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der Homepage der Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte und ist mehr am Text orientiert. Mehr über Bendorf und unser Angebot auf unserer Startseite Was die Landesherrschaft zur Förderung des religiösen und kirchlichen Lebens, gegen Laster und Unsitten, bei Seuchen u.s.w. zu verordnen und zu befehlen für nützlich hielt.von Pfarrer E. Heyn,Vorbemerkung : Wenn auch der nachfolgende Aufsatz nicht direkt Bezug nimmt auf Bendorf , so sind wir doch der Meinung, daß durch die Nähe und die Kenntnis der Örtlichkeiten ein Thema zu präsentieren, daß so - oder ähnlich - sich auch so auf den Bereich Bendorf projizieren läßt, zeigt er doch in welchem geistigen Umfeld unsere Voreltern lebten. Territorial war Bendorf zu dieser Zeit mit dem Westerwald durch die Grafschaft Sayn, bzw. Sayn- Hachenburg und Sayn- Altenkirchen verbunden. Aus gemeinschaftlichem Besitz der Sayn'schen Erbtöchter stammend; war Bendorf, durch Gesetze und Verordnungen aus Hachenburg und Altenkichen, an den "Sayn'schen" Westerwald gebunden. Wie dem auch sei - wir; d.h. die GGH, wünschen Ihnen ebensoviel Kurzweil, Erbauung und Erkenntnis beim lesen der nachfolgenden Seiten Die nachfolgende Abschrift ist entnommen aus: Aus den Edikten, Mandaten und Verordnungen1) vom 15. bis 18. Jahrhundert gegeben, soll hier Einzelnes mitgetheilt werden. Wir hören daraus, auf welche Weise die Regierung das Wohl der Unterthanen und des Landes zu fördern sich bestrebte, wie die Beamten bis zum Anfange unseres Jahrhunderts ihres Amtes zu walten hatten; wir thun nebenbei auch einen Blick in das Leben und Treiben unserer Vorfahren. Wir erfahren mancherlei von ihren Sitten und Gebräuchen, von ihren Unsitten und Lastern, von ihrem Verhalten in guten und in bösen Tagen. Der einzelne Mensch war in allen Aeußerungen seines Lebens unfrei. In die allerpersönlichsten Verhältnisse des Lebens hinein griffen die polizeilichen Bestimmungen und schrieben vor, was man zu thun und zu lassen hatte. Und nicht genug damit; daß die Verordnungen auch gehalten oder ihre Uebertretungen doch wenigstens zur Anzeige gebracht würden, dafür waren nicht nur die Amtleute, die Schultheißen, Heimberger und die sonstigen Befehlshaber, sondern die ganze Gemeinde, das ganze Kirchspiel verantwortlich. Den Heimbergern z. B. war befohlen, alle 4 Wochen von dem Verhalten eines jeden Gemeindegliedes Bericht zu erstatten, damit die Verschwender und Müßiggänger bei Zeiten durch die erforderlichen Zwangsmittel gebessert würden. Das Spürwesen und die Angeberei, vielfach angereizt durch hohe Prämien, waren gesetzlich eingeführt. Hier soll gleich der Einrichtung noch einmal gedacht werden, welche Jahrhunderte lang eine außerordentlich wichtige Rolle gespielt hat; ich meine die geschworenen Montage 2), die gebotenen Dinge, die Rügetage, bei denen alles, was gegen Gesetz und Ordnung war, gerügt, d. h. zur Anzeige gebracht werden mußte. Aus jedem Haus hatte der Hausvater oder bei dessen Verhinderung sonst eine erwachsene, verständige Person zum geschworenen Montag zu erscheinen und nach gethaner Rügefrage (bei 3 Gulden Strafe), alles zu offenbaren, was von Schanden, Lastern, Untugend und Muthwillen in der Gemeinde vorgekommen: 3) "es sollen unser Untersaissen by iren eyden, die sie uns gethain, durch unser Burgemeister, Heymberger und Gerichtsknechte alles roegen und vurbrengen laissen; nemlich alle Ketzery und querspill, wes den kundlich ist, glich man in dem helligen Sende zw roegen pleget, als, wann man ader wip in ader bueßen der Ehe in querspill ader Ketzery lebeun, mit einander in eyuem Huse woenen ader süß zwsamen lere sunde zu tribenn in ander Huse kommen und davon nit stehen ader laessen wollen -sullen die verbrechenden Personen, man ader wip, icliche uns mit zweien Rinschengulden verfallen synn. Und ob von solchen suntlichen hendelen und selben personen des andern Jars aber roege ge-schiege, sal die pene doppel von yen uffgehöben werden. Geschiege das dan aber zum dritten Jahre, sal man die egemelte boeße driueltigen. - Würden die Querspieler Ires suntlicher Handels dannoch aber nit abetrete denn - sullen die Übertreter drij sontage nach eynander wullen und barfuß mit eyner bomenden Kirtzenn (brennenden Kertze) vur dein wyhewasser uff dem Kirchhobe unib die Kirche geheim - ader unser Lantschaft rumen, wir gedechten dieselben sust an dem libe zw straffen".4) Es wurde sonst noch gefragt u. A.: ob Jemand einer anderen als der christlichen Religion angehörte, und in welchem Irrthum er sich befinde. - ob Jemand Gott, der ein unsichtbares Wesen, in einer Gestalt abbilde und ein solches Bildniß besitze, - ob Jemand der Wahrsagerei, Zauberei, Teufelsbe-schwörerei zugethan sei, - ob unter der Predigt Jemand auf dem Kirchhof spaziert sei oder sich im Wirthshaus habe finden lassen, - ob Spiele oder Tänze vorgekommen, - ob Jemand den Feiertag durch Arbeiten entheiligt habe, - ob Eltern und Kinder, Mann und Frau in Zank und Streit gelebt, -ob Jemand unzüchtig gewesen, ob Gelage vorgekommen, - ob Jemand das Seine mit Fressen, Saufen und Verschwendung verbracht habe, - ob Jemand falsch Maß und Gewicht gebraucht, - oder dem Nächsten mit Wucher beschwerlich gefallen sei, - ob Jemand des Lügens und Trügens sich befleißige, - ob Jemand die bestimmte Anzahl Bäume nicht gepflanzt habe u.s.w.5) Der geschworene Gerichtsschreiber verzeichnete dann alles, was