Die Anfänge des
Leonillastiftes in Sayn
von Hermann Müller
Gründungsmitglied der GGH
Seit über hundert Jahren befindet sich schräg
gegenüber der Sayner Schloßkapelle ein kleines Kloster, das
Leonillastift, dessen Gründung, wie schon der Name besagt, auf die
Fürstin Leonilla von Sayn-Wittgenstein Sayn, geb. Prinzessin Bariatinsky,
zurück geht. Nachdem diese edle und fromme Fürstin im Jahre 1850 mit
ihrer Familie nach Sayn übergesiedelt war, beschloß sie alsbald,
hier eine wohltätige Einrichtung ins Leben zu rufen, um damit einen Be
weis christlicher Mildtätigkeit zu geben und ihr Andenken bei den
Bewohnern von Sayn für alle Zeit zu bewahren. Auf ihren vielfältigen
Reisen hatte die Fürstin, zumal in größeren Städten
Frankreichs, Wohlfahrtseinrichtungen, die von Ordensschwestern geleitet wurden,
kennen gelernt. Wenn sich auch durch das Aufblühen der Industrie ringsum
die wirtschaftliche Lage der einfachen Leute in Sayn wesentlich gebessert
hatte, so gab es noch viel Not und Elend, war doch für Krankheitstage und
Alter der arbeitenden Bevölkerung sozusagen gar nicht gesorgt. Auch die
Kindernot war bei dem damaligen Kinderreichtum, den beengten Wohn
Verhältnissen vieler Familien und der starken Inanspruchnahme der Eltern
durch Fabrik und Feldarbeit oft recht groß. Fürstin Leonilla
entschied sich, ein Heim für Kleinkinder ins Leben zu rufen, wo diese
während des Tages betreut und mit allem Nötigen versorgt werden
sollten. Zu ihrer Freude fand sie die Zustimmung des damaligen Pfarrers
Holsinger von Sayn und anderer an dem Projekt interessierter Familien. So kam
es denn bereits im Jahre 1851 zur Gründung einer
Kinderbewahranstalt", die nach der Geburtsstätte Christi
chreche" (Krippe) genannt wurde. Hier sollte armen Kleinkindern unter
Aufsicht einer Vorsteherin Pflege und gemeinschaftliche Erziehung, kurz alles
das zuteil werden, was ihnen zu Hause fehlte; den Eltern hingegen wollte man so
die Erledigung ihrer täglichen Arbeiten erleichtern. Die Fürstin
stellte ein geeignetes Haus, das an der gleichen Stelle stand, wo sich auch das
heutige Leonillastift befindet, zur Verfügung. Alles wurde überholt
und für die neue Bestimmung hergerichtet, wobei der Fürstin als
Vorbild ähnliche Anstalten in Frankreich vorschwebten. Jedoch fehlte die
praktische Erfahrung, wenn man bedenkt, daß die Krippe nur für die
Aufnahme von sechs Kindern eingerichtet wurde, was dem Aufwand in keiner Weise
entsprach. Allerdings faßte man von Anfang an eine
Vergrößerung zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge.
