I. EinführungII. Auf dem WegIII. Seine Eminenz1. Erzstift und Erzbistum TrierBischof und LandesherrAls geistlicher Kurfürst kam Clemens Wenzeslaus in eine doppelte Funktion: als Kurfürst wurde er Landesherr des Erzstiftes Trier und als Erzbischof oberster Geistlicher des Bistums. Außerdem waren mit dieser Doppelfunktion andere Aufgaben verbunden; als einer der sieben deutschen Kurfürsten hatte er das Wahlrecht für den deutschen König, als Erzbischof war er zuständig für die Suffraganbistümer Metz, Toul und Verdun. Die beiden Gewalten Kurfürst und Erzbischof waren nicht deckungsgleich, denn das Erzstift war wesentlich kleiner als das Erzbistum und in den protestantischen Gebieten sowie in den vielen Kleinherrschaften hatte der Kurfürst keine Macht oder nur sehr eingeschränkt, oft war auch der Grenzverlauf unregelmäßig und unklar. Das Erzbistum Trier umfasste auch die französischen und einige Landesherrschaften auf der rechten Rheinseite. Die kirchliche Leitung der Erzdiözese lag deshalb weitgehend in der Hand der Weihbischöfe. Nach einer Zählung von 1789 umfasste das Kurfürstentum Trier 217 762 Einwohner und sein Territorium 5404 Quadratkilometer, dies entsprach einer Bevölkerungsdichte von 40,3 Einwohner pro Quadratkilometer. (Anm.:91) Die Verwaltung des Kurfürstentums war zweigeteilt in das Oberstift (Trier) und das Niederstift (Koblenz). 1672 hatte Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck die gesamte kurfürstliche Verwaltung nach Ehrenbreitstein verlegt, die unter Kurfürst Franz Georg Schönborn mit Dikasterialgebäude, Marstall und Hafen repräsentative Gebäude erhielt. Das Domkapitel des Kurfürstentums bestand aus 40 Domherren, die ausschließlich adliger Herkunft waren. Auch das Trierer Domkapitel war eine autonome Körperschaft eigenen Rechts, von Steuern und Abgaben befreit und hatte das Recht der freien Zuwahl neuer Mitglieder. An der Spitze standen der Dompropst und der Domdechant. Der Domdechant war gleichzeitig der Vertreter des Kurfürsten in der Kommunalverwaltung der Stadt Trier. Für die Bewilligung von Steuern des Kurfürstentums waren seit 1501 die Landstände zuständig, die in die geistliche Kurie (Klerus) und weltliche Kurie (Städte) gegliedert waren. Als Landesherr hatte der Kurfürst den Hofrat an seiner Seite, der für die Vorbereitung von Gesetzen und Erlassen, für Justiz, Polizei und Sozialwesen zuständig war, und die Aussicht über alle Verwaltungen im Kurfürstentum führte. 1768 schuf Clemens Wenzeslaus eine übergeordnete Behörde, die Geheime Staatskonferenz, die in vier Departements gegliedert war und als Regierungskabinett unter dem Vorsitz des Kurfürsten die gesamte Verwaltung des Kurfürstentums koordinierte. (Anm.:92) Der Erzbischof war oberster Geistlicher des Trierer Bistums : Nach
einer Statistik von 1788 - 93 hatte das Bistum Trier 540 Pfarreien mit 340.112
Katholiken und 1667 Geistlichen. Da der Andrang auf Klerikerstellen sehr
groß war, wurde seit dem Trienter Konzil nur geweiht, der über einen
so genannten "Weihetitel" - also eine materiell abgesicherte Pfründe
verfügte. Weil in den Archiven nur die Namen der adligen Kleriker
festgehalten wurden, ist ein Überblick über die tatsächliche
Zusammensetzung des Klerus nicht möglich. Es gab zwei unterschiedliche
Wege zur Priesterweihe. Die Priesterweihe erfolgte durch einen Bischof in den Hofkapellen oder in einer anderen größeren Kirche. In der Regel folgte dann die Primiz, das "erste Lesen der heiligen Messe", je nach sozialer Stellung mit unterschiedlichem Aufwand. In der Regel konnten nur Mitglieder des Adels die gut dotierten Pfarreien besetzen. Die anderen Priester hatten entweder eine finanziell abgesicherte Kaplansstelle oder dienten als "magister in spiritualibus" für Kost und Logis bei einem Pfarrer. Um überleben zu können, arbeiteten diese Hilfspriester oft als Schulmeister oder Küster - manche lebenslang. Im Alter verarmten diese Priester oft, besonders wenn sie nicht mehr lesen konnten und so die Messstipendien wegfielen. (Anm.:93) Die Einführung eines Pfarrers war regional durch die Tradition geregelt. Allgemein erfolgte sie aber in Form einer Besitzergreifung: der neue Pfarrer wurde in die Kirche geleitet, leistete hier vor einem Notar und vor Zeugen den Treueeid, berührte nacheinander Altar, Taufstein, Beichtstuhl und die Hostien im Tabernakel, zum Abschluss setzte er sich das Birett auf und erhielt die Schlüssel des Pfarrhauses. Dann las er die erste Messe als Pfarrer. Seit dem dreißigjährigen Krieg waren viele Pfarrhäuser zerstört oder im desolaten Zustand. In diesem Fall mussten die Geistlichen irgendwo zur Miete wohnen. Dies änderte sich erst im 18. Jahrhundert, nun wurden auch in den Städten z.T. luxuriöse Pfarrhäuser gebaut. Die Einkünfte des Pfarrers kamen aus dem kleinen Zehnt (Naturalabgaben), dem Wittum (pfarreigene Felder) und den Stolgebühren (Abgaben bei Kulthandlungen). Noch im 16. Jahrhundert gab es unter den Geistlichen viele Konkubinarier. Dies änderte sich erst unter dem Kurfürsten Hugo von Orsbeck, der am 24. April 1690 allen Geistlichen verbot, "in ihren Haushaltungen Frauenzimmer, welche im Verdacht eines unzüchtigen Lebens stehen, aufzunehmen." (Anm.:94) Aber die Einhaltung des Zölibats blieb ein Dauerthema. Geldstrafen, Priestergefängnis oder sogar die Suspension (Amtsenthebung) wurden angedroht bzw. auferlegt. Die Gläubigen wurden regelmäßig zur Denunziation ermahnt. 1759 beschwerte sich Papst Clemens XIII. bei Kurfürsten von Walderdorff, dass nicht wenige Kanoniker mit Frauen leben würden und sie sogar aus dieser Beziehung Kinder hätten. Der Kurfürst ließ dieses Schreiben vor dem Domkapitel verlesen, wies aber den Vorwurf als Verleumdung zurück. (Anm.:95) Das Trienter Konzil hatte für Geistliche eine eigene Kleidung vorgeschrieben. In der Regel war dies die schwarze Soutane, die in der katholischen Kirche den schwarzen Gelehrtenrock verdrängte, und ein weißer Kragen. 1678 erließ der Kurfürst von Orsbeck ein Dekret, in dem er unter Androhung schwerer Strafen vorschrieb, dass Geistliche Klerikalkleidung von schwarzer Farbe, kurzes Haar und eine anständige Tonsur tragen müssten. Auch auf Reisen müsse sich der Geistliche so kleiden, dass er von einem Laien deutlich zu unterscheiden sei. Aber auch hier gab es die Möglichkeit einer Dispens bis hin zum Tragen einer Perücke. (Anm.:96) Zu der Vielschichtigkeit des Pfarrklerus kamen die Kollegiatsstifte (Anm.:97), die sich seit dem Mittelalter gebildet hatten. Die feste Zahl der Kanoniker war materiell gut ausgestattet und zum gemeinsamen Chorgebet verpflichtet. Im Bistum Trier gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts 18 Kollegiatsstifte, darunter St. Severus in Boppard, St. Marien in Kyllburg und St. Florin in Koblenz. Durch die Einbindung in die Seelsorge hatte das jeweilige Stiftskapitel eine Fülle von Aufgaben zu organisieren.Zu den bischöflichen Aufgaben gehörte auch die Aufsicht über die Klöster, soweit sie nicht in den reformatorischen Gebieten bereits aufgelöst waren. Wegen der genossenschaftlich und die Ländergrenzen überschreitenden Organisation der traditionellen Klöster und den vielen päpstlichen Privilegien war es schon immer zu Spannungen zu den Bischöfen gekommen. Im 18. Jahrhundert bezog sich die Einflussnahme der Bischöfe besonders auf Anhebung des Bildungsstandes der Ordenspostulanten, Einbeziehung der Priestermönche in die Seelsorge und die Abschaffung von Missbräuchen wie Aufnahmegelder, körperlicher Züchtigung und Zölibatsverstößen. (Anm.:98) Ein besonders schwieriges Problem wurde die Wahl eines neuen Abtes. Für die Prämonstratenserabtei Sayn war der Pater Abbas des Mutterklosters Steinfeld zuständig. Dieser nominierte einen Kandidaten, moderierte selbst oder durch einen Delegaten die Wahl und gab dem Neugewählten die Bestätigung. Danach wurde der Gewählte dem Erzbischof präsentiert und von diesem im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes geweiht (Benediktion). Der Geweihte war verpflichtet, seinem Erzbischof Ehrfurcht und Gehorsam zu versprechen und dieses Gelöbnis durch Unterschrift und Siegel zu bekräftigen. Bereits der Sayner Graf Heinrich IV., der für die ganze Grafschaft den lutherischen Glauben einführte, versuchte 1592 die Abtswahl zu beeinflussen, um für die katholisch gebliebene Abtei wenigstens einen ihm genehmen Kandidaten durchzusetzen. Doch dem Kurfürsten Johann gelang es mit Hermann Kray einen ihm genehmen Kandidaten überstürzt wählen zu lassen, obwohl der Pater Abbas von Steinfeld seine Zustimmung zu Kandidat und Verfahren verweigerte. Da 1604, nach dem Tod von Graf Heinrich IV. von Sayn Kurtrier das diesem verliehene Lehen zurücknahm und Sayn damit wieder Teil des Trierer Erzstiftes wurde, gingen die Ansprüche der Kurfürsten auf die Abtswahl weiter. 1698 kam es zum offenen Konflikt, als Erzbischof Johann Hugo darauf bestand, zur Abtswahl einen bischöflichen Kommissar zu schicken und durch diesen die Wahl moderieren und die Bestätigung des Gewählten geben zu lassen. Dem gewählten Abt Colendal gelang es aber, die alten Rechte durchzusetzen. Die Abtswahl 1777 vollzog sich nach der alten Ordnung unter der Leitung der Äbte von Steinfeld und Rommersdorf. Nach der Wahl wurde der neue Abt Adolph Hirsch am 1. September 1777 um 12 Uhr dem Kurfürsten Clemens Wenzeslaus in Kärlich vorgestellt. Dieser zeigte sich von seiner besten Seite, bestätigte ohne Vorbehalt die Wahl und lud den neuen Abt zum Mittagessen ein. Am 20. September 1777 erfolgte in der Hofkapelle die Abtsweihe durch den Kurfürsten mit Assistenz der Äbte von Maria Laach und Rommersdorf die Abtsweihe. "Nach der Feier suchte Abt Hirsch mit den beiden anderen Äbten das Antichambre Sr. Durchlaucht auf und baten um Audienz, die ihnen durch Vermittlung des Obristkämmerers auch gewährt wurde. Diese Gelegenheit benutzte der Geweihte zu einer sehr verbindlichen Dankansprache an den Kurfürsten, worauf dieser dem Abt Glück wünschte und sich in die Gebete des Sayner Konventes empfahl. Sodann folgte man einer Einladung zur kurfürstlichen Tafel und nahm beim Festmahl die Plätze nach Anweisung des Hofmarschalls ein, Abt Hirsch neben der bei Hofe weilenden Prinzessin Cunigunde. Nachdem die Tafel aufgehoben war, wurden die drei Prälaten mit der Hofkutsche zu ihren Quartieren geleitet. Hiermit nahm ein festlicher und für den Sayner Abt bedeutender Tag sein Ende." (Anm.:99) Aber