HERZLICH WILLKOMMEN Geehrte Besucherin / Besucher, Sie haben eine Seite
der Homepage der Der "schwarze Tod" am Mittelrheinvon Hermann Müller (Mitglied der GGH)Zum St.Sebastians - Tag am 20. JanuarGar vieles hat unsere rheinische Heimat in den letzten Kriegsjahren im Bombenterror und beim Näherrücken und Überrollen der Front erdulden müssen, doch schlimme Zeiten, hat es am Strom, insbesondere im Mittelrheingebiet, auch schon in früheren Jahrhunderten gegeben. Im Dreißigjährigen Krieg zum Beispiel wurden hier blühende Landschaften verwüstet, Dörfer und Ortschaften niedergebrannt, ihre Bewohner drangsaliert und zugrunde gerichtet. Überall treffen wir auf stumme und doch beredte Zeugen jener Zeiten, seien es Ringmauerreste, Kirchenruinen, oder seien es Motivkreuze, Gedenksteine und Kapellen. So finden wir in Sayn und in Engers jeweils eine Kapelle und auch andernorts in der Umgebung, wie in Koblenz, Güls und Andernach. Sie erinnern an eine furchtbare Geißel, die Pest, die die Menschen im 16.und besonders im 17. Jahrhundert unbarmherzig schlug und als Schrecken aller Schrecken gefürchtet wurde. Schon in der Antike trat diese Krankheit epidemisch auf und befiel ganze Landstriche entlang des Mittelmeerbeckens. So wurden unter Marc Aurel (121-180 n. Chr.) besonders die Stammländer des römischen Kaiserreichs von der Pest heimgesucht, die entvölkerte Städte und leere Häfen zurückließ, sodaß der vorher blühende Handel fast zum Erliegen kam und von dieser Zeit an Rom niemals mehr vor Invasionen der Barbaren sicher war. Seine Wirtschaft und vor allem seine Wehrkraft waren gerade durch die damalige langanhaltende und periodisch auftretende Pest entscheidend geschwächt worden, und neuerdings suchen hierin die Historiker den Hauptgrund für den Beginn des Niedergangs dieser Weltmacht. Meist aber verlief das Geschehen in umgekehrter Folge, denn zunächst wurde die Bevölkerung durch Kriegswirren und Hungersnot derart zermürbt, daß Seuchen wie Typhus, Blattern, Syphilis, Pocken und schließlich Pest sich rasch ausbreiten konnten. So geschah es auch hier am Mittelrhein, als die Schweden hereinbrachen und unsere Heimat zum Kriegsgebiet wurde, in dem auch Spanier, Franzosen, Niederländer und Kaiserliche durch Frohnden, Beitreibungen, Plünderungen nach der Devise: "Krieg ernährt den Krieg" das Land aussogen und verwüsteten. Damals ging Ehrenbreitstein in Flammen auf, das Franziskanerinnenkloster Besselich bei Mallendar und das Zisterzienserinnenkloster auf Niederwerth wurden geplündert, die schöne dreischiffige Basilika des Augustiner-Nonnenklosters in Schönstatt wurde niedergebrannt wie auch die Burgen zu Sayn; und Bendorf mußte eine Besatzung ernähren, die es wirtschaftlich ruinierte, als im Mai 1632 Braunsfeldsche Landsknechte mit einem Troß von 156 Pferden und Karren in das Städtchen einrückten und alles requirierten, was in Keller, Scheunen und auch Stallungen zu finden war. Kleine Ortschaften und abgelegene Weiler waren ganz der Willkür durchziehender Kriegsscharen preisgegeben, und meist flohen die Bewohner in die Waldungen, wo sie sich versteckten oder auch verschanzten. So erinnert heute noch bei Namen von Fluren und Gemarkungen die Bezeichnung "Schwedenschanze" an jene Zufluchtsorte. Ganze Dörfer waren zeitweise entvölkert, und die Äcker und Felder blieben unbestellt, sodaß Hungersnot und Teuerungen folgten. Manche Orte wurden besonders hart betroffen. So waren zum Beispiel die Weißenthurm gegenüber am Rhein gelegene Ortschaft Langendorf und das weiter dahinter gelegene Dorf Reul beim heutigen Block-Heimbach zerstört und derart vollständig dem Erdboden gleichgemacht worden, daß man nicht mehr