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der Homepage der Dr. Charlotte Schiffler (1909 - 1992)Stadtälteste von Frankfurt und Großmutter des Hedwig -Dransfeld - Hauses in Bendorfvon Dieter KittlaußLotte Schiffler war viele Male in Bendorf - zunächst mit der Eisenbahn, später mit ihrem grünen Käfer. Zugegeben, sie war keine echte Bendorferin, sie ist weder in Bendorf geboren, noch hier gestorben. Aber dennoch war sie sehr eng mit Bendorf verbunden und hatte eine große Bedeutung für unsere Stadt. Deshalb ist es angebracht, Lotte Schiffler in der Reihe wichtiger Bendorfer Persönlichkeiten näher bekannt zu machen. Kindheit und JugendLotte Schiffler erzählte gerne Geschichten aus ihrem Leben. Drei Geschichten aus ihrer Kindheit, die für ihre Entwicklung sehr charakteristisch sind, habe ich zunächst ausgewählt. Lotte Schiffler, die damals noch Dichgans hieß und am 29. April 1909 in Elberfeld geboren wurde, wuchs mit ihren beiden Schwestern in einem Unternehmerhaushalt auf. In der ersten Geschichte erzählte Lotte Schiffler, wie ihr Vater aus dem 1. Weltkrieg ein Foto nach Hause schickte, wo er auf einem Schimmel vor seiner Kompanie voraus ritt. Aber in ihrem ersten großen Schulaufsatz zum Thema "Tapferkeit" habe sie als Beispiel für Tapferkeit nicht ihren Vater sondern ihre Mutter gewählt, wie sie mit drei kleinen Kindern das Lebensmittelgeschäft und die Fabrik des Großvaters leitete, "Ich bin nicht zufällig zur Frauenbewegung gestoßen", erläuterte sie. Das Schicksal der Frauen und Mütter war für sie das ganze Leben zentrales Thema. In der zweiten Geschichte erzählte Lotte Schiffler von der Entscheidung ihrer Mutter, sie trotz erbitterten Widerstands "aller frommen Tanten und Onkel " (der Vater war im Krieg) nicht in die katholische Nonnenschule sondern an die städtische Höhere Schule zu schicken, da es dort bessere Lehrer gäbe. "Für Arbeiter und Frauen war Bildung der Schlüssel zu ihrer Befreiung", war der Kommentar von Lotte Schiffler. Deshalb ging sie selbst den (damals für Frauen mühsamen) Weg des Hochschulstudiums und setzte sich zeitlebens für die Bildungsarbeit zugunsten von Frauen ein. In der dritten Geschichte erzählte Lotte Schiffler, wie sie von ihrem Vater in die Elberfelder Stadthalle zu einer überparteilichen Großkundgebung mitgenommen wurde, und er ihr immer wieder mit viel Geduld die Zeitungsausschnitte erklärte, in denen von den Anträgen des Onkels als Stadtverordneter berichtet war, und ihr später immer wieder sagte: " Du kannst heiraten, wen Du willst, nur keinen Deutschnationalen". "Mein Vater hat mich zu einem politisch denkenden Menschen erzogen, auch wenn wir als Kinder sehr darunter litten, als wir erfuhren, dass er zu einer anderen Frau eine Beziehung hatte", sagte Lotte Schiffler mit einem ganz eigenen Tonfall. 1928 beginnt sie das Studium von Germanistik und Soziologie in Köln. Weil ihr Professor, er war Jude, die Universität verlassen musste und nach Amerika auswanderte, wechselt sie auf seinen Rat hin zu den ungefährlicheren Fächern Geographie und Theaterwissenschaft. Aber auch hier erlebte sie den wachsenden Einfluss von Militarismus und nationaler Bewegung und fühlte sich davon beunruhigt und abgestoßen. Deshalb ist sie froh, dass sie durch einen Freund ihres Vaters ein Stipendium für die Weiterführung des Studiums in Wien erhält. " Die Wiener Zeit war wunderbar. Ich brauchte nicht mehr mit dem Zug zu fahren, konnte früh in die Seminare gehen, und das Lernen machte mir Spaß. Bei Marianne Thalmann hörte ich Literaturwissenschaft. Meine ganze Freude. Und Soziologie, aufbauend auf Ethnologie. Ich habe verstanden, wie Völker entstehen, wie sie sich entwickeln, wie sie zu ihrer historischen Gestalt kommen. Mein Interesse wuchs an Politik, aber nicht nationalsozialistisch, sondern bewußt nach den Vorstellungen christlicher Professoren. Die Völker sind Gedanken Gottes, so wurde mir klar. Gleichzeitig war es aber auch eine unklare Zeit, und die Zustände an den Universitäten waren sehr verwirrt...", erzählte Lotte Schiffler rückblickend