Während die Leitung des Hauses der bereits erwähnten
Vorsteherin, der zwei Mägde zur Hand gingen, oblag, wurde die Verwaltung
einem eigenen Komitee über tragen, das aus der Fürstin Leonilla als
Stifterin, der Baronin von Bleul als ihrer Stellvertreterin, dem Pastor
Holsinger als Präsident, dem fürstlichen Hauskaplan Schmitz als
Sekretär und dem fürstlichen Baumeister (Verwalter) Becker als
Kassierer bestand. Ferner wurden solche Einwohner von Sayn in das Komitee
aufgenommen, die bereit waren, durch eigene Arbeit zum Wohle der Anstalt
beizutragen oder etwa wöchentlich die Krippe zu besuchen, um bei der
Gelegenheit ihre persönlichen Eindrücke und Vorschläge in ein
eigens anzulegendes Visitationsbuch einzutragen. Das Gebäude selbst
bestand aus sechs Zimmern. Ein Saal" diente als Aufenthaltsraum für
die Kinder. In dem Kinder-Schlafzimmer, in dem gleichzeitig auch die Mägde
schliefen, wurden die nötigen Hängewiegen angebracht. Auch gab es ein
Ankleidezimmer mit Wasch- und Badegelegenheit für die Kinder, ein
Konferenzzimmer für das Komitee, in dem die Kleider schränke
untergebracht waren, sowie ein Wohnzimmer für die Vorsteherin und eine
Küche. Bei der ganzen Einrichtung wurde besonders darauf geachtet,
daß alle mögliche Vorsorge getroffen war, damit die Kinder sich
nicht verletzen konnten. Es gab eine eigene Hausapotheke mit vielen
bewährten Hausmitteln. Nicht nur die Kleidung, die die Kinder beim
Aufenthalt in der Krippe trugen, stand zur Verfügung, sondern auch
Mäntel, um dieselben beim Bringen und Abholen einhüllen zu
können". Nachdem das Personal die notwendige Anleitung erhalten und eine
genaue Haus Ordnung festgelegt worden war, konnte die Kinderbewahrschule am 9.
März 1851 feierlich eingeweiht werden. Neben der fürstlichen Familie
und dem Komitee wa ren die Vorsteherin mit ihren Mägden und die
Mütter der aufzunehmenden Kinder zu gegen. Pastor Holsinger hielt eine
Ansprache und nahm die feierliche Benediktion des Hauses vor. Nach Erledigung
aller Formalitäten erfolgte zuletzt die Übergabe der sechs Kinder an
die hohe Protektorin und von dieser an die Vorsteherin.
Am 27. Juni 1851 ließ die Fürstin zwei weitere und am
7. Juli nochmals zwei Kinder in die Bewahrschule aufnehmen, in der nunmehr zehn
Kinder betreut wurden. Doch zeigte es sich bereits nach einigen Monaten,
daß die Unterhaltungskosten der gesamten Anstalt in keinem
Verhältnis standen zu dem erzielten Nutzen, und auch Versuche, die
Ausgaben zu verringern, blieben ohne Erfolg. So beschloß das Komitee
einstimmig, die Kinderbewahrschule am 31. Oktober 1851 wieder zu
schließen, der da mit nur eine kurze Lebensdauer beschieden war.
Jedoch ließ die Fürstin sich nicht entmutigen,
sondern faßte sofort den Plan, eine ähnliche Einrichtung auf anderer
Grundlage ins Leben zu rufen. Da die fürstliche Familie aber von November
1851 an fast zwei Jahre nicht in Sayn weilte, konnte in der Angelegenheit
vorerst nichts geschehen. Nach ihrer Rückkehr reiste Fürst Ludwig von
Sayn-Wittgenstein noch im Sommer 1853 nach Aachen zur Generaloberin der armen
Schwestern vom hl. Franziskus und trug ihr das Anliegen der Fürstin vor,
die in Sayn eine Filiale dieser Ordensschwestern stiften wollte. Die
Generaloberin gab eine Zusage für das Frühjahr 1854 und
äußerte ihre Wünsche für die Einrichtung des
Filialgebäudes. Die hocherfreute Fürstin ließ sogleich mit den
Veränderungs- und Instandsetzungsarbeiten beginnen und alles
wunschgemäß möblieren. Der Saal wurde Betzimmer, Krankenstube
und Schlafraum für die Schwestern, die übrigen Räume
Sprechzimmer, Küche, Armenküche, Refektorium und Schlafzimmer
für die Oberin.
So konnten denn im Frühjahr 1854 drei Schwestern ihren
Einzug in die Filiale halten, die feierlich eröffnet wurde. Später
waren vier, zeitweise auch fünf Schwestern in Sayn segensreich tätig.