ihre Namen auf der Landkarte und im Gedächtnis der Menschen findet. Auch das in der Nähe von Kettig gelegene Dorf Werle, dem eine große Probstei nebst stattlicher Kirche vorstand, ging damals in Flammen auf und verschwand für immer. Die Verluste an Menschenleben in den letzten zehn Jahren des Dreißigjährigen Krieges allein im Erzbistum Trier wurden vom Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern "in Leid und Trauer" auf 300.000 geschätzt und belief sich fast auf die Hälfte der ehemaligen, vor den kriegerischen Ereignissen ermittelten Bevölkerungszahl. In den Schilderungen über die Kriegsnot jener Zeit des 17. Jahrhunderts findet in den Chroniken immer wieder die Pest besondere Erwähnung. Sie wird mit vielen Namen bezeichnet, wovon in unserer Gegend die gebräuchlichsten: die "schwerende Krankheit", die "Kränk", die "sterbende Luft" und der "Schwarze Tod" waren. Schwarzer Tod wohl deshalb, weil bei Bubonenpest die Beulen blauschwarz den befallenden Leib bedeckten. Es gab damals kein Heilmittel gegen die Seuche, da man noch keine Bakteriologie in der Medizin kannte. Wohl versuchten die Ärzte mit Aufschneiden der Pestbeulen "das Gyfft abfließen zu lassen", aber sie beschleunigten damit nur die Pestsepsis, die totale Blutvergiftung. Die Isolierung der Kranken zeitigte schon eher eine Eindämmung der Seuche, doch wußte man nicht, daß die Übertragung der Krankheit besonders durch Flöhe und Ratten geschah. Und bei den hygienischen Verhältnissen jener Zeit, in der in den dichtgedrängten Wohnvierteln der Ortschaften und Städte jegliche Kanalisation fehlte, und aller Unrat meist durch die Rinnen der engen Gassen lief, wurde die Ansteckung nur noch gefördert. Es nützte wenig, wenn pestbefallene Gemeinden rigoros die Häuser der Kranken "verklausterten" und niemanden mehr hinausließen oder auch die Stadttore vor heimkehrenden Bürgern verrammelten, wenn draußen im Umkreis die Seuche herrschte, den die unsichtbaren Pestbakterien wurden von Haustieren und Ungeziefer und auch durch Rinnwasser zu den Menschen innerhalb noch so starker Mauern geschafft. Die Befallenen bekamen gleich hohes Fieber, litten unter Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl; ab zweiten Tag schwollen die Lymphdrüsen an. Sie wurden unruhig und zeigten einen taumelnden Gang, bis sich dann die ersten Pestkarbunkel meist in der Leistengegend bildeten und bald den ganzen Körper bedeckten. Die armen Menschen starben dann rasch an Kreislaufschwäche, durch die fortschreitende Vergiftung ausgelöst. Seltener war die Lungenpest, die leicht durch Pestbazillen im Atem und Auswurf verbreitet wurde und eine tödliche Lungenentzündung hervorrief. Die ärztliche Wissenschaft jener Zeit stand dieser furchtbaren Seuche ratlos gegenüber und begegnete ihr mit allerlei "Mystica und Secreta". So gebrauchte sie obskure Rezepte angeblich aus Venedig und Alexandria, wo die Pest schon Generationen vorher gewütet hatte. Danach galten als Mittel gegen die Pest Goldkugeln, die am Hals zu tragen waren, besonders jedoch das Trinken pulverisierter Edelsteine und Edelmetalle wie Gold, Silber, Rubin, Granat, Bernstein und Korallen. Auch die sog. Dreckspharmazeutika hatten damals hohe Geltung und starke Verwendung, wie aus Urin gewonnes Salz, Pulver von Hörnern und Hufen, Schlangenextrakte und Hühnerfleisch und anderes mehr. Es war auch die üble Zeit der sogenannten Volksmedizin, die von zahlreichen Quacksalbern und Heilkünstlern, wie Balbiere, Schäfer, Schmiede, Scharfrichter, Schinder und alten Weibern, praktiziert wurde, die meist, törichte, absurde, oft abscheuliche und ekelhafte Mittel gegen die Pest verordneten und von Mund zu