bereits bei der nächsten Abtswahl 1789 war die alte innerklösterliche Ordnung aufgegeben. Der "Geist des Febronius" hatte sich auch in der Sayner Abtei durchgesetzt. Ohne Widerstand der Mutterabtei wurde Kurfürst Clemens Wenzeslaus vom Konvent gebeten, die Wahl durch einen Bischöflichen Wahlkommissar zu moderieren. Damit war eine zweihundertjährige Auseinandersetzung zwischen der Mutterabtei Steinfeld und dem Trierer Kurfürsten zu dessen Gunsten beendet. Das liturgische Leben der Trierischen Kirche (Anm.:100): Die Antwort der katholischen Kirche auf die Reformation war ein vielstimmig. Neben der dogmatischen Bekräftigung der römischen Glaubenslehre kamen auch viele Erneuerungen der kirchlichen Praxis. Zwar wurde die lateinische Sprache beibehalten, da das Deutsche mittlerweile zu einem Kennzeichen der evangelischen Gottesdienste geworden war. Aber die aktivere Einbeziehung des Kirchenvolkes in die katholische Messe war ein deutliches Anliegen. Deshalb wurden die Priester zu Katechese und Predigt neu verpflichtet. Da das Konzil die Herausgabe neuer liturgischer Bücher nicht mehr leisten konnte, wurde diese Aufgabe an den Papst delegiert. Damit entstand eine Spannung zur traditionellen bischöflichen Zuständigkeit für die Gottesdienste. In rascher Folge erschienen in Rom eine Reihe päpstlich approbierter liturgischer Bücher: Das Römische Brevier, das Tridentinische Messbuch, das Römische Martyrologium, das Bischöfliche Zeremoniarbuch und als letztes das Römische Sakramentenbuch (Rituale Romanum). Die katholische Liturgie wurde nun zunehmend eine Kopie der Römischen Praxis. Alle Versuche, die alten regionalen Bistumstraditionen wieder zu beleben, scheiterten letztlich bis auf tolerierte Einzelstücke wie die Festtage für Ortsheilige. Die 1588 durch Papst Sixtus V. neu eingerichtete Ritenkongregation der römischen Kurie sollte diesen Prozess koordinieren und korrigieren. Das gottesdienstliche Leben ist uns über das Trierer Provinzialkonzil von 1549, das für das Bistum Trier das Trienter Konzil beenden sollte, überliefert. Die Reform der katholischen Kirche wurde mittlerweile auch durch den Kaiser vorangetrieben. Das Provinzialkonzil hatte vor allem die großen Kirchen als Vorbilder im Blick. Stundengebet und Konventmesse wurden neu verpflichtet. Auch in den Zeiten von Ernte und Lese durften die Gottesdienste nicht unterbrochen werden. Die Privatmessen an den Nebenaltären wurden eingeschränkt. Die Priester sollten nicht während der Konventamtes in der Kirche herumlaufen und dabei ihr Brevier (im Gehen) beten. Ein fast unlösbares Problem war die gebannte Fixierung der Gläubigen auf die Elevation der Hostie bei der Wandlung. Hier gab es viele Missbräuche wie das Hostienlaufen (von Kirche zu Kirche laufen und immer bei der Wandlung dabei sein) oder das sofortige Verlassen der Kirche nach der Wandlung. Auf Schwierigkeiten stießen die Ermahnungen zur öfteren Kommunion. Die angemahnte viermalige Kommunion zu den Hochfesten bürgerten sich nur in wenigen Gemeinden ein. Dies hing auch mit der geforderten Beichte zusammen. Die Sonntagsmesse wurde grundsätzlich als lateinisches Choralamt gefeiert. In den kleineren Gemeinden musste man sich behelfen, da eine Schola oder ein Chor nicht zur Verfügung stand. Hier musste oft der Küster einspringen oder die Texte wurden nur angesungen. "Für die Mehrzahl der Anwesenden bestand die Teilnahme an der Messe im Schauen und Hören dessen, was der Priester am Altare tat und im Wechsel mit dem Küster bzw. den Ministranten und Choralsängern betete und sang. Den Gläubigen wurde gesagt, sie sollten während der Messe still für sich beten und das Leiden Christi betrachten.....Im Gang des Priesters zum Altar sah man den Gang Jesus zum Ölberg abgebildet. Die Erhebung der Hostie bei der Wandlung bedeutete Christi Erhöhung am Kreuz. Wenn der Priester gegen Ende des Kanons sich an die Brust schlug, fühlte man sich an den Hauptmann unter dem Kreuz erinnert. Der Abschlusssegen erinnerte an den Segen des Auferstandenen bei der Himmelfahrt." (Anm.:101) Das Volk betete laut oder leise den Rosenkranz. Die Teilnahme des Volkes an der Messe bestand im Schauen und Hören, was der Priester am Altare tat. Im Mittelpunkt der katholischen Eucharistiefrömmigkeit stand die Anbetung der Hostie. Während der Priesterkommunion wurde den Gläubigen empfohlen, "geistlich sich mit Jesus zu vereinen". Hier war der Grenzgraben auch zu den Lutheranern ganz scharf gezogen. Die verpflichtende Osterkommunion - verbunden mit der Beichte - wurde durch bischöfliches Dekret angeordnet und kontrolliert (Beichtzettel). Da das einfache Volk nicht lesen konnte, brauchte es auch keine Gebetbücher. Rosenkranz, Litaneien und Mariengebete waren der Grundstock für die persönliche Gottesdienstteilnahme. Das Trienter Konzil machte auch die Predigt in der Volkssprache verpflichtend. Nach der Predigt wurden oft die Erweckung von Glaube, Hoffnung und Liebe verlangt. Da die katholische Kirche die Kindertaufe sofort nach der Geburt eines Kindes beibehielt, bezogen sich die nachtridentinischen Reformen auf die Beseitigung von Missständen. (Anm.:102) Während es den Herrscherhäusern erlaubt war, die Taufe in ihrer jeweiligen Privatkapelle vollziehen zu lassen, wurde den "normalen" Gläubigen die Taufe in der zuständigen Pfarrkirche vorgeschrieben. Da es offensichtlich viele Versuche gab, dieses Gebot zu unterlaufen, drohte 1719 der Kurfürst Franz Ludwig von Pfalz- Neuburg den ungehorsamen Priestern mit der sofortigen Suspension. Im Mittelalter hatte der Missbrauch, die Zahl der Paten inflationär zu steigern, zugenommen. Dagegen anzugehen, sahen sich auch die reformatorischen Landesherrn in der Pflicht. Im Bistum Trier wurde die Begrenzung des Trienter Konzils auf höchstens zwei Paten übernommen. Relativ erfolglos waren die Bemühungen der Kurfürsten, auf den Dörfern die Zahl der begleitenden Nachbarsfrauen einzuschränken. 1784 erließ sogar der Kurfürst Clemens Wenzeslaus ein Dekret, das nur vier "Nachbarsweiber" bei der Taufe in der Kirche und der anschließenden Feier zu Hause zuließ. Um die Heiligenverehrung bei der Tauffeier zu integrieren, musste dem getauften Kinde der Name eines Heiligen gegeben werden. Namenspatron und Namenstag wurden so zu einem typischen katholischen Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Reformation. Unnachgiebig blieb die katholische Kirche im Verbot, ungetaufte totgeborene Kindern in geweihter Erde zu bestatten. Noch 1599 zählte der Kurfürst Lothar von Metternich einen Verstoß zu den schweren Strafdelikten. In der katholischen Kirche blieb die Privatbeichte in einem Beichtstuhl bei einem geweihten Priester vorgeschrieben. Wenn die vorgeschriebene Osterbeichte außerhalb der eigenen Pfarrei geleistet wurde, war in der Regel der Nachweis durch einen Beichtzettel gefordert. Im Bistum Trier gab es noch bis zur Säkularisation den Brauch, dass die öffentliche Kirchenbuße verhängt wurde. An drei Sonntagen musste der Pönitent mit einer brennenden Kerze in der Hand vor dem Allerheiligsten knien oder an einem Marienwallfahrtsort beichten. (Anm.:103) Brautleute mussten vor der Hochzeit beichten und bei der Trauungsmesse zu Kommunion gehen. Die Firmung wurde in der Regel durch die Weihbischöfe vollzogen, wenn sie zu einer beliebigen Gelegenheit anwesend waren. Das gläubige Volk hatte kaum Verständnis für den sakramentalen Sinn der Handlung. Dazu kamen magische Vorstellungen. Die gesalbte Stirn musste durch eine Binde vor unwürdigem Berühren geschützt werden. Erst durch die Aufklärung setzte sich die Firmvorbereitung durch. Es war ein Novum, als der Kurfürst Clemens Wenzeslaus am 14. April 1782 in Koblenz Liebfrauen selbst die Firmung spendete. Für die katechetische Vorbereitung der Firmlinge aus Koblenz und Umgebung hatte er vorher eine genaue Anweisung gegeben. Clemens Wenzeslaus schafft auch die Firmbinde ab und lässt statt dessen nach der Salbung, die Stirn des Firmlings durch einen Priester mit einem Wattebausch reinigen. (Anm.:104) Eigentlich alle Trierer Kurfürsten mussten gegen die vielen Übertreibungen und Missbräuche im Bestattungswesen ankämpfen. 1777 erließ Clemens Wenzeslaus eine Ordnung gegen "eitele Ceremonien, Ueppigkeiten und verderbliche Verschwendungen bei Sterbefällen" (Anm.:105) Allerdings wurden die vielen Beschränkungen vom Adel unter Berufung auf Traditionsregeln unterlaufen. Durchgesetzt haben sich aber u.a. das Verbot der Bestattung in Kirchen, die Anlage von Reihengräbern und die Durchführung von Familienfesten auf dem Friedhof. Unter Berufung auf die Volksgesundheit wurden neue Friedhöfe in der Regel außerhalb der Stadt angelegt und die Ossuarien (Beinhäuser) verboten. Anmerkungen
2. Die Vorgänger auf dem Trierer Kurfürstenstuhl (Anm.:106)"Nicht ohne höchliche Mißbilligung muß der Kirchenhistoriker die Beobachtung machen, daß während des siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts die von älteren und neuern Canones so streng verbotene Cumulation von Benefizien an den deutschen Erz- und Hochstiften zu einem häßlichen Uebermaß angewachsen ist", rügte Marx in seiner Trierer Kirchengeschichte 100 Jahre später. (Anm.:107) Die Kumulation, die sich zunächst nur auf das Benefizium (Vermögen) bezog, unterlief auch die Residenzpflicht, und das päpstliche Dispenswesen unterhöhlte die geistliche Aufgabe. Lothar von Metternich (1599-1623), Domkapitular in Minden, Münster und Trier, erhielt die Priester- und Bischofsweihe nach Wahl durch das Domkapitel und der Päpstlichen Bestätigung. Philipp Christoph von Sötern (1623-1652), ein qualifizierter Kirchenbeamter und erfolgreicher Pfründenjäger, wurde 1610 Bischof von Speyer und ließ sich zwei Jahre später die Bischofsweihe erteilen. Unter Beibehaltung all seiner bisherigen Ämter wurde er 1723 Kurfürst von Trier. Karl Kaspar von der Leyen (1652-1676) wurde als Trierer Koadjutor 1652 Kurfürst von Trier und empfing im Trierer Karthäuserkloster im gleichen Jahr die Bischofsweihe. Johann Hugo von Orsbeck (1676 . 1711) wurde auf Vorschlag seines kurfürstlichen Onkels zum Trierer Koadjutor gewählt, wurde dann Bischof von Speyer und unter Beibehaltung seiner Ämter Kurfürst von Trier. 1674 erhielt er die Priesterweihe und ein Jahr nach seiner Ernennung zum Kurfürsten ließ er sich durch seinen Weihbischof die Bischofsweihe erteilen. Karl Josef von Lothringen (1711-1715) war ein barocker Fürst durch und durch. Als Jugendlicher hatte er die Bistümer Olmütz und Osnabrück als Pfründen erhalten und ließ sich dann noch zum Kurfürsten von Trier wählen. Er hatte weder die Priester- noch die Bischofsweihe. Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1716-1729) wurde Fürstbischof von Breslau und Worms, Hochmeister des Deutschen Ordens und Fürstpropst von Ellwangen. Unter Beibehaltung der bisherigen Ämter wurde er Trierer Kurfürst. Priester- und Bischofsweihe ließ er sich nicht erteilen, wohl aber das Koadjutorrecht des Mainzer Kurfürstentums. 1729 tauschte er die Kurwürde von Trier gegen Mainz. Franz Georg von Schönborn ( 1729 - 1756), Inhaber vieler Domherrenpfründen, wurde als Trierer Dompropst zum Kurfürsten von Trier gewählt. Marx schrieb über ihn: " Als Franz Georg (von Schönborn 1729 - 1756) sich sogleich nach seiner Erwählung die bischöflichen Weihen hatte geben lassen und im Dom das Hochamt celbrirte, die Gesta dieses als etwas Außerordentliches aufzeichneten, mit dem bemerken, daß solches in beiläufig 140 Jahren nicht mehr im Dome gesehen worden sei." (Anm.:108) Franz Georg Schönborn war eine der positivsten Gestalten unter den Trierer Kurfürsten. Obwohl er in seinem Umgang mit den Menschen als unbeherrscht beschrieben wurde, war er Landesherr und Bischof in gültiger Weise. Aufgrund des französischen Einflusses wurde Johann Philip von Walderdorff (1756-1786), der bereits die Trierer Laufbahn durchlaufen hatte, sein Nachfolger im Kurfürstenamt. Bei ihm waren die geistlichen Formalien richtig gelaufen: Domherr, Generalvikar, Domdechant, Koadjutor, Erzbischof. Er ließ sich sowohl die Priester- wie die Bischofsweihe erteilen. Marx bescheinigte ihm "Herzensgüte", "leutselig und freundlich ging er mit seinen Unterthanen wie ein Vater mit seinen Kindern um". Aber "war er auch fromm, so schlug doch der ganze Ton an seinem Hofe stark ins Weltliche, Prunkende; die Liebhabereien an Uhren Tabatieren, Kleiderpracht, Schmucksachen, kostbaren Meubeln, an der Jagd und kleinen Hunden lassen, bei allen sonstigen liebenswürdigen Eigenschaften, den nöthigen Ernst des Mannes und die Würde des Bischofs vermissen." (Anm.:109) Während seiner Regierungszeit wurde erlebte das Kurfürstentum ziemlich friedliche Zeiten, da es lediglich als Durchmarschgebiet der französischen Truppen im Siebenjährigen Krieg berührt wurde. Jedoch hatten die Verschwendungssucht und Baulust des Kurfürsten die Kassen blank gefegt und den Kurstaat überschuldet. Anmerkungen
3. Seine Eminenz: Erzbischof und Kurfürst von Trier (Anm.:110)Die Inthronisation des neuen Kurfürsten Clemens Wenzeslaus wurde auf den 21. Februar 1768 festgesetzt. Mit Rücksicht auf die hohe Verschuldung des Kurfürstentums und vielleicht auch, weil er der exzessiven Feierlichkeiten aus Süddeutschland überdrüssig war, ordnete Clemens Wenzeslaus eine Huldigungsfeierlichkeit ohne kostspieligen Aufwand an. Mittags um 12 Uhr wurde der neue Kurfürst mit Glockengeläut, Böllerschüssen und Trommelwirbel in Trier empfangen. Der Weihbischof von Hontheim hielt eine lateinische Begrüßungsrede. Am folgenden Tag, dem Fest der Stuhlfeier des hl. Petrus, erfolgte die Inthronisation im Dom und die Huldigung durch die Stadtväter auf dem Markt. Erstaunlich schnell setzte Clemens Wenzeslaus die Reorganisation der kurfürstlichen Verwaltung durch: Protokollpflicht für alle Regierungsstellen, Quartalsberichte durch die Dechanten, regelmäßige Visitation der Klöster. Als Kind der Aufklärung konzentrierte sich Clemens Wenzeslaus zunächst auf das Schulwesen. Bereits im ersten Jahr seiner Regierungstätigkeit konzentrierte er sich auf die Reform der Universität. Da die Professoren der Juristischen Fakultät durch Nebenjobs ihre Lehrtätigkeit vernachlässigt und dadurch viele Studenten Trier verlassen hatten, verbot der den kurfürstlichen Behörden die Beschäftigung von Professoren und machte das juristische Examen zur Voraussetzung für eine Anstellung im kurfürstlichen Dienst. In der theologischen Fakultät schritt er maßregelnd gegen die scholastischen Streitereien ein und unterband durch vorgeschriebene Handbücher das stundenlange bloße Diktieren von Texten. An den Mittelschulen erhöhte er zur Bekämpfung der Korruption die Aufnahme- und Prüfungskriterien. Als 1773 Papst Clemens XIV. mit der Bulle "Dominus ac Redemptor" den Jesuitenorden auflöste, gelang es Clemens Wenzeslaus erstaunlich gut, den Schaden für das Kurfürstentum zu begrenzen. Die Vorschrift der Bulle, alle jesuitischen Einrichtung zu schließen und den gesamten Besitz der Jesuiten für "fromme Zwecke" zu verwenden, legte er zugunsten der Bildungseinrichtungen des Kurfürstentum aus. Er gründete ein Priesterseminar und stattete dieses mit Räumlichkeiten und Vermögen der Jesuiten aus. Die Jesuiten wurden in den kurfürstlichen Dienst übernommen. Er ließ die baulichen Voraussetzungen des höheren Bildungswesens großzügig verbessern und reorganisierte den Zugang zu diesem: Elementarunterricht auf einer Mittelschule bzw. einem Gymnasium, Vorbereitungslehrgang zur Verbesserung des sprachlichen Wissens, 5 Jahre Gymnasium, Universität. Das Volksschulwesen war traditionell in kirchlicher Hand, der jeweilige Dechant hatte die Dienstaufsicht über Unterricht und Lehrer und musste auch die Finanzierung organisieren. Bereits Kurfürst Johann Hugo hatte 1685 für alle Kinder zwischen dem 7. Und 11. Lebensjahr die Schulpflicht eingeführt. Clemens Wenzeslaus ließ ab 1779 die bauliche Ausstattung der Schulen sowie die Qualifizierung der Lehrer durch eine eigene Kommission untersuchen. Doch die Qualität der Lehrerschaft ließ überall zu wünschen übrig. Deshalb gründete der Kurfürst 1784 im Erzbischöflichen Collegium in Koblenz eine Normalschule zur Ausbildung von Volksschullehrern und machte den erfolgreichen Abschluss zur Anstellungsvoraussetzung. Unter großen Widerständen verpflichtete er die reichen Abteien und Stifte zur Mitfinanzierung eines Schulfonds. Anmerkung
4. Die Auseinandersetzung um die Thesen des Febronius. (Anm.:111)Zwischen den Fronten:Im deutschen Reich waren auch zu Beginn der Neuzeit viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens päpstlich-bischöflich geregelt. Durch die Reformation wurden diese katholischen Ordnungskräfte abgelöst. Um das Vakuum aufzufüllen, mussten die protestantischen Landesherrn auch die Verantwortung für die Kirche in ihrer Landesherrschaft übernehmen. In den katholisch gebliebenen Gebieten des Reiches blieb es bei der bisherigen Ordnung. Kaiser, Papst, Landesherr, Bischof und Gebietskörperschaften (z.B. Reichsfreie Städte und Stifte) teilten sich nach oft sehr komplizierten Regeln die Zuständigkeit. Durch seinen Weihbischof Johann Nikolaus von Hontheim wurde Clemens Wenzeslaus in eine sehr tief gehende Auseinandersetzung über die Kompetenzen des Papstes und der Bischöfe hineingezogen. Nikolaus von Hontheim stammte aus Trierer Beamtenadel. Sein Vater war in Trier Hofgerichts- und Ratsschöffe, also Richter für kirchliche und weltliche Sachen. Durch Beziehungen der Mutter wurde der zwölfjährige Nikolaus Mitglied des Trierer Kollegiatstiftes St. Simeon (Anm.:112) und empfing die Tonsur. An der Trierer Universität, an der die Jesuiten das Sagen hatten, studierte er Rechtswissenschaften und Theologie. Ab 1722 wurde dem jungen Kanoniker Hontheim das Studium in Löwen und in Leiden erlaubt. Die Universität in Leiden, von Wilhelm von Oranien gegründet, stand der Reformation nahe. Hier lernte Hontheim die in der katholischen Kirche verpönte Bibelwissenschaft. An der Universität Löwen wurde er mit der jansenistisch-gallikalen Theologie Frankreichs vertraut gemacht, die sich u.a. für den Abbau der päpstlichen Zentralgewalt einsetzte und in ständiger Auseinandersetzung mit dem Jesuitenorden stand. In dieser Zeit wurde Hontheim das Ärgernis der Kirchenspaltung immer deutlicher. 1724 promovierte Hontheim zum Doktor der Theologie und wurde anschließend vom Simeonsstift nach Rom geschickt, um hier in einem beim Vatikan anhängigen Prozess als Verteidiger des Stiftes zu wirken. Welchen Eindruck auf ihn der Gegensatz zwischen dem aszetischen Papst Benedikt XIII. und der geldgierigen vatikanischen Kurie machte, ist nicht bekannt. 1730 kehrte er nach Trier zurück und empfing die höheren Weihen. Bald wurde er zum Professor an die Trierer Universität berufen. Um sich für die Stärkung der bischöflichen Zuständigkeit einzusetzen, gab er zwei wichtige liturgische Bücher heraus, das Trierische Brevier und das Trierische Missale. Als ihn Kurfürst Georg von Schönborn zum Offizial des Niederen Erzstiftes (Koblenz) ernannte, wurde er in das quirlige Leben des kurtrierischen Hofes hinein gezogen. 1748 wurde Hontheim Nachfolger des verstorbenen Weihbischofs Nalbach und wirkte nun 30 Jahre lang als Weihbischof des Bistums Trier und als kurfürstlicher Generalvikar (für den kirchlichen Bereich) und Offizial (für den weltlichen Bereich) des Obererzstiftes Trier. Dieser Teil des Trierer Bistums umfasste auch weite Gebiete in Luxemburg, Lothringen und Frankreich die Hontheim weitgehend selbstständig leitete. Zu den Aufgaben gehörte auch die Vertretung des Erzbischofs in den Suffraganbistümern Metz, Toul und Verdun. Hontheim musste sich deshalb mit den unterschiedlichsten Rechtsauffassungen von Kirche und Staat auseinandersetzen. Persönlich lebte er (bis auf das gute Essen) sehr aszetisch, nahm morgens und abends am Stundengebet des Stiftes teil und blieb trotz seiner vielen Aufgaben weiterhin Gelehrter. Bei aller Liebe und Treue zum Papst war Hontheim davon überzeugt, dass als unabdingbare Voraussetzung für die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen im Reich der überall spürbare Einfluss der Päpstlichen Kurie zurückgedämmt werden müsse. 