Hauptsächlich widmeten sie sich der Krankenpflege, er teilten aber auch
den Mädchen des Ortes Unterricht in allen Handarbeiten und sammelten
Almosen für die Armen. Fürstin Leonilla nahm regen Anteil an der
Entwicklung ihrer Stiftung, mit der sie höchst zu frieden war. Fast
täglich weilte sie bei den Schwestern und stand ihnen mit Rat und Tat zur
Seite. Da traf die aufblühende Stiftung ganz unerwartet ein neuer
Rückschlag. Im Frühjahr 1856 teilte die Generaloberin der
Fürstin, ohne nähere Grün de anzugeben, mit, daß die
Schwestern nicht länger in Sayn bleiben könnten. Zum Leidwesen der
Fürstin und der Bewohner Sayns, bei denen sich die selbstlosen Schwestern
großer Beliebtheit erfreut hatten, verließen diese am 9. April 1856
Sayn. Auch nach dem zweiten Fehlschlag blieb die Fürstin nicht
müßig. Um eine eventuelle Neugründung finanziell sicherstellen
zu können, begann sie mit der Schaffung eines Fonds. Zunächst sollten
diesem die Eintrittsgelder, die für die Besichtigung von Schloß und
Park erhoben wurden, zufließen. Vor allem aber galt es, eine
Genossenschaft zu finden, die bereit sein würde, die Filiale auf lange
Zeit hinaus bestehen zu lassen. Zufällig erfuhr die Fürstin von einer
ganz jungen Genossenschaft, den armen Dienstmägden Christi", die in
Dernbach entstanden war und in den wenigen Jahren ihres Bestehens sehr gute
Erfolge erzielt und über dreißig Filialen gegründet hatte. Der
Superior der Genossenschaft, an den die Fürstin sich wandte, kam ihren
Bitten wohlwollend entgegen und war bereit, drei Schwestern für Sayn zur
Verfügung zu stellen. Am 3. Juni 1856 besuchte die Mitbegründerin und
derzeitige Generaloberin der Genossenschaft, Mutter Maria, selbst Sayn, um das
Haus zu besichtigen. Sie äußerte sich sehr zu frieden und gab nur
geringfügige Änderungen an, die in kurzer Zeit ausgeführt werden
konnten. Die Eröffnung der neuen Filiale sollte noch 1856 stattfinden, zog
sich aber durch die häufige Abwesenheit der fürstlichen Familie bis
1859 hinaus. Inzwischen aber bemühte sich die Fürstin, ihrem
Stiftungsfonds weitere Einnahmen zu verschaffen. So bestimmte sie im Herbst
1856 vierzehn Morgen Ackerland, die zusammen mit dem übrigen
fürstlichen bewirtschaftet werden, deren Erträgnisse aber dem
Stiftungsfonds zufließen sollten, der bis zum Frühjahr 1859 auf 824
Taler, 6 Silbergroschen, 3 Pfennige angewachsen war. 800 Taler wurden in der
fürstlichen Kasse zinsbar angelegt, weitere Einkünfte und Zinsen der
Filiale zugeführt, deren Neugründung nun in greifbare Nähe
gerückt war. Nachdem die beiden früheren Anstalten gescheitert waren,
suchte die Fürstin nunmehr weitere Kreise Sayns für ihre Pläne
zu interessieren. Daher beauftragte sie den fürstl. Generalverwalter
Strauß, die einflußreichsten Bürger einzuladen, ein Komitee zu
bilden, das mit der Leitung der zu gründenden Anstalt betraut werden
sollte. In dem Einladungsschreiben heißt es, daß die Fürstin
der Filiale außer dem vollständig eingerichteten Hause einen
jährlichen Unterhaltsbeitrag von 250 Talern und 25 Klaftern Holz zukommen
lassen wolle, ferner die Zinsen des Stiftungsfonds. Jedoch wolle sie Haus und
Kapitalien zurückziehen, falls der Erfolg ihrer Gründung ausbleibe
und das Interesse seitens der Sayner Bewohner fehle. Andern falls werde sie zu
einem späteren Zeitpunkt alles der Anstalt fest und für immer
übergeben. Die Fürstin ließ ausdrücklich feststellen,
daß diese nicht als Gemeindeinstitut, sondern als Privatanstalt anzusehen
sei und mithin auch nicht unter Gemeindeaufsicht zu stehen kommen solle.