Mund weitergaben. Während einerseits Mediziner von den damals gerade aufkommenden Heilmitteln nach Erkenntnissen des berühmten Arztes und Naturforschers Paraceisus, der die chemische Arznei in die Medizin einführte, Wunder erwarteten, gingen die einfachen Quacksalber andererseits gewissenlos mit dem paracelsischen Grundsatz Gleiches mit Gleichem zu heilen. (similia similibus) um, machten zum Beispiel Pulver aus Kröten wegen ihrer Ähnlichkeit mit Pestbeulen und verabreichten es den Kranken. Auch Knochen von Pesttoten wurden zermahlen und sogar Ausfluß aus den Pestbeulen in obiger Hinsicht als Medizin benutzt. Und da dies alles nichts half, glaubte man bald landauf, landab bereitwillig, daß all dieses Elend auf Zauberei und Hexerei zurückzuführen sei. Auch das oft damals vorkommende massenhafte Hinsterben des Viehs schrieb man teuflischen Einflüssen zu. Diese Ansicht gärte nicht nur unter dem einfachen Volke, sondern auch die "Gelehrten" jener abergläubigen Zeit vermuteten allen Ernstes als Ursache der Not Hexerei und Zauberei. Selbst Geistliche und hohe Kleriker waren von jenem bösen Irrwahn befallen, hatte doch schon Jahrzehnte zuvor Martin Luther das Auftreten von Pestilenz und anderen Seuchen als Werk des Teufels gebrandmarkt. Und so kam neben den schweren Belastungen von Kriegs- und Pestläufen für die Bevölkerung noch der Schrecken der Inquisitionsgerichte hinzu. Schon 1587 wurden zwei alte Frauen in Kehrig auf dem Maifeld als Hexen zum Scheitertod verurteilt, und die Reihe der Hexenprozesse reißt von da lange Zeit nicht mehr ab: 1594 starben ebenfalls zwei alte Frauen in Mayen auf dem Scheiterhaufen, von 1629-31 fanden in Koblenz die Hexenprozesse statt, wobei allein im Jahre 1629 vierundzwanzig Frauen und Männer verbrannt wurden. In Winningen herrschte die Inquisition so grausam, daß in der Zeit von 1631-59 einundzwanzig Menschen den Scheiterhaufen besteigen mußten, und im kleinen Ort Rhens wurden innerhalb von zwei Jahren (1645-47) zehn Menschen zum Flammentod verurteilt. Es gab fast keine Ortschaft im Koblenzer Becken, in der alte Leute von ihren Mitbürgern als Hexen angeklagt wurden, sofern man hier den Chroniken Glauben schenken darf. Überschaut man die Pestzeit, so fällt auf, daß die Seuche jeweils in großen Schüben aus dem europäischen Raum oder auch, wie die letzte Epidemie 1666, aus Übersee über die Häfen der Niederlande das Rheingebiet erreichte. Das begann Mitte des 16. Jahrhunderts schon, als die Beulenpest über Schlesien, Böhmen, Niederösterreich nach Bayern kam, wo heute noch am Königssee die schönstgelegene Pestkapelle, St. Bartholomä, zu Füßen des Watzmanngebirges daran erinnert neben Peststeinen und Pestsäulen bei den Ortschaften und in den Städten Süddeutschlands. Das Mittelrheingebiet wurde erst 1597 von dieser Epidemie erfaßt, wobei vor allem die mittlere und untere Mosel betroffen waren. Allein in Ediger starben 55 Menschen, und in Zell sowie Cochem mußten vor allen die Pastöre der Gemeinden neben einigen Ordensleuten, die die Kranken pflegten, ihr Leben hingeben. Doch am schlimmsten wütete die Pest damals in Andernach, wo binnen weniger Tage über 900 Einwohner starben und selbst der berühmte Bürger dieser Stadt, der Humanist und Magister medicinae Johann Günther Winter, der auch an der Universität Straßburg lehrte, dem Massensterben machtlos gegenüberstand. 