klagbar vorgebracht wurde, und schickte das Verzeichnis an die Kanzlei, welche die Bestrafung der Uebelthäter nach der feststehenden Bußtaxe veranlaßte. Nach derselben wurde im 15. und 16. Jahrhundert ein Wahrsager bestraft mit 2 Gulden; ein Flucher mit 2 Gulden und Thurn; ein Vollsäufer mit 2 Gulden; ein Schläger mit l Gulden; ein Ehebrecher mit Thum und 10 Gulden, Unzüchtige zum ersten Mal mit 2- Gulden, die Mannspersonen auch noch mit Thum; zum zweiten Mal jede Person mit 4 Gulden; zum dritten Mal wurden sie auf einen Karren gesetzt und vom Büttel zum Lande hinausgefahren. Beginnen wir nun mit dem, was die Regierung wegen des kirchlichen und religiösen Lebens zu verordnen für nützlich fand. Nach Durchführung der Reformation wurde die ganze Polizei unter den Gesichtspunkt des Wortes Gottes gestellt. Das fand am klarsten seinen Ausdruck in der 1616 publicirten katzenelnbogischen Polizeiordnung, welche nach den 10 Geboten geordnet ist und also beginnt: "Obwohl einem Jeden aus den 10 Geboten Gottes des Herrn, wie auch aus Belehrung der heiligen Bibel geungsamlich bekannt, wie er sich in seinem Leben eines Theils gegen Gott, anderen Theils gegen seinen Nächsten zu verhalten schuldig, jedoch aber, dieweil der wenigere Theil hiernach sein Leben, Handel und Wandel anzustellen sich mit gebührendem Fleiß angelegen sein läßt, - damit dann ein Jeder hierzu um so viel mehr Anlaß habe und ermeldete Gottes Gebot recht gründlich verstehen, sich auch diese unsere Ordnung um so viel desto besser einbilden, sein Leben danach anstellen und vor allen strafbaren Händeln sich hüten möge, - so haben wir nicht unrathsam zu sein ermessen, dieselbe in zwei Theile zu theilen und das erste nach der Ordnung der Gebote Gottes des Herrn auszuführen.6) Es war dadurch natürlich, daß zuerst das kirchliche und religiöse Leben selbst polizeilich geregelt und gegen alle die, welche z. B. den Gottesdienst versäumten oder verachteten, den Namen Gottes durch Fluchen und Schwören mißbrauchten, mit den allerschwersten Strafen vorgegangen wurde. So hieß es : 7) "Würde sich's zutragen, daß Jemand freventlich Lästerworte wider Gott oder die heiligen Sakramente reden und ausgießen würde, so soll derselbige Gotteslästerer ersten Falls an dem Leben und anderen Falls mit Benehmung einiger Glieder, je nach Gelegenheit der Personen und der geübten Gotteslästerung, peinlich gestraft und hieneben auch jeder, der solche Gotteslästerung gehört und nicht dieselbe uns oder unsem jedes Orts Beamten würde angezeigt haben, zur willkürlichen Strafe gezogen werden" (1566). - Verächter des Gottesdienstes sollten im Falle fruchtloser Warnung wie ein Missethäter und wie das unvernünftige Vieh verscharrt werden - aus jedem Hause mußte mindestens eine verständige Person bei schweren Strafen an den Sonn- und an den Bettagen in der Kirche erscheinen (1567). - Dem Prediger war befohlen, das Gebet nicht zu murmeln, sondern mit Andacht, deutlich und ohne Geschnatter zu verlesen; den Zuhörern, unter dem Gebet mit ihren Gedanken nicht umherschweifen und andere unziemliche Dinge treiben" 8) Im sonstigen Leben waren es die den Deutschen von Uranfang an eingewurzelten Laster: Die Trunksucht, die Rauflust, die Verschwendungssucht und der Hang zu sonstiger Ueppigkeit, welche die Polizei-Gesetzgebung immer und immer wieder beschäftigten und im 15. und 16. Jahrhundert eine wahre Fluth von Edikten und Mandaten gezeitigt haben. Die Stätten, wo die Sauf- und Rauflust ihre meisten Orgien feierten, waren die Wirthshäuser und Herbergen. Mit ihrem Betrieb befaßten sich am Ausgang des Mittelalters vielfach auch die Geistlichen. Nach Einführung der Reformation wurde ihnen das 1540 auf einer Synode in Dillenburg verboten. Den Pfarrer Conrad zu Bicken treffen wir aber noch später im Besitz einer Herberge und Schenke an. In Westerburg zapfte sogar im 17. Jahrhundert der Pfarrer Johann Georg Dern noch Wein und Bier.9) In Marienberg kommt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Wirthschaft vor. Sie befand sich nahe bei der Kirche in dem früheren Kaplanshause, das der letzte Graf von Nassau-Beilstein einem Wirth verkauft hatte 10) und hatte wohl wegen der Menge der nach Marienberg zur allerseligsten Jungfrau und dem heiligen Borne daselbst Pilgernden einen recht guten Zuspruch. Eine Ordnung für Wirthe war bereits 1499 erschienen und darin auch befohlen worden, "es soll ein jeglicher Wirth von Stund an eine säuberliche und reinliche Kammer machen, die mit einem guten Schloß wohl verwahrt ist und darin stellen ein gut Säuberlich Bett oder zwei mit reinlichem. Schönen Bettzeug, als Pfühlen, Kissen, Schlaftüchem und was sich sonst dazu gebühret und soll auf solche Kammer und Bett nicht Jedermann weisen, sondern solch5 Kammer und Bett reinlich halten, ob ein guter Mann reiten käme, den soll er darauf weisen, sich darauf aus- und anzuthun und das Seine verwahrlich zu halten" 11). Mit den Wirthshäusem scheint es aber 1621 im Stuhlgebiet, in den Aemtern Ellar und Mengerskirchen noch recht übel ausgesehen zu haben. Ein Edikt spricht wenigstens von dem Schimpf und Schaden, der dem ganzen Land aus dem schlechten Zustand der Wirthshäuser und Herbergen kommt, weil weder Durchreisende unter Obdach gebracht werden noch auch Brod, Wein, Bier um Geld käuflich bekommen können, und es befiehlt den Beamten darauf zu achten, daß die Gasthäuser, vorab diejenigen, die an der Landstraße