Den Wünschen der Fürstin entsprechend bildete sich
bald das Komitee, zu dessen Präsident man wiederum Dechant Holsinger
wählte. Am 11. Mai 1859 kam sodann die Generaloberin aus Dernbach mit den
für Sayn bestimmten Schwestern hier an. Sie führte diese feierlich
ein und blieb einige Tage in Sayn, wo die neuen Schwestern sich recht bald
einlebten und eine segensvolle Tätigkeit entwickelten. Sie er richteten
eine vielseitige Handarbeitsschule für Mädchen, wo diese Stricken,
Häkeln, Sticken und Nähen erlernen konnten. Bei Tag und Nacht
widmeten sie sich der Krankenpflege, brachten den Kranken Arzneien und andere
Erquickungen, standen den Sterbenden bei und übten christliche
Nächstenliebe überall dort, wo sich eine Gelegenheit bot. Eine
Schwester übernahm dem Wunsch der Fürstin gemäß die
Betreuung und Ausschmückung der Schloßkapelle und die Sorge für
das Inventar, was früher Prinzessin Antoinette von Sayn-Wittgenstein,
nunmehrige Fürstin von Campagnano, besorgt hatte. Seit 1860 oblag den
Schwestern außerdem die Pflege des Heiligenhäuschens und der
Kreuzwegstationen, welche die Fürstin damals am unteren Ende des Parkes
errichten ließ, um den frommen Geist der Bewohner Sayns zu
fördern." Die fürstliche Familie, die zur Zeit der Eröffnung der
Filiale nicht in Sayn weilte, kehrte wenige Wochen später zurück und
war hocherfreut, die Schwestern bereits in voller Wirksamkeit anzutreffen.
Deshalb widmete die Fürstin sich jetzt ihrer jungen Gründung mit
größtem Eifer und war stets bemüht, die Einrichtung des
Klosters zu vervollständigen und zu verbessern und die Schwestern
wirtschaftlich für alle Zukunft zu sichern. Das Haus war damals eingeteilt
in eine Hauskapelle für die täglichen Gebete der Schwestern, ein
Sprechzimmer (gleichzeitig Schulzimmer für den Handarbeitsunterricht), ein
Refektorium, eine Schwesternküche, eine Armenküche mit einem eigenen
Ausgang zur Straße, ein Krankenzimmer, in dem gewöhnlich die Oberin
schlief, ein Schlafzimmer für die Schwestern mit mehreren Zellen und die
notwendigen Nebenräume.
Schon im Herbst 1859 dachte die Fürstin daran, das Kloster
zu vergrößern und die Mittel, die den Schwestern zur Verfügung
stehen sollten, zu vermehren. Damals machte der fürstliche Verwalter
Strauß, der als Rechnungsführer dem Verwaltungskomitee
angehörte, der Fürstin den Vorschlag, dem Kloster durch Anlage einer
Ananaskultur eine weitere Einnahmequelle zu verschaffen. Er schätzte den
jährlichen Reingewinn auf 120 bis 150 Taler. Die Fürstin als
Liebhaberin der Gartenkunst war von diesem Vorschlag begeistert und stellte,
nachdem Fürst Ludwig einen geeigneten Platz für das zu erbauende
Ananashaus bestimmt hatte, die erforderliche Bausumme von 308 Talern 7
Silbergroschen und 9 Pfennigen zur Verfügung und ordnete an, daß
später der Reingewinn nach Abzug der Unkosten der Klosterfiliale
zufließen solle. Noch im Herbst 1859 konnte das Treibhaus erbaut werden.
