers Herrn Christi Ordnung zu handeln. Und dieweil die Teilung
des Sakraments der Einsetzung Christi zuentgegen ist, wird auch bei uns die
gewoehnliche Prozession mit dem Sakrament unterlassen.
Der XXIII. Artikel. Vom Ehestand der
Priester.
Es ist bei jedermann, hohen und niedern Standes, eine grosse,
maechtige Klage in der Welt gewesen von grosser Unzucht und wilden Wesen und
Leben der Priester, so nicht vermochten, Keuschheit zu halten, und war auch je
mit solchen greulichen Lastern aufs hoechste gekommen. So viel haessliches,
grosses Aergernis, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich etliche
Priester bei uns in [den] ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen an diese
Ursachen, dass sie dahin gedrungen und bewegt sind aus hoher Not ihrer
Gewissen, nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem
Herrn eingesetzt, Unzucht zu vermeiden, wie Paulus sagt 1 Kor. 7, 2: "Die
Unzucht zu vermeiden, habe ein jeglicher sein eigen Eheweib", item V. 9: "Es
ist besser, ehelich werden denn brennen." Und nachdem Christus sagt Matth. 19,
12: "Sie fassen nicht alle das Wort", da zeigt Christus an (welcher wohl
gewusst hat, was am Menschen sei), dass wenig Leute die Gabe, keusch zu leben,
haben; denn Gott hat den Menschen Maennlein und Fraeulein geschaffen, Gen. 1,
28. Ob es nun in menschlicher Macht oder Vermoegen sei, ohne sonderliche Gabe
und Gnade Gottes durch eigen Vornehmen oder Geluebde Gottes der hohen Majestaet
Geschoepfe besser zu machen oder zu aendern, hat die Erfahrung allzuklar
gegeben. Denn was Gutes, was ehrbaren, zuechtigen Lebens, was christlichen,
ehrlichen oder redlichen Wandels an vielen daraus erfolgt, wie greuliche,
schreckliche Anruhe und Qual ihrer Gewissen viele an ihrem letzten Ende
derhalben gehabt, ist am Tage, und ihrer viele haben es selbst bekannt. So den
Gottes Wort und Gebot durch kein menschlich Geluebde oder Gesetz mag geaendert
werden, haben aus dieser und andern Ursachen und Gruenden die Priester und
andere Geistlich Eheweiber genommen.
So ist es auch aus den Historien und der Vaeter Schriften zu
beweisen, dass in der christlichen Kirche vor alters der Brauch gewesen, dass
die Priester und Diakonen Eheweiber gehabt [haben]. Darum sagt Paulus 1 Tim. 3,
2: "Es soll ein Bischof unstraslich sein, eines Weibes Mann." Es sind auch in
Deutschland erst vor vierhundert Jahren die Priester zum Geluebde der
Keuschheit vom Ehestand mit Gewalt abgedrungen, welche sich dagegen saemtlich,
auch so ganz ernstlich und hart gesetzt haben, dass ein Erzbischof zu Mainz,
welcher das paepstliche neue Edikt derhalben verkuendigt, gar nahe in einer
Empoerung der ganzen Priesterschaft in einem Gedraenge waere um gebracht
[worden]. Und daselbe Verbot ist bald im Anfang so geschwind und unschicklich
vorgenommen, dass der Papst die Zeit nicht allein die kuenftige Ehe den
Priestern verboten, sondern auch derjenigen Ehe, so schon in dem Stand lange
gewesen, zerrissen; welches doch nicht allein wider alle goettlichen,
natuerlichen und weltlichen Rechte, sondern auch den Canonibus (so die Paepste
selbst gemacht) und den beruehmtesten Conciliis ganz entgegen und zuwider ist.
Auch ist bei viel hohen, gottesfuerchtigen, verstaendigen Leuten
dergleichen Rede und Bedenken oft gehoert, dass solch gedrungener Zoelibat und
Beraubung des Ehestandes (welchen Gott selbst eingesetzt und frei gelassen) nie
kein gutes, sondern viel grosser, boeser Laster und viel Arges eingefuehrt
habe. Es hat auch einer von [den] Paepsten, Pius II., selbst, wie seine
Historie anzeigt, diese Worte oft geredet und von sich schreiben lassen: es
moege wohl etliche Ursachen haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten sei;
es habe aber viel hoehere, groesere und wichtigere Ursachen, warum man ihnen
die Ehe solle wieder frei lassen. Ungezweifelt, es hat Papst Pius, als ein
verstaendiger, weiser Mann, dies Wort aus grossem Bedenken geredet.
Derhalben wollen wir uns in Untertaenigkeit zu Kaiserlicher
Majestaet vertroesten, dass Ihre Majestaet, als ein christlicher,
hochloeblicher Kaiser, gnaediglich beherzigen werde, dass jetzund in [den]
letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift meldet, die Welt immer je
aerger und die Menschen gebrechlicher und schwaecher werden.
Derhalben wohl hochnoetig, nuetzlich und christlich ist, diese
fleissige Einsehung zu tun, damit, wo der Ehestand verboten, nicht aergere und
schaendlichere Unzucht und Laster in deutschen Landen moechten einreissen. Denn
es wird je diese Sache niemand weislicher oder besser aendern oder machen
koennen denn gott selbst, welcher den Ehestand, menschlicher Gebrechlichkeit zu
helfen und Unzucht zu wehren, eingesetzt hat.
So sagen die alten Canones auch, man muesse zuzeiten den Schaerfe
und rigorem lindern und nachlassen um menschlicher Schwachheit willen, und [um]
Aergeres zu verhueten und zu meiden.
Nun waere das in diesem Fall auch wohl christlich und ganz hoch
vonnoeten. Was kann auch der Priester und der Geistlichen Ehestand gemeiner
christlicher kirche nachteilig sein, sonderlich der Pfarrherren und anderer,
die der Kirche dienen sollen? Es wuerde wohl kuenftig an Priestern und
Pfarrherren mangeln, so dies harte Verbot des Ehestandes laenger waehren
sollte.
So nun dieses, naemlich dass die Priester und Geistlichen moegen
ehelich werden, gegruendet ist auf das gottliche Wort und Gebot, dazu die
Historien beweisen, dass die Priester ehelich gewesen, so auch das Geluebde der
Keuschheit so viele haezzliche, unchristliche Aergernisse, so viel Ehebruch,
schreckliche, ungehoerete Unzucht und greuliche Laster hat angerichtet, dass
auch etliche unter Tumherren, [*auch etliche] Kurtisane zu Rom solches oft
selbst bekannt und klaeglich angezogen, wie solche Laster im Clero zu greulich
und uebermacht [masslos seien, und] gottes Zorn wuerde erregt werden: so ist's
je erbaermlich, dass man den christlichen Ehestand nicht allein verboten,
sondern an etlichen Orten aufs geschwindeste, wie um grosse Uebeltat, zu
strafen sich unterstanden hat [*so doch Gott in der Heiligen Schrift den
Ehestand in allen Ehren zu haben geboten hat]. So ist auch der Ehestand in
kaiserlichen Rechten und in allen Monarchien, wo je Gesetz und Recht gewesen,
hoch gelobt. Allein, dieser Zeit beginnt man die Leuter unschuldig, allein um
der Ehe willen, zu martern, und dazu Priester, deren man vor andern schonen
sollte, und geschieht nicht allein wider goettliche Rechte, sondern auch wider
die Canones. Paulus der Apostel, 1 Tim. 4, 1ff., nennt die Lehren, so die Ehe
verbieten, Teufelslehren. So sagt Christus selbst Joh. 8, 44, der Teufel sei
ein Moerder von Anbeginn; welches denn wohl zusammenstimmt, dass es freilich
Teufelslehren sein muessen, die Ehe verbieten und sich unterstehen, solche
Lehre mit Blutvergiessen zu erhalten.
Wie aber kein menschlich Gesetz Gottes Gebot kann wegtun oder
aendern, also kann auch kein Geluebde Gottes Gebot aendern. Darum gibt auch St.
Cyprianus den Rat, dass die Weiber, so die gelobte Keuschheit nicht halten,
sollen ehelich werden, und sagt Lib. 1, epist. 11 also: "So sie aber Keuschheit
nicht halten wollen oder nicht vermoegen, so ist's besser, dass sie ehelich
werden, denn dass sie durch ihre Lust ins Feuer fallen, und sollen sich wohl
vorsehen, dass sie den Bruedern und Schwestern kein Aergernis anrichten."