liegen, mit dem nothwendigen Bettwerk und gutem Getränk an Wein und Bier wohl versehen seien, damit der Wandersmann um sein Geld beherbergt und gebührlich unterhalten werden, auch der Eingesessene in seinen Nöthen einen guten Trunk haben könne 12) Das gewöhnliche Getränk war im 16. Jahrhundert noch überall in den Städten und auf dem Land der Wein. Er war billig; es kostete 1364 das Fuder 20 Mark, 1444 die Ohm 31/2 Gulden, 1447 das Fuder 10 Gulden; in den Wirthshäusem konnte man die Maaß haben 1536 für 10, 1562 für 18 Pfennige, 1600 für 4 Alb. Während des 30jährigen Krieges stieg ihr Preis auf 18 Alb., am Ende des 17. Jahrhunderts war er wieder auf 9 Alb. gesunken. Die Weintrinker hatten die Annehmlichkeit, daß die Landesherrschaft auch nach Möglichkeit dafür Sorgte, daß der Wein gut war und ihnen nur echter "Rinckauwer" vorgesetzt wurde. "Wir Graf Wilhelm" beginnt eine Weinschanksordnung von 1518 "haben selbst befunden, daß ein Rynysch wyne viel besser, dann ein ander, und als dan etliche wirt bis bisher Layn weyn geschenkt und den glich deuwer als reinischen gegeben und verkauft. Das durch viel Ursachen unziemlich ist, ordenen und wollen wir, daß alle wirt sollen gueten, tuglichen Reinschen Rinckauwer weyn schenken und den alzeit geben und schenken wie KaufFund lauffist zur Zemlichkeit und hinfürter wyter ußgedruckt wird (in der amtlichen Weintaxe). Und alle wirt so nhu hinfürter Layn weyn schencken, der an der Niederlaen under Limpurg gewachsen ist, den. soll man alzeit zweier franckfürter Heller meher schencken dan den Rinckauwer, bie peen nit deurer geben, und was weyn bobent Limpurgk wechst, nach erkenntnus unsers amtmanns, der Schultheißen und der Bürgermeister, die zu jederzeit seint". 13) Nach der erwähnten Weinschankordnung mußte jeder Wirth, sobald ihm eine Sendung Wein angefahren wurde, von jedem der noch auf dem Wagen liegenden Fässern eine halbe Maaß und dazu ein Hellerwecklein auf das Rathhaus schicken. Daselbst kosteten zwei sachverständige Männer den Wein und setzten, nachdem der Fuhrmann sowohl wie der Wirth eidlich versichert hatten, wo der Wein geladen und wie theuer er im Einkauf bezahlt worden war, den Verkaufspreis für die Maaß fest, indem sie dem Wirth auf jedes Fuder Wein drei Rädergulden als Gewinn zu gut thaten und auch die zwei Gulden Ungeld (Accis) berücksichtigten, die vom Fuder in die landesherrliche Kasse flössen. Das Bier, das man im 16. Jahrhundert noch ausschließlich aus Weizen braute, war als Getränk nicht beliebt, es war auch recht Schlecht; erst als man von den niederländischen Brauern gelernt hatte, ein schmackhafteres Gebräu herzustellen, fing das Bier an, sich einzubürgern und im 17. Jahrhundert sind schon viele Bierhäuser zu finden. 1562 war noch keine Brauerei im Lande. Bierpreise habe ich folgende: 1604 kostete die Maaß 6, 1631-8 Pfennige. Der Branntwein, ehemals ein nur in den Apotheken verabreichtes, zum ersten Mal 1452 genanntes Arzneimittel bei krankem Vieh, wurde im 15. und 16. Jahrhundert noch nirgends getrunken. Die Herstellung des Branntweins, womit sich in unseren Gegenden zuerst die Juden befaßt zu haben scheinen 14), war den Unterthanen im Hadamarischen 1649 untersagt, aber ihnen bereits 1657 wieder frei gegeben. Das Branntweintrinken (die Maaß Branntwein galt damals 28 1/2 Alb.) und Vollsaufen bei allen Gelegenheiten war jetzt schon so gemein, daß sich Fürst Moritz Heinrich genöthigt sah. Jeden, der sich an Branntwein vollsaufen würde, mit einer Strafe von 10 Gulden zu belegen. Da diese Strafandrohung ohne jede Wirkung blieb und "weil das gottlose Brauntweinsaufen viel große Ungelegenheiten verursachte", verbot man im Hadamarischen das Brennen, Verkaufen, Verzapfen des Brauntweins 1674 wieder gänzlich bei 50 Reichsthaler Strafe. Als eines eigenthümlichen Getränks wird seit 1466 des Schlehenweins gedacht, der bei seinen süßen Geschmack bei den Frauen sehr beliebt war. Das Dorf Elsoff lieferte ganze Wagenladungen von Schlehen zum Keltern an den Hof nach Dillenburg. Nach den Verordnungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu schließen, war das Laster der Trunksucht bei unseren Vorfahren außerordentlich gemein, es heißt: "Das viehische vollsaufen geht überall im Schwange und der arme, schlichte Mann hält solches Laster fast für keine Sünde mehr." Die Pastoren wurden daher ermahnt, sich nicht allein selbst des übermäßigen Zutrinkens zu enthalten, wie sie bis anhero rühmlich gethan, sondern auch ihre Zuhörer mit Erzählung der großen Sünde und Strafe des Vollsaufens abzumahnen ; es wurde auch den Unterthanen bei schwerer Strafe verboten, mehr als eine Maaß Wein zu trinken und ihnen auch eingeschärft, daß Trunkenheit bei einem Verbrechen kein Milderungsgrund sein sollte, der Uebelthäter vielmehr um so härter gestraft werden sollte. - Den Wirthen wurde immer wieder befohlen, nach Läutung der Weinglocke im Winter des Abends um 7 Uhr, im Sommer des Abends um 8 Uhr keinerlei Getränke mehr zu verabreichen (es sei denn an Kindbetterinnen und kranke Leute), und keine Gäste mehr zu dulden; diejenigen, die nicht gehen wollten, nöthigen Falls am Kopf zu kriegen und hinauszuziehen, des anderen Morgens dieselben aber straks zur Bestrafung anzuzeigen. Von Erfolg waren alle diese Verordnungen nicht begleitet. Die Unterthanen tranken, oder besser, sie soffen viehisch weiter und im 18. Jahrhundert, wo sich vielleicht auch die Sitten etwas gemildert