vor ihrem 80. Geburtstag. In dem Buch "Die christliche Frau" (5/1987) hatte sie diese Erfahrung konkret beschrieben: "Die Universität war wie ein Bienenschwarm. Es war der 9. November 1929, ein politischer Gedächtnistag der Hitlergruppen, die sich dort schon formiert hatten, drei Jahre früher als im Reich'. Ich kam mit meiner Freundin Dorothea P. in die Eingangshalle, da schallte es uns entgegen: Juden raus! Juden raus!. Gellend ging der Schrei durch die Räume. Ich hatte es noch nie derart vorher gehört. Ehe wir unsere Vorlesung erreichten, war es geschehen. Dorothea, Tochter eines jüdischen Bankiers, kurz vorher konvertiert, den Neuländerinnen zugehörig, so wie ich Quickbornerin war, wurde von vier Männern an Händen und Füßen gepackt und zur Universität hinaus geschleppt. Und ich - mit ähnlich dunklen dichten Haaren wie Dorothea - wurde ebenfalls für eine Jüdin gehalten. Mit Juden raus' packten sie auch mich und schleppten mich zum Eingang zurück. Ich wundere mich noch heute, dass ich nicht geschrien und gestrampelt habe, aber ich blieb still, schaute zu Dora hinüber und war plötzlich froh, dass sie nicht allein war, dass es auch mir passierte. Im tiefsten Grund hatte ihre Ruhe etwas in mir zum Bewußtsein gebracht: du darfst sie nicht allein lassen!' Von diesem ersten unverschämten Angriff ideologisch fanatisierter junger Männer habe ich ein langes Lebens lang behalten, was es heißt, solidarisch zu sein." Das Studium schließt Lotte Schiffler erst später in Frankfurt mit der Promotion ab. Das Thema ihrer Promotion: : "Eichendorff und das Motiv der Vorzeit', Beitrag zur Entwicklungsgeschichte Eichendorffs und zum Begriff des Mystischen in der Romantik" (1944). "Mystik und Spiritualität" wurde dann zum Leitthema für das ganze Leben. Es war kein Zufall, dass sie später dem Hedwig - Dransfeld - Haus 10.000 DM mit der Auflage stiftete, dass täglich der Angelus geläutet wurde. Durch persönliche Ansprache - wie das oft ihre Art war - bat Lotte Schiffler die evangelische Mitarbeiterin im Empfangsbüro, Frau Annemarie Schneider, um diesen Dienst während der Woche. Lotte Schiffler lebte immer bewußt bescheiden und einfach. Auf den Doktortitel hat sie nie Wert gelegt, auch nicht auf die Langform ihres Vornamens "Charlotte". Wichtig war es ihr jedoch , darauf hinzuweisen, dass sie die Stadtälteste von Frankfurt sei. Bendorf als LebensmittelpunktDie Weichenstellung für den späteren Lebensweg werden nun in Bendorf gelegt. Nach Abschluss ihres Studiums nimmt Lotte Schiffler Ende der zwanziger Jahre an einer Tagung des Jugendbundes im Hedwig - Dransfeld - Haus in Bendorf teil. Eine ihrer Tanten, die eine Mädchengruppe leitete, hatte sie dazu motiviert. Lotte Schiffler war damals auf der Suche nach dem Weg ihres Lebens. Sollte sie vielleicht sogar in ein Kloster eintreten? Hier im Hedwig - Dransfeld - Haus (HDH) in Bendorf erlebt Lotte Schiffler die charismatische Jugendbundführerin, Anna Vogt, und deren Vision: " Im Gewissen wach werden für die Aufgaben der Zeit". Lotte Schiffler erlebt durch Anna Vogt eine neue Sicht von Christentum. Später formulierte sie es einmal so: "Es geht nicht um Verzicht sondern um Engagement und Verantwortung in der Welt". Ein weiterer Impuls kommt durch die Werktage mit Franzosen von den "Compagnions de Saint Francois" unter der Leitung von Pere Remillieux, Professor in Lyon, Gründer der dortigen Frauensfriedensgemeinde, zum Thema "Versailler Vertrag". Lotte Schiffler schrieb später." Ein solch gutes und mutiges Seminar wie mit diesen jungen christlichen Franzosen, Studenten und Studentinnen, habe ich selten später in meinem Leben erlebt." Dass die französischen Partner diese deutsch - französische Versöhnungsarbeit im Bendorfer HDH " Eglise an marche", d.h. "Kirche unterwegs, nannten" verdiente eigentlich eine Gedenktafel am heutigen Hedwig - Dransfeld - Haus. Erbfeinde nannten sich damals Deutsche und Franzosen, d.h. Feinde für immer. Am deutschen Eck saß der "alte Kaiser" seit der Jahrhundertwende hoch zu Ross, geführt von einem Engel, und