Zudem, so brauchen auch alle Canones groessere Gelindigkeit und
Aequitaet gegen diejenigen, so in der Jugend Geluebde getan; wie denn Priester
und Moenche des mehreren Teils in der Jugend in solchen Stand aus Unwissenheit
gekommen sind.
Der XXIV. Artikel. Von der
Messe.
Man legt den Unsern mit Unrecht auf, dass sie die Messe sollen
abgetan haben. Denn das ist oeffentlich, dass die Messe, ohne Ruhm zu reden,
bei uns mit groesserer Andacht und Ernst gehalten wird denn bei den
Widersachern. So werden auch die Leute mit hoechstem Fleiss zum oesternmal
unterrichtet vom heiligen Sacrament, wozu es eingesetzt und wie es zu gebrachen
sei, als naemlich die erschrockenen Gewissen damit zu troesten, dadurch das
Volk zur Kommunion und Messe gezogen wird. Dabei geschieht auch Unterricht
wider andere unrechte Lehre vom Sakrament. So ist auch in den oeffentlichen
Zeremonien der Messe keine merklich Aenderung geschehen, denn dass an etlichen
Orten deutsche Gesaenge (das Volk damit zu lehren und zu ueben) neben
lateinischem Gesang gesungen werden, fintemal alle Zeremonien vornehmlich dazu
dienen sollen, dass das Volk daran lerne, was ihm zu wissen von Christo not
ist.
Nachdem aber die Messe auf mancherlei Weise vor dieser Zeit
gemissbraucht, wie am Tage ist, dass ein Jahrmarkt daraus gemacht, dass man sie
getauft und verkauft hat, und das mehrere Teil in allen Kirchen um Geldes
willen gehalten worden, ist solcher Missbrauch zu mehreren Malen, auch vor
dieser Zeit, von gelehrten und frommen Leuten gestraft worden. Als nun die
Prediger bei uns davon gepredigt und die Priester erinnert sind der
schrecklichen Bedrohung (so denn billig einen jeden Christen bewegen soll),
dass, wer das Sakrament unwuerdiglich braucht, der sei schuldig am Leib und
Blut Christi, darauf sind solche Kaufmessen und Winkelmessen (welche bis anher
aus Zwang um Geldes und der Praebenden willen gehalten worden) in unsern
Kirchen gefallen.
Dabei ist auch der greuliche Irrtum gestraft, dass man gelehrt
hat, unser Herr Christus habe durch seinen Tod allein fuer die Erbsuende
genuggetan und die Messe eingesetzt zu einem Opfer fuer die andern Suenden, und
also die Messe zu einem Opfer gemacht fuer die Lebendigen und Toten, dadurch
Suenden wegzunehmen und Gott zu versoehnen. Daraus ist weiter gefolgt, dass man
disputiert hat, ob eine Messe, fuer viele gehalten, also viel verdiene, als so
man fuer einen jeglichen eine sonderliche hielte. Daher ist die grosse,
unzaehlige Menge der Messen gekommen, dass man mit diesem Werk hat wollen bei
Gott alles erlangen, das man bedurft hat, und ist daneben des Glaubens an
Christum und rechten Gottesdienstes vergessen worden.
Darum ist davon Unterricht geschehen, wie ohne Zweifel die Not
gefordert, dass man wuesste, wie das Sakrament recht zu gebrauchen waere. Und
erstlilch, dass kein Opfer fuer [die] Erbsuende und andere Suende sei denn der
einige Tod Christi, zeigt die Schrift an vielen Orten an. Denn also steht
geschrieben zu den Hebraeern, 10, 10, dass sich Christus einmal geopfert hat
und dadurch fuer alle Suenden genuggetan. Es ist eine enerhoerte Neuigkeit, in
der Kirche lehren, dass Christus' Tod sollte allein fuer die Erebsuende und
sonst nicht auch fuer andere Suende genuggetan haben; derhalben zu hoffen, dass
maenniglich [jedermann] verstehe, dass solcher Irrtum nicht unbillig gestraft
sei.
Zum andern, so lehrt St. Paulus, dass wir vor Gott Gnade erlangen
durch [den] Glauben und nicht durch Werke. Dawider ist oeffentlich dieser
Missbrauch der Messe, so man vermeint, durch dieses Werk Gnade zu erlangen, wie
man denn weiss, dass man die Messe dazu gebraucht, dadurch Suende abzulegen und
Gnade und alle Gueter bei Gott zu erlangen, nicht allein der Priester fuer
sich, sondern auch fuer die ganze Welt und fuer andere, Lebendige und Tote.
Zum dritten, so ist das heilige Sakrament eingesetzt, nicht damit
fuer die Suende ein Opfer anzurichten (denn das Opfer ist zuvor geschehen),
sondern dass unser Glaube dadurch erweckt und die Gewissen getroestet werden,
welche durchs Sakrament erinnert werden, dass ihnen Gnade und Vergebung der
Suenden von Christo zugesagt ist. Derhalben fordert dies Sakrament Glauben und
wird ohne Glauben vergeblich gebraucht.
Dieweil nun die Messe nicht ein Opfer ist fuer andere, Lebendige
oder Tote, ihre Suenden wegzunehmen, sondern soll eine Kommunion sein, da der
Priester und andere das Sakrament empfangen fuer sich, so wird diese Weise bei
uns gehalten, dass man an Feiertagen, auch sonst, so Kommunikanten da sind,
Messe haelt und etliche, so das begehren, kommuniziert. Also bleibt die Messe
bei uns in ihrem rechten Brauch, wie sie vorzeiten in der Kirche gehalten, wie
man beweisen mag aus St. Paulo, 1 Kor. 11, dazu auch vieler Vaeter Schriften.
Denn Chrysostomus spricht, wie der Priester taeglich stehe und fordere etliche
zur Kommunion, etlichen verbiete er hinzuzutreten. Auch zeigen die alten
Canones an, dass einer das Amt gehalten hat und die andern Priester und
Diakonen kommuniziert. Denn also lauten die Worte im canone Nicaeno: "Die
Diakonen sollen nach den Priestern ordentlich das Sakrament empfangen vom
Bischof oder Priester."
So man nun keine Neuigkeit hierin, die in der Kirche vor alters
nicht gewesen, vorgenommen hat, und in den oeffentlichen Zeremonien der Messe
keine merkliche Aenderung geschehen ist, allein dass die andern unnoetigen
Messen, etwa durch einen Missbrauch gehalten, neben der Pfarrmesse, gefallen
sind, soll billig diese Weise, Messe zu halten, nicht fuer ketzersich und
unchristlich verdammt werden. Denn man hat vorzeiten auch in den grossen
Kirchen, da viel Volks gewesen, auch auf die Tage, so das Volk zusammenkam,
nicht taeglich Messe gehalten, wie Tripartia Historia, lib. 9, anzeigt, dass
man zu Alexandria am Mittwoch und Freitag die Schrift gelesen und ausgelegt
habe und sonst alle Gottesdienste gehalten ohne die Messe.
Der XXV. Artikel. Von der
Beichte.
Die Beichte ist durch die Prediger dieses Teils nicht abgetan.
Denn diese Gewohnheit wird bei uns gehalten, das Sakrament nicht zu reichen
denen, so nicht zuvor verhoert und absolviert sind. Dabei wird das Volk
fleissig unterrichtet, wie troestlich das Wort der Absolution sei, wie hoch und
teuer die Absolution zu achten; denn es sei nicht des gegenwaertigen Menschen
Stimme oder Wort, sondern Gottes Wort, der da die Suende vergibt. Denn sie wird
an Gottes Statt und aus Gottes Befehl gesprochen. Von diesem Befehl und Gewalt
der Schluessel, wie troestlich, wie noetig sie sei den erschrockenen Gewissen,
wird mit grossem Fleiss gelehrt; dazu, wie Gott fordert, dieser Absolution zu
glauben, nicht weniger, denn so Gottes Stimme vom Himmel erschoelle, und uns
dero [deren] froehlich troesten und wissen, dass wir durch solchen Glauben
Vergebung der Suenden erlangen. Von diesen noetigen Stuecken haben vorzeiten
die Prediger, so von der Beichte viel lehrten, nicht ein Woertlein geruehrt,
sondern allein die Gewissen gemartert mit langer Erzaehlung der Suenden, mit
Genugtun, mit Ablass, mit Wallfahrten und dergleichen. Und viele unserer
Widersacher bekennen selbst, dass dieses Teils von rechter christlicher Busse
schicklicher denn zuvor in langer Zeit geschrieben und gehandelt sei.