hatten, war der Kampf mit der Trunksucht aufgegeben. Neben der Sauflust war es die Verschwendungssucht, wogegen die Obrigkeit immer wieder einzuschreiten Veranlassung fand, ganz unbekümmert darum, ob Sie dabei in das Gebiet dessen eingriff, was man heut zu Tage zu den allerpersönlichsten Rechten der Einzelnen zählt. Aber wenn wir hören, wie schwer es dem Volk damals vielfach wurde, seinen Lebensunterhalt zu finden, wie sich die Einzelnen einschränken mußten, um sich mit Ehren durchzuschlagen, wie der Staat bei den fortwährenden Kriegsunruhen noch ganz bedeutende Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Unterthanen zu stellen genöthigt war und wie doch Jeder, jede Gelegenheit, Verlöbnisse, Hochzeiten und Kindtaufen, wenn einer ankam und wenn einer fortzog und den letzten gab, wenn einer starb und "das Leid zu klagen war", benutzte, um mit Freunden und Bekannten das wenige Seinige zu verprassen, dann müssen wir die Verordnungen gegen die Verschwendung und gegen die Ueppigkeit weise Maßregeln nennen, wodurch die Regierung die Unterthanen vor Noth und Schulden bewahrend wollte. Es gibt Zeiten, in welchen das Volk in einzelnen Dingen bevormundet werden muß, und das geschah denn auch bei dem oben genannten Gelegenheiten bis in das Einzelne hinein, Da war genau bestimmt, wie viele Personen zur Verlobung - höchstens 30, zur Hochzeit - höchstens 80, geladen werden durften. Bei ganz besonderer Erlaubnis durften an einer Hochzeit 80- 100 Personen Theil nehmen; 2 Gulden Strafe für jeden Gast, der mehr geladen, war festgesetzt. Leute, die nicht mindestens 100 Gulden Vermögen hatten, sollten keine Schenkhochzeit machen, damit sie nicht gleich Anfangs in Schuld und Ungeduld geriethen. Es war ihnen erlaubt vier Tische, jeden für 10 Personen, beim Wirth zu bestellen, der aber die Hochzeitsleute nur für ihre Person bezahlten lassen durfte. Es wurde auch jedem Hochzeitsgast bei Strafe geboten, das übermäßige Essen und Trinken zu lassen, sich nicht frech und ungestüm zu betragen, niemand das Essen und Trinken umzustoßen oder das Trinkgeschirr auszugießen. - Auch bei Kindtaufen war alles genau vorgeschrieben, wie viel Männer und wie viel Weiber kommen durften - nur ein Tisch voll - und was von den Gevattern in's Kindbett zu verehren gestattet war -; desgleichen bei Beerdigungen. Da war der Unfug gewesen, daß die Nachbarn das Essen in das Trauerhaus trugen und auf der Leidtragenden Kosten im Wirthshause eine große Zecherei veranstalteten. Bei 5 Gulden Strafe sollte das jeder lassen, nur der leidtragenden Freunde, einem oder zwei, sollte es gestattet fein, Essen in das Trauerhaus zu tragen und unter christlichem und tröstlichem Gespräch eine Kanne Wein oder Bier mit den Leidtragenden zu trinken.15) Das Tabakrauchen sah man zeitweilig auch als Luxus an, den man den Unterthanen verbieten müsse. Nach einer Verordnung von 1681 sollte kein Krämer Tabak feil halten und Niemand mehr Tabak rauchen. Später erlaubte man es wieder; jedoch hatte jeder tabakrauchende Unterthan den Nachweis zu liefern, daß er jährlich 50 Tabakpflanzen selbst ziehe.16) Da entstanden auch auf dem Westerwald Tabakplantagen. - Was unter dem "Tabaksaufen" oder "Tabaktrinken".17) zu verstehen ist, das in einer diezischen Regierungsverordnung zu den höchst strafbaren Unternehmungen gezählt wird, ist mir rätselhaft. 1774 kommen wieder Fälle vor, daß Tabakraucher zu Höhn, Rennerod u. s. w. um 100 Gulden gestraft werden. Die Kleidung, die nach der Reichskleiderordnung die verschiedenen Stände auch äußerlich von einander schied, gehörte nicht weniger zu Demjenigen um das sich die Obrigkeit bekümmerte. Im 16. Jahrhundert war noch ein selbstgefertigtes, einfaches, leinenes oder wollenes Gewand die gewöhnliche Kleidung der Landleute, auch der Kittel wurde bereits von ihnen getragen. Im Jahre 1600 war bei uns schon das Sprichwort landläufig: Bürger, Bauer und Edelmann, man bald man Kleid nicht kennen kann; und schließlich muß es mit der Kleiderüppigkeit unter dem geringen Volk sehr weit gekommen sein; denn Heinrich von Nassau-Dillenburg sieht sich genöthigt, seinen Unterthanen deswegen in einem Edikt von 1666 18) folgendes an's Herz zu legen: "Wir gedenken Solchem Unheil und allewege verbotenen Unordnung nicht länger nachzusehen, zumal man ja auch keine Ursache hat, bei solch großen Strafen Gottes zu Stolzieren, Pracht und Uebermuth zu treiben, vielmehr mit Demuth und Beten um Abwendung der wohl verdienten Strafe, Tag und Nacht seine Allmacht allerdemüthigst anzurufen und wie die Ninniviter in Sack und Asche ernstlich Buße zu thun, zumal von dem leidigen Stolz all unser Erdenunglück herrührt und unsere ersten Eltern dadurch aus dem Paradiese gestoßen worden, es auch ein sehr unvernünftiges Beginnen ist, daß der arme Mensch mit Kleidern, so ihm seine Blöße zu decken gegeben wurden, gleich wie ein verdammter Dieb mit einem buntenen, seidenen Strick um den Hals vor dem Richter prangen, stolzieren und sich sehen lassen wollte, zu geschweigen davon, daß viele dadurch in äußerste Armut gesetzt und gar an den Bettelstab gerathen sind". Den Beamten befiehlt darum der Graf, auf die Uebertreter ein wachsames Auge zu haben, ihnen die Kleider bei öffentlicher Versammlung vom Leibe zu reißen, zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben. Hier verdient auch die Trauerkleiderordnung 19) noch erwähnt zu werden. Ein Mann mußte um seine Frau ein halbes Jahr, die