1607 brach auch in der Stadt Koblenz, die bis dahin ziemlich von der Pest verschont geblieben war, die Seuche trotz aller Vorsichtsmaßnahmen aus. Man hatte die Tore verschlossen und eine Straßenwache zur Überprüfung Fremder eingerichtet. Jeder, der in die Stadt wollte, mußte sechs Wochen in Quarantäne. Alle öffentlichen Badestuben wurden geschlossen, und vor den Hafenanlagen hatte man ein besonderes Augenmerk auf Flößer und Schiffer, die leicht die Pest einschleppen konnten. Man verbrannte Wacholderbündel in den Straßen, um gegebenenfalls die "böse, sterbende Luft" zu vertreiben. Käse und Fische mußten vom Markt verschwinden, ebenso Wollsachen, da sie als besonders infiziert und gefährlich galten. Doch alle Vorbeugung half nicht, die Pest forderte auch hier ihre Opfer und ließ sich bis 1613 nicht mehr vollständig eindämmen. Besonders im letzten Jahr flackerte sie in Koblenz bedrohlich auf, nachdem allein in Winningen 129 Menschen ihr zum Opfer gefallen waren. Die Ortschaften rheinabwärts wurden ebenfalls erfaßt und versuchten durch konsequentes Absperren zueinander die Seuche abzuhalten, was soweit ging, daß selbst die Felder nicht mehr bestellt und die Lebensmittel knapp wurden. In und um Koblenz verlief die Seuche so verheerend, daß bald die Friedhöfe sich als zu klein erwiesen. Man schaffte die Toten in große Gruben ohne Särge und meist nachts ohne Priester, ohne Glocken und ohne Gefolge, da alle in wahnsinniger Angst die Leichen mieden und man diese schließlich auf Stangen wegtrug und einschaufelte. Not lehrte beten, wohin hätten die Menschen sich auch sonst noch wenden sollen als zu Gott? Und so rief die Bevölkerung verzweifelt in ihrer großen Not die Pestheiligen als Fürbitter bei Gott an, versammelte sich zu Wallfahrten und Bittprozessionen. Reliquien der bekannten Pestheiligen St. Sebastian, St. Fabian, St. Rochus und St. Wendelin wurden in den Kirchen zur Verehrung aufgestellt. Das. aus dem Kloster Arnstein im Lahntal entliehene Schulterblatt-Reliquiar des hl. Sebastian wurde von Ortschaft zu Ortschaft gebracht, und in Koblenz selbst führte man den in einen Silberbecher gefaßten Kopf des hl. Fabian, aus dem jedermann trinken durfte, in feierlicher Prozession durch die Straßen zum Kreuz am Beatusberg. Die Kirche des Ortes St. Sebastian wurde zum erstenmal Ziel zahlreicher Prozessionen, die rechtsrheinisch über Bendorf gingen, seitdem von dort ein regelmäßiger Fährbetrieb über, den Strom eingerichtet worden war. Die Seuche erlosch dann. Zehn Jahre hatten die Menschen Ruhe vor der Pest, bis sie 1623 wieder ausbrach und drei Jahre hindurch Angst und Schrecken verbreitete. Besonders verheerend wirkte sie in den kleinen, engen Moselorten, sodaß dort auch u. a. laut Geburtsregister der Kirchenbücher in mehreren Jahren keine Geburten einzutragen waren und die kleinen Gemeinden fast ausstarben, wie es der Gemeinde Peternach zwischen Spay und Boppard damals geschah, von der heute nur noch eine Blockstelle der Eisenbahn den Ortsnamen behielt. Das Neuwieder Becken wurde wiederum zehn Jahre später, 1632 und vor allem 1636 und 37 in den Wirren der Franzoseninvasion zur Belagerung von Koblenz von Pest heimgesucht. Zunächst breitete sich Typhus aus, dem die Pest folgte und viele Bewohner hinwegraffte. Auch die Kriegsvölker, die hier durchzogen und im Quartier lagen, litten stark unter der Seuche, die sie wahrscheinlich auch einschleppten. Oft wurden Schiffe voll kranker Landsknechte abtransportiert, weil die Hospitäler und Aussatzhäuser im Siechhaustal bei Stolzenfels und auch die Siechenhäuser des Klosters Besselich sowie die Isolierstation im Ferbachtal überfüllt waren. Gegen Ausgang des 30-jährigen Krieges wurde 1648 besonders das Ahrtal von der Pest heimgesucht, wo in der kleinen Stadt Ahrweiler der dortige Pfarrer Servatius Ottler den Kampf mit der Seuche aufnahm und in heroischem Einsatz sein Pfarrhaus in ein Siechenhaus verwandelte, nachts mit zu den Beerdigungen ging und