Und wird von der Beichte also gelehrt, dass man niemand dringen
soll, die Suende namhaftig zu erzahlen. Denn solches ist unmoeglich, wie der
Psalm 19, 13 spricht: "Wer kennt die Missetat?" Und Jeremias 17, 9 spricht:
"Des Menschen Herz ist so arg, dass man es nicht auslernen kann." Die elende
menschliche Natur steckt also tief in Suenden, dass sie dieselbe nicht alle
sehen oder kennen kann, und sollten wir allein von denen absolviert werden, die
wir zaehlen koennen, waere uns wenig geholfen. Derhalben ist nicht not, die
Leute zu dringen, die Suende namhaftig zu erzaehlen. Also haben auch die Vaeter
gehalten, wie man findet distinct. 1, De Poenitentia, da die Worte Chrysostomi
angezogen werden: "Ich sage nicht, dass du dich selbst sollst oeffentlich
dargeben, noch bei einem andern dich selbst verklagen oder schuldig geben,
sondern gehorche dem Propheten, welcher spricht: Offenbare dem Herrn deine
Wege, Ps. 37,5. Derhalben beichte Gott dem Herrn, dem wahrhaftigen Richter,
neben deinem Gebet; nicht sage deine Suende mit der Zunge, sondern in deinem
Gewissen." Hier sieht man klar, dass Chrysostomus nicht zwingt, die Suende
namhaftig zu erzaehlen. so lehrt auch die Glossa in Decretis, De Poenitentia,
distinct. 5, cap. Consideret, dass die Beichte nicht durch die Schrift geboten
sondern durch die Kirche eingesetzt sei. Doch wird durch die Prediger dieses
Teils fleissig gelehrt, dass die Beichte von wegen der Absolution, welche das
Haupstueck und das Vornehmste darin ist, zum Trost der erschrockenen Gewissen,
dazu um etlicher anderer Ursachen willen zu erhalten sei.
Der XXVI. Artikel.Vom Unterschied der
Speise.
Vorzeiten hat man also gelehrt, gepredigt und geschrieben, dass
Unterschied der Speisen und dergleichen Traditionen, von Menschen eingesetzt,
dazu dienen, dass man dadurch Gnade verdiene und fuer die Suende genugtue. Aus
diesem Grunde hat man taeglich neue Fasten, neue Zeremonien, neue Orden und
dergleichen erdacht und auf solches heftig und hart getrieben, als waeren
solche Dinge noetige Gottesdienste, dadurch man Gnade verdiene, so man's halte,
und grosse Suende geschehe, so man's nicht halte. Daraus sind viel schaedliche
Irrtuemer in der Kirche erfolgt.
Erstlich ist dadurch die Gnade Christi und die Lehre vom Glauben
verdunkelt, welche uns das Evangelium mit grossem Ernst vorhaelt und treibt
hart darauf, dass man das Verdienst Christi hoch und teuer achte und wisse,
dass glauben an Christum hoch und weit ueber alle Werke zu setzen sei.
Derhalben hat St. Paulus heftig wider das Gesetz Mosis und menschliche
Traditionen gefochten, dass wir lernen sollen, dass wir vor Gott nicht fromm
werden aus unsern Werken, sondern allein durch den Glauben an Christum, dass
wir Gnade erlangen um Christus' willen. Solche Lehre ist schier lang erloschen
dadurch, dass man gelehrt, Gnade zu verdienen mit Gesetzen, Fasten, Unterschied
der Speisen, Kleidern usw.
Zum andern haben auch solche Traditionen Gottes Gebot verdunkelt:
denn mann setzte diese Traditionen weit ueber Gottes Gebot. Dies hielt man
allein fuer christliches Leben, wer die Feier also hielt, also betete, also
fastete, also gekleidet war; das nannte man geistliches, christliches Leben.
Daneben hielt man andere, noetige gute Werke fuer ein weltliches, ungeistliches
Wesen, naemlich die, so jeder nach seinem Beruf zu tun schuldig ist, als dass
der Hausvater arbeitet, Weib und Kind zu ernaehren und zu Gottesfurcht
aufzuziehen, die Hausmutter Kinder gebiert und wartet ihrer, ein Fuerst und
Obrigkeit Land und Leute regiert usw. Solche Werke, von Gott geboten, mussten
ein weltliches und unvollkommenes Wesen sein, aber die Traditionen mussten den
praechtigen Namen haben, dass sie allein heilige, vollkommene Werke hiessen.
Derhalben war kein Mass noch Ende, solche Traditionen zu machen.
Zum dritten, solche Traditionen sind zu hoher Bescherung der
Gewissen geraten. Denn es war nicht moeglich, alle Traditionen zu halten, und
waren doch die Leute in der Meinung, als waere solches ein noetiger
Gottesdienst, und schreibt Gerson, dass viele hiemit in Verzweiflung gefallen,
etliche haben sich auch selbst umgebracht, derhalben, dass sie keinen Trost von
der Gnade Christi gehoert haben. Denn man sieht bei den Summisten und
Theologen, wie die Gewissen verwirrt, welche sich unterstanden haben, die
Traditionen zusammenzuziehen, und "epieikeias" gesucht, dass sie den Gewissen
huelfen, haben so viel damit zu tun gehabt, dass dieweil alle heilsame
christliche Lehre von noetigeren Sachen, als vom Glauben, vom Trost in hohen
Anfectungen und dergleichen, daniedergelegen ist. Darueber haben auch viel
fromme Leute vor dieser Zeit sehr geklagt, dass solche Traditionen viel Zank in
der Kirche anrichten, und dass fromme Leute, damit verhindert, zu rechter
Erkenntnis Christi nicht kommen moechten. Gerson und etliche mehr haben heftig
darueber geklagt. Ja, es hat auch Augustino missfallen, dass man die Gewissen
mit so viel Traditionen beschert [hat]. Derhalben er dabei Unterricht gibt,
dass man's nicht fuer noetige Dinge halten soll.
Darum haben die Unsern nicht aus Frevel oder Verachtung
geistlicher Gewalt von diesen Sachen gelehrt, sondern es hat die hohe Not
gefordert, Unterricht zu tun von obangezeigten Irrtuemern, welche aus
Missverstand der Tradition gewachsen sind. Denn das Evangelium zwingt, dass man
die Lehre vom Glauben solle und muesse in [den] Kirchen treiben, welche doch
nicht mag verstanden werden, so mann vermeint, durch eigenerwaehlte Werke Gnade
zu verdienen.
Und ist also davon gelehrt, dass mann durch Haltung gedachter
menschlicher Traditionen nicht kann Gnade verdienen oder Gott versoehnen oder
fuer die Suende genugtun. Und soll derhalben kein noetiger Gottesdienst daraus
gemacht werden. Dazu wird Ursache aus der Schrift angezogen. Christus
entschuldigt Matth. 15, 3.9 die Apostel, dass die gewoehnliche Traditionen
nicht gehalten haben, und spricht dabei: "Sie ehren mich vergeblich mit
Menschengeboten." So er nun dies einen vergeblichen Dienst nennt, muss er nicht
noetig sein. Und bald hernach: "Was zum Munde eingehet, verunreiniget den
Menschen nicht." Item Paulus sprict Roem. 14, 17: "Das Hiimmelreich stehet
nicht in Speise oder Trank." Kol. 2, 16: "Niemand soll euch richten in Speise,
Trank, Sabbat" usw. Act. 15, 10 spricht Petrus: "Warum versucht ihr Gott mit
Auslegung des Jochs auf der Juenger Haelse, welches weder unsere Vaeter noch
wir haben moegen tragen? Sondern wir glauben durch die Gnade unsers Herrn Jesu
Christi selig zu werden." Da verbietet Petrus, dass man die Gewissen nicht
beschweren soll mit mehr aeusserlichen Zeremonien, es sei Mosis oder andern.
Und. 1 Tiim. 4, 1-3 werden solche Verbote, als Speise verbieten, Ehe verbieten
usw., Teufelslehren genannt. [*Denn also lauten St. Paulus' Worte: "Der Geist
aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten werden etlich von dem Glauben
abtreten und anhangen den verfuehrerischen Geistern und Lehren der Teufel durch
die, so in Gleisnerei Luegenredner sind und Brandmal in ihrem Gewissen haben
und verbieten, ehelich zu werden und zu meiden die Speise, die Gott geschaffen
hat, zu nehmen mit Danksagung, den Glaeubigen und denen, die die Wahrheit
erkannt haben."] Denn dies ist stracks dem Evangelio entgegen, solche Werke,
einsetzen oder tun, dass man damit Vergebung der Suenden verdiene, oder als
moege niemand [ein] christ sein ohne solche Dienste.