Die notwendigen Ananaspflanzen wurden beschafft und rechnete man für 1861
mit einem vollen Ertrag, etwa hundert Früchten, die einen Erlös von
160 Talern zu erbringen versprachen. Eine kleinere Einnahme erbrachten andere
in dem Treibhaus gezüchtete Warmhauspflanzen, so daß nach Abzug der
Kulturkosten in Höhe von 60 Talern den Schwestern die erwartete Summe
zugute kam. Außerdem erhielten die Schwestern aus dem fürstlichen
Haus öfter größere Lebensmittelspenden. So war fürs erste
gesorgt. Die jährlichen Unkosten der Klosterfiliale beliefen sich
ungefähr auf 300 bis 350 Taler, die durch die großzügigen
Stiftungen der Fürstin sichergestellt waren.
Bereits im ersten Jahre entwickelten die Schwestern eine
überaus segensreiche Tätigkeit. Über 50 Mädchen bekamen
Handarbeitsunterricht, eine große Anzahl Kranker erhielt sorgsame Pflege
und wurde mit Arzneien aus der Hausapotheke versorgt. Viele Menschen, die
in Trägheit, Schmutz und Ungeziefer beinahe verkommen waren, wurden zu
ordentlichen, der Gesellschaft nützlichen Menschen gemacht". Des halb
wollte die Fürstin auch das Haus vergrößern, um die Arbeit der
Schwestern zu erleichtern. Der Plan, ein Nachbarhaus zu erwerben, scheiterte an
der zu hohen Forderung des Eigentümers. Daher baute man einen zum Kloster
gehörenden Stall zu einem geräumigen Schulraum und zu einem
Wundverbandszimmer aus, das die Hausapotheke aufnahm. Zu den Kosten des Umbaues
schenkte die Fürstin 145 Taler. Am 20. Juli 1860 schon konnten die neu
eingerichteten Räume den Schwestern zur Benutzung übergeben werden.
Noch 1860 wurde eine Winterschule eingerichtet, in der erwachsene Mädchen
sechsmal wöchentlich Handarbeitsunterricht erhielten. Damals beteiligten
sich etwa 20 Mädchen. Im gleichen Jahre wurde erstmals eine arme Frau aus
dem Ort in die Anstalt aufgenommen. Es war eine Waise, die mit einem Arm zur
Welt gekommen war und jährlich nur über ein Einkommen von 20 Talern
aus ihrem Vermögen verfügte. Sie wünschte auf Lebenszeit im
Leonillastift zu bleiben, wollte diesem ihr Vermögen vermachen und nach
Kräften Näh- und andere Arbeiten verrichten. Jedoch bestimmte das
Komitee, daß man vorerst keine bindenden Verpflichtungen eingehen solle.
Trotzdem zeigte es sich bald, daß es neben ambulanter Krankenpflege und
der Speisung von Armen eine der Hauptaufgaben der Schwestern werden sollte,
bedürftige Kranke in ihr Haus auf zunehmen und ihnen dort Wohnung und
Lebensunterhalt zu gewähren. So wurden denn 1861 zwei weitere Frauen
eine war gelähmt, die andere erblindet in das Leonillastift
aufgenommen, letztere auf Veranlassung der Fürstin. In einer
Stiftungsurkunde vom 25. August 1862 spricht die Fürstin von 12 Betten,
die sie für alte, schwache und hilflose Mädchen und Frauen gestiftet
habe. Ihre Zahl solle immer beibehalten werden und es dem jeweiligen Besitzer
des Sayner Fideikommisses gestattet sein, für drei Betten die betreffenden
Personen auszuwählen.