schaute selbstbewußt zum Rhein, der immer in seiner ganzen Breite (d.h. nicht als Grenzfluss) deutsch sein sollte. Die große Ost - West - Landstraße (heute die A3) war vom Rhein so weit entfernt, dass bei einem Überraschungsangriff die französischen Kanonen den deutschen Nachschub nicht gefährden konnten. Nun nach dem "verlorenen" Krieg war die große Kanone vom Ehrenbreitstein wieder nach Paris gebracht worden, und die Versailler Verträge zwingen die neue deutsche Republik politisch und wirtschaftlich in die Knie. In dieser Atmosphäre permanenter Feindseligkeit und revanchistischen Denkens erlebt die junge Lotte im HDH zum ersten Mal in ihrem Leben Franzosen, die Versöhnung mit Deutschland ersehnen. Lotte Schiffler findet im HDH ein ihr auf den Leib zugeschnittenes Aufgabenfeld . Originalton Schiffler: " ..Anna Vogt war damals als Dezernentin des Jugendbundes im Katholischen Deutschen Frauenbund allein überlastet. Sie war häufig krank und brauchte eine jüngere Mitarbeiterin. Als sie mich einlud, ihr bei der Arbeit zu helfen, sagte ich freudig Ja'. Ich konnte weder Stenographie noch blind Schreibmaschine schreiben, aber ich hatte große Freude an der Arbeit. Natürlich gab es da kein großes Gehalt. Anna Vogt gab mir von ihrem ab, und Antonie Hopmann von der Zentrale des Frauenbundes in Köln hat noch einmal eine kleine Summe dazu gelegt. Ich verdiente 30 Mark Taschengeld im Monat ohne jede Versicherung.Als ich den Blinddarm herausgenommen bekam, zahlte mir mein Leonhard - damals noch mein Verlobter - die Krankenhausrechung. So habe ich bis zum Tag vor meiner Hochzeit im April 1934 unvergessliche und entscheidende Jahre in Bendorf verbracht, und Anna Vogt ist zur besten Freundin meines Lebens geworden. Wir hatten 260 lebendige Gruppen des Jugendbundes. Die reichten von Oberschlesien und Ostpreußen bis zum Saargebiet und mussten besucht und beraten werden.....Keine einzige dieser Gruppen war naziverseucht. Wir bemühten uns um klare Gewissensentscheidung. Immer fanden wir kluge, ältere Frauen und gute Priester, die diese Haltung stärkten. Anna Vogt und ich bauten überall gute Gefährtenschaft auf, die auch das Hedwig - Dransfeld - Haus in vielen Tagungen prägt." Ehefrau, Mutter und PflegemutterKerstin Weber - Fahr () beschrieb Lotte Schiffler in der Denkschrift zu deren 80. Geburtstag sehr einfühlsam: " Lotte Schiffler gehörte zum maßgebenden Führungskreis, in dem eine Reihe von eigenwilligen, selbstständigen jungen Frauen versuchte, im Haus des Bundes in Bendorf Mädchen zu unterrichten, zu formen, zu überzeugen - durch gute Referenten, durch herzliche Gemeinschaft mit den Gefährtinnen, die gemeinsam Antworten suchten auf die brennenden Fragen der Zeit aus einem gelebten Glauben. Lotte Schiffler, für mich sehr anziehend - dunkelhaarig, mit dunklen Augen, ein romantischer Typ, und interessant in ihrer Spontaneität, die auf mich manchmal exotisch wirkte. Sie sah nicht nur von Natur gut aus, sondern legte auch Wert auf eine gepflegte, äußere Erscheinung.....Lotte Schiffler hat uns Romantik nahe gebracht, besonders die großen Frauen dieser Zeit. Sie selbst erschien mir manchmal auch romantisch' im engeren Sinne, und nicht alles schien meinem kritischen Blick standzuhalten. Aber als ich in der schrecklichen Notzeit nach dem Krieg hörte, dass sie als Stadtverordnete der Stadt Frankfurt die Not der farbigen Kinder amerikanischer Soldaten und deutscher Mütter beantwortete, dass sie solchen Kindern mit ihrer Familien Heimat und Geborgenheit geben wollte, war ich sehr betroffen, vor allem von der Begründung: In der Notzeit ist es unmöglich, allen zu helfen. Mir lagen die Kinder am meisten am Herzen und so habe ich versucht, wenigstens einigen von ihnen zu helfen'. Mit diesem Bericht von Kerstin Weber - Fahr stoßen wir auf den weiteren Lebensweg von Lotte Schiffler. 