Dass man aber den Unsern hie schuld gibt, als verboeten sie
Kasteiung und Zucht, wie Jovinianus, wird sich viel anders aus ihren Schriften
befinden. Denn sie haben allezeit gelehrt vom heiligen Kreuz, dass Christen zu
leiden schuldig sind; und dieses ist rechte, ernstliche und nicht erdichtete
Kasteiung.
Daneben wird auch gelehrt, dass ein jeglicher schuldig ist, sich
mit leiblicher Uebung, als Fasten und anderer Uebung, also zu halten, dass er
nicht Ursache zu Suenden gebe, nicht, dass er mit solchen Werken Gnade
verdiene. Diese leiblich Uebung soll nicht allein etliche bestimmte Tage,
sondern stetig getrieben werden. Davon redet Christus Luk. 21, 34: "Huetet
euch, dass eure Herzen nicht bescheret werden mit Voellerei!" Item Matth. 17,
21: "Die Teufel werden nicht ausgeworfen denn durch Fasten und Gebet." Und
Paulus spricht 1 Kor. 9, 27, er kasteie seinen Leib und bringe ihn zum
Gehorsam, damit [womit] ere anzeigt, dass Kasteiung dienen soll, nicht damit
Gnade zu verdienen, sondern den Leib geschickt zu halten, dass er nicht
verhindere, was einem jeglichen nach seinem Veruf zu schaffen befohlen ist. Und
wird also nicht das Fasten verworfen, sondern dass man einen noetigen Dienst
daraus auf bestimmte Tage und Speisen zur Verwirrung der Gewissen gemacht hat.
Auch werden dieses Teils viele Zeremonien und Traditionen
gehalten, als Ordnung der Messe und andere Gesaenge, Feste usw., welche dazu
dienen, dass in der Kirche Ordnung gehalten werde. Daneben aber wird das Volk
unterrichtet, dass solcher aeusserlich Gottesdienst nicht fromm macht vor Gott,
und dass man's ohne Beschwerung des Gewissens halten soll, also dass, so man es
nachlaesst ohne Aergernis, nicht daran gefuendigt wird. Diese Freiheit in
aeusserlich Zeremonien haben auch die alten Vaeter gehalten. Denn im Orient hat
man das Osterfest auf andere Zeit dann zu Rom gehalten. Und da etlich diese
Ungeleichheit fuer eine Trennung in der Kirche halten wollten, sind sie
vermahnt von andern, dass nicht not ist, in solchen Gewohnheiten Gleichheit zu
halten. Und spricht Irenaeus also: "Ungleichheit im Fasten trennt nicht die
Einigkeit des Glaubens." Wie auch distinct. 12. von solcher Ungleichheit in
menschlichen Ordnungen geschrieben, dass sie der Enigkeit der Christenheit
nicht zuwider sei. Und Tripartita Hist., lib. 9, zieht zusammen viel ungleiche
Kirchengewohnheiten und setzt einen nuetzlichen christlichen Spruch: "Der
Apostel Meinung ist nicht gewesen, Feiertage einzusetzen, sondern Glauben und
Liebe zu lehren."
Der XXVII. Artikel. Von
Klostergeluebden.
Von Klostergeluebden zu reden, ist not, erstlich zu bedenken, wie
es bis anher damit gehalten, welch Wesen sie in Kloestern gehabt, und dass sehr
viel darin taeglich nicht allein wider Gottes Wort, sondern auch paepstlichen
Rechten zuentgegen [zuwider] gehandelt ist. Denn zu St. Augustine Zeiten sind
Klosterstaende frei gewesen: folgend [hernach], da die rechte Zucht und Lehre
zerruettet, hat man Klostergeluebde erdacht und damit eben als mit einem
erdachten Gefaengnis die Zucht widerum aufrichten wollen.
Ueber das hat man neben den Klostergeluebden viel andere Stuecke
mehr aufgebracht und mit folchen Banden und Beschwerden ihrer viele, auch vor
gebuehrenden Jahren, beladen.
So sind auch viele Personen aus Unwissenheit zu solchem
Klosterleben gekommen, welche, wiewohl sie sonst nicht zu jung gewesen, haben
doch ihr Vermoegen nicht genugsam ermessen und verstanden. Dieselben alle, also
verstickt und verwickelt, sind gezwungen und gedrungen, in solchen Banden zu
bleiben, ungeachtet dessen, dass auch [das] paepstliche Recht ihrer viele
freigibt. Und das ist beschwerlicher gewesen in Jungfrauenkloestern denn
Moenchskloestern, so sich doch geziemt haette, der Weibsblider als der
Schwachen zu verschonen. Dieselbe Strenge und Haertigkeit hat auch viel frommen
Leuten in Vorzeiten missfallen; denn sie haben wohl gesehen, dass beide Knaben
und Maidlein um Erhaltung willen des Leibes in die Kloester sind versteckt
worden. Sie haben auch wohl gesehen, wie uebel daselbe Vornehmen geraten ist,
was Aergernis, was Beschwerung der Gewissen es gebracht, und haben viele Leute
geklagt, dass man in solcher gefaehrlichen Sache die Canones so gar nicht
geachtet [hat]. Zudem, so hat man eine solche Meinung von den Klostergeluebden,
die unverborgen [ist], die auch viel Moenchen uebel gefallen hat, die wenig ein
[die ein wenig] Verstand gehabt [haben].
Denn sie gaben vor, dass Klostergeluebe der Taufe gleich waeren,
und dass man mit dem Klosterleben Vergebung der Suenden und Rechtfertigung vor
Gott verdiene. Ja, sie setzten noch mehr dazu, dass man mit dem Klosterleben
verdiente nicht allein Gerechtigkeit und Frommigkeit, sondern auch, dass man
damit hielte die Gebote und Raete, im Evangelio verfasst, und wurden also die
Klostergeluebde hoeher gepriesen denn die Taufe; item, dass man mehr verdiente
mit dem Klosterleben denn mit allen andern Staenden, so von Gott geordnet sind,
als Pfarrherr= und Predigerstand, Obrigkeit=, Fuersten=, Herrenstand und
dergleichen, die alle nach Gottes Gebot, Wort und Befehl in ihrem Beruf ohne
erdichtete Geistlichkeit dienen, wie denn dieser Stuecke keines verneint werden
mag, denn man findet's in ihren eigenen Buechern. Ueber das, wer also gefangen
und ins Kloster gekommen [war], lernte wenig von Christo.
Etwa [vorzeiten] hat man Schulen der Heiligen Schrift und anderer
Kuenste, so der chirstlichen Kirche dienstlich sind, in den Kloestern gehalten,
dass man aus den Kloestern Pfarrherren und Bischoefe genommen hat; jetzt aber
hat's viel eine andere Gestalt. Denn vorzeiten kamen sie der Meinung zusammen
im Klosterleben, dass man die Schrift lerne. Jetzt geben sie vor, das
Klosterleben sei ein solch Wesen, dass man Gottes Gnaden und Froemmigkeit vor
Gott damit verdiene, ja, es sei ein Stand der Vollkommenheit, und setzten's den
andern Staenden, so von Gott eingesetzt, weit vor. Das alles wird darum
angezogen, ohne alle Verunglimpfung, damit man je desto dass [besser] vernehman
und verstehen moege, was und wie die Unsern predigen und lehren.
Erstlich lehren sie bei uns von denen, die zur Ehe greifen, also,
dass alle die, so zum ledigen Stand nicht geschickt sind, Macht, Fug und Recht
haben, sich zu verehelichen. Denn die Geluebde vermoegen nicht Gottes Ordnung
und Gebot aufzuheben. Nun lautet Gottes Gebot also 1 Kor. 7, 2: "Um der Heuerei
willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen
Mann." Dazu dringt, zwingt und treibt nicht allein Gottes Gebot, sondern auch
gottes Geschoepf und Ordnung alle die zum Ehestand, die ohne sonderes
[besonderes] Gotteswerk mit der Gabe der Jungfrauschaft nicht begnadet sind,
laut dieses Spruchs Gottes selbst Gen. 2, 18: "Es ist nicht gut, dass der
Mensch allein sei; wir wollen ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei."