trotz Verbots des städtischen Rates seine Pfarrkinder besuchte, um ihnen Stärkung für Leib und Seele zu bringen. Er opferte sich auf und wurde von der Seuche hinweggerafft. Von seiner dankbaren Gemeinde wurde er im Chor der Pfarrkirche beigesetzt. Sein Kelch mit seinem Namen wird heute noch dort als Reliquie in Ehren aufbewahrt. Als endlich der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging und das Land im Frieden sich erholte, folgte die Pest nicht mehr so rasch und periodisch wie in den Jahrzehnten davor. Fast 30 Jahre lang blieb die Bevölkerung von ihr verschont, bis sie sie in den Jahren 1665-69 zum letzten Mal heimsuchte. Wieder leitete eine allgemeine Seuche, diesmal die Ruhr, das Elend ein. Mit den Segelschiffen aus Übersee, unter ihnen welche mit der gelben Pestflagge am Mast, traf der asiatische Gast, eine Art Bubonenpest, also Beulenpest, in Amsterdam ein, erreichte bald Köln und brach kurz danach am Mittelrhein aus. Dabei war es eigenartig, daß hier zunächst Rhens befallen wurde, während die Köln näher liegenden Rheinorte unberührt blieben, was darauf zurückzuführen ist, daß Rhens als kurkölnische Enklave und stark besuchter Schifferort am frühesten von Kölner Pestflüchtlingen aufgesucht wurde. Hier starben dann auch innerhalb zwei Jahren 1665/66 an 170 Menschen. Auch Sayn wurde früh ergriffen, da wahrscheinlich Wallfahrer zum St. Simonsschrein der Abtei die Pest in den kleinen Ort schleppten. Innerhalb von zwei Monaten erlagen über 100 Einwohner der Seuche. Die Praemonstratenser-Abtei schloß ihre Tore, und nur ein Pater, namens Tilman Baldems, hielt tapfer bei den Todgeweihten aus. Unter freiem Himmel auf offenem Platz mitten im Ort hielt er täglich die hl. Messe, betreute die Kranken und bereitete sie auf den Tod vor. Von seinen Mitbrüdern aus der Abtei wurde er durch Abstellen des Allerheiligsten (Hostien) und auch von Lebensmitteln in einem Heiligenhäuschen vor der "Talpforten" versorgt. Als fast in jedem Hause die Seuche grassierte und ihre Opfer nahm, forderte Pater Baldems seine Pfarrkinder auf, dem Fürbitter gegen die Pest, dem hl. Sebastian, ein Gelöbnis zum Bau einer Kapelle zu machen, damit Gott sich der noch Überlebenden erbarme. Bald darauf erlosch die Seuche, nachdem der treue Seelsorger als ihr letztes Opfer gestorben war. Die Sayner hielten ihr Gelöbnis und bauten die Kapelle, die heute noch in einfachem Stil mit Barock-Ziervasen in Altsayn steht. Ihr Altar wurde am 22. Juli 1670, dem St. Maria-Magdalenentag geweiht. In ihr stand anfangs unter anderem, wie der "Rheinische Antiquarius" berichtet, eine Statue des hl. Blasius, die aus früher Zeit stammte. Ein Sayner Bursche nahm sie später weg und warf sie in den Brexbach. Wie weiter zu lesen ist, soll der jugendliche Frevler in demselben Bach ertrunken sein - und zwar an der gleichen Stelle! Eine weitere Episode ist von der St. Sebastianskapelle zu berichten, die jedoch in neuerer Zeit sich ereignete und ebenso tragisch endete Als die Sayner noch auf dem Platz neben der Pestkapelle vor dem ehemaligen Gemeindehaus (Rathaus) ihren Kirmesbaum mit Stützen und Seilen hochrichteten, verfing sich ein Seil an der äußeren steinernen Ziervase der Kapellenfassade und riß sie herab, wobei sie einen Sayner Bürger erschlug. - Neben der Kapelle, in der noch bis vor kurzer Zeit im Laufe des Jahres Andachten und Sterbegebete verrichtet wurden, erhebt sich über dem Platz, unter dem die Pesttoten begraben wurden, ein hohes, überdachtes Bußkreuz, das im Jahre 1783 errichtet wurde mit einer Tafel unten, auf der zu lesen war: "Gekreuzigter Herr Jesus, erbarme dich unser und aller hier Ruhenden". - So wird seit 1666 