1929 lernte sie Leonhard Schiffler kennen und verlobte sich mit ihm. Leonhard Schiffler hatte Volkswirtschaft in Graz studiert und fand sogleich eine gut bezahlte Stelle bei der Alpinen Montangesellschaft in der Steiermark. Aber der österreichische Staat verfügte per Gesetz, dass allen Ausländern die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, dies bezog sich ausdrücklich auch auf die Reichsdeutschen, die aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit scharenweise nach Österreich kamen. So musste Leonhard Schiffler, frisch promoviert, nach Deutschland zurück, obwohl er hier keinerlei berufliche Perspektive sah. Über den Freundeskreis seines Vaters fand er schließlich einen Job bei einem Obst - und Gemüse - Import - Geschäft. Lotte Schiffler erzählt ihre "Romeo - und Julia -Geschichte": " Leonhard war arm, ich war arm. Einmal besuchte er mich in Darmstadt. Dort hielt ich eine Schülerinnen - Freizeit. Am Schluss brachte mich Leonhard zum Zug nach Koblenz. Ich fror entsetzlich. Es war bitterkalt. Da sagte plötzlich mein kluger und praktischer Freund: Sag mal, jetzt muss ich Dich etwas ganz Intimes fragen. Hast du eigentlich eine Wollhose an?' Nein', klapperte ich mit den Zähnen, so etwas Schönes kenn' ich nur aus den Schaufenstern'. Da ging er mit mir - denn er hatte immer etwas Geld in der Tasche, obwohl er arm war - eine Bleylehose kaufen, ein himmelblaue Bleylehose, die ich jahrelang getragen habe". Hier muss eine Zwischenbemerkung erfolgen: Lotte Schiffler war durch traditionelle katholische Erziehung geprägt. Um so erstaunlicher war ihre Freiheit gegenüber Sexualität und Leiblichkeit. Sie litt später unter einer gefährlichen Anämie und musste sich eines kontinuierlichen Blutaustausches unterziehen. Jedes Jahr fuhr sie ein bis zweimal nach Le Gurp, einem Badeort an der französischen Atlantikküste. Als wir erfuhren, dass sie dort immer in der Nudistenkolonie kampierte, fragten wir sie bei einer Gesprächsrunde, ob sie da wirklich nackt herum gegangen sei. " Natürlich", sagte sie, " dort waren doch alle nackt, so wie uns der Herrgott erschaffen hat. Aber wenn ich am Strand spazieren gegangen bin, habe ich meist Handschuhe getragen, denn der Wind war oft kühl". Das war "die Schiffler", wie sie von vielen genannt wurde. Doch zurück zu Leonhard Schiffler, ihrem Verlobten. Durch die Vermittlung eines jüdischen Vorstandsmitgliedes der Allianz - Versicherung fand dieser 1932 eine Anstellung als Redakteur der Allianz - Hauszeitung. Ganz leise erzählte Lotte Schiffler: "In der schlimmsten Hungerzeit 1946 kam von ihm (gemeint war der jüdische Freund D.K.) das erste Care- Paket". Nach fünfjähriger Verlobungszeit und Arbeitslosigkeit heirateten Dr. Lotte Dichgans und Dr. Leonhard Schiffler am 17. April 1934 in der Pfarrkirche St. Leonhard in Frankfurt. Sie erzählt: "Ich habe immer so gern das Lied gesungen Widele wedele, hinterm Städtele hält der Bettelmann Hochzeit'. Anna Vogt wurde böse und sagte: Ich kann dein Lied vom Bettelmann nicht mehr hören. Wo wird denn nun geheiratet?' Sie sah die täglichen Liebesbriefe meines Leonhard ohnehin nicht gern. Wir heiraten ganz still in Frankfurt', sagte ich. Wieder Bettelmann', schimpfte sie. Du kannst doch hier in Bendorf heiraten. Wir machen alles ganz schön für dich'. Das will der Leonhard nicht', erklärte ich ihr. Der will nach fünf Jahren Verlobenszeit eine ganz schlichte kleine Hochzeit'. Er hatte schon mit dem Pfarrer von St. Leonhard, seiner alten Taufkirche, gesprochen. Eine schöne, alte Kirche, am Main gelegen. Dort war er zu Hause. Er zeigte mir die kleinen Meßdienerröckchen, die er als Schuljunge getragen hatte. ........Zwei Tage vor unserer Hochzeit wurde in Köln Edith Stein in den Carmel aufgenommen. Anna Vogt war zu der Feier eingeladen. Tags darauf brachte sie mich dann zum Zug. Zwei Freunde von Leonhard waren Trauzeugen. Caritasdirektor Professor Richter, den mein Mann auch gut kannte, war der Priester. Und meine Mutter war dabei. Vater ging es nicht so gut. Es wurde eine so schöne, stille Hochzeit in St. Leonhard, daß es genug war. Es war Sakrament. Es war Freude und Dankbarkeit. Vor allem Dankbarkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein anderes Brautpaar so dankbar war, weil nach so viel