Was mag man nun dawider aufbringen? Man ruehme das Geluebde und
Pflicht, wie hoch man wolle, an mutze es auf, als [so] hoch man kann, so mag
[kann] dennoch nicht erzwingen, dass Gottes Gebot dadurch aufgehoben werde. Die
Doctores sagen, dass die Geluebde, auch wider des Papsts Recht, unbuendig
[nicht verbindlich] sind, wieviel weniger sollen sie denn binden, Statt und
Kraft haben wider Gottes Gebot!
Wo die Pflichten der Geluebde keine anderen Ursachen haetten, dass
sie moechten aufgehoben werden, so haetten die Paepste auch nicht dawider
dispensiert oder erlaubt. Denn es gebuehrt keinem Menschen die Pflicht, so aus
goettlichen Rechten herwaechst, zu zerreissen. Darum haben die Paepste wohl
bedacht, dass in dieser Pflicht eine Aequitaet soll gebraucht werden, und haben
zum oesternmal dispensiert, als, mit einem Koenige von Aragonien und vielen
andern. So man nun zur Erhaltung zeitlicher Dinge dispensiert hat, soll viel
billiger dispensiert werden um Notdurft willen der Seelen.
Folgends [ferner], warum treibt der Gegenteil so hart, dass man
die Geluebde halten muss, und sieht nicht zuvor an, ob das Geluebde seine Art
habe? Denn das Geluebde soll in moeglichen Sachen willig und ungezwungen sein.
Wie aber die ewige Keuschheit in des Menschen Gewalt und Vermoegen stehe, weiss
man wohl; auch sind wenig, beide Manns= und Weibspersonen, die von ihnen
selbst, willig und wohlbedacht, das Klostergeluebde getan haben. Ehe sie zum
rechten Verstand kommen, so ueberredet man sie zum Klostergeluebde; zuweilen
werden sie auch dazu gezwungen und gedrungen. Darum ist es je nicht billig,
dass man so schwind [scharf] und hart von der Geluebdepflicht disputiere,
angesehen, dass sie alle bekennen, dass solches wider die Natur und Art des
Geluebdes ist, dass es nicht willig und mit gutem Rat und Bedacht gelobt wird.
Etliche Canones und paepstilche Rechte zerreissen die Geluebde,
die unter fuenfzehn Jahren geschehen sind. Denn sie halten's dafuer, dass man
vor derselben Zeit so viel Verstandes nicht hat, dass man die Ordnung des
ganzen Lebens, wie dasselbe anzustellen, beschliessen koenne. Ein anderer Kanon
gibt der menschlichen Schwachheit noch mehr Jahre zu; denn er verbietet, das
Klostergeluebde unter achtzehn Jahren zu tun. Daraus hat der meiste Teil
Entschuldigung und Ursachen, aus den Kloestern zu gehen; denn sie des mehreren
Teils in der Kindheit vor diesen Jahren in Kloester gekommen sind.
Endlich, wenngleich die Verbrechung [das Brechen] des
Klostergeluebdes moechte getadelt werden, so koennte aber dennoch nicht daraus
folgen, dass man derselben Ehe zerreissen sollte. Denn St. Augustinus sagt
27.quaest., 1.cap., Nuptiarum, dass man solche Ehe nicht zerreissen soll. Nun
ist je St. Augustin nicht in geringen Ansehen in der christlichen Kirche,
obgleich etliche hernach anders gehalten [haben].
Wiewohl nun Gottes Gebot von dem Ehestande ihrer sehr viele vom
Klostergeluebde frei und ledig gemacht [hat], so wenden doch die Unsern noch
mehr Ursachen vor, dass Klostergeluebde nichtig und unbuendig seien. Denn aller
Gottesdienst, von den Menschen ohne Gottes Gebot umnd Befehl eingesetzt und
erwaehlt, Gerechtigkeit und Gottes Gnade zu erlangen, sei wider Gott und dem
Evangelio und Gottes Befehl entgegen; wie denn Christus selbst sagt Matth. 15,
9: "Sie dienen mir vergebens mit Menschengeboten." So lehret's auch St. Paulus
ueberall, dass man Gerechtigkeit nicht soll suchen aus unsern Geboten und
Gottesdiensten, so von Menschen erdichtet sind, sondern dass Gerechtigkeit und
Froemmigkeit vor Gott kommt aus dem Glauben und Vertrauen, dass wir glauben,
dass uns Gott um seines einigen Sohnes Christus willen zu Gnaden annimmt.
Nun ist es je am Tage, dass die Moenche gelehrt und gepredigt
haben, dass die erdachte Geistlichkeit genugtue fuer die Suende und Gottes
Gnade und Gerechtigkeit erlange. Was ist nun dies anders, denn die Herrlichkeit
und Preis det Gnade Christi vermindern und die Gerechtigkeit des Glaubens
verleugnen? Darum folgt aus dem, dass solche gewoehnliche Geluebde unrechte,
falsche Gottesdienste gewesen [sind]. Derhalben sind sie auch unbuendig. Denn
ein gottlos Geluebde, und das wider Gottes Gebot geschehen, ist unbuendig und
nichtig; wie auch die Canones lehren, dass der Eid nicht soll ein Band zur
Suende sein.
St. Paulus sagt zu den Galatern am 5,4: "Ihr seid ab von Christ,
die ihr durch das Gesetz rechtfertig werden wollt, und habt der Gnade gefehlt."
Derhalben auch die, so durch Geluebde wollen rechtfertig werden, sind von
Christo ab und fehlen der Gnade Gottes. Denn dieselben rauben Christo seine
Ehre, der allein gerecht macht, und geben solche Ehre ihren Geluebden und
Klosterleben.
Man kann auch nicht leugnen, dass die Moenche gelehrt und
gepredigt haben, dass sie durch ihre Geluebde und Klosterwesen und =weise
gerecht werden und Vergebung der Suenden verdienen; ja, sie haben noch wohl
ungeschicktere Dinge erdichtet und gesagt, dass sie ihre guten Werke den andern
mitteilen. Wenn nun einer dies alles wollte unglimpflich treiben und aufmutzen,
wie viele Stuecke koennte er zusammenbringen, deren sich die Moenche jetzt
selbst schaemen und nicht wollen getan haben! Ueber das alles haben sie auch
die Leute ueberredet, dass die erdichteten geistlichen Ordenstaende sind
christliche Vollkommenheit [*dass die erdichteten geistlichen Orden Staende
sind christlicher Vollkommenheit]. Dies ist ja die Werke ruehmen, dass man
dadurch gerecht werde. Nun ist es nicht ein geringes Aergernis in der
christlichen Kirche, dass man dem Volk einen solchen Gottesdienst vortraegt,
den die Menschen ohne Gottes Gebot erdichtet haben, und lehren, dass ein
solcher Gottesdienst die Menschen vor Gott frommm und gerecht macht. Denn
Gerechtigkeit des Glaubens, die man am meisten in der Kirche treiben soll, wird
verdunkelt, wenn den Leuten die Augen aufgesperrt werden mit dieser seltsamen
Engelsgeistlichkeit und falschem Vorgeben der Armut, Demut und Keuschheit.
Ueberdas werden auch die Gebote Gottes und der rechte und wahre
Gottesdienst dadurch verdunkelt, wenn die Leute hoeren, dass allein die Moenche
im Stand der Vollkommenheit sein sollen. Denn die christliche Vollkommenheit
ist, dass man Gott von Herzen und mit Ernst fuerchtet und doch auch eine
herzliche Zuversicht und Glauben, auch Vertrauen fasst, dass wir um Christus'
willen einen gnaedigen, barmherzigen Gott haben, dass wir moegen und sollen von
Gott bitten und begehren, was uns not ist, und Hilfe von ihm in allen
Truebsalen gewisslich nach eines jeden Beruf und Stand gewarten; dass wir auch
indes sollen aeusserlich mit Fleiss gute Werke tun und unsers Berufs warten.
Darin steht die rechte Vollkommenheit und der rechte Gottesdienst, nicht im
Betteln oder in einer schwarzen oder grauen Kappe usw. Uber das gemeine Volk
fasst viel schaedlich Meinungen aus falschem Lob des Klosterlebens. So sie es
hoeren, dass man den ledigen Stand ohne alle Massen lobt, folgt, dass es mit
beschwertem Gewissen im Ehestand ist. Denn daraus, so der gemeine Mann hoert,
dass die Bettler allein sollen vollkommen sein, kann er nicht wissen, dass er
ohne Suende Gueter haben und hantieren moege. So das Volk hoert, es sei nur ein
Rat, nicht Rache ueben, folgt, dass etliche vermeinen, es sei nicht Suende,
ausserhalb des Amtes Rache zu ueben. Etliche meinen, Rache gezieme den Christen
gar nicht, auch nicht der Obrigkeit.