Frau um den Mann ein ganzes Jahr trauern (1586). Die Trauerzeit betrug bei Eltern für Kinder über 12 Jahre 3 Monate, bei Kindern für Eltern 6 Monate, für Stiefeltern l Monat; war Jemand von denselben zum Universalerben eingesetzt worden, so war es ihm erlaubt, die Trauerkleidung bis zum Ende des 6. Monats zu tragen; alles bei 50 - 200 Gulden Strafe. Nach den Berichten sollen auch im 16. und 17. Jahrhundert allerhand Laster und Leichtfertigkeit, Ehebruch und Hurerei in vollen Schwange gegangen und gar geringschätzig und fast für keine Sünde mehr gehalten worden sein ("welches bei uns Christen erschrecklich zu hören"). Das gab der Obrigkeit dann Veranlassung, nicht zuletzt darum, weil man die langwierigen Theurungen, Hunger und Armuth, Krieg und Blutvergießen und so manch hin und wieder einreißende pestilenzische und andere geschwinde Seuche als Strafen Gottes für jene Laster ansah 20), bei allen Gelegenheiten das Volk also zu mahnen: "wir haben seithero sehr leidmütig vernommen, daß wenig, ja vast keine Rew, Bueß, Besserung und geziemende fleyssige Vorsorge, solche große Straffe Gottes abzuwenden oder wenigstens zu miltem, erfolgen wollen, in deme die Ruchloßigkeit vnd ungezeumbtes Leben und Wandell ye lenger ye mehr, sonderlich aber in deme auch zu Nehmen, daß wie zue Zeitten der Sündfluth, man mit allerhand Ueppigkeit forsihret, große kostbahre Hochzeitten, Kindtauffe, Gastmahlen machet, sonderlich auf die heilige Sontäge frißet. Sauftet, spielet, und allerhand ohne daß hochverbottene Sünden übet, dardurch Gottes Zorn, ye mehr vnd mehr aufs Land gezogen vnd damit beschweret wird. So ist hie-mit abermahl vnd zu desto mehren Entledigung Unßers Christlichen Obrigkeitlichen Gewißens Unßer gantz ernstlicher Befehl, daß jedermänniglich dieße Straffe Gottes beßer vnd leidmütiger erkennen, sein vnd der Seinigen bößes Leben und Wandel abstellen, Rew vnd ernstlich hertzliche Büß über Sein geführtes voriges Leben haben, vnd solches hinfüro in der That erscheinen lassen solle." Schon 1582 klagte ein Mandat: "Wir verhoffeten die täglichen Predigten vnd Ermahnungen aus Gottes Wort hätten von dergleichen Sünden vnd Lastern, Ehebruch vnd Hurerei abgehalten und abgeschreckt aber wir werden glaublich berichtet vnd vememen solchs mit Schmertzen vnd sonderent Misfallen, daß der angetzogenen Lastern (vmb welcher willen offt einem ganzen Lande, wie Wir dessen aus Gottes Wortt vberwiesen, ein schweres beharrliches Vnglückh aufwechsset, welches Vns dieser Zeit die langwirige Thewrung, Hunger vnd Armuth, Krieg vnd Blutvergiessen, so wol als auch die Jetzo hin vnd wieder einreißende abschewliche vnd geferliche pestilenzische vnd andere geschwinde Seuchen vnd Plagen zuviel vor die Augen stellet) So gar nicht geachtet, daß Sie auch in diesen letzten gefahrlichen Zeiten Je lenger Je mehr einreißen und Jm vollen Schwang gehen, also, daß Sie, leyder, schier so gar geringschetzig vnd gemein gehalten vnd balt vor keine Sünde mehr geachtet werden wollen." Die Obrigkeit that alles, damit es überall fein sittsam und ehrbar zugehe. So mußte nach einer Verordnung von 1556 21) jedem Tanzvergnügen ein betagter, ehrbarer Mann auf der Tänzer Kosten beiwohnen, um darauf Acht zu haben, daß nur bei Geigen und Lauten, aber nicht bei Trommen, Schallmeien und Sackpfeifen getanzt würde, daß auch die Tänzer nicht unzüchtig springen, sich verdrehen und herumwerfen, abwechselnd zanken und schreien, daß alle Unordnung und Unziemlichkeit unterbleibe. Auch das Tanzen in bloßen Hosen und Wamms und anhangenden, langen Schwertern sollte nicht zugelassen werden. Nach einem Kirchenvisitationsabschied von 1590 war die Obrigkeit ernstlich entschlossen, des Sonntags nicht mehr zu dulden: das Kasten-, Würfel- und Kegelbahnspiel, die Klick- oder Schießkernspiele, die Sonntags- oder Fastnachtsreihen. Was es mit den letzteren für eine Bewandtniß hatte, beschreibt uns Wagner.22) Des Sommers gingen an den Sonn- und Feiertagen Individuen durch die Dörfer und bliesen auf Schalmeien oder Zwergpfeifen allerlei Weisen. Dann zog die Jugend beiderlei Geschlechts hinaus in bestimmte Waldungen und erlustigte sich am Tanz, wobei man sich beinahe nackt entkleidete und sich in allerlei Wendungen und Stellungen geberdete. An gewissen Tagen im Frühling blieb fast Niemand zu Haus und selbst Männer und Frauen hielten abgesondert von der Jugend solche Zusammenkünfte. Als die nassau- hadamarische Regierung auf Veranlassung der Jesuiten 1641 dagegen einschritt, lief alles in die protestantischen Ortschaften und da wurden die Spiele fortgesetzt, bis auch hier die Regierung dieselben streng verbot. Einige Verordnungen aus dem 18. Jahrhundert, bestimmt dem Betteln und Müßigange zu steuern, seien hier noch genannt. Alle auf der Armenliste stehenden Personen, welche Unterstützungen empfangen wollten, mußten von Quartal zu Quartal nachweisen, wieviel sie mit den Ihrigen gesponnen hatten. Wer um Nachlaß der Steuer einkam, hatte ebenfalls Beweise zu erbringen, daß er im Spinnen fleißig gewesen sei. Es waren überall in den Städten und in den Dörfern Spinnschulen 23) eingerichtet, in denen man im Woll- und Baumwollspinnen allen den Kindern, Knaben und Mädchen vom 7.