Arbeitslosigkeit und Verlust unserer Familienfirma zu Hause man noch so fröhlich in die Zukunft schauen konnte. Ich weiß nur noch, dass wir kein Auto nahmen, sondern in der vollbesetzten Straßenbahn nach Hause in unsere neue Wohnung fuhren". Lotte Schiffler führte nun in Frankfurt ihre Studien weiter. Nach drei Jahren wird sie schwanger. Der Sohn Ludger kommt zur Welt, die Taufe erfolgt in der Frankfurter Frauenfriedenskirche, Anna Vogt wird Taufpatin. Lotte Schiffler später: " Leonhard und ich waren immer glücklich mit unserem Sohn", sie wusste aber auch, wieviel sie ihrem Ludger zugemutet hatte. Später, nach dem Tod ihres Mannes, schreibt sie: " Ich würde es noch einmal tun ......nämlich, meinen Mann heiraten!". In dunkler ZeitDann kommen die dunklen Zeiten des Holocaust. Lotte Schiffler hatte engen Kontakt zu einer Gruppe, die vom "Neudeutschen Bund" geprägt war. Darunter waren auch Rechtsanwälte, die evangelische Frauen geheiratet hatten. Hier dürfte für Lotte Schiffler die Wurzel für ihr späteres durch und durch ökumenisches Denken liegen. Es herrscht Vertrauen, sie sprechen auch über politische Themen, über ihre Ängste: " Als Hitler die Röhm - Affäre hatte, als er all seine eigensten, besten Leute erschießen ließ, hofften wir immer, daß diese Bewegung zerfiele. Die Grausamkeit und all das Schreckliche bewegte uns sehr...... Diese kleinen Kreise waren schon der Rede wert. Sie waren Nester des Widerstandes. Ich habe später erst in Imshausen die Kreise kennengelernt, die um Stauffenberg Widerstand geleistet hatten. Einer von uns sagte einmal:' Wenn ihr hört, daß Hitler erschossen wurde, könnt ihr denken, ich hätte es getan'. So ernst haben wir verstanden, daß man diesen Hitler beseitigen mußte.. Aber wo konnte man das laut sagen? Wir waren jedoch nicht ausgebildet als Revolutionäre. Weder denkerisch noch praktisch waren wir Anarchisten. Deshalb sind wir alle mit im Trott gegangen. Wir haben alles erst später gehört, was man den Juden angetan hat. Das hat sich erst spät im Volk herumgesprochen. Der Judenstern kam erst nach der Kristallnacht. Von den wirklichen Grausamkeiten erfuhren wir nur hinternherum. Das stand nicht in den Zeitungen. Einer der Freunde war Volontär bei der Frankfurter Zeitung gewesen. Er brachte uns Informationen, die nie veröffentlicht wurden. Doch war dieser Kreis so wichtig, um uns zu informieren. Wenn wir auch nie zum Handeln gekommen sind. Erkenntnismäßig waren es alles so kluge Männer, alle überzeugt katholische, nicht geduckt, aber hilflos. Wir hätten Kontakt zu anderen Kreisen haben müssen. Es hat sie bestimmt gegegeben. Aber sie hatten weder Waffen noch Gewalt. Und waren von ihrem Glauben her auch nicht darauf ausgerichtet, Gewalt anzuwenden". Lotte Schiffler berichtet über die Zeit danach: " Dann kam
der 9. November 1938. Wir hörten, dass die Synagogen gebrannt hatten. In
unserem Dorf haben wir das selbst nicht erlebt. Doch als ich hörte, dass
in Frankfurt der Teufel los war, fuhr ich sofort zu Ruth Fischel ("eine
jüdische Freundin" D.K.) in ihre Haushaltungsschule in der
Quinkestraße. Ich weiß das noch wie heute. Als ich ankam, sagte
Ruth: 'Lotte, mach, dass du raus kommst, die Gestapo ist im Haus!' Ich sagte:
Warum, ich kann dich doch besuchen. Ich will alles wissen, was euch
passiert ist'. Die Haushaltsschule war nicht abgebrannt. Auch die
Fensterscheiben waren noch heil. Aber ringsum war alles heillos verbrannt und
zerstört. Dann kamen auch die anderen Lehrerinnen und sagten: Frau
Schiffler, gehen Sie bald schnell hier heraus. Wir werden ständig
kontrolliert. Ich fragte Ruth: Wie kann ich dir helfen?' Sie sagte:
Hör mal., wir möchten gern Sachen aus dem Haus herausbringen,
die uns kostbar sind. Kleine Möbel, wertvolle Gegenstände'. Die
kannst du alle zu mir bringen', versicherte ich ihr. Da hatten sie wenigstens
eine Adresse. Es kamen noch andere dazu, die baten: 'Ich möchte Ihnen
etwas mitgeben. Hier ist meine Armbanduhr. Hier mein Fotoapparat. Hier ist ein
alter Familienring'. Ich sagte: Schreibt Eure Adressen und Namen drauf.