Man liest auch der Exempel viele, dass etlich Weib und Kind, auch
ihr Regiment verlassen und sich in Kloester gesteckt haben. Dasselbe, haben sie
gesagt, heisst aus der Welt fliehen und ein solch Leben suchen, das Gott bass
[besser] gefiele denn der andern Leben. Sie haben auch nicht koennen wissen,
dass man Gott dienen soll in den Geboten, die er gegeben hat, und nicht in den
Geboten, die von Menschen erdichtet sind. Nun ist je das ein guter und
vollkommener Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot fuer sich hat; das aber ist
ein gefaehrlicher Stand des Lebens, der Gottes Gebot nicht fuere sich hat. Von
solchen Sachen ist vonnoeten gewesen, den Leuten guten Bericht zu tun.
Es hat auch Gerson in Vorzeiten den Irrtum der Moenche von der
Vollkommmenheit gestraft und zieht an, dass bei seinen Zeiten dieses eine neue
Rede gewesen sei, dass das Klosterleben ein Stand der Vollkommenheit sein
solle.
So viel gottlose Meinungen und Irrtuemer kleben in den
Klostergeluebden: dass sie sollen rechtfertigen und fromm vor Gott machen, dass
sie die christliche Vollkommenheit sein sollen, dass damit beide des
Evangeliums Raete und Gebote halte, dass sie haben die uebermass der Werke
[*dass sie haben die Uebermasswerke], die man Gott nicht schuldig sei. Dieweil
denn solches alles falsch, eitel und erdichtet ist, so macht es auch die
Klostergeluebde nichtig und unbuendig.
Der XXVIII. Artikel. Von der Bischoefe
Gewalt.
Von der Bischoefe Gewalt ist vorzeiten viel und mancherlei
geschrieben und haben etliche ungeschicklich die Gewalt der Bischoefe und das
weltlich Schwert untereinander gemengt, und sind aus diesem unordentlichen
Gemenge sehr grosse Kriege, Aufruhre und Empoerungen erfolgt, aus dem, dass die
Bischoefe im Schein ihrer Gewalt, die ihnen von Christo gegeben, nicht allein
neue Gottes dienste angerichtet haben und mit Vorbehaltung etlicher Faelle und
mit gewaltsamen Bann die Gewissen beschwert, sondern auch sich unterwunden
[haben], Kaiser und Koenige zu setzen un [zu] entsetzen ihres Gefallens,
welchen Frevel auch lange Zeit hiervor gelehrte und gottesfuerchtige Leute in
der christenheit gestraft habent. Derhalben die Unsern zu[m] Trost der Gewissen
gezwungen sind worden, den Unterschied der Geistlichen und weltlichten Gewalt,
Schwerts und Regiments anzuzeigen, und haben gelehrt, dass man beide Regimente
und Gewalten um Gottes Gebots willen mit aller Andacht ehren und wohl halten
solle als zwei hoechste Gaben Gottes auf Erden.
Nun lehren die Unsern also, dass die Gewalt der Schluessel oder
der Bischoefe sei laut des Evangeliums eine Gewalt und Befehl Gottes, das
Evangelium zu predigen, die Suende zu vergeben und zu behalten und die
Sakramente zu reichen und zu handeln. Denn Christus hat die Apostel mit dem
Befehl ausgesandt Joh. 20, 21 ff.: "Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, also
sende ich euch auch. Nehmet hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Suenden
erlassen werdet, denen sollen sie erlassen sein, und denen ihr sie vorbehalten
werdet, denen sollen sie vorbehalten sein."
Dieselbe Gewalt der Schluessel oder Bischoefe uebt und treibt man
allein mit der Lehre und Predigt Gottes Worts und mit Handreichung der
Sakramente gegen viele oder einzelne Personen, danach der Beruf ist. Denn damit
werden gegeben nicht leibliche, sondern ewige Dinge und Gueter, also naemlich
ewige Gerechtigkeit, der Heilige Geist und das ewige Leben. Diese Gueter kann
man anders nicht erlangen denn durch das Amt der Predigt und durch die
Handreichung der heiligen Sakramente. Denn St. Paulus spricht Roemer. 1, 16:
"Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran
glauben." Dieweil nun die Gewalt der Kirche oder Bischoefe ewige Gueter gibt
und allein durch das Predigtamt geuebt und getrieben wird, so hindert sie die
Polizei und das weltliche Regiment nichts ueberall. Denn das weltliche Regiment
geht mit viel andern Sachen um denn das Evangelium; welche Gewalt schuetzt
nicht die Seelen, sondern Leib und Gut wider aeusserliche Gewalt mit dem
Schwert und leiblichen Poenen [Strafen].
Darum soll man die zwei Regimente, das geistliche und weltliche,
nicht ineinandermengen und =werfern. Denn die geistliche Gewalt hat ihren
Befehl, das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu reichen, soll auch
nicht in ein fremd Amt fallen, soll nicht Koenige setzen oder entsetzen, soll
weltlich Gesetz und Gehorsam der Obrigkeit nicht aufheben oder zerruetten, soll
weltlicher Gewalt nicht Gesetze machen und stellen von weltlichen Haendeln; wie
denn auch Christus selbst gesagt hat Joh. 18, 36: "Mein Reich ist nicht von
dieser Welt." Item Luk. 12, 14: "Wer hat mich zu einem Richter zwischen euch
gesetzt?" Und St. Paulus zu den Philippern am 3, 20: "Unsere Buergerschaft ist
im Himmel." Und in der zweiten zu den Korinthern, 10, 4: "Die Waffen unserer
Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern maechtig vor Gott, zu verstoeren
die Anchlaege und alle Hoehe, die sich erhebt wider die Erkenntis Gottes."
Diesergestalt unterscheiden die Unsern beider Regimente und
Gewalten Amt und heissen sie beide als die hoechste Gabe gottes auf Erden in
Ehren halten.
Wo aber die Bischoefe weltlich Regiment und Schwert haben, so
haben sie dieselben nicht als Bischoefe aus goettlichen Rechten, sondern aus
menschlichen, kaiserlichen Rechten, geschenkt von Kaisern und Koenigen zu
weltlicher Verwaltung ihrer Gueter, und geht das Amt des Evangeliums gar nichts
an.
Derhalben ist das bischoefliche Amt nach goettlichen Rechten: das
Evangelium predigen, Suenden vergeben, Lehre urteilen und die Lehre, so dem
Evangelio entgegen, verwerfen und die Gottlosen, deren gottlos Wesen offenbar
ist, aus [der] christlichen Gemeinde ausschliessen, ohne menschliche Gewalt,
sondern allein durch Gottes Wort. Und diesfalls sind die Pfarrleute und Kirchen
schuldig, den Bischoefen gehorsam zu sein, laut dieses Spruchs Christi, Lucae
am 10, 16: "Wer euch hoeret, der hoeret mich." Wo sie aber etwas dem Evangelio
entgegen lehren, setzen oder aufrichten, haben wir Gottes Befehl in solchem
Fall, dass wir nicht sollen gehorsam sein, Matthaei am 7, 15: "Sehet euch vor
vor den falschen Propheten!" Und St. Paulus zu den Galatern am 1, 8: "So auch
wir oder ein Engel vom Himmel euch ein ander Evangelium predigen wuerde, denn
das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht!" Und in der 2. Epistel zu den
Korinthern am 13, 8. 10: "Wir haben keine Macht wider die Wahrheit, sondern
fuer die Wahrheit." Item: "Nach der Macht, welche mir den HErr zu bessern und
nicht zu verderben gegeben hat." Also gebietet auch das geistliche Recht 2., q.
7., in cap. Sacerdotes und in cap. Oves. Und St. Augustin schreibt in der
Epistel wider Petilianus: "Man soll auch den Bischoefen, so ordentlich
gewaehlt, nicht folgen, wo sie irren oder etwas wider die heilige goettlich
Schrift lehren oder ordnen."
Dass aber die Bischoefe sonst Gewalt und Gerichtszwang haben in
etlichen Sachen, als naemlich Ehesachen oder Zehnten, dieselben haben sie aus
Kraft menschlicher Rechte. Wo aber die Ordinarien nachlaessig in solchem Amt,
so sind die Fuersten schuldig, sie tun's auch gern oder ungern, hierin ihren
Untertanen um Friedens willen Recht zu sprechen, zu[r] Verhuetung Unfriedens
und grosser Unruhe in Laendern.