1763 erschien in Göttingen das Buch "Justini Febronii Juris Consulti De statu ecclesiae et legitima potestate Romani Pontificis liber singularis, ad reuniendos dissidentes in religione christianos compositus" (Einzelschrift des Rechtsgelehrten Justinus Febronius über den Zustand der Kirche und die legitime Gewalt des Römischen Papstes, zusammengestellt zur religösen Wiedervereinigung der christlichen Dissidenten). Das Buch erschien unter dem Pseudonym Justinus Febronius und dem Phantasiedruckort Bouillon. Es löste eine Diskussionswelle aus und stieß sofort auf heftigsten Widerstand des Vatikans, zumal kolportiert wurde, der Verfasser sei "ein sehr vornehmes Mitglied der römischen katholischen Kirche in Deutschland" und das Buch in Wirklichkeit bei dem Verlag Johann Georg Esslinger in Frankfurt, der sich zum Sprachrohr der französischen Aufklärung gemacht hatte, gedruckt. Anliegen des ganzen Buches ist es, in Anlehnung an den Kirchenvater Cyprian und an das allgemeine Konzil von Konstanz (1514-1522) die päpstliche Gewalt auf den Stifterwillen Jesu Christi zurückzuführen, die Aufgabe der Bischöfe und das Allgemeine Konzil als letzte Entscheidungsinstanz zu verdeutlichen. Der wirkliche Autor, Nikolaus von Hontheim blieb ein Jahr lang unentdeckt, bis die Autorenschaft durch eine gezielte Indiskretion des Frankfurter Kanonikers Damian Friedrich Dumeiz, der zum Kreis um den kurtrierischen Kanzler La Roche gehörte und ein Freund Goethes war. Dumeiz hatte Hontheim die Aufsicht über den Druck des Buches erteilt und nun wollte dieser die weitere Verbreitung dieses bahnbrechenden Werkes begünstigen und veröffentlichte die wahre Autorenschaft. Doch Hontheim leugnete die Autorenschaft des Buches, das zwischenzeitlich vom Papst auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt worden und deshalb auch im Trierer Bistum verboten war. Aber er bot dem Kurfürsten Johann Philipp Walderdorff seinen Rücktritt an. Doch dieser, nicht nur ein leidenschaftlicher Jäger sondern auch ein Freund der Aufklärung, stellte sich hinter seinen Weihbischof. Da sich zwischenzeitlich die Diskussion über die Thesen des "Febronius" in ganz Deutschland verselbstständigt hatte, übernahm Clemens Wenzeslaus als neuer Kurfürst ein schwieriges Erbe. Clemens Wenzeslaus hatte zu seinem Weihbischof ein gutes Verhältnis und schätzte sowohl seine praktische Arbeit wie sein wissenschaftliches Profil. Inwieweit der Kurfürst die ganze Breite der Diskussion überschaute, muss offen bleiben, aber als Freund der Aufklärung stand er bei aller Papsttreue dem Anliegen der Febronianischen Reformen grundsätzlich offen. Doch als der Druck aus Rom immer stärker wurde und das Beraterumfeld des Kurfürsten aufklärungsfeindlicher und klerikaler wurde, verlor Clemens Wenzeslaus den Mut. Anlass für sein Umschwenken war ein theologischer Streit in Mainz über die Bedeutung des Jesaja - Zitates "Ecce virgo concipiet" im Matthäusevangelium. Der Mainzer Orientalist Isenbiel vertrat die Auffassung, dass der hebräische Jesaja-Text in seinem ursprünglichen Sinn nur von einer jungen Frau spräche und mit diesem Vergleich das Volk Israel gemeint sei. Als Weihbischof Hontheim die Thesen von Isenbiel öffentlich unterstützte, zog Clemens Wenzeslaus die Reißleine. In seinem Brief vom 4. April 1778 warf er seinem Weihbischof Hontheim Unwissenheit, Unbesonnenheit und unversöhnlichen Groll gegen die Kirche vor und forderte ihn zum Widerruf des "Febronius" auf. Am 1. November 1778 musste sich der Weihbischof Nikolaus von Hontheim als Verfasser des "Febronius" offenbaren, seine Thesen widerrufen und alle Rechte des Papstes ohne Vorbehalt anerkennen. Nach einigem Hin und Her zog sich Hontheim aus der Öffentlichkeit ganz zurück und starb am 2. November 1790 auf seinem Schloss Montquintin. Anmerkung
5. Clemens Wenzeslaus und die Aufklärung (Anm.:113)Die Aufklärung war ein geistiger Prozess, der seit dem 16. Jahrhundert Europa erfasste: Lösung von Traditionen und sich leiten lassen von der Vernunft, Befreiung von der ideologischen und politischen Macht der Kirche, Beseitigung der Standesgesellschaft mit den Vorrechten des Adels und Anerkennung der Bürgerrechte für alle, waren wichtige Leitideen. "Die Entwicklung der Technik und der Naturwissenschaften führten zu einem rationalen Denken, das weite Teile des Bürgertums und des Adels erfaßt hatte. Bücher, Zeitschriften, Korrespondenzen und Besuche verbreiteten das philosophische, naturwissenschaftliche und technische Wissen. Bildungshunger setzte ein und führte zum Aufbau und zur Erweiterung von Schulen und Akademien. Das Bürgertum erfuhr in seiner gesellschaftlichen Stellung und wirtschaftlichen Bedeutung einen großen Aufschwung." (Anm.:114) Clemens Wenzeslaus war im Geist der Aufklärung erzogen worden. Dies bedeutete vor allem Aufgeschlossenheit für Kunst, Kultur und Bildung, aber auch Respekt vor der Würde eines jeden Menschen. Doch nie ging er so weit, die Katholische Kirche als "wahre und eigentliche Kirche" infrage zu stellen. Alle Toleranz gegenüber Protestanten und Juden entsprang dem Nützlichkeitsdenken oder der Einsicht in die Notwendigkeit. Darin unterschied sich aber Clemens Wenzeslaus nicht von den protestantischen Landesherrn. "Dort, wo der Kurfürst-Erzbischof von Trier geistliche und zugleich weltliche Herrschaft ausüben konnte, hatte die neue Lehre überhaupt keinen Eingang gefunden oder war, wie in der Stadt Trier der Reformationsversuch des Caspar Olevian, als Rebell schnell unterdrückt worden." (Anm.:115) Dass Clemens Wenzeslaus aber in der Toleranzfrage elastisch reagieren musste, ergab sich auch aus der besonderen Situation des Niederen Erzstiftes (Koblenz), das bis nach Wetzlar reichte und durch ein Neben- und Ineinander der Konfessionen gekennzeichnet war. Der katholische Historiker Heribert Raab berichtete von einer Merkwürdigkeit in Wetzlar: Der Dom gehörte einem katholischen Stiftskapitel, aber seit 1542 durften die Protestanten das Kirchenschiff als Pfarrkirche nutzen. Als 1592 das Reichskammergericht nach Wetzlar verlegt wurde, beschloss der Rat der Stadt Wetzlar, den Katholiken das Nutzungsrecht für das Kirchenschiff während der Tagung des Gerichtes zu überlassen. Bei der Wahl des evangelischen Pfarrers hatte das Domkapitel Mitwirkungsrecht. Deshalb oblag dem katholischen Stiftsdechanten - in Chormantel und Stola - die Amtseinführung des evangelischen Pfarrers. (Anm.:116) Ähnlich komplizierte Verwicklungen gab es auf den rechtsrheinischen Gebieten. Reserviert blieb Clemens Wenzeslaus wohl zeitlebens gegenüber der deutschen Sprache und der deutschen Klassik, weil beide für ihn einen "protestantischen Geschmack" hatten. Völlig ablehnend stand er jedoch zur kritischen Haltung der Aufklärung gegenüber der Katholischen Kirche und dem Papsttum; hier war Clemens Wenzeslaus nur für interne Reformen offen, die das "System Katholische Kirche" unberührt ließen. Diese Haltung zeigte sich besonders deutlich bei seinen Auseinandersetzungen mit der Kirchenpolitik des Kaisers Joseph II. 1765 hatte Clemens Wenzeslaus seine Schwester Maria-Josepha mit dem österreichisch-kaiserlichen Prinzen Joseph verheiratet. Der österreichische Erbherzog Joseph, das vierte Kind von Kaiserin Maria-Theresia, war 1764 in Frankfurt zum deutschen König gewählt worden. Ein Jahr später trat er als römisch - deutscher Kaiser Joseph II. die Nachfolge seines Vaters an. Joseph II. war ein Kind der absolutistischen Aufklärung; "Alles für das Volk und nichts durch das Volk" war sein Motto; Handeln nach der Vernunft, Staatsraison und Einordnung der Kirche in den Staat waren die Ideen, die ihn prägten. Nach dem Tod seiner Mutter 1780, als er für die habsburgischen Kernlande die alleinige Verantwortung erhielt, setzte er sofort durch eine Reihe von Dekreten seine Ideen politisch durch: Er hob die Leibeigenschaft auf, reorganisiert den ganzen Staat, fördert Gesundheitspflege und nationale Kunst, führt ein allgemeines Gesetzbuch ein und humanisierte das Strafrecht. Durch seine Kirchenpolitik versuchte er, die Kirche unter die Kontrolle des Staates zu kommen. In einer Fülle von kaiserlichen Dekreten gewährte er grundsätzliche Religionsfreiheit, löste die rein kontemplativen Orden (die nicht sozial tätig waren) auf und unterwarf die katholische Kirche der staatlichen Ordnung. Für alle päpstlichen Erlasse verlangte er das vorherige kaiserliche Placet. Clemens Wenzeslaus wurde durch die Josephinische Kirchenpolitik als Erzbischof von Trier und als Bischof von Augsburg berührt, da das Herzogtum Luxemburg und das österreichische Oberland zum Habsburger Reich gehörten. Der erhaltene Briefwechsel zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten lässt erkennen, dass Clemens Wenzeslaus die Eingriffe des Kaisers in kirchliche und päpstliche Rechte grundsätzlich ablehnte. Am 1. Juni 1781 schrieb er einen ersten Brief an den Kaiser und appellierte an diesen als Schirmherr der Kirche. Der Kaiser antwortete ihm jedes Mal, einmal sogar aus dem Feldlager, aber wich keinen Schritt zurück. Ganz gegen seine sonstige Art zeigte Clemens Wenzeslaus Mut und Standhaftigkeit: "Ja, Sire, ich sage es mit der Freimüthigkeit meines Amtes, das mir anvertraut ist: Wie immer es gegenwärtig mit der Festigkeit bestellt sein mag, mit der Sie entschlossen zu sein scheinen, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten, es wird der Tag kommen, wo Sie darüber untröstlich sein werden. Möge dieser Tag nur nicht jener der Ewigkeit sein." Aber Clemens Wenzeslaus hatte nicht nur den Kaiser gegen sich, er stand auch unter den betroffenen Bischöfen an einsamer Front. Aber sein Einsatz für die Rechte der Päpstlich - katholischen Kirche wird belohnt. Am 2. Mai 1782 machte Papst Pius VI. bei seiner Reise nach Wien einen Umweg und blieb mehrere Tage in Augsburg. Mit kleinem Gefolge traf Papst Pius VI. am 22. März 1782 in Wien ein und verhandelte mit dem Kaiser Joseph II. Da sich nach einem Monat keinerlei Annäherung zeigte, verließ der Papst Wien und traf sich in München mit dem bayerischen Kurfürsten Karl Theodor. Um Clemens Wenzeslaus für seinen Einsatz für Papst und Kirche zu ehren, machte der Papst bei seiner Rückreise einen Umweg und blieb mehrere Tage in Augsburg. Am 2. Mai 1782 gegen Abend empfing Clemens Wenzeslaus mit Domkapitel, allen Geistlichen des Bistums und den katholischen Mitgliedern des Magistrates den Papst am "Roten Tor" und brachte ihn mit einer achtspännigen Kutsche in die Hofburg. Über den Sinn seines Besuches (Anm.:117) nach der freien Reichsstadt Augsburg ließ der Papst keinen Zweifel: "Daß wir hierher nach Augsburg gekommen sind, ist den wiederholten Dienstleistungen des trefflichen Churfürsten von Trier, Eures Bischofs, zuzuschreiben, der uns wegen seiner hohen Tugenden und seiner ausgezeichneten Verdienste um den römischen Stuhl und unsere Person Uns, wie es nicht anders sein kann, sehr theuer ist...".