Das kommt alles in den Nonnenpfad'. Was konnte ich tun an dem einen Tag, als
beladen mit all den persönlichen Schätzen nach Hause fahren und zu
Leonhard sagen: Wir machen jetzt Päckchen". Das war eine winzige
Sache, Ruth zu sagen: Ihr seid nicht allein, wie kann ich helfen?'. Ruth
Fischel hat mit Schmerzen ihre jüdischen Eltern allein in Elberfeld lassen
müssen und ist nach London ausgewandert. Dort konnte sie in einer
Textilfabrik als Zuschneiderin unterkommen. Mit ihrem künstlerischen Sinn
lag ihr diese modische Arbeit. So ist sie gerettet worden. Von ihr hatte ich
die ersten Berichte aus Israel, als es noch nicht Israel war. Sie
erzählte, was sie in ihrer zioninistischen Jugendorganisation erfahren
hatte, dass dort die Sümpfe trocken gelegt wurden, zwischen Tel Aviv und
Haifa und Eukalyptusbäume angepflanzt wurden, die den Boden austrocknen
sollten. Danach sollten Apfelplantagen entstehen - für all die Apfelsinen,
die wir heute essen." Von hier aus ist zu verstehen, warum die Liebe zu Israel
für das spätere Leben von Lotte Schiffler sehr bestimmend war. Und
lange vor dem II. Vatikanischen Konzil hatte sie bereits ein ganz tiefes
Gespür, dass wir Christen eine grundsätzliche Revision in unserem
Verhältnis zu dem Jüdischen Volk vornehmen müssen. Deshalb war
es auch kein Zufall, dass es ihr ein ganz wichtiges Anliegen war, in Israel
konkret zu helfen. Durch ihre Initiative wurde in Bendorf der Verein der
"Freunde von Neve Shalom", eines Dorfes in Israel, das sich der dialogischen
Erziehung von jüdischen, christlichen und arabischen Kindern und
Jugendlichen verpflichtet wusste, gegründet. Mit Pater Bruno Hussar, dem
Gründer des Friedensdorfes, war Lotte Schiffler lebenslang
freundschaftlich verbunden. NeubeginnLeonhard Schiffler wird aus der Gefangenschaft entlassen. 1946 ist die Familie wieder in Frankfurt zusammen. Lotte Schiffler schreibt: "Mitten vor dem Rathaus auf dem Römerberg steht ein Brunnen und darin die Göttin der Gerechtigkeit. Eine schlanke Gestalt, die Waage der Gerechtigkeit hoch in ihrer Hand haltend. Überall sonst Ruinen. Die Altstadt ausgebrannt. Dass nur dies Zeichen für ausgleichende Gerechtigkeit nach dem Hitler - Chaos überlebt hatte, war uns wie eine Hoffnung. Denn ohne Hoffnung hätten wir mit dem unabsehbaren Chaos nicht fertig werden können". Während der Kriegsjahre war Lotte Schiffler wie viele Flüchtlinge im Allgäu gewesen. Hier in Frankfurt wird sie zur Armenpflegerin berufen. Sie kümmert sich vor allem um die Familien, wo die Männer von der Front und aus Kriegsgefangenschaft orientierungslos und völlig verunsichert nach Hause kommen. Sie erzählt später rückblickend: "Wir Frauen hatten in der Nazizeit nicht viel zu sagen. Aber jetzt war es so wie bei den Weibern von Weinsberg. Sie kennen doch die alte Geschichte. Wir mußten unsere heimkehrenden Männer Huckepack nehmen. Wir haben sie wirklich über manche Mutlosigkeit hinweg getragen und haben ihnen mit unserer Liebe und Fröhlichkeit den Neubeginn viel leichter gemacht". Lotte Schiffler wird in den Vorstand der Frankfurter CDU gewählt, obwohl sie noch nicht einmal Mitglied der neu gegründeten Partei ist. Sie erlebt Eugen Kogon und Walter Dirks. Geprägt wird sie aber vor allem durch Gertrud Bäumer, Historikerin, Dichterin, Reichtagsabgeordnete während der Weimarer Republik. Im verwahrlosten Handwerkersaal in der Altstadt bleiben ihr deren Worte in den Ohren: "Jetzt ist die Stunde der Kooperation der Christen", gemeint war der Aufbau eines neuen Europas. Lotte Schiffler wird sozial verantwortlich, politisch und vor allem ökumenisch. Carola Barth, evangelische Theologin und Mitbegründerin der Frankfurter CDU, wird ihr großes Vorbild. Lotte Schiffler beschreibt: "Sie wohnte im Bahnhofsviertel. Hatte zwei enge Zimmer. Dort holte sie uns jeden Monat zusammen. Ohne Kaffee oder Tee. Wir begannen mit einer Schriftlesung. Und endeten immer mit einem Vaterunser. So haben wir uns kennengelernt. Ich brachte die katholischen Frauen mit, sie die anderen. Carola Barth hat uns damals Dinge gesagt, die