Weiter disputiert man, ob auch Bischoefe Macht haben, Zeremonien
in der Kirche aufzurichten, desgleichen Satzungen von Speisen, Feiertagen, von
unterschiedlichen Orden der Kirchendiener. Denn die den Bischoefen diese Gewalt
geben, ziehen diesen Spruch Christi an, Joh. 16, 12: "Ich habe euch noch viel
zu sagen, ihr aber koennet's jetzt nicht tragen; wenn aber die Geist der
Wahrheit kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit fuehren." Dazu fuehren sie
auch das Exempel Actorum am 15, 20. 29, da sie Blut und Ersticktes verboten
haben. So zieht man auch das an, dass der Sabbat in Sonntag verwandelt ist
worden wider die zehn Gebote, dafuer sie es achten, und wird kein Exempel so
hoch getrieben und angezogen als die Verwandlung des Sabbats, und wollen damit
erhalten, dass die Gewalt der Kirche gross sei, dieweil sie mit den zehn
Geboten dispensiert und etwas dran veraendert hat.
Aber die Unsern lehren in dieser Frage also, dass die Bischoefe
nicht Macht haben, etwas wider das Evangelium zu setzen und aufzurichten; wie
denn oben angezeigt ist, und die geistlichen Rechte durch die ganze neunte
Distinktion lehren. Nun is dieses oeffentlich wider Gottes Befehl und Wort, der
Meinung Gesetze zu machen oder zu gebieten, dass man dadurch fuer die Suenden
genugtue und Gnade erlange. Denn es wird die Ehre des Verdienstes Christi
verlaestert, wenn wir uns mit solchen Satzungen unterwinden, Gnade zu
verdienen. Es ist auch am Tage, dass um dieser Meinung willen in der
Christenheit menschliche Aufsatzungen unzaehlig ueberhand- genommen haben, und
indes die Lehre vom Glauben und die Gerechtig- keit des Glaubens gar ist
unterdrueckt gewesen. Man hat taeglich neue Feiertage, neue Fasten geboten,
neue Zeremonien und neue Ehrerbietung der Heiligen eingesetzt, mit solchen
Werken Gnade und alles Gute bei Gott zu verdienen.
Item, die menschliche Satzungen aufrichten, tun auch damit wider
Gottes Gebot, dass sie Suende setzen in der Spiese, in Tagen und dergleichen
Dingen und beschweren also die Christenheit mit der Knechtschaft des Gesetzes,
eben als muesste bei den Christen ein solcher Gottesdienst sein, Gottes Gnade
zu verdienen, der gleich waere dem levitischen Gottesdienst, welchen Gott
sollte den Aposteln und Bischoefen befohlen haben aufzurichten, wie denn
etliche davon schreiben; [es] steht auch wohl zu glauben, dass etliche
Bischoefe mit dem Exempel des Gesetzes Mosis sind betrogen worden, daher so
unzaehlige Satzungen gekommen sind, dass [es] eine Todsuende sein soll, wenn
man an Feiertagen eine Handarbeit tue, auch ohne Aergernis der andern; dass
[es] eine Todsuende sei, wenn man die Siebenzeit nachlaesst; dass etliche
Speisen das Gewissen verunreinigen; dass Fasten ein solch Werk sei, damit man
Gott versoehne; dass die Suende in einem vorbehaltenen Fall werde nicht
vergeben, man eresuche denn zuvor den Vorbehalter des Falls, unangesehen, dass
die geistlichen Rechte nicht von Vorbehaltung der Schuld, sondern von
Vorbehaltung der Kirchenpoenen reden.
Woher haben denn die Bischoefe Recht und Macht, solche Aufsaetze
der Christenheit aufzulegen, die Gewissen zu verstricken? Denn St. Petrus
verbietet in [den] Geschichten der Apostel am 15, 10, das Joch auf der Junger
Haelfe zu legen. Und St. Paulus sagt zu den Korinthern, dass ihnen die Gewalt
zu bessern und nicht zu verderben gegeben sei. Warum mehren sie denn die Suende
mit solchen Aufsaetzen?
Doch hat man helle Sprueche der goettlichen Schrift, die da
verbieten, solche Aufsaetze aufzurichten, die Gnaede Gottes damit zu verdienen,
oder als sollten sie vonnoeten zur Seligkeit sein. So sagt St. Paulus zu den
Kolossern, 2, 16.20: "So lasst nun niemand euch Gewissen machen ueber Spiese
oder ueber Trank oder ueber bestimmte Tage, naemlich die Feiertage oder neue
Monde oder Sabbate, welches ist der Schatten von dem, das zukuenftig war, aber
der Koerper selbst ist in Christo." Item: "So ihr denn gestorben seid mit
Christo von den weltlichen Satzungen, was lasset ihr euch denn fangen mit
Satzungen, als waeret ihr lebendig? Die da sagen: Du sollst das nicht
anruehren, du sollst das nicht essen noch trinken, du sollst das nicht anlegen,
welches sich doch alles unter Haenden verzehret, und sind Menschengebote und
=lehren und haben einen Schein der Wahrheit." Item, St. Paulus zu Tito am 1, 14
verbietet oeffentlich, man soll nicht achten auf juedische Fabeln und
Menschengebote, welche die Wahrheit abwenden.
So redet auch Christus selbst Matth. am 15, 14. 13 von denen, so
die Leute auf Menschengebote treiben: "Lasst sie fahren; sie sind der Blinden
blinde Leiter"; und verwirst solchen Gottesdienst und sagt: "Alle Pflanzen, die
mein himmlischer Vater nicht gepflanzet hat, die werden ausgereutet."
So nun die Bischoefe Macht haben, die Kirchen mit unzaehligen
Aufsaetzen zu beschweren und die Gewissen zu verstricken, warum verbietet denn
die goettliche Schrift so oft, die menschlichen Aufsaetze zu machen und zu
hoeren? Warum nennt sie dieselben Teufelslehren? Sollte denn der Heilige Geist
solches alles vergeblich verwarnt haben?
Derhalben, dieweil solche Ordnungen, als noetig aufgerichtet,
damit Gott zu versoehnen und Gnade zu verdienen, dem Evangelio entgegen sind,
so ziemt sich keineswegs den Bischoefen, solche Gottesdienste zu erzwingen.
Denn man muss in der Christenheit die Lehre von der christlichen Freiheit
behalten, als naemlich, dass die Knechtschaft des Gesetzes nicht noetig ist zur
Rechtfertigung, wie denn St. Paulus zu den Galatern schreibt am 5, 1: "So
bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasst euch
nicht wieder in das knechtische Joch verknuepfen!" Denn es muss je der
vornehmste Artikel des Evangeliums erhalten werden, dass wir die Gnade Gottes
durch den Glauben an Christum ohne unser Verdienst erlangen und nicht durch
Dienst, von Menschen eingesetzt, verdienen.
Was soll man denn halten vom Sonntag und dergleichen andern
Kirchenordnungen und Zeremonien? Dazu geben die Unsern diese Antwort, dass die
Bischoefe oder Phfarrherren moegen Ordnungen machen, damit es ordentlich in der
Kirche zugehe, nicht damit Gottes Gnade zu erlangen, auch nicht damit fuer die
Suenden genugzutun oder die Gewissen damit zu verbinden, solches fuer noetigen
Gottesdienst zu halten und es dafuer zu achten, dass sie Suende taeten, wenn
sie ohne Aergernis dieselben brechen. Also hat St. Paulus zu den Korinthern, 1
Kor. 11, 5. 6, verordnet, dass die Weiber in der Versammlung ihr Haupt sollen
decken; item, dass die Prediger in der Versammlung nicht zugleich alle reden,
sondern ordentlich, einer nach dem andern.
Solche Ordnung gebuehrt der christlichen Versammlung um der Liebe
und [des] Friedens willen zu halten und den Bischoefen und Pfarrherren in
diesen Faellen gehorsam zu sein und dieselben sofern zu halten, dass einer den
andern nicht aergere, damit in der Kirche keine Unordnung oder wuestes Wesen
sei; doch also, dass die Gewissen nicht beschwert werden, dass man's fuer
solche Dinge halte, die not sein sollten zur Seligkeit, und es dafuer achte,
dass sie Suende taeten, wenn sie dieselben ohne der andern Aergernis brechen;
wie denn neimand sagt, dass das Weib Suende tue, die mit blossem Haupt ohne
Aergernis der Leute ausgeht.
