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Kosaken zogen 1813 in Bendorf ein

von Hans Scharfenstein †

(Ehrenmitglied der GGH)


Aufregende Tage im Flecken
Die russischen Reiter wurden von der Bevölkerung wie Exoten bestaunt

Vielen Bendorfern dürfte die Tatsache unbekannt sein. daß schon zur Zeit Christi Geburt, die damaligen Bewohner des Gebietes, auf dem heute die Stadt Bendorf steht, fast 50 Jahre lang eine fremde Besatzung im Lande hatten. Die Bewohner damals waren Germanen vom Stamm der ,,Ubier" und römische Legionäre die Besatzungssoldaten. Diese hatten in Rheinnähe, an der heutigen Werftstraße, ein Kastell erbaut, und da dieses das erste und für viele Jahre auch das einzige auf der rechten Rheinseite war, begann damit auf Bendorfer Boden der Anfang römischer, militärischer Besatzungstätigkeit auf der rechten Rheinseite.

In den jetzt zwei Jahrtausenden, die mittlerweile vergangen sind, und in der fast tausendjährigen Geschichte des Städtchens Bendorf, hat seitdem ungezählte Male fremdes Kriegsvolk von dem Gebiet Besitz ergriffen und Bendorf damit in die leidgeprüfte Schicksalsgemeinschaft vieler rheinischer Städte eingereiht. Neben den in- und ausländischen Okkupanten, wie Hessen, Pfälzern, Österreichern, Franzosen und vielen anderen, hatte Bendorf, infolge der napoleonischen Kriege, auch eine Einquartierung, die wegen ihres Aussehens die einheimische Bevölkerung in Erstaunen versetzte. Es waren die Russen mit ihren Kosaken.

Die Ursachen der Besatzung waren folgende: 1812 zog Napoleon mit seinem Heer nach Rußland und eroberte Moskau. Bei beginnendem Winter, ohne Nachschub und Quartiere, trat er den Rückzug an. Seine Soldaten, unter ihnen auch Bendorfer und Sayner, waren diesen Strapazen nicht gewachsen. Bei Borodino und an der Beresina wurden sie vom russischen Feldmarschall Fürst Peter von Sayn-Wittgenstein, einem Vorfahren der heutigen Sayner Fürstenfamilie, vernichtend geschlagen. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Herbst 1813 zogen sich die geschlagenen Franzosen eiligst auf das linke Rheinufer zurück, dicht verfolgt von den verbündeten Truppen Preußens, Rußlands und Österreichs.

Als Folge dieser Ereignisse marschierten am 28. Oktober 1813 in Bendorf und allen Nachbarorten, auch in Sayn und Vallendar, russische Truppen ein. Ihre übergroße Zahl, die hier einquartiert wurde, brachte Bendorf und seinen Bewohnern viele Beschwernisse und manche Aufregungen.

Bei der Bevölkerung fanden allergrößte Beachtung das Aussehen und die Gewohnheiten der Kosaken. Viel belacht und verspottet wurde deren seltsame Bekleidung, einmal deshalb, weil sie das Hemd über der Hose trugen (Russenkittel) und dann die Hosen wiederum in Falten gelegt, rockartig über den Stiefeln. Ihre struppigen, nicht allzugroßen Pferde, trugen anstatt des Sattels ein Kissen, und als Sporen diente den Kosaken eine kurze Lederknute. Lanzen, Säbel und Pistolen waren ihre Waffen.

Wie überall, so hatten sie auch außerhalb Bendorfs ein Lagerdorf errichtet, in dem ein buntes Leben und Treiben herrschte. In langen Reihen angepflockt, standen dort Ihre genügsamen Pferde, und wenn dann abends beim Lagerfeuer, bei Musik und Tänzen und dem Gesang der schwermütigen Lieder ihrer russischen Heimat, dabei die ganze Mentalität dieses fremden Kriegsvolkes zum Vorschein trat, kamen die einheimischen Zuschauer aus dem Staunen nicht heraus. In Vallendar staunte man noch mehr über eine Abteilung "Kirgisen" und ,,Baschkiren", die sogar Kamele bei sich hatten.

Wie alle Besatzungstruppen verlangten auch die Russen viel, gaben sich aber mit dem, was sie bekamen, zufrieden. Nach zeitgenössischen Berichten waren sie große Esser und Trinker. Hauptproblem war die Verständigung, denn ihre Sprache war am Rhein fast unbekannt. Dies führte oft zu Mißverständnissen und Streitigkeiten, wovon auch Bendorf nicht verschont blieb.

Aber ein ganz besonderes Glück bewahrte die Stadt damals vor viel Unheil. Hier wohnte nämlich ein Mann, der in Polen geboren war und perfekt russisch sprach. Er war einer jener österreichischen Soldaten, die im Jahre 1796, nach dem Gefecht bei Bendorf, mit den Franzosen hier geblieben war. Als "Beisasse" lebte er in ärmlichen Verhältnissen und ernährte sich und seine Familie durch Tageslohnarbeiten. Dieser brave Mann namens Franz Scharkowsky bot dem damaligen Bürgermeister Schmitzhaus sofort seine Dienste als Dolmetscher an, und durch sein mutiges Auftreten und Verhandlungsgeschick bewahrte er Bendorf vor Plünderungen und anderen gefährlichen Situationen.