-14. Lebensjahre, deren Eltern ein bürgerliches Handwerk trieben oder sich vom Ackerbau nährten, Unterricht ertheilte. In diesen Schulen hielt man zugleich alle Soldatenkinder, alle Weibs- und Mannspersonen, welche mit den herrschaftlichen Abgaben im Rückstande waren, zum Spinnen zwangsweise an. Wer sich etwa dabei faul zeigte, kam in die Schloßspinnstube nach Dillenburg .24) Ein neues, fruchtbares Feld der Thätigkeit eröffnete der Polizei und allen Beamten von der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts an der Aberglaube. Man hatte angefangen, überall Gespenster und böse Geister zu sehen. Ein Beispiel dieses krassen Aberglaubens ist uns aus Westerburg überliefert worden. 25) Daselbst wüthete 1597 die Pest und es war u. a. Veranstaltungen dagegen auch befohlen worden, die Todten bei Nacht zu beerdigen. Aber die Bürger von Westerburg wendeten dagegen ein, der Kirchhof (damals befand sich derselbe noch bei der Kirche "Unserer lieben Frauen" am Reichenstein) sei des Nachts so voll Gespenster, daß es nicht möglich sei, dieser Verordnung nach zu leben. Zauberer, Wahrsager, Beschwörer, Krystall- und Handseher, Segner, Gauner die vorgaben sich auf das Festmachen und dem Nachgriff zu verstehen, zogen im Land herum und machten das arme Volk toll. Man wähnte, es sei den Menschen möglich, mit dem Teufel selbst in Verbindung zu treten, um sich selbst zeitlichen Vortheil, anderen Schaden zu bereiten. Das war der Hexenglaube, der am Ende des 16 Jahrhunderts in den herrschenden Seuchen, die Vieh und Menschen dahinrafften in den verwüstenden Ungewittem - überhaupt in allen Land- und Hausplagen reichlich Nahrung fand und dann nach den schweren Zeiten des 30jährigen Krieges in seiner ganzen Tollheit hervortrat. Da hatten damals alle diejenigen, denen ein öffentliches Amt anvertraut war: die Amtleute, Schultheißen, Schöffen, Heimberger und Pfarrer vollauf zu thun, nicht etwa um dem Volk den Glauben an die Hexen zu nehmen, um das arme, unwissende Volk aufzuklären. Das Dasein derselben war ja längst durch Gesetz festgestellt und durch die im Jahre 1484 erlassene Bulle des Papstes Innocens VIII. waren die Hexenprozesse eingeführt. Hoch und Niedrig, die Regierenden wie die Unterthanen waren gleicher Weise von dem Hexenwahn befangen. Es galt vielmehr, die Leute zu warnen, sich in keine Verbindung mit dem Teufel und mit den Hexen einzulassen,26) die Hexen aufzuspüren, damit ihnen der Prozeß gemacht werden konnte und das Land von der Plage befreit würde. 1630 stellten die evangelischen Pfarrer der Grafschaft Diez auf ihrem Convent den Antrag: "den Zauberprozeß zu Continuiren." (lat. ständig fortzusetzen) Am Rand des betreffenden Protokolls findet Sich aber dazu die Bemerkung: ..Ist von hoher Obrigkeit inhibirt (lat. gehemmt, behindert). Im Hadamarischen erboten Sich noch in der Mitte des 17. Jahrhunderts verschiedene Gemeinden, die Inquisitionskosten für die armen Hexen zu bezahlen, damit der Prozeß gegen dieselben fortgesetzt werden könnte.27) In derselben Gegend wollten die Unterthanen 1679 dem Fürsten Franz Alexander nur unter der Bedingung huldigen, daß er verspreche, den Hexenprozessen wieder ihren Gang zu lassen.28) In jedem Dorf bei uns waren Männer, die man Ankläger nannte, bestellt; die mußten auf das Hexengeheimniß Acht geben und wo es ein Verdacht oder ein Gemurmel gab, dem Hexenmeister die Anzeige davon machen. Der zog aus einem Amt in das andere und ließ alles aufgreifen, was in Verdacht der Hexerei stand. 29) Wir haben zwar allen Grund anzunehmen, daß die nassauischen Grafen bei der Verfolgung der Hexen recht vorsichtig zu Werke gingen und daß ein im Jahre 1582 erlassenes Mandat 30) auch noch später Nachahmung fand: ,.ps kommen vielfaltige Klagen: das hien vnd widder ahn Leuth, Viehe vnd anderem viel Schadens geschehe, mit Vorwendung: Das solches Ubell von bösen Leuthen vnd Zauberey herkommen vnd enthspringen soll, vnd Wir derwegen zu vielmahln vnd Außrottung etlicher angebener Hexen seindt angelangt worden, haben Wir Vnsers tragenden Obrigkheit Stands vnd Ampts halben diese mit schädlichen, hochsörglichem vnd wolbedencklichem Werckh, nicht allein vor Vnsere Persohn, vnd wie deme erlichermassen, vermittelst Gottlicher Gnaden müege vortkommen werden, nachgedacht, sondern auch bey vornehmen Standes-Persohnen, inn- vnd ausländischen Rechtsgelärten, gebürlichen Rhats pflegen lassen. Verstehen aber dieselbige dahien, wie Wir auch vor Vnsere Person wissen : Das in Sachen, So Leib vnd Leben, insonderhaitt aber die Seel Seligkhait, betreffen, nicht liederlichen vnd af blosse Anzaige, gehandelt, noch zum gefangklichen angreiffen, ehe besserer Erkhundigung, vielweniger zum Fewer, damit will geeilet sein. Damit Wir aber yrderzeit wissen mügen, wann obenzelter massen Hexen oder Zauberinnen angeben werden, was es vor eine Gelegenheit mit denselben habe. So wöllestu bey Heimburger, Geschwomen und anderen, so unpartheyisch, von Dorffen zu Dorffen, aigentliche vnd gewisse Erkhundigung, in aller Gehaimbe, einnehmuen, Nemublich: l) Wie die Persohnen haissen, so Zauberey beschuldigtt werden. 2) Womit vnd weichermassen sie sich in solchen Verdachtt gebrachtt haben. 3) Ob sie, mit Wortten oder Wercken, Menschen oder Viehe beleidigtt vnd beschedigt haben, vnd wie solches vff sie beständiglich müege gebracht werden. 