Also ist die Ordnung vom Sonntag, von der Osterfeier, von den
Pfingsten und dergleichen Feier und Weise. Denn die es dafuer achten, dass die
Ordnung vom Sonntag fuer den Sabbat also noetig aufgerichtet sei, die irren
sehr. Denn die Heilige Schrift hat den Sabbat abgetan und lehrt, dass alle
Zeremonien des alten Gesetzes nach Eroeffnung des Evangeliums moegen
nachgelassen werden; und dennoch, weil vonnoeten gewesen ist, einen gewissen
Tag zu verordnen, auf dass das Volk wuesste, wann es zusammenkommen sollte, hat
die christliche Kirche den Sonntag dazu verordnet und zu dieser Veraenderung
desto mehr Gefallens und Willens gehabt, damit die Leute ein Exempel haetten
der christlichen Freiheit, dass man wuesste, das weder die Haltung des Sabbats
noch eines andern Tags vonnoeten sei.
Es sind viel unrichtige Disputationen von der Verwandlung des
Gesetzes, von den Zeremonien des Neuen Testaments, von der Veraenderung des
Sabbats, welche alle eintsprungen sind aus falscher und irriger Meinung, als
muesste man in der Christenheit einen solchen Gottesdienst haben, der dem
levitischen oder juedischen Gottesdienst gemaess waere, und also sollte
Christus den Aposteln und Bischoefen befohlen haben, neue Zeremonien zu
erdenken, die zur Seligkeit noetig waeren. Dieselben Irrtuemer haben sich in
die Christenheit eingeflochten, da man die Gerechtigkeit des Glaubens nicht
lauter und rein gelehrt und gepredigt hat. Etliche disputieren also vom
Sonntag, dass man ihn halten muesse, wiewohl nicht aus goettlichen Rechten
[*dennoch schier als viel als aus goettlichen Rechten], stellen Form und Mass,
wiesern man am Feiertag arbeiten mag. Was sind aber solche Disputationes anders
denn Fallstricke des Gewissens? Denn wiewohl sie sich unterstehen, menschliche
Aufsaetze zu lindern und epiizieren, so kann man doch keine "epieikeian" oder
Linderung treffen, solange die Meinung steht und bleibt, als sollten sie
vonnoeten sein. Nun muss dieselbe Meinung bleiben, wenn man nichts weiss von
der Gerechtigkeit des Glaubens und von der christlichen Freiheit.
Die Apostel haben geheissen, man solle sich enthalten des Blutes
und [des] Erstickten. Wer haelt's aber jetzo? Aber dennoch tun die keine
Suende, die es nicht halten; denn die Apostel haben auch selbst die Gewissen
nicht wollen beschweren mit solcher Knechtschaft, sondern haben's um
Aergernisses willen eine Zeitlang verboten. Denn man muss Achtung haben in
dieser Satzung auf das Haupstueck christlicher Lehre, das durch dieses Dekret
nicht aufgeholben wird.
Man haelt schier keine alten Canones, wie sie lauten; es fallen
auch derselben Satzungen taeglich viele weg, auch bei denen, die solche
Aufsaetze allerfleissigst halten. Da kann man den Gewissen nicht raten noch
helfen, wo diese Linderung nicht gehalten wird, dass wir wissen, solche
Aufsaetze also zu halten, dass man's nicht dafuerhalte, dass sie noetig seien,
dass [es] auch den Gewissen unschaedlich sei, obgleich solche Aufsaetze fallen.
Es wuerden aber die Bischoefe leichtlich den Gehorsam erhalten, wo
sie nicht darauf draengen, diejenigen Satzungen zu halten, so doch ohne Suende
nicht moegen gehalten werden. Jetzo aber tun sie ein Ding und verbieten beide
Gestalten des heligen Sakraments; item den Geistlichen den Ehestand; nehmen
niemand auf, ehe er denn zuvor einen Eid getan habe, er wolle diese Lehre, so
doch ohne Zweifel dem heiligen Evangelio gemaess ist, nicht predigen. Unsere
Kirchen begehren nicht, dass die Bischoefe mit Nachteil ihrer Ehren und Wuerden
wiederum Frieden und Einigkeit machen, wiewohl solches den Bischoefen in der
Not auch zu tun gebuehrte. Allein bitten si darum, dass die Bischoefe etliche
unbillige Beschwerungen nachlassen, die doch vorzeiten auch in der Kirche nicht
gewesen und angenommen sind wider den Gebrauch der christlichen gemeinen
Kirche; welche veilleicht im Anheben etliche Ursachen gehabt, aber sie reimen
sich nicht zu unsern Zeiten. So ist es auch unleugbar, dass etliche Satzungen
aus Unverstand angenommen sind. Darum sollten die Bischoefe der Guetigkeit
sein, dieselben Satzungen zu mildern, sintemal eine solche Aenderung nichts
schadet, die Einigkeit christlicher Kirche zu erhalten; denn viele Satzungen,
von den Menschen aufgekommen, sind mit der Zeit selbst gefallen und nicht
noetig zu halten, wie die paepstlichen Rechte selbst zeugen. Kann's aber je
nicht sein, [ist] es auch bei ihnen nicht zu erhalten, dass man solche
menschlichen Satzungen maessige und abtue, welche man ohne Suende nicht kann
halten, so muessen wir der Apostel Regel folgen, die uns gebietet, wir sollen
Gott mehr gehorsam sein denn den Menschen.
St. Petrus verbietet den Bischoefen die Herrschaft, als haetten
sie Gewalt, die Kirchen, wozu sie wollten, zu zwingen. Jetzt geht man nicht
damit um, wie man den Bischoefen ihre Gewalt nehme, sondern man bittet und
begehrt, sie wollten die Gewissen nicht zu Suenden zwingen. Wenn sie aber
solches nicht tun werden und diese Bitte verachten, so moegen sie gedenken, wie
sie werdens deshalben Gott Antwort geben muessen, dieweil sie mit solcher ihrer
Haertigkeit Ursache geben zu Spaltung und Schisma, das sie doch billig sollten
verhueten helfen.
Schluss
Dies sind die vornehmsten Artikel, die fuer streitig geachtet
werden. Denn wiewohl man viel mehr Missbraeuche und Unrichtigkeit haette
anziehen koennen, so haben wir doch, die Weitlaeuftigkeit und Laenge zu
verhueten, allein die vornehmsten vermeldeet, daraus die andern leichtlich zu
ermessen [sind]. Denn man [hat] in Vorzeiten sehr geklagt ueber den Ablass,
uber Wallfahrten, ueber Missbrauch des Bannes. Es hatten auch die Pfarrer
unendlich Gezaenk mit den Moenchen von wegen des Beichthoerens, des
Begraebnisses, der Leichenpredigten [*Beipredigten] und unzaehliger anderer
Stuecke mehr. Solches alles haben wir im besten und Glimpfs willen uebergangen,
damit man die vornehmsten Stuecke in dieser Sache desto bass [besser] vermerken
moechte. Dafuer soll es auch nicht gehalten werden, dass in dem jemand ichtes
zu Hass, wider oder Unglimpf geredet [dass mit dem im Bekenttnis Gesagten
jemand etwas zu Hass, zuwider oder zu Unglimpf geredet] oder angezogen sei,
sondern wir haben allein die Stuecke erzaehlt, die wir fuer noetig anzuziehen
und zu vermelden geachtet haben, damit man daraus desto bass [besser] zu
vernehmen habe, dass bei uns nichts weder mit Lehre noch mit Zeremonien
angenommen ist, das entweder der Heiligen Schrift oder gemeiner christlicher
Kircher zuentgegen [zuwider] waere. Denn es ist je am Tage und oeffentlich,
dass wir mit allem Fleiss mit Gottes Hilfe (ohne Rum zu reden) verhuetet haben,
damit je keine neue und gottlose Lehre sich in unsern Kirchen einflechte,
einreisse und ueberhandnehme.
Die obgemeldeten Artikel haben wir dem Ausschreiben nach
uebergeben wollen zu einer Anzeigung unsers Bekenntnisses und der Unsern Lehre.
Und ob jemand befunden wuerde, der daran Mangel haette, dem ist man ferner
Bericht mit Grund goettlicher Heliger Schrift zu tun erboetig.
Eurer Kaiserlicher Majestaet
Untertaenigste:
Johnannes, Herzog zu Sachsen, Kurfuerst.
Georg, Markgraf zu Brandenburg. Ernst, Herzog zu Lueneburg.
Philipp, Landgraf zu Hessen. Wolfgang, Fuerst zu Anhalt. Die Stadt
Nuernberg. Die Stadt Reutlingen.
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