(Anm.:118) Die Anerkennung durch den Papst vor aller Öffentlichkeit hat Clemens Wenzeslaus motiviert, die anstehenden Aufgaben im Kurfürstentum Trier neu anzugehen. Äußerer Anlass war das Ausscheiden des konservativ - klerikalen Generalvikars Beck. Bereits zu Beginn seiner Regierungszeit hatte der neue Kurfürst durch zahlreiche Reformen die auswuchernde Volksfrömmigkeit eingegrenzt, wozu die Reduzierung der Feiertage gehörte. Diesen Kurs setzte er ab 1784 fort, um die katholische Kirche im Sinne der Aufklärung zu modernisieren. Die theaterähnlichen Bräuche während der Flurprozessionen und Gottesdienste wurden abgeschafft; ebenso das öffentliche Mittragen einer Monstranz mit der geweihten Hostie und längere Wegstrecken als eine Stunde. Durch die Beschränkung mussten z.B. die Wallfahrten zum Gnadenbild in der Marienkapelle Hausenborn eingestellt werden (Anm.:119) Verboten wurde das abergläubische Wetterläuten bei Gewittern und das Hexenläuten im Mai, das Erzählen von Geschichten und Witzen während der Predigt, der lebende Palmesel und die gespenstischen Nachtandachten.(Anm.:120) Zu den Reformen gehörten auch soziale Dekrete, wie die Überprüfung der Gefängnisse, die Institutionalisierung der Lehrerausbildung durch die Gründung der Koblenzer Normalschule und die allgemein verpflichtende Brandversicherung in der Stadt Trier. Der Kurfürst ließ die Riesling-Rebe importieren und an der Mosel anpflanzen. Durch ein Toleranzedikt ermöglichte er Juden und Protestanten die begrenzte Ansiedlung im Kurstaat. 1784 wurden die Klöster angewiesen, neue Ordensmitglieder vorher durch die kirchliche Behörde überprüfen zu lassen. Aber im Unterschied zu vielen anderen Landesherrschaften unterließ Clemens Wenzeslaus die Kontrolle des Privatlebens seiner Bürger.(Anm.:121) 1786 erließ er die Verordnung "zur Aufmunterung des Landmannes, besonders wegen Urbarmachung öder Ländereien und Gründe", um die Landwirschaft zu fördern. Bei den sozialen Unruhen zwischen 1787 und 1789, wo sich schon der Einfluss des revolutionären Frankreich ankündigte, benahm sich der Kurfürst "ebenso fest als human".(Anm.:122) Doch der Reformeifer wurde für Clemens Wenzeslaus zur Falle. Im Unterschied zum Trierer Kurstaat waren in Mainz, Köln und Salzburg die Ideen des Febronius lebendig. Als es dem bayerischen Kurfürsten Karl Theodor gelang, bei Papst Pius VI. die Zustimmung zu einer Nuntiatur in München zu erreichen, mussten die Einzugsgebiete der drei bisherigen Nuntiaturen Wien, Luzern und Köln verkleinert werden. Da die deutschen Erzbischöfe einen Eingriff in ihre Kompetenzen befürchteten, kam es 1786 zu einem Kongress in Ems (heute Bad-Ems an der Lahn), um ihre Rechte gegenüber dem Papst neu zu formulieren. Die drei Kurfürsten, der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Freising entsandten Bevollmächtigte nach Ems, um mit Unterstützung eines Kaiserlichen Reskriptes die Rechtsbefugnisse der Nuntien einzuschränken; allerdings nicht im Sinne des kaiserlichen Josephinismus zugunsten des Kaisers sondern zugunsten der Bischöfe selbst. Das so genannte Emser Konkordat, das vereinbart wurde, hatte aber kaum eine Auswirkung, da die Französische Revolution die Gesamtsituation in Europa veränderte. Clemens Wenzeslaus wurde aber seitdem von Rom sehr kritisch eingeschätzt. Anmerkungen
6. Protestanten und Juden im Erzstift und im Erzbistum (Anm.:123)Clemens Wenzeslaus zeigte zwar keinerlei Toleranz gegenüber protestantischen Ideen, konnte sich aber als Erzbischof außerhalb des Erzstiftes kaum durchsetzen. Im Erzstift aber, also im Bereich seiner Landesherrschaft, setzte er die Glaubenspolitik seiner Vorgänger lange Zeit fort. Im Oberen Erzstift (Trier) waren die Versuche der Eheleute Olevian durch Kurfürst und Stadtrat erfolgreich mit Ausweisung und Wegzug vereitelt worden. 1608 wurde die Marianische Bürgersolidität gegründet, deren Mitglieder sich verpflichteten, "ihr Hab und Gut, ihr Blut und Leben für die Verteidigung des römisch - katholischen Glaubens einzusetzen." (Anm.:124) Die jährliche Dankprozession für den Sieg über die Türken und die Bewahrung der Einheit der Kirche wurde bis in die 60ger Jahre des vorigen Jahrhunderts gehalten. Im Unteren Erzstift (Koblenz) war die Situation zwar schwieriger durch die ständigen protestantischen Infiltrationen aus den benachbarten Landesherrschaften, aber Kurfürst und Stadtrat waren sich in der Ausgrenzung der Nichtkatholiken einig. Abweichungen gab es nur - bedingt durch die politische Gemengelage - in einzelnen Fällen. 1753 legte der Industrielle Wilhelm Remy, aus Bendorf; der Kurfürstlichen Regierung in Ehrenbreitstein ein Gutachten vor, nach dem sich durch die vorhandene Wasserkraft, die reiche Waldung und die günstige Verkehrslage die Eisenverhüttung anböte. Die geplante Eisenhütte in Sayn, das zum Kurstaat gehörte, sollte unter Leitung des Katholiken Carl Caspar Seitz stehen. Wilhelm Remy bat um die Erlaubnis, dass benötigte evangelische Fachkräfte den evangelischen Gottesdienst in Bendorf besuchen dürften. Als Clemens Wenzeslaus 1670 in Sayn eine eigene Hütte baute, genehmigte er die Leitung durch den Bendorfer evangelischen Hüttenverwalter Johann Konrad Ziller. (Anm.:125) Ein gutes Beispiel für die interkonfessionelle Einstellung von Clemens Wenzeslaus war seine Beziehung zur Familie La Roche. Georg Michael Frank La Roche, Ziehkind eines Grafen von Stadion, war 1771 in den kurfürstlichen Dienst getreten. Seine Frau Sophie La Roche, eine pietistisch erzogene Augsburger Arzttochter, hatte sogleich in Ehrenbreitstein einen literarischen Salon eröffnet, der international, unter anderem durch Wieland, Goethe, Basedow und Lavater bekannt wurde. Von Goethe stammte sein berühmtes Gedicht "Diner in Coblenz", das er 1774 nach einem Gespräch mit den reformierten Theologen Lavater und Basedow schrieb, und das mit den Versen endete: "Und, wie nach Emmaus, weiter ging's mit Geist- und Feuerschritten, Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten." Michael Frank La Roche selbst war kritisch katholisch und gegen alle päpstliche Vorherrschaft. Aber es war ihm dennoch wichtig, durch Einhaltung aller Bräuche die Zugehörigkeit zum Katholizismus zu praktizieren. (Anm.:126) Bereits 1771 hatte er aber ganz im Geist der Aufklärung eine anonyme Kampfschrift gegen das Mönchwesen geschrieben. Aus der katholisch geschlossenen Mischehe mit Sophie kamen acht Kinder, die alle katholisch getauft wurden. Clemens Wenzeslaus hatte zu La Roche (aber wohl weniger zu seiner Frau) ein vertrauensvolles Verhältnis, so dass La Roche schließlich Mitglied der Regierung wurde. La Roche bekam großen Einfluss auf die Schul- und Bildungspolitik des Kurfürsten im Sinne der Aufklärung. Er setzte die pädagogische Methode "Felbinger" durch, die durch kindgerechtes Lernen einen lebenstüchtigen und aufgeklärten Menschen zum Ziel hatte und gründete in Koblenz eine öffentliche Bibliothek. Als 1780 eine Fortsetzung der Mönchbriefe durch einen anderen Autor erschien, kam die erste Auflage und damit auch sein zwischenzeitlich bekannt gewordener Autor La Roche erneut ins Gerede. Dies benutzte der neue geistliche Berater Beck, der das Vertrauen des Kurfürsten gewonnen hatte, zu einer Intrige gegen La Roche. Als sich der Päpstliche Kölner Nuntius in die Auseinandersetzung einmischte, rächte es sich, dass La Roche in Trier ein Einzelkämpfer geblieben war. Der Kurfürst gab schließlich dem Druck nach und entließ La Roche am 26.9.1780. Durch den Wegzug der Familie erledigte sich auch das unangenehm gewordene Problem des "ketzerischen Salons" seiner Frau. (Anm.:127) La Roche schrieb dem Kurfürsten am 6. Oktober 1780 einen Brief, in dem die ganze Tragik des Konfliktes deutlich wird: "Ich wünsche dem Kurfürsten Glück und ein nestorianisches Alter, aber auch er ist ein Mensch. Um mich mit meinem Schicksal besser abfinden zu können und mein Leben vor weiteren künftigen Umwälzungen zu sichern, habe ich, wie euer Exzellenz wohl weiß, dass hohe Domkapitel gebeten, mir die Pension nach der Bestimmung seiner Hoheit und den Inhalt meiner Bittschrift zu bestätigen. Ich rechne auf Ihre Unterstützung und die Energie, die sie für mich aufwenden werden, um meine Gegner im Zauber zu halten und eine ehrenvolle Familie zu beruhigen, welche durch Kabale und den - - - zu Boden gedrückt ist. Wenigstens hoffe ich, dass sie mir auch in Speyer wie früher in Augsburg und Koblenz ihr Wohlwollen und ihre Freundschaft bewahren werden. Wenn ich Ihnen meinerseits jetzt schon irgendwie dienlich sein kann, erwarte ich gern Ihrer Aufträge." (Anm.:128) Durch das Toleranzpatent des Kaisers Joseph II. erhielten die Nichtkatholiken ab 1781 ein begrenztes Bürgerrecht, das sich auch auf die Niederlande und Luxemburg (damals beide habsburgisch) bezog. Auch Clemens Wenzeslaus musste sich der neuen Situation anpassen, wobei auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielten. Als 1783 der protestantische Kaufmann Adolf Böcking in Ehrenbreitstein einen Kohlen- und Salzhandelsbetrieb errichten wollte, stimmte Clemens Wenzeslaus zu: "er sei nach dem Beispiel mehrerer katholischer Landesfürsten entschlossen, dass die durch die Reichsgesetze geduldeten Lutheraner und Calvinisten sich im Kurstaat häuslich niederlassen und ihr Gewerbe und ihre Handlung zum allgemeinen Nutzen des Staates ungestört ausüben können." (Anm.:129) Gegen den Widerstand seiner eigenen Behörden setzte sich Clemens Wenzeslaus mit einem Erlass vom 3. Dezember 1784 durch. Auch gegen den Widerstand des Kölner Nuntius blieb er bei seiner Entscheidung, selbst ein mahnendes Breve von Papst Pius VI. konnte ihn nicht abbringen. Bemerkenswert war es, dass der Kurfürst seine Entscheidung vor allem mit dem Hinweis auf die Liebe gegenüber den Irrenden theologisch begründete. Allerdings zeigte Clemens Wenzeslaus bei der praktischen Durchführung sofort wieder seinen Wankelmut. Nichtkatholische Gottesdienste blieben in der Öffentlichkeit untersagt, ebenfalls Schulen und Kirchhöfe, evangelische Geistliche durften auf der Straße nur Zivil tragen, Konversionen wurden als Abfall gewertet und in Mischehen war die katholische Erziehung der Kinder angeordnet. Positiv zu werten war dagegen, dass er den Orden die öffentliche Agitation gegen protestantische Bürger untersagte. Rein wirtschaftliche Gründe waren auch die Gründe für die Zulassung von einzelnen Juden im Kurstaat der Frühen Neuzeit. In der Goldenen Bulle hatte Kaiser Karl IV. die kaiserliche Zuständigkeit für die Judengesetzgebung an die Landesherren abgegeben (Judenregal). Vorangegangen waren die massenweisen Verfolgungen der vielen jüdischen Gemeinden im Rheinland seit dem Pestjahr 1349. Kurfürst Werner von Falkenstein setzte 1418 einen Schlusspunkt, indem die restlichen Juden aus dem Kurstaat ausgewiesen wurden. Nach zwei Generationen wurde durch die Praxis des landesherrschaftlichen Schutzjudentums einzelnen, normalerweise wohlhabenden Juden der Zuzug gestattet. Der jüdischen Haushaltung wurde ein Schutzbrief für einen konkreten Ort und für eine bestimmte Zeit ausgestellt, für den bestimmte finanzielle bzw. wirtschaftliche Leistungen zu erbringen waren. Im 18. Jahrhundert "diente die Befristung der Geleite allein fiskalischen Zwecken. Die Erneuerung der Aufenthaltsrechte, verbunden mit der Ausfertigung neuer Schutzbriefe durch die kurfürstliche Kanzlei bildete den Anlass für die Erhebung einer zusätzlichen Abgabe an die Landesherrschaft sowie die Zahlung von Gebühren an die Verwaltungsbeamten." (Anm.:130) Eine größere jüdische Gemeinde konnte sich allerdings erst 1518 in Koblenz bilden, als fünf jüdischen Haushalten durch ein kurfürstliches Privileg das Aufenthaltsrecht gegeben wurde. 