von den Saynern der 20. Januar, der Tag des hl. Sebastian, festlich begangen, indem in der Pestkapelle sich die Einwohner und auch Auswärtige zu Andachten versammeln, in denen das andernorts längst vergessene St. Sebastianslied gesungen wird. Zu gleicher Zeit, als in Sayn die Pest erlosch, breitete sie sich im nahen Bendorf und Vallendar aus. Aber man nahm dort sofort strengste Internierungsmaßnahmen vor und isolierte die Kranken in den Siechenhäusern, sodaß nach kurzer Zeit die Epidemie für die beiden Orte vorüber war, zumal sie ihre Absperrung beibehielten Schlimmer wütete dagegen die Pest in Engers, wo schon 1662 die ersten Sterbefälle zu beobachten waren. Als schließlich in der großen Gemeinde nur noch fünf Familien von der Seuche nicht befallen waren und in absehbarer Zeit auch deren Erlöschen zu befürchten war, gelobte man auch hier in schwerer Bedrängnis, dem hl. Sebastian eine Kapelle zu bauen, falls durch seine Fürbitte, die Überlebenden gerettet würden. Die Seuche erlosch auch dort, und sofort begannen die paar Verschonten mit dem Kapellenbau, wobei auch Frauen und Kinder, laut Chronik, schwere Steine und Balken herbeischleppten. Auch in dieser Pestkapelle, die heute noch an der Hauptstraße (B 42) nach Mülhofen steht, wurde bis vor kurzem der St. Sebastianstag feierlich begannen. Früher erkletterten am Kirchweihtag die Burschen des Ortes das niedrige Kapellendach, um das Glöckchen im Dachreiter mit der Hand, nicht mit dem Seil, wie die Tradition es vorschrieb, zum Läuten und zum Mahnen an jene Errettung in der Pestzeit zu bringen. Rheinabwärts von Engers wurde Irlich ebenfalls 1666 von der Seuche erfaßt. Die von der Praemonstratenser-Abtei Rommersdorf bei Heimbach zur Pflege herbeigeeilten Patres starben zum Schrecken des Abtes, denn nur noch die Hälfte der zur Hilfe Gesandten kehrte zurück. In Leutesdorf, wo eine Quarantänestation für Kurtrier errichtet worden war, und daher auch viele Menschen dort versammelt waren, drang die Pest so vehement vor, daß innerhalb kurzer Zeit 164 Leute starben, darunter auch viele Einheimische. Denn in den Jahren danach findet man in den Chroniken immer wieder die Klage darüber, daß an Rhein und Mosel Ackerer fehlten, um Felder und Weinberge zu bestellen. Im August 1667 brach dann auch die Pest in Koblenz aus, nachdem sie wie ein Gespenst um. die Stadt herum, bald hier, bald dort aufflackerte und Angst und Sterben verbreitete. Die Kapuziner in Ehrenbreitstein, die Jesuiten, die ihr Kollegium mitten in der Stadt hatten, die Augustiner, die Franziskaner und andere Orden wetteiferten in aufopferungsvoller Krankenpflege und starben als erste zahlreich dahin. Die schlimmsten Herde der Infektion bildete die enge, verseuchte Innenstadt, in der besonders die Franziskaner und Dominikaner sich in der Pestseelsorge hervortaten. Sie waren es vor allem, die die Kranken nicht im Stich ließen und mit bewundernswerter Tapferkeit sie pflegten, sich der tödlichen Gefahr der Ansteckung auslieferten und auch starben, wie ihre Totenzahlen beweisen. Wieder setzte man beim Volk großes Vertrauen auf die Fürbitten der Pestheiligen, zu deren Reliquien Prozessionen gingen, wie zum Beispiel zur Hofkirche nach Ehrenbreitstein wo ein Reliquiar des hl. Sebastian aufbewahrt wurde. Auch das sogenannte Schwarzheiligenhäuschen auf der Karthause, in dem eine schwarze Muttergottes als Nachahmung des Gnadenbildes von Einsiedeln (Schweiz) stand, war in den Tagen der Not vielbesuchte Wallfahrtsstätte. Schließlich ließ der neue Kurfürst von Trier, Carl Casper von der Leyen, eine Motivkapelle zu Ehren der Pestheiligen Sebastian und Rochus auf dem Franziskaner-Friedhof