4) Wie sie sich von Jugend auff, biß anher erzaigt, ob sie sich Christlich vnd Fromb, auch ahler guten Nachbaurschaffl beulissen, vnd dißfals vnbeschultten verhalten haben." Nichtsdestoweniger ist die Zahl der auch im Nassauischen hingerichteten Hexen sehr groß. Von 1629-1632 waren es in Dillenburg 35, in Herbom 90, in Driedorf 30 ("wo auch ein Hexengericht war. Darunter befinden sich 4 Männer, 23 Weiber und 3 Wittwen; 8 aus Driedorf. Selbst - wie wohl jetzt noch allda geschehen könnte - 2 aus Heiligenbom - zur Verwunderung wegen des guten Brunnens, den die heilige Elisabeth besucht und wovon der Ort den Namen hat, der auch nicht leicht in Melancholie verfallen läßt, 3 aus Mademühlen, 5 aus Rodenberg, l aus Hohenrod; 4 von Seilhofen, 3 von Münchhausen, 3 aus Gustemhain und aus Rabenscheid. Außerdem starb ein Mann und eine Frau aus Mademühl im Gefängniß, nach dem sie des Tags vorher waren gefoltert worden".31) Im Hadamarischen sind von 1630-1653 nur 6 Personen wegen Hexerei eines gewaltsamen Todes gestorben. Wieviel auf dem hohen Westerwald den Feuertod erlitten haben, weiß ich nicht. Im Bilde des Lebens und Treibens unserer Vorfahren in vergangenen Jahrhunderten darf jene fürchtbare Seuche nicht fehlen, welche im 15., 16. und 17, Jahrhundert und bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts hinein immer und immer wieder unsere Gegenden heimsuchte und zeitweilig die Sitten und Gewohnheiten der Westerwälder auf das Nachtheiligste beeinflußt hat. Man nannte die Seuche die Pest, unter welchem Namen man aber gewiß bei den geringen muedizinischen Kenntnissen der damaligen Zeit mehrere bösartigen, epidemischen Krankheiten begriff. "Die Pest kommt" das war der Ruf, der Schrecken verbreitete - und Schreckenerregend waren in der That die Verwüstungen, welche diese fürchtbare Krankheit anrichtete. 1485 trat sie mit besonderer Heftigkeit auf dem Westerwald auf, daß alsbald fast kein Grenzbegang mehr gehalten werden konnte, weil fast alle der Grenze kundigen Männer der Seuche erlegen waren. 32) Im 16. Jahrhundert sind die Jahre 1520, 1542, 1551, 1553, 1575, 1597 als fürchtbare Pestjahre anzumerken. In dem zuletzt genannten Jahr fiel fast die ganze gräfliche Familie in Westerburg der Pest zum Opfer. Im folgenden Jahrhundert, während des 30jährigen Krieges, kam die Seuche auf dem Westerwald fast nicht zum Erlöschen. Beim Jahr 1630 enthält das hachenburger Todtenbuch die Bemerkung, das Sterben an der Pest sei so stark gewesen, daß man Särge auf dem Markte feil gehalten habe.33) 1661, 1701, 1720 trat die Seuche ebenfalls wieder auf. Kam die Pest in einem Orte zum Ausbruch, so verlor so ziemlich alles den Kopf. Die einen, die Krankheit für ein Strafgericht Gottes haltend, suchten in Bußübungen und Kasteiungen ihr Heil, die andern in falscher Auslegung des Schriftwortes: "Es ist einem jedem ein Ziel gesetzt, das er nicht kann überschreiten", wollten die ihnen noch etwa vergönnte Lebenszeit so gut wie möglich genießen und verthaten das Ihre mit Prassen. 34) Auch Solche gab es, welche es glaubten, mit teuflischen Künsten sich gegen die Krankheit fest machen zu können. Als recht roh und gefühllos zeigten sich manche Gemeinden dadurch, daß sie, um ein Weitergreifen der Seuche zu verhindern, die Kranken in den Wald schleppten und sie dort ihrem Schicksale überließen, oder mit den Angesteckten auch ihre Angehörigen in die Häuser einschlössen und alle Thüren und Fenster derselben vernagelten.35) Die obrigkeitlichen Veranstaltungen zur Heilung und Verhütung der Schrecklichen Krankheit, zusammengefaßt in einem Nachtrag zur katzeneinbogischen Polizei-Ordnung unter dem Titel: "Was für Ordnung in Sterbensläufften zu halten", verfehlten vollkommen ihren Zweck und wurden auch durch Aberglaube und mancherlei Vorurtheile gehemmt. Man sah eben die Pest mehr als ein anderes Uebel für eine besondere Zuchtruthe Gottes an, und Bußübungen als das wirksamste Mittel, dem drohenden Strafgerichte Gottes sich zu entziehen. Die gottesdienstlichen Versammlungen und Gebetsstunden in Folge dieser Ansicht, von der letzten Ursache der Krankheit durch die Behörden häufiger wie Sonst angesetzt, trugen erst recht dazu bei, die Seuche auszubreiten. Auch von anderen Seuchen, die den Westerwald heimgesucht haben, mag hier die Rede sein. Im 16. Jahrhundert war die vom Volke sog. Franzosenkrankheit in dem Grade auf dem hohen Westerwalde herrschend, daß die Regierung darauf aufmerksam wurde. Bei einer angestellten Untersuchung ergab es sich, daß die jungen Leute, welche des Verdienstes wegen sich in den Sommermonaten im Cölnischen und Trierischen aufhielten, die Seuche eingeschleppt hatten. Die Schultheißen, Heimber-ger und Presbyterien erhielten nun den Auftrag, "die Leute zu warnen, in das Papstthum zu ziehen und sich dort anstecken zu lassen". Die Krankheit sei eine Strafe Gottes und ein Zeichen seines Zorns. 36) 1607 durchzog eine merkwürdige Krankheit den Westerwald, welche sich in Schnupfen, Husten und Fieber äußerte und 1732 unter eben denselben Erscheinungen wieder kam. Vom letzteren Jahr wird berichtet: In dem Weihnachtstagen wurde in Folge eines Windwechsels alles von der Krankheit befallen. 