wir noch nicht verstanden haben. Es gibt Schleier, und es gibt Entwicklungen. Sie hat ein ökumenisches Konzil vorausgeahnt. Sie ist dann an in den fünfziger Jahren an einem schweren Nierenleiden viel zu früh gestorben. Sie war aber auch Stadtverordnete". Lotte Schiffler gewinnt viele Freundinnen, eine ist Hanna Reitsch, die "fromme Weltmeisterin im Segelflug". Die Schwester von Hanna Reitsch schreibt später: "Beide außergewöhnlichen Persönlichkeiten, Lotte Schiffler und meine Schwester, Hanna Reitsch, sahen sich schlicht als Werkzeuge Gottes, fragten nicht viel, sondern handelten beherzt, wie es in ihren Augen die Lage erforderte". Lotte Schiffler wird 1950 hessische Landtagsabgeordnete und Stadträtin im Frankfurter Magistrat. Eine steile politische Karriere, die schließlich mit ihrer Ernennung zur Frankfurter Stadtältestin endet. Im Nachruf des Hessischen Sozialministeriums heißt es: " Mit Respekt und Bewunderung stehe ich, stehen wir alle, vor der beachtlichen Lebensleistung dieser Frau....Während sie sich auf der einen Seite um die Wiederbelebung des Katholischen Deutschen Frauenbundes kümmerte, lesen wir anderseits schon ihren Namen in den ersten Protokollen der neu gegründeten Christlich Demokratischen Partei in Frankfurt, die beide Konfessionen in sich vereinigte. Darüber hinaus war sie Vorstandsmitglied im Internationalen Rat der Weltbewegung der Mütter. Sie gründet die CDU - Frauenunion, weil sie davon überzeugt ist, dass die Männer ohne die Frauen unsere Welt nicht verändern können und deshalb die Frauen in Gesellschaft, Staat und Kirche einen Nachholebedarf haben. Ihre besondere Sorge galt benachteiligten Kindern aus aller Welt. Das Leben von Charlotte Schiffler ist nicht nur ein Kapitel deutscher Geschichte, sondern vor allem ein entscheidendes Stück Verantwortungsnahme durch Frauen. Frei von persönlichen Interessen und Machtstreben, setzte sie sich konsequent für die Lösung der großen Fragen ein, die sie in ihrer Zeit auch auf dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen als dringlich erkannte. Und dies auf allen Ebenen, auf denen sie tätig wurde. Im Landtag, im Beruf und vor allem in den großen katholischen Frauenorganisationen, deren Mittträgerin sie durch viele Jahrzehnte hin war, und wo ihr ein stetes Gedanken sicher ist." Typisch für Lotte Schiffler ist ihr sehr frühzeitiger Einsatz für die Würdigung von Oskar Schindler. Dieter Trautwein, evangelischer Stadtdekan von Frankfurt schreibt: "Neben Walter Hesselbach und Moshe Heß von der Gesellschaft der Freunde der hebräischen Universität Jerusalem war es vor allem die Sozialpolitikerin, die sich bei Stadt und Bund für finanzielle, aber auch gesundheitliche Hilfen für Oskar Schindler verwandte. Nicht zuletzt begegneten wir Frau Dr. Schiffler auch bei ihrer Bemühung, den Lebensretter Schindler und Freund Israels hineinzunehmen in den Dialog zwischen Christen und Juden, Israelis und Arabern". Gerlind Schwöbel, erste Pfarrerin der Nassauischen Kirche, sagte von Lotte Schiffler: "Ihre unsagbare Liebe zum Volk Israel, dem Volk Gottes, ihr Verständnis auch für die Araber, ihr Offensein für Gottes handeln in der Welt, das alles beeindruckt mich tief. Unvergeßlich sind mir zwei Predigten, die sie zum Weltgebetstag der Frauen hielt, einmal in der evangelischen Katharinenkirche, zum anderen Mal in der katholischen Liebfrauenkirche. Als sie uns nach Bendorf einlud, der Stätte christlich - jüdischer und auch islamitischer Begegnung, da erkannten wir, daß hier ihre Wurzeln liegen. In Bendorf war sie Edith Stein begegnet, die sie als junge Frau mit prägte und deren Vermächtnis sie bis heute weitergibt". Pendlerin zwischen WeltenMit diesem Zitat von Gerlind Schwöbel kommen wir nach Bendorf zurück. Als Anneliese Debray nach dem 2. Weltkrieg dem Hedwig - Dransfeld - Haus ein neues Profil gab, war Lotte Schiffler von Anfang an dabei. Mit ihrem grünen VW - Käfer fuhr sie manchmal wöchentlich von Frankfurt nach Bendorf. Durch eine Spende von 10.000 DM erwarb sie sich das Wohnrecht in einem kleinen