In besagter Stiftungsurkunde traf die Fürstenfamilie, da
sie nunmehr die Klosterfiliale in besten Händen und erfreulich auf
blühen sah, in alle Einzelheiten gehende Bestimmungen über ihre
Stiftung und deren wirtschaftliche Sicherung. Um ihren Nachkommen keine Lasten
und Verpflichtungen aufzuerlegen, sollte die ganze Einrichtung, falls dies
nicht schon früher geschehen sei, spätestens mit dem Tode der
Fürstin als selbständige Stiftung in die Verwaltung des Sayner
Kirchenvorstandes unter Aufsicht des Bischofs von Trier über gehen. Selbst
für die Zeit, wenn unglücklicherweise der jetzt herrschende
Geist der Revolution und Irreligiosität dazu führen sollte, daß
die Verwendung von Ordens Schwestern nicht mehr möglich wäre", waren
Bestimmungen getroffen. Diese Stiftungsurkunde, die außer dem
Leonillastift auch die jährlich in Sayn ab zuhaltende Pius-Mission und 60
Seelen messen für die verstorbenen Angehörigen des Sayner
Fürstenhauses betraf, fand die Bestätigung des Sayner
Schöffengerichtes, die Zustimmung des Dechanten Holsinger, des Bischofs
Dr. Arnoldi von Trier und schließlich am 3. November 1862 des
preußischen Königs Wilhelms L, der bekanntlich mit der
fürstlichen Familie befreundet war. Letzterer ermächtigte den Sayner
Kirchenvorstand ausdrücklich zur Annahme des Stiftungsvermögens.
Zahlreiche Gäste des Sayner Schlosses statteten auch dem benachbarten
Kloster einen Besuch ab, so 1860 Graf Montalembert, die Fürstenfamilie von
Campagnano, 1861 der Generalvikar von Paris, Abbe le Re bours, der Bischof Dr.
Wilhelm Arnoldi von Trier, Herzog von Rohan, die Herzogin von Hamilton, eine
Prinzessin von Baden und der mit den Fürsten von Sayn verwandte derzeitige
apostolische Nuntius in München, Erzbischof Prinz Chigi, der am 24. August
1861 anläßlich der Grundsteinlegung der neuen Schloßkapelle in
Sayn weilte.
Die Fürstin Leonilla blieb ihrer Stiftung auch
späterhin, als sie nicht mehr in Sayn wohnte, herzlich verbunden. Nachdem
sie schon vorher das Stiftungskapital auf 10.025 Taler erhöht und den
Schwestern eine Abfindungssumme für das Ananashaus in Höhe von 440
Talern als unmittelbares Eigentum zugewiesen hatte, schrieb sie am
Silvestertage des Jahres 1872 von Monabri bei Lausanne aus an Dechant
Holsinger, daß sie das Kapital ihrer Stiftung nur erhöht habe aus
der Sorge, die Schwestern könnten nicht mit der früher ausgeworfenen
Summe auskommen. Die Erhöhung diene also lediglich dazu, die
Einkünfte der Schwestern zu verbessern. Etwaige Überschüsse,
möglichst 50 Taler jährlich, sollten zurückgelegt werden, um ein
kleines Kapital zu bilden, das zum Bau eines neuen Klosters zu verwenden sei.
Dieses neue Haus wurde dann wirklich 1883 anstelle des früheren,
bescheidenen Leonillastiftes erbaut. Die fromme Stiftung der Fürstin hat
seither gute und schwere Zeiten überstanden. Schon über hundert Jahre
versehen die armen Dienstmägde Christi in Sayn selbstlos den Dienst der
Nächstenliebe an jung und alt. Die hoch herzige Stifterin aber, die erst
1918 im gesegneten Alter von 102 Jahren starb und in der Sayner
Schloßkapelle ihre letzte Ruhestätte fand, ist in Sayn noch
unvergessen.
QUELLEN:
1) Fürstlich Sayn-Wittgenstein-Sayn'sches Archiv, Carton
13, Akt. Nr. 4; 2) Leonillastift, Sayn, Archiv.
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