1723 gab es im Erzstift 160 jüdische Familien an 49 Orten. Die jüdischen Schutzjuden durften sich in den beiden Teilen des Kurstaates in Landjudenschaften organisieren, um ihre internen Dinge zu regeln und als Ansprechpartner für die kurfürstliche Verwaltung. Die Judenverordnung von 1723 legte allerdings die Höchstzahl der Schutzjuden im Kurstaat auf 165 Haushalte fest. Die Landjudenschaften waren auch für die Besoldung der beiden Rabbiner in Koblenz und Trier zuständig, ebenfalls für die Anmietung der "Judenstuben" und die Anstellung der "Judenschreiber". Das jüdische Leben zeigte ein hohes Maß an sozialer Verantwortung füreinander und pflegte ganz nach jüdischer Tradition Bildung und Wissensvermittlung. Aufgrund der Zunftordnung waren Juden von den meisten Berufen ausgeschlossen und mussten sich in der Regel auf Geldschäfte und Warenhandel beschränken. Als der Kurfürst Lothar von Metternich 1622 minderwertige Münzen prägen ließ, waren Schutzjuden maßgeblich an der Durchführung beteiligt. Im 18. Jahrhundert waren jüdische Hoflieferanten maßgeblich an der Versorgung der kurfürstlichen Hofhaltung beteiligt. Für das konkrete Zusammenleben von Juden und Christen waren meist die Städte und Gemeinden verantwortlich; dies bezog sich z.B. auf das Tragen eines Judenzeichens, auf Einschränkung christlichen Personals oder auf konkrete Wohnrechte. Den letzten Gewaltakt gegen Juden gab es im Kurstaat Ende des 17. Jahrhunderts in Trier nach der Schlacht an der Konzer Brücke. Für den Sieg des Reichsheers wurden Sabotageakte der Juden verantwortlich gemacht und daraufhin die Synagoge geschändet und mehrere Juden ermordet. Dass jüdische Mitbürger lediglich geduldet wurden, zeigt die Judenordnung von 1723, in der zwischen jüdischen Häusern und christlichen Kirchen ein Mindestabstand von vier Häusern gefordert wurde. (Anm.:131) Das Toleranzrescript von 1784 setzte die bisherige Politik gegenüber den Juden fort, aber ermöglichte ein neues Miteinander von Christen und Juden im Kurstaat. Anmerkungen
7. Königliche Hoheit, Kurfürstliche Gnaden, Fürstbischöfliche EminenzDas gängige Klischee unter den Historikern ist die Darstellung, dass Clemens Wenzeslaus für seine öffentlichen Auftritte den Luxus liebte und im Privatleben bescheiden und einfach gelebt hat. Diese private Einfachheit mag für die Kriegsjahre in Dresden gelten, die Clemens Wenzeslaus in seiner Jugend durchlebte, aber kaum für die Zeit als Bischof und Erzbischof. Denn Ihre Königliche Hoheit hatte als Eminenz und Kurfürstliche Gnaden praktisch kein Privatleben. Sein Leben wurde durch und durch von seinen Aufgaben bestimmt. Bereits als Kleinkind war er von einer eigenen Hofhaltung umgeben, die Tag und Nacht für ihn sorgte, für sein Wohlergehen, für seine Bildung und für seine körperliche Ertüchtigung. Als Bischof genoss er alle Vorrechte der adligen Oberschicht. Der Kurfürst von Trier verfügte über das Bischöfliche Palais in Trier, die (allerdings ungemütliche) Philippsburg in Ehrenbreitstein und später das neue Schloss in Koblenz, dazu kamen u.a. die Jagdschlösser in Engers, Daun, Prümm und Montabaur. Als Fürstbischof von Augsburg unterhielt er in der Freien Reichsstadt Augsburg eine prächtige Hofburg und hatte neben Oberdorf noch mehrere andere Sommersitze. Als Fürstpropst von Ellwangen stand ihm eine luxuriös ausgestattete Sommerresidenz zur Verfügung, die seine Vorgänger im barocken Stil ausgebaut hatten. Auch nach der Säkularisation musste Clemens Wenzeslaus seine Hofhaltung in Oberdorf kaum einschränken. Neben den Restitutionsleistungen durch den Bayerischen Kurfürsten, die Stadt Augsburg und den Reichsdeputationshauptausschuss zahlte Württemberg neben einer einmaligen Abfindung jährlich 20.000 Gulden für die Fürstpropstei Ellwangen. Als Wettiner Prinz bezog Clemens Wenzeslaus eine lebenslange Apanage des Dresdner Hofes. Über seinen Schwager Karl III. von Spanien kamen Leibrenten aus spanischen und spanisch-amerikanischen Bistümern. Dass Clemens Wenzeslaus nicht nur seinen teuren Hofstaat weiter finanzieren konnte sondern auch 350.000 Gulden als Barvermögen neben vielen Kostbarkeiten und Wertsachen nach seinem Tod hinterließ, ist ein Beweis für seine gut geführte Haushaltung. (Anm.:132) Außerhalb der öffentlichen Auftritte trug Clemens Wenzeslaus die Kleidung des Adels, immer eine gepuderte Perücke und liebte die Volksnähe. Dies gilt besonders für die letzten Jahre in Oberdorf. Wenn er im Schlossgarten mit seiner Schwester Kunigunde frühstückte, durften sich die Kinder ihm nähern. Er liebte Ausflüge, Theaterspiele und eine offene Tafel an warmen Abenden. Nach den Chronisten geht auch das Getränk "Kalte Ente" auf den Kurfürsten zurück. 1771 habe er Sekt und Wein mit Wasser verdünnt und mit Zitrone abgeschmeckt, dann zum Abschluss der Feier als "Kaltes Ende" servieren lassen. Das Rezept änderte bald den Namen auf "Kalte Ente" und wurde international bekannt. (Anm.:133) Aber auch privat wusste Clemens Wenzeslaus die Vorteile seiner gehobenen Existenz zu leben. In Oberdorf machte er seine Ausflüge mit einer sechsspännigen Kutsche, wobei die Pferde einheitlich Schimmel oder Rappen waren. 1773 ließ er sich und seinen Hofstaat auf den Grünten (1738 m bei Sonthofen) tragen. Für den flacheren Anstieg standen 51 Pferde zur Verfügung, im Hang mussten 56 Bauern die Tragsessel schleppen. (Anm.:134). Doch das einfache Volk liebte ihn und schmückte oft seinen seinen Weg zur Pfarrkirche in Oberdorf mit Girlanden. Bei seinen offiziellen Auftritten als Kurfürst und Erzbischof entfaltete er mit viel Geschmack und Kunstsinn den Pomp, den das Volk liebte. Dies war wohl auch der Hintergrund, dass er 1782 in Koblenz selbst die Firmung spendete. (Anm.:135) Bereits nach 1770 hatte Clemens Wenzeslaus den Auftrag für den Bau einer Rheinflotte erteilt. Neben dem Ausbau des Rheinhafens in Ehrenbreitstein ("im Dal") war ihm der Bau einer kurfürstlichen Jacht besonders wichtig. Nach den wenigen vorhandenen Unterlagen war im Vordersteven das kurfürstliche Wappen mit den beiden Löwen in strahlender Vergoldung angebracht. Im Vorderteil der Jacht befanden sich die Räume für Kapitän und Mannschaft sowie die Vorratslager. Im Hauptteil waren vier Räume, die zu einem großen Saal verbunden werden konnten. Im Heck befand sich die Kajüte des Kurfürsten. Die Jacht hatte reiches Schnitzwerk, einen Mast zum Segeln, Pferdegeschirr für 14 Heuerpferde und war im Inneren sehr kostbar ausgestattet. Nach den Aufzeichungen des Reisemarschalls Waldeck von Boos im Rheinischen Antiquarius lagen die Herstellungskosten allein für die Jacht bei über 40.000 Gulden. Zur Kaiserkrönung von Joseph II. 1790 fuhr Clemens Wenzeslaus zusammen mit seiner Schwester Kunigunde mit seiner Jacht nach Frankfurt. Der kurfürstlichen Jacht fuhr ein Polizeiboot mit zwei kleinen Kanonen voraus; dann folgten eine zweite kleinere Jacht, in der bei Bedarf das Mittagessen eingenommen werden konnte; es folgten zwei Schiffe für Personal und Küche. Clemens Wenzeslaus blieb über 4 Wochen und gab auf seiner Yacht viele kostspielige Empfänge und Veranstaltungen. Am 6. Und 12. Oktober speiste hier die kaiserliche Familie. Die Jacht war bis in die späte Nacht illuminiert. (Anm.:136) Für Clemens Wenzeslaus war es ein Anliegen, die Bindungen an das katholische Reich zu festigen, auch wenn die Kosten die Möglichkeiten des Kurstaates maßlos überstiegen. Ende Oktober kehrte der Kurfürst mit seiner Schwester Kunigunde nach Ehrenbreitstein zurück. Den Abschluss bildete ein großes Volksfest. Auch in den folgenden Krisenjahren gestaltete Clemens Wenzeslaus sein Leben standesgemäß. Als der Kurfürst Ende 1792 das erste Mal aus Koblenz flüchten musste, lehnte er die Asylangebote des Kölner Kurfürsten ab und zog sich lieber nach Augsburg zurück. Im Sommer 1793 zog Clemens Wenzeslaus mit großem Gefolge in das Jagdschloss Oberdorf und blieb hier sechs Wochen. Der Schulmeister Christoph Bonaventura schrieb über diese Zeit eine Chronik: An der Grenze des Amtsbereiches wurde der Fürstbischof durch eine große Abordnung empfangen und zum Schloss geleitet. Eine Bürgerwehr von 32 Mann in grünen Uniformen versah den Wachdienst. Am 3. August eine "geschlossene Lustjagd in den Höllenwaldungen". Am 4. August feierliche Firmung in der Pfarrkirche unter Teilnahme aller Geistlichen des Dekanats. Am 8. August Empfang des Fürstabtes von Kempten. Da dieser vor seiner Rückreise an einem Schlaganfall starb, erfolgte am Folgetag die Beerdigung mit einem feierlichen Requiem. 13. August Klopfjagd, am 17. August Kesseljagd von Rotwild, am 5. August große Jagd am Kuhsteinweiher. Nach mehreren Ausflügen eine Reise nach der "Grenzstadt Füssen". Hier spendete Clemens Wenzeslaus in der Klosterkirche Sankt Mang die Firmung. Die nächsten Tage Gemsjagd, Firmung, Schützenfest und üppige Festessen. "Die hohen Herrschaften äußerten mehrmals ihre höchste Befriedigung über den hiesigen Aufenthalt; sie zeigten sich überaus gnädig gegen die Untertanen, nahmen eigenhändig die zahlreichen Bittschriften entgegen und waren bestrebt, jedem Bedrängten nach Tunlichkeit zu helfen." (Anm.:137) Es kann schon nachdenklich machen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sorglos hier das Leben verlief, während anderswo die Lunten brannten. Der kurfürstliche Hof in Ehrenbreitstein entfaltete unter den letzten beiden Kurfürsten seine ganze barocke Pracht. (Anm.:138) Die Liebe von Clemens Wenzeslaus zu Musik und Theater begünstigte die Errichtung des Koblenzer Theaters und die Unterhaltung einer Hofkapelle, eines der besten Orchester der barockenen Klassik. 