Graf Heinrich IV. von
Sayn *1539 -
1606
Graf zu Sayn und Herr zu
Homburgk, Moncklar und Mentzburg
Excurs - Lutheraner,
Reformierte und Katholiken
im 16.
Jahrhundert
Von Dieter Kittlauß
Das Leben entwickelt viele Formen, Vielfalt ist eine
Eigenschaft der Evolution. Dies gilt ebenfalls für die Menschheit und so
auch für die Religion. Dass sich in der christlichen Bewegung im 16.
Jahrhundert unterschiedliche Richtungen differenzierten, war nicht das Problem
sondern ihre wachsende Feindschaft und die Vermischung mit politischen
Machtkämpfen. Wir müssen auch beachten, dass es am Anfang über
lange Zeit viele Überschneidungen gab. Oft wussten selbst die Pfarrer
nicht, welches die katholische oder protestantische Lehre sei und viele so
genannte typisch protestantische Entwicklungen kamen erst später, oft von
den erbitterten Auseinandersetzungen begünstigt.
Im Laufe des Reformationsprozesses entwickelten sich
drei große Konfessionskirchen, die ihre Identität durch schriftlich
niedergelegte Glaubensbekenntnisse (Confessio, Katechismus) definierten und
unterschiedliche Formen im Glaubensverständnis, in Gottesdienst und
Gemeindeorganisation entwickelten: Lutheraner, Reformierte, Katholiken.
Lutheraner und Reformierte
(Protestantismus): wollten eine radikale "Reform an Haupt und
Gliedern" verbunden mit politischen Machtveränderungen. Dazu
gehörten:
Rückbildung des klerikalen Machtapparates
(gegen die Papstkirche), Rückbesinnung auf die Bibel (Erneuerung von
Theologie und Frömmigkeit), Reduzierung von nichtchristlichen
Bräuchen, Rückbildung des ausgeuferten Ordenswesens,
Entkoppelung von Frömmigkeit und Geldwirtschaft (z.B. Ablasswesen)
Aufbau von Formen der Mitbestimmung in den Gemeinden, Beschränkung
der kaiserlichen Zentralmacht.
Bei Lutheranern und Reformierten gab es viele
Unterschiede in der Deutung des Glaubens (Theologie). im liturgischen
Verständnis (wie beten und Gottesdienst feiern) und vor allem im
"Lebensgefühl". So waren die Lutheraner (auch heute noch) sehr katholisch
(im Sinne des traditionellen Katholizismus), die Reformierten eher spartanisch
- stoisch.
Die Mehrheit der protestantischen Fürsten im
Deutschen Reich entschied sich für die lutherische Richtung und nahm
Melanchthons Confessio Augustana (1530) als verbindliche Lehre an
(Schmalkaldener Bund und Augsburger Religionsfrieden). Genf wurde dagegen unter
Jean Calvin zum Zentrum des reformierten Bekenntnisses und der
Organisationsstrukturen der reformierten Kirche. Das Genfer Modell prägt
1559 die Confessio Gallicana der französischen Hugenotten; 1560 Confessio
scotica in Schottland (John Knox); 1566 Confessio helvetica posterior in der
Schweiz; allerdings kann zunächst keine Einigung der Reformierten in ganz
Europa auf eine gemeinsame Bekenntnisschrift erzielt werden. Diese gelingt erst
auf der Synode von Dordrecht 1618/19.
In den 1560er Jahren kommen viele reformierte
Glaubensflüchtlinge aus Frankreich und den Niederlanden in das Deutsche
Reich. 1563 entsteht der Heidelberger Katechismus. Unter dem Churfürsten
von der Pfalz entsteht die erste reformierte Landeskirche im Reich (Thomas
Erastus).
Der Calvinismus in seiner abgeschwächten Form
wirkte sehr anziehend: Bewährung in der Welt durch Fleiß und
Sparsamkeit, Entwicklung von "demokratischen" Leitungsformen in den
verschiedenen kirchlichen Ebenen, Nüchternheit gegenüber der
Volksfrömmigkeit, Einfachheit in den Gottesdiensten.