37) Die Leute mußten mehrere Tage im Bett liegen und viele alte Leute starben. Die Krankheit war offenbar die Influenza, welche im Winter 1889/90 und 1891/92 den Westerwald wieder heimgesucht und manches Opfer gefordert hat. Von wissenschaftlich gebildeten Aerzten findet sich während des 16. Jahrhunderts fast noch keine Spur. Man behalf sich mit Wundärzten, Scherer oder Barbierer genannt, deren ärztliche Praxis, weil ihre ganze Wissenschaft sich nur auf das Aderlassen und Schröpfen (in jener Zeit "Koppen" genannt) beschränkte, nur eine elende Quacksalberei war. Etwas weiter in der medizinischen Kunst mag jener auf der Seite 111 genannte Meister Heinrich, saynischer Hofchirurg, gewesen sein oder jener Scherer desselben Namens von Siegen. Einer von demselben im Jahre 1555, wahrscheinlich in einem Kriminalfalle vorgenommenen Sektion wird mit den Worten gedacht: "item Heinrich, dem Scherer von Siegen, 20 Alb; hat des Schneidmüllers Hausfrau selige ufgeschnitten"38) Alle Heilkünstler hatten viel Zuspruch und trieben sich in Menge im Land umher Störger, Theriakskrämer, Thüringer. Auch adelige Frauen, sogar Gräfinnen gaben sich häufig mit äußeren und inneren Curen ab und verfertigten Pflaster und Arzneien, wozu sie die Species von Köln und Frankfürt kommen ließen. In ganz besonderen Fällen wurden auch wohl die Aerzte, meistens Juden, an den genannten Orten befragt. Ein Judendoktor zu Köln genoß im 16. Jahrhundert ganz besonderes Vertrauen. Bei uns kommt der erste wirkliche Arzt 1584 vor; es war der Dr. Pincier, der Hofmedicus in Dillenburg war und mit Beibehaltung dieser Stelle Professor der Medizin an der neu errichteten Universität in Herborn wurde. Er scheint der Verfasser des für die pestilenzischen Zeiten in "der Ordnung bei Sterbensläuften zu beachten" empfohlenen Büchleins gewesen zu sein, welches den Titel hatte: "Regimentarznei und Curordnung". Am Anfang des 17. Jahrhunderts finden sich dann, wohl in Folge der in Herbom 1584 errichteten medizinischen Fakultät, Aerzte und für ihren Beruf vorgebildete Chirurgen in allen Städten. Wieder 100 Jahre später durfte keiner als Arzt oder Wundarzt Kranke behandeln, der nicht die nöthigen Kenntnisse in dem vorgeschriebenen Examen gezeigt hatte. Es werden jetzt schon beamtete Aerzte angestellt : in den Hauptstädten der 4 Fürstenthümer die Landphysici und Landchirurgen, welche in ihrem Bezirk die Aufsicht über das Medizinalwesen führten. An der Spitze der ganzen Medizinalverwaltung standen der Hofarzt und der Landmedicus. Der erste Landphysicus für das Fürstenthum Nassau-Diez wurde 1674 von der Fürstin Albertine mit dem Sitz in Diez berufen. Ihm war auch in ärztlicher Hinsicht die Herrschaft Beilstein unterstellt. Für die Letztere findet sich im folgenden Jahrhundert ein eigenes Landphysikat, das aber, wie es scheint, meist unbesetzt war und von Herbom aus versehen wurde. Der Landphysikus für die Aemter Rennerod, Memmgerskirchen u. s.w. wohnte in Hadamar. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren bei uns auf dem Lande noch nirgends, selbst nicht einmal an den Amtsorten, wirkliche Aerzte anzutreffen. Nur Mengerskirchen machte hierin eine Ausnahme. Die Leute mußten sich mit den Chirurgen behelfen, deren sich 1794 je einer zu Marienberg, Emmerichenhain, Beilstein, Niederzeuzheim findet. Der damalige Chirurgus Johan Heinrich Winchenbach zu Marienberg war zugleich Amtsbauaufseher. 39) Den Vorteil vorgebildeter Hebammen genießt unser Bezirk seit 1782. In diesem Jahre wurde je eine Hebammen- Lehranstalt in Herborn und in Hadamar in's Leben gerufen. Diesen Anstalten, gegen welche anfänglich ein starkes Mißtrauen bestand, beschaffte man dadurch Unterrichtsmaterial, daß man den unverehelichten Wöchnerinnen die sogen. Fomisicationsstrafe (lat. Strafe für begangene Unzucht) = (2 Gulden) erließ, außerdem jeder, welche in die Anstalt aufgenommen wurde, wöchentlich 45 Kreuzer ausbezahlte. Manchen mag vielleicht ein Vorlesungsverzeichnis der medizinischen Fakultät der Herborner hohen Schule aus dem vorigen Jahrhundert interessiren. Winterhalbjahr 1778/79: .."Herr Johann Adam Hofinann wird publice die Anatomie und vornemlich die Mynologie nach Eustachii anatomischen Tabellen, privatim aber die materiam medicam nach dem Ludovicianischen Thesaurus wie auch die Krankheiten der Soldaten und deren Heilung nach Anleitung des Pelargus vortragen". 40) Dem mit der Fakultät verbundenen anatomischen Institut verfielen nach der Verordnung von 1782: die Leichname der Hingerichteten, der frevelmüthigen Selbstmörder, der Vagabunden und der in der Geburt verstorbenen unehelichen Kinder. Das Apothekenwesen findet sich schon am Ende des 17. Jahrhunderts im Nassauischen wohlgeordnet. Nur geprüfte Apotheker sind zugelassen; "sie sollen bei dem großen Einfluß auf das gemeine Wesen geschickt und gelehrt sein und ein gewissenhaftes und gutes Herz besitzen". 41) Die erste Apotheke im Nassauischen wird 1566 in Herbom genannt. Für die nassauischen- diezischen Lande errichtete dann die Fürstin Albertine 1674 eine solche zu Diez. Die Apotheke zu Emmerichenhain entstand 1783 für die Herrschaft oder das Amt Beilstein. Im Jahre vorher hatte der Apotheker Kuchenbecker aus dem Waldeck'schen um die Erlaubniß nachgesucht, eine Apotheke in Marienberg errichten zu dürfen. Die Apotheken zu Westerburg und Hachenburg 42) bestanden damals schon auf dem Westerwald. Die Westerwälder liefen aber gewöhnlich nach Weilburg, obwohl dort kein Rezept gestellt werden durfte, das nicht der dortige Dr. Vogler für eine Gebühr von 6 Kreuzer unterschrieben hatte. Da der damalige Amtmann Chelius in Beilstein Emmerichenhain wegen seiner Lage und seiner Vergangenheit geeigneter als Marienberg für die Errichtung einer Apotheke hielt, wurde das Privilegium für diesen Ort 1783 ertheilt. 43) Die Apotheke in Marienberg besteht seit 1836 als Filiale von Emmerichenhain, seit 1850 als selbstständige Amtsapotheke. Anmerkungen :
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