1787 baute der Architekt Peter Krahe innerhalb von sieben Monaten ein Theater mit einer klassizistischen Fassade und einer Innengestaltung, in die Mozart's "Entführung aus dem Serail" zur Einweihung genau passte. Die Theatergruppe unter Johannes Böhm wurde vom Kurfürsten geschätzt und geachtet. Bereits 1783 gab es am Hof die erste Mozartaufführung, mit dem neuen Theater war eine die stimmungsvolle Kulisse geschaffen. (Anm.:139) Durch die Kunstförderung des Kurfürsten, der Stifte, Klöster und Städte gab es gute Voraussetzungen für zahlreiche Kunstwerkstätten, Künstler und Bauleute. Clemens Wenzeslaus ist es hoch anzurechnen, dass er die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auch für Kunst und Kultur einsetzte. Allerdings zeigte sich gerade bei seinem letzten großen Werk, dem neuen Schloss in Koblenz, die ganze Zwiespältigkeit. Weil die Philippsburg in Ehrenbreitstein den Ansprüchen des barocken Landesherrn Clemens Wenzeslaus nicht genügte, zog er bereits 1777 in das schlossähnliche Dikasterialgebäude und brachte die kurfürstliche Verwaltung im so genannten Palais Coenen in der Hofstraße unter. Dadurch blieb er in der Nähe seines Yachthafens und konnte die andere Rheinseite leicht über die leichte Flussbrücke erreichen. Doch bereits 1776 hatte der Kurfürst mit der Planung eines neuen Schlosses in Koblenz begonnen. Zwar gab es in Trier massenhafte Proteste gegen die endgültige Verlegung der Residenz und auch wegen der hohen Kosten erhebliche Bedenken bei den Landständen, die die Finanzierung genehmigen mussten, doch der Kurfürst setzte sich durch. Dabei spielte wohl eine große Rolle, dass er gleich durch einen neuen Stadtteil die Erweiterung von Koblenz vorsah und für Handel und Gewerbe gute Chancen in Aussicht stellte. Das Schloss wurde im neoklassizistischen Stil gebaut. Dazu wurde rheinseitig die Stadtbefestigung aufgebrochen. In der geplanten Neustadt sollte sich die geistige Oberschicht des Kurstaates ansiedeln. In rascher Folge entstanden der Trierer Hof, das Komödienhaus (jetzt Stadttheater), die Neustadt, das Schloßrondell und die Schloßstraße. Auf dem Clemensplatz ließ der Kurfürst den Clemensbrunnen mit der Inschrift 'Vicinis suis' errichten, wie der Magistrat geziemend sich ausdrückte, "als ein unvergeßliches Denkmal kurfürstlicher Milde zum allgemeinen nützlichen Gebrauch der Stadtbewohner" (1791), Dazu kamen manche Verbesserungen im Innern der Stadt. Der bisher mit Weinstöcken bepflanzte Jesuitenplatz und der Kirchhof bei der Liebfrauenkirche wurden geebnet und in freie Plätze verwandelt. Statt der qualmenden Pech- und Feuerpfannen, mit denen man sonst die Straßen beleuchtet hatte, wurden große, mit Reflexspiegeln versehene Laternen verwendet. Eine noch vorhandene gusseiserne Wasserleitung führte vom Kimmelberge bei Metternich frisches Quellwasser in die Stadt. Die Bevölkerung vermehrte sich rasch; gegen Ende der kurfürstlichen Zeit zählte man fast 10.000 Einwohner. An fremden Besuchern war kein Mangel. Sie erhielten von der energisch aufstrebenden Stadt den vorteilhaftesten Eindruck und fanden das alte Wort bestätigt, daß unter dem Krummstabe gut wohnen sei. (Anm.:140) 1786 konnte der Kurfürst zusammen mit seiner Schwester Kunigunde das Schloss beziehen. Für Kunigunde war die neue Hofhaltung eine große Herausforderung, die sie mit Bravour bestand. Für die junge Prinzessin Kunigunde waren einstmals alle Heiratspläne der Dresdner Familie gescheitert. Die Pläne, sie dem russischen Zaren, mit dem Kaisersohn Joseph oder dem Erbprinzen von Orleans zu verheiraten, ließen sich nicht verwirklichen. Aus dieser Zeit stammte der Wiener Hofklatsch, sie sei hässlich und ungebildet. Dem Wiener Kaiserhof gelang es dann doch - mittels Bestechung - , die Pfründe einer Fürstäbtissin von Essen für Kunigunde zu gelangen. Damit war sie eine souveräne Regentin ohne Residenzpflicht. 1777 nutzte sie den Umzug, um selbst zu ihrem Bruder zu ziehen und bis zu seinem Tod mit ihm zu leben. Im Kurstaat wurde sie die heimliche Kurfürstin. Bekannt wurde sie durch ihre Tanzleidenschaft und ihren männlichen Reitstil. Für ihren Bruder Clemens Wenzeslaus war sie zeitlebens die wichtigste Ratgeberin. Der Kurfürst nahm die Vorzüge seines Standes mit Selbstverständlichkeit, aber er bewahrte sich auch den Blick für Not und Elend um ihn herum. Als im letzten Quartal des 18. Jahrhunderts die Leineweber durch die Baumwollspinnmaschinen ersetzt wurden, war auch Augsburg besonders betroffen. Dazu kamen ostindische Billigtextilien, die über die Niederlande importiert waren. Clemens Wenzeslaus konnte die Situation nicht verändern, aber er ließ eine Armenfürsorge entwickeln, die vielen Notleidenden das Überleben ermöglichte. Und dass er in seinem Testament seine Mitarbeiter zu Haupterben machte, ehrte ihn über seinen Tod hinaus. Die Geschichte, dass er in Oberdorf bei seinen Ausflügen in den herumliegenden Sachen der arbeitenden Menschen Geldstücke versteckte, zeigt zumindest, dass er diese Menschen im Blick hatte. Bedrückend ist die Not seines Hofmalers Heinrich Foelix, von dem wir die vielen Bilder der letzten beiden Kurfürsten haben. In einem Geheimen Konferenzprotokoll vom 7. Juni 1790 (wurde) festgehalten, dass Foelix der Witwe von Coenen, in deren Palais in Ehrenbreitstein die Familie des Hofmalers lebte, "zeit langen Jahren 31 Rthler (Reichstaler) für Hauszins schuldig seyn". Als die Familie zwei Jahre später mit der Flucht des Kurfürsten Dienstherr und Auftraggeber verloren hatten, wurde die Situation noch bedrückender. (Anm.:141) Um diese Diskrepanz zu verstehen, muss man das letzte Bild, das Heinrich Foelix 1789 vom Kurfürsten malte, aufmerksam anschauen. Foelix malte den Fürsten als Personifikation des Landes, aufrecht stehend, im purpurroten Mantel mit Hermelinpelz, die Hand fest auf dem Kurhut. Auf dem Tisch sind die Mitren, die ihm als Erzbischof von Trier, Fürstbischof von Augsburg und Fürstpropst von Ellwangen zustehen, dazu das vom Papst verliehene Pallium und das Band des Großen Sächsischen Adlerordens. Der Kurfürst schaut in die ferne Zukunft, ruhig heiter und doch seltsam unberührt.(Anm.:142) Zu guter Letzt; muss die glückliche Hand des Kurfürsten, dem Kurstaat viele Jahre den Frieden zu bewahren, erwähnt werden. Bei dem Pfälzer Erbfolgekrieg (1688-97) waren die französischen Truppen unter Marschall Bouffier bis Koblenz gekommen. Von der Kartause und der Lützelhöhe wurde die Stadt mit Brandkugeln (Karkassen) beschossen und zum größten Teil zerstört. Nach dem Abzug der Franzosen brach eine hundertjährige Friedenszeit an, in der "das Leben aus den Ruinen" neu erblühte. Die Kurfürsten verstanden es, den Kurstaat aus den großen Kriegen herauszuhalten. Auch während des siebenjährigen Krieges blieb der Kurstaat von Kämpfen verschont. Die französischen Truppen auf dem Ehrenbreitstein und auf der Karthause kämpften auf kaiserlicher Seite und waren keine Gefahr, und in den späteren Jahren wurde Koblenz lediglich vom Durchmarsch befreundeter Truppen berührt. (Anm.:143) In der Festschrift des Kaiserin - Augusta - Gymnasium aus dem Jahre 1913 wird nicht zu Unrecht eine zeitgenössische Lobeshymne auf die Politik des letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus erwähnt: "Die letzten zehn Jahre, schrieb 1789 ein genauer Kenner unserer Stadt, haben hier in Gebräuchen, Sitten, Ton, Denk- und Lebensart einen so merkbaren Unterschied gemacht, als ihn sonst ein Jahrhundert nicht machte. Ja, er ist so groß, so wichtig und auffallend, daß ein Reisender, der vor dieser Zeit hier gewesen ist, an einen nie gesehenen Ort zu kommen glaubt." Auch ein zitiertes Goethewort ist mehr als eine schöne Landschaftsbeschreibung: "Wie schön ist die nähere und weitere Umgebung, wie angebaut und gartenreich der Raum zwischen Schloß und Stadt! Die herrliche Lage des Ortes, die schönen Straßen und Gebäude, die günstigen Wohnräume sind für den Einheimischen erfreulich, für den Fremden einladend." (Anm.:144) Anmerkungen
8. Auf der Flucht, Machtverlust und SäkularisationWie durch einen Tsunami veränderte sich zum Ende des 18. Jahrhunderts die Situation in Europa. (Anm.:145) Angesichts der drohenden Französischen Revolution hatte Clemens Wenzeslaus die Zügel angezogen und viele Freiheiten wieder eingeschränkt. 1789 wurden die Grenzen des Erzstiftes nach Frankreich geschlossen, um das Eindringen von Freischärlern zu verhindern. Der militärisch schwache Kurstaat begann zusätzliche Soldaten zu rekrutieren und Kanonen an allen Stützpunkten in Stellung zu bringen. Unglücklicherweise hatte der Kurfürst schon 1787 seine gesamten Pulvervorräte an die Franzosen verkauft. Trotz der unsicheren Zeiten nahm der Kurfürst seinen Urlaub in Oberdorf, auch um die wichtigsten Dinge in Augsburg zu regeln, denn über Füssen kamen die ersten Flüchtlinge aus Frankreich. Bei dieser Gelegenheit konsekrierte er am 12. Juli 1789 die aufwendig sanierte Pfarrkirche St. Stephanus in Pfaffenhausen. (Anm.:146) Aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zum französischen Königshof musste der Kurfürst Tausende von französischen Emigranten aufnehmen. Koblenz wurde zum Zentrum der Gegenrevolution. Die militärische Koalition gegen Frankreich bildete sich aber nur sehr langsam. März 1792 war der Kaiser Leopold II. plötzlich gestorben, sein Sohn trat als Franz II. die Nachfolge an. Weil die Schulden der letzten Krönung noch nicht bezahlt waren und vor allem weil sich die Truppen der Anti-Napoleon-Koalition schon bewegten, erfolgte die Krönung in Frankfurt ohne jeglichen Prunk. Nach dem Reichsfürstenkongress in Mainz fuhr Clemens Wenzeslaus im Eiltempo nach Koblenz, um hier den preußischen König Friedrich Wilhelm II. zu empfangen, der seinen Truppen voraus geeilt war. Ende 1792 erreichten die französischen Revolutionstruppen das Rheinland. Clemens Wenzeslaus hatte bereits die Koffer gepackt und floh mit seinem engsten Hofstaat am 21. Oktober 1792 über Bonn und Düsseldorf nach Münster, wo ihm der Kölner Kurfürst Asyl angeboten hatte. Unterwegs und in Münster war der