errichten, die heute noch als Hospitalkirche dient. Ein Drittel der Einwohner von Koblenz erlag der damaligen Seuche. Viele Bürger waren geflohen. Die Pfarrer von Plaidt, Leutesdorf, Rheinbrohl waren von der Seuche dahingerafft. Die Franziskaner aus Andernach traten an ihre Stelle und starben auch, denn den Kranken mußten die Sterbesakramehte gespendet werden. So stark war damals der Glauben an das Jenseits, dem man unter allen Umständen religiös vorbereitet und mit dem Sakrament versehen, begegnen wollte. Überall baute man Kapellen und bestimmte den Sebastianustag als Feiertag. So wurden die Pestheiligen, vor allem St. Sebastian, in den folgenden Generationen hoch in Ehren gehalten. Schützenbruderschaften erwählten ihn zu ihrem Patron, und in fast allen katholischen Kirchen des Landes war die pfeildurchbohrte Statue des Heiligen zu sehen. Die Pest suchte nicht mehr das Mittelrheingebiet auf. Ihr
Erscheinen war für die Nachfolgenden nur noch eine schreckliche
Überlieferung. Aber noch andere Epidemien verschonten auch weiterhin unser
Gebiet nicht. Besonders 1689, als die Franzosen im Pfälzischen
Erbfolgekrieg Koblenz belagerten und das Umland verheerten, brachen Ruhr und
Typhus aus. - Jahrzehnte später, im Sommer 1714, grassierten in Sayn und
Engers die schwarzen Pocken und forderten zahlreiche Opfer von den Einwohnern.
Aus diesen Tagen finden wir in der Chronik der Stadt Bendorf ein Dokument, das
einer damaligen sanitätspolizeilichen Anordnung des Stadtmedicus
entspricht und zeigt, wie man sich, obwohl im beginnenden Zeitalter der
Aufklärung, im medizinischen Bereich der Hygiene und Pharmazie noch nicht
ganz vom Aberglauben des Mittelalters befreit zu haben schien, wenn da zu lesen
ist: Die eigentliche Pest, der Schwarze Tod, wurde erst 1894 endgültig gebannt, als die medizinische Wissenschaft Pestbakterien mikroskopisch entdeckte und nun durch Schutzimpfungen unschädlich machen konnte. Sie wird nur noch hin und wieder in den unerschlossenen Gebieten Asiens und Afrikas festgestellt. Überblickt man heute die Pestzeit, die in Kriegswirren und Hungersnöten der Bevölkerung am Mittelrhein überdies arg zusetzte, so versteht man, daß damals Generationen hindurch weder Dörfer noch Städte sich vergrößerten, noch ein Geburtenüberschuß in den Kirchenbüchern registriert war, sondern daß auch Gewerbe und Handel stagnierten, wenn nicht gar zugrunde gingen. - Welche Nöte und Ängste hatten die Leute bisweilen zu durchstehen, und wie mag es einem Familienvater mit Frau und Töchtern zumute gewesen sein, wenn nachts eine zügellose Soldateska vor den Toren stand, die Vororthäuser ansteckte und sich zum Sturm bereit machte - oder wenn im Nachbarort die Pest so wütete, daß Menschen auf der Straße zusammenbrachen und er jederzeit damit rechnen mußte, selbst der tödlichen Ansteckung zum Opfer zu fallen. Wohin sollte er sich wenden mit seiner Familie, wenn ringsum verschlossene Türen und abweisende Gesten zu erwarten waren? - Dies alles geschah hier bei uns vor gar nicht allzu langer Zeit, vor knapp fünf Menschenaltern, und es sollte uns gerade am St. Sebastianstag bewegen, über diese Notzeit nachzudenken und sie in Vergleich zu setzen zu unseren Tagen des Wohlstandes mit unserer allumfassenden ärztlichen Versorgung, unserem perfekten Verkehrssystem und der relativen staatlichen Sicherheit. Vielleicht verhilft uns dies dann zu mehr Bescheidenheit und auch zu größerer Zufriedenheit. Geehrte Besucherinnen und Besucher, soweit der Aufsatz von Hermann
Müller zum Thema "Der schwarze Tod am Mittelrhein". Geehrte Besucherinnen und Besucher, wir danken Ihnen für
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