Von seinem Wirken geben alte Akten im Heimatarchiv der Stadt Bendorf Kunde, und daß sein Einsatz nicht immer ungefährlich war, zeigen folgende Begebenheiten: Der Besitzer der Bendorfer Eisenhütten und Erzgruben, Johann Friedrich Remy, erregte irgendwie das Mißfallen der Russen, vielleicht seines französischen Namens wegen. Als jedenfalls Offiziere und Soldaten der "Ariergarde" im Begriff standen, mit ihren Pferden in sein Haus einzudringen (Goethehaus), um es zu verwüsten, da war es Scharkowsky, der sich ihnen mutig entgegenstellte, die wütenden Russen beruhigte und sie bewog, diese sinnlose Tat zu unterlassen. Diese, sichtlich beeindruckt, soweit von ihrer Heimat in ihrer Sprache angesprochen zu werden, fügten sich und alles wendete sich zum Guten.

In Stromberg, wo vorbeireitende Kosaken an die verängstigten Einwohner erhebliche Geldforderungen stellten, konnte der von zwei Einwohnern eiligst herbeigeholte Scharkowky dieselben bewegen, abzuziehen, ohne daß sie einen Heller erhielten, und obendrein wurden alle noch bestraft. Auf Bettücher waren die Russen besonders versessen und überall, wo solche requiriert wurden, brachte er es fertig, daß diese den Eigentümern zurückgegeben wurden. Als nassauischen Fuhrleuten in Bendorf von Offizieren und Soldaten vier Pferde und zwei Ochsen ihrer Gespanne gestohlen und nach Heddesdorf verkauft wurden, gelang es ihm, dank seines geschickten Verhandelns, daß diese ihr schon verloren geglaubtes Vieh restlos zurückerhielten.

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie wertvoll die Tätigkeit dieses Mannes damals war. Von allen Nachbarorten, die ohne Dolmetscher waren, wurde ihm viel Geld geboten. Er aber blieb in Bendorf, und da Tag und Nacht etwas los war, quartierte Bürgermeister Schmitzhaus ihn kurzerhand bei sich ein, um ihn sofort zur Verfügung zu haben. So konnte damals in Bendorf das Schlimmste verhütet werden.

Als Lazarett diente den Russen das Gebäude der alten evangelischen Schule am früheren Marktplatz, welches sich damals als ,,Freiadeliges Haus" im Besitz der Familie von Umbscheiden befand und, noch vor 50 Jahren wurde in Bendorf behauptet, daß die Wucherungen (Knuzzen) an den Stämmen der Bäume, die sich noch in den 20er Jahren in der Bachstraße befanden, nur dadurch entstanden seien, weil die Kosaken ihre Pferde an den damals jungen Bäumen angekettet hatten und diese dadurch wundgescheuert wurden.

Völlig unbekannt war hier auch die Art der Russen, zu baden. Als diese nämlich, heißgeschwitzt, aus ihren errichteten Schwitzhäusern kommend, sofort in das eiskalte Wasser, der ins Eis gehakten Löcher sprangen, da betrachteten die einheimischen Bewohner dieses Tun als eine schreckliche Pferdekur, um aussätzige Krankheiten zu heilen. In Wirklichkeit lernten sie die hier noch völlig unbekannte nordische Sauna kennen.

Als in der Neujahrsnacht 1813/14 Blücher bei Kaub den Rhein überschritt, begann damit überall der Angriff auf Frankreich. In Bendorf waren es als erste die Kosaken, die mit ihren Pferden in Booten den Rhein überquerten und von St. Sebastian aus sofort erkundeten, wo der Feind war. Am 8. Januar 1814 verließen die letzten Russen Bendorf und damit endete hier eine Besatzung die unseren Vorfahren damals einen Blick in eine ihnen bis dahin vollkommen fremde und rätselhafte Welt gestattet hatte.

Dem Mann aber, durch dessen mutiges und geschicktes Auftreten als Dolmetscher Bendorf und seinen Bewohnern damals viel erspart geblieben war, wurde sein wohlverdienter "Lohn der Angst" jahrelang vorenthalten. Erst im Jahre 1818 erhielt er einige Taler, und seiner Tochter wurde auf sein inständiges Bitten das Bürgerrecht kostenlos verliehen.

Foto: Untertitel: Angeblich sollen die Bäume, in der Bachstraße noch die Ketten der Kosakenpferde getragen haben. In das Haus des Eisenhüttenbesitzers Johann-Friedrich Remy (Goethehaus) drangen die Kosaken mit ihren Pferden ein, um es zu verwüsten. Doch Scharkowky verhinderte durch sein mutiges Einschreiten größeren Schaden.




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