Demgegenüber entwickelte das Luthertum die neue
Struktur der Landeskirchen mit einem gegliederten und ortsnahen Leitungssystem
(Landesherr, Konsistorium, Superintendenten, Pfarrer).
Die Lutheraner schließen sich unter der
Konkordienformel von 1577 zusammen (1580 Konkordienbuch mit maßgebenden
lutherischen Bekenntnisschriften).
Seit den 1580er Jahren erfolgt eine verstärkte
reformierte Konfessionalisierung im Reich, die so genannte "Zweite
Reformation".
Zum Teil finden mehrfache Konfessionswechsel in einer
Dynastie kurz nacheinander statt, die jeweils den Austausch der theologischen
und juristischen Eliten, der Katechismen, Gottesdienstpraxis, Kirchenordnungen
etc. auslösen. Insgesamt besteht ein Zwang zur gegenseitigen klaren Aus-
und Abgrenzung sowohl innerhalb des Protestantismus als auch gegenüber der
verschärften katholischen Offensive.
Katholiken
Die ehemals universale alte Kirche des
weströmischen Reiches (die Ostkirchen hatten sich bereits zu Anfang des
zweiten Jahrtausend von der päpstlichen Herrschaft gelöst) musste
sich gegenüber der reformatorischen Bewegung abgrenzen. Das leistete das
Konzil von Trient (1545-1563, mit zwei langen Unterbrechungen): Kirchenreform
einerseits, dogmatische Klärungen andererseits. Jedoch erwies sich das
kaiserliche Ziel, durch eine Reformierung der katholischen Kirche, die
Protestanten zurückzuführen, als illusionär. Die Dogmatischen
Festlegungen des Tridentinischen Konzils reduzierten zwar viele
mittelalterliche theologische Meinungen und konzentrieren den offiziellen
Glauben auf das Wesentliche, "zementieren" aber gleichzeitig einen Kodex von
Lehren (z.B. sieben Sakramente, Klerikalstruktur, Vorrang des Lehramtes vor der
Bibel, Erlösungslehren usw.)
Die katholischen Reformziele: *
Stärkung von Predigt und Katechese; * Residenzpflicht der
Bischöfe und Pfarrer; * Ausbildung der Pfarrer in Priesterseminaren;
* regelmäßige Diözesan- und Provinzialsynoden; *
regelmäßige Visitationen; * Reform des kirchlichen Strafrechts
und des Eherechts.
Der päpstliche Primat wird grundsätzlich
nicht angetastet, aber insgesamt erfolgt auch eine Stärkung der
Bischöfe und des Pfarrklerus.
Schritte: 1564: Forderung der Professio fidei
Tridentina als verbindliches Glaubensbekenntnis von allen Amtsträgern.
Päpstliche Reform der Kurie 1561/62, Neuordnung der Lateinischen
Liturgie (1570 Missale, 1614 Rituale Romanum).
1572 leitet Papst Gregor XII die katholische
Restauration ein (70 % in Deutschland war bereits protestantisch).
Hauptinstrumente sind die neuen Ordensgemeinschaften wie Theatiner,
Oratorianer, Ursulinen und vor allem die Jesuiten (Societas Jesu,
begründet 1540 durch Ignatius von Loyola, in Deutschland verbreitet durch
Petrus Canisius), die sich auszeichnen durch:
* unmittelbare Unterordnung unter den Papst
ohne Bindung an ein Kloster, ohne gemeinsames Stundengebet, ohne gemeinsamen
Habit und dergleichen; * streng hierarchischer Aufbau; * unbedingter
Gehorsam; * akademische Ausbildung; * innere Disziplinierung durch
geistliche Exerzitien.
Die verinnerlichte Selbstkontrolle statt
äußeren Zwangs ermöglicht den flexiblen Einsatz der
Ordensmitglieder in der inneren und äußeren Mission, in der
Volkspädagogik, im höheren Bildungswesen (Gymnasien und
Universitäten) und als Berater an katholischen Fürstenhöfen.
Bis 1600 sind Bayern, Baden, Steiermark,
Kärnten, Köln, Paderborn, Münster und das Eichsfeld wieder
katholisch. (Anm.:1)
Anm.:1 = Plötz
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