Kurfürst krampfhaft bemüht, realistische Anweisungen an seine Landesregierung zu schicken. Dann entschloss er sich aber nach Augsburg zu fahren. Am vierzehnten November 1792 traf er in Augsburg ein. Am 21. Januar 1793 wurde der französische König, Ludwig XVI. in Paris hingerichtet. Zu der neuen antifranzösischen Koalition gehörte nun auch Russland. Am 9. August 1793 fiel Trier in die Hand der französischen Truppen, wurde geplündert und verwüstet. Weil sich jedoch die Reichstruppen durchsetzten, kehrte der Kurfürst am 31. Oktober 1793 nach Koblenz zurück. Marx beschreibt die Begrüßung durch den Stadtmagistrat als sehr herzlich. Als der Kurfürst "in der Liebfrauenkirche seine Danksagung gehalten hatte, fand er beim Austreten aus der Kirche seinen Wagen von den Bürgern aus der Fuhrzunft bespannt und vorgeführt. Auf dem Bock saß des Poststallmeisters Barth zehnjähriges Söhnchen und hatte ein gelbseidenes Leitseil in den Händen. Der Churfürst dankte und sagte: 'Ich habe meine Unterthanen viel zu lieb und schätze sie zu werth, als daß ich mich von ihnen statt der Pferde ziehen lassen sollte; ich will in euren Herzen getragen, aber nicht von euch gezogen sein.' Und hierauf ging er zu Fuß unter Begleitung des Volkes nach der Residenz. Noch fufzig Johr!' riefen die Einen, überlauf Vivat! Riefen die Andern abwechselnd." (Anm.:147) Der Kurfürst setzte sich nun an die Spitze der Bürgerbewegung, Koblenz eine sichere Verteidigungsstruktur neu zu geben. Selbst die Klöster stifteten von ihrem Kirchensilber. Doch die französischen Revolutionstruppen waren nicht aufzuhalten; ihre hohe Motivation machte die ärmliche Ausrüstung wett. Durch die Aufgabe der klassischen Kolonnenformation hatten die französischen Freischärler eine große Beweglichkeit. Bereits im April 1792 war der Trierer Domschatz und das Archiv von Trier nach Ehrenbreitstein gebracht worden. Als sich die militärische Lage zuspitzte wurde das ganze Archiv des Kurfürstentums auf Schiffe verladen und über Düsseldorf nach Niederwesel gebracht und hier im Karmeliterkloster eingelagert. Da sich die Lage entspannte, wurde das ganze Archiv wieder nach Koblenz zurückgeholt. Doch die Atempause war nur kurz. Nun musste man damit rechnen, dass die Franzosen die ganze linke Rheinseite erobern und besetzen würden. Am 14. Januar 1794 richtete Clemens Wenzeslaus das Amt des Flüchtlingskommissars" ein, um die Verlagerung der kurfürstlichen Verwaltung vorzunehmen. Das Hauptarchiv wurde per Schiff in das Fürstbistum Augsburg nach Dillingen gebracht und später in Dresden eingelagert. Die übrigen Akten kamen nach mehreren Zwischenstationen bis nach Hanau. (Anm.:148) Auch die kostbarsten Möbel aus dem Schloss wurden auf Schiffe verladen und in die Hofburg nach Augsburg gebracht. Angesichts der drohenden Eroberung von Koblenz floh der Kurfürst zum zweiten Mal - diesmal mit seiner Yacht - von Koblenz. Am 5. Oktober 1794 verließen die Schiffe den Hafen von Ehrenbreitstein. Unter der Bevölkerung war die Stimmung umgeschlagen, weil sie erlebten, dass sie der Kurfürst nicht mehr schützen werde; Koblenzer Bürger sollen bei der Abfahrt der Schiffe am Ufer applaudiert haben. Der Prinz aus dem Sachsenland hatte die Partie verloren. Achtzehn Tage nach seiner Flucht besetzten die französischen Truppen Koblenz und setzten vor der kurfürstlichen Residenz den Freiheitsbaum mit der roten Jakobinermütze. Aber auch in Augsburg wurde Clemens Wenzeslaus mit den revolutionären Unruhen konfrontiert. Der Kurfürst war von der sich umgreifenden Revolution so verschreckt, dass er auch im Augsburger Fürstbistum (Landesherrschaft) alle Reformen zurücknahm. Da Preußen 1795 wegen seiner Polenpläne die Reichskoalition verließ und mit Frankreich einen Separatfrieden schloss, konnten sich die französischen Revolutionsstruppen konzentrieren und neu angreifen. Ende Juni 1796 überquerten sie den Rhein und stießen nach Süddeutschland vor. Clemens Wenzeslaus konnte vor dem Einmarsch der Franzosen fliehen und suchte mit seinem Hofstaat in Dresden Zuflucht. Nach dem erfolgreichen Vorstoß der Reichstruppen kam er nach Augsburg sofort zurück, aber er kam in ein Land, das voller sozialer und politischer Unruhen war. Im Sommer 1800 floh der Kurfürst erneut nach Dresden. Durch den Frieden von Luneville am 9. Februar 1801 wurde der Kurfürst endgültig ein Fürst ohne Land. Das linksrheinische Erzstift Trier fiel an Frankreich, das Fürststift Augsburg an die Reichsstadt Augsburg bzw. später an Bayern, die Fürstpropstei Ellwangen an Württemberg und die rechtsrheinischen Gebiete des Erzstiftes Trier an Nassau. Die Säkularisierung durch den Reichsdeputationshauptschluss regelte auch für Clemens Wenzeslaus Abfindungen und Pensionen. Anmerkungen
9. Heimgang (Anm.:149)In seiner Augsburger Zeit verbachte Clemens Wenzeslaus die Sommermonate im Oberdorfer Schloss, erteilte in der Pfarrkirche das Sakrament der Firmung und hielt einen intensiven Kontakt zur Bevölkerung. Ende Juni 1812 erkrankte er schwer. Die Menschen waren angerührt, als die Glocken überall läuteten und den nahenden Tod ankündigten. Schwester Kundigunde wich nicht von seinem Bett. Nach dem Empfang der Sterbesakramente starb Clemens Wenzeslaus in der Nacht vom Sonntag zum Montag um 0,30 Uhr am 27. Juli 1812 im Alter von 73 Jahren. Vierundvierzig Jahre hatte er Regierungsverantwortung getragen. Der tote Leib wurde im Chor der Oberdorfer Pfarrkirche drei Tage lang aufgebahrt. Dann erfolgte die Einbalsamierung durch den Hofarzt Ahorner. Das Herz wurde in einer Silberkapsel im Augsburger Münster beigesetzt, die Bestattung des Leichnams erfolgte am 4. August 1812. Um 16 Uhr zog der Trauerzug von der Pfarrkirche zum Friedhof. Die Trauerfeier leitete der Augsburger Weihbischof von Hohenlohe-Schillingsfürst. Einschließlich des Augsburger Domkapitels nahmen der ganze Klerus, Generalkommissar von Reisach, der gesamte Hof und die Augsburger Bürgerwehr an der Trauerfeier teil. Ein langer Trauerzug der Bevölkerung gab dem toten Churfürsten das Geleit. In seinem Testament hatte Clemens Wenzeslaus seine Dienerschaft zum Universalerben bestimmt, für die Oberdorfer und Augsburger Armenkasse hatte er ein Vermächtnis eingesetzt, ebenfalls für die Oberdorfer Lehrgeldstiftung, eine Ausbildungsstätte für Jungen aus unteren sozialen Verhältnissen. Seine Schwester Kunigunde erhielt lediglich einige persönliche Erinnerungsstücke und zog sich an den Dresdener Hof zurück. Die kurfürstlichen Mobilien wurden öffentlich versteigert. Einen Teil der Möbel kaufte der Bayerische Staat und verteilte sie auf verschiedene Schlösser. Das Oberdorfer Schloss wurde zu Verwaltungszecken umgewidmet. 1823 ließ Kunigunde eine Grabkapelle im klassizistischen Stil an die Pfarrkirche anbauen und hierin Clemens Wenzeslaus umbetten. Eine weiße Marmortafel trägt die goldene Inschrift: Hic requiescit in Domino/reverendissimus ac celsissimus/Princeps Elector/Archi-Episcopus Trevirensis/Et Episcopus Augustanus/Praepositus Ellwacensis/Regius Princeps Poloniae/Dux Saxoniae etc. etc./ Clemens Wenceslaus/ natus Die 23. Nov. 1739 (Anm.:150)/ denatus in sua residentia aestivali Oberdorfii Die 27. Juli 1812 - Amantissmimus Domini habitabit con-/fidenter in eo, quasi in thalamo inter/ humerus ejus requiescit/ Deuteronome C. 33,v.12 Hier ruht im Herrn /der Hochwürdigste und Erhabenste Kurfürst/ und Erzbischof von Trier, /(und) der Bischof von Augsburg, /der Abt von Ellwangen, der königliche Prinz Polens,/ der Fürst Sachsens etc. etc./ Clemens Wenceslaus / geboren am ........../ verstorben in seiner Sommeresidenz Oberdorf am 27. Juli 1812 - Der Liebling des Herrn wohnte im Vertrauen auf ihn, er ruht wie in einer Kammer zwischen seinen Schultern. Deuteronomium 33,12. Anmerkungen
10. ResümeeResümee: Clemens Wenzeslaus war zweifelsohne ein frommer katholischer Priester und ein papsttreuer Prälat der Römischen Kirche. Als Reichsfürst war er ein treuer Freund der deutschen Kaiser und fühlte sich für die deutschen Lande verantwortlich. Als Landesherr behielt er das Wohl der Menschen im Auge und bemühte sich nach besten Kräften die Verhältnisse zu verbessern oder wenigstens erträglicher zu machen. Mit Selbstverständlichkeit lebte er nach den Regeln und Möglichkeiten seiner hohen sozialen Stellung. Er war überaus gebildet und ein großer Musikliebhaber. Den Idealen der Aufklärung war er aufgeschlossen, solange sie nicht seine katholische Identität berührten. Seine Beziehung zum Protestantismus und zum Judentum wurde pragmatisch durch seine Erziehung zur Toleranz und durch wirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmt. Sein großes Pflichtgefühl bewahrte ihn davor, die ihm anvertrauten Landesherrschaften zum Vorteil für sich und seine Familie auszusaugen, wie es viele Landesherren mit Selbstverständlichkeit taten. Er litt unter den Kriegen und fühlte sich ihnen oft hilflos ausgeliefert. Trotz guten Willens konnte er die Zeitenwende nicht aufhalten. Die Einschätzung des Koblenzer Historikers Domenicos dürfte zutreffend sein: "seine Regierung hat über die letzte Zeit des Trierischen Kurfürstenthums dennoch reichen Segen verbreitet; sie bildet das milde Abendroth vor dem Einbrechen einer dunkeln Periode der Zerstörung und fremder Gewalt, die erst nach mehr als einem halben Menschenalter einer neuen Morgenröthe weichen sollte." Zum Schluss sei noch einmal der Hinweis erlaubt, dass wir auch Clemens Wenzeslaus im Kontext seiner Zeit sehen und beurteilen müssen. Es war die Zeit des Barock, wo sich der Adel mit Selbstverständlichkeit als Führungsschicht verstand, der auch zunächst und vor allen die materiellen Ressourcen, die von allen erarbeitet wurden, für sich beanspruchte. Dies galt nicht nur für den katholischen Adel. Die protestantischen Landesherren lebten in derselben Gesinnung. Da die geistlichen Fürsten zum hohen Adel gehörten, nahmen sie auch dessen Privilegien in Anspruch. Die Ideale der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" haben langfristig gesehen Europa verändert. Dass sie aber nur sehr mühsam und bruchstückhaft verwirklicht wurden, sieht man an den Gewalttaten der Revolutionäre, an den imperialistischen Kriegen Napoleons und an der Wiederkehr der hierarchischen Monarchie. In diesem Licht seiner Zeit muss Clemens Wenzeslaus gesehen und beurteilt werden. Eingesehene und eingearbeitete Literatur
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