Zimmer im sogenannten Gartenhaus des HDH, dem früheren Freizeithaus der Familie Rezepta. Beharrlich sorgte sie dafür, dass internationale Versöhnung, Ökumene, Spiritualität und Hilfe für die Armen dieser Welt Mitte des Hedwig - Dransfeld - Hauses wurden. Doch hier müssen die Hintergründe gesehen werden. Ludger Schiffler, der leibliche Sohn, schreibt: " Eines Tages war es dann so weit. Fünf braune und zwei weiße Jungen kamen in unser Haus, fast alle zehn Jahre jünger als ich. Meine Mutter, die sich in der Zwischenzeit auf einer längeren Reise durch die USA mit den Schwierigkeiten des Zusammenlebens zwischen Weißen und Schwarzen vertraut gemacht hatte, wollte etwas für die Kinder tun, die aus der Verbindung farbiger Soldaten und deutscher Frauen hervorgegangen und für die keine Adoptiveltern gefunden waren". Es braucht nicht verschwiegen werden, dass Ludger Schiffler große Probleme mit dieser aufeinmal riesig gewordenen Familie hatte. Deshalb gibt er auch ehrlich zu: "Sicherlich war ich noch zu jung oder zu egoistisch, um dieses Anliegen aktiv mit zu tragen, doch bejahte ich es immer ganz und gar. Nur als die Kinder meine Mutter auch noch mit dem Namen Mutti' anzureden begannen, war ich nicht damit einverstanden...". Eigentlich ist es nicht vorstellbar, was da passierte. Da war eine verheiratete Frau, die sich neben ihrem Sohn bis zu 14 meist sehr problembehaftete farbige Kinder ins Haus holte. Und diese Frau war außerdem in Hessen und in der Stadt Frankfurt öffentlich tätig, sowie auch in Bendorf im Hedwig - Dransfeld - Haus engagiert. Doch die Lebensdimension von Lotte Schiffler ist noch umfassender. Carola Barth, die evangelische CDU - Politikerin, rief Lotte Schiffler in das Büro von Frau Dr. Schwarzkopf, die spätere erste deutsche Bundesministerin. Hier kam es zu einem Kontakt mit Frau Nopitsch, die Verbindung zu Elly Heuß - Knapp hatte. Lotte Schiffler erzählte von dem Gespräch: "Frau Nopitsch führte aus, dass sie mit Elly Heuß die Idee gehabt hätte, das Müttergenesungswerk auf eine breite Basis zu stellen. Dazu brauchten sie Kontakte, meine Kontakte. Ich gehörte außerdem zu einem Jugendteam, das schon 1926 in Fürsorgepraxis im Hedwig - Dransfeld - Haus in Bendorf am Rhein erste Mütterferien mit geleitet hatte. Mütter aus dem Industriegebiet betreuten wir damals. Frau Nopitsch hatte in Stein in den gleichen Jahren dasselbe getan. Da ich noch mit alten Freunden aus diesem Team in Verbindung stand, konnte ich Frau Nopitsch und Frau Schwarzhaupt gleich zwanzig Adressen von katholischen Frauen sagen, die noch in der Führungsarbeit standen. So hatte Frau Nopitsch eine Liste in der Tasche und konnte Frau Heuß sagen: Die tun alle mit'. Sie wissen, dass das Müttergenesungswerk auf ökumenischer Basis gelungen ist, daß es bis heute ein tragendes Werk ist.,das immer wieder eine neue Antwort findet auf neue Nöte. Aus dem Hedwig - Dransfeld - Haus kann ich berichten, daß - obgleich wir Frauen von Trinkern dort haben, ob Mütter mit behinderten Kindern, ob Frauen, die eine Krebsoperation überstanden haben - daß sich in all diesen und vielen anderen Fällen das Müttergenesungswerk bewährt. Dieses Werk von Frau Nopitsch und Frau Heuß - Knapp ist ein tragendes Werk in der Geschichte des deutschen Volkes geworden". In Frankfurt hatte Lotte Schiffler mit Gerlind Schwöbel, evangelischer Pfarrerin an der Katharinenkirche, einen Kreis zur Vorbereitung des jährlichen Weltgebetstages der Frauen aufgebaut. Die Gruppe war christlich ökumenisch. Mit Selbstverständlichkeit gehörten Frauen aus den evangelischen Freikirchen, aus der altkatholischen Kirche und der Heilsarmee dazu. 1979 ging für Lotte Schiffler ein Traum in Erfüllung, als sie mit diesem Frauenkreis zum ersten Mal ein Wochenendseminar im Hedwig - Dransfeld -Haus erleben konnte, und sich dann daraus eine jährliche Tradition herausbildete. Es ging bewusst nicht um kontroverstheologischen Fragen wie Amt, Abendmahl oder andere dogmatisch Fragen, sondern um die wichtigen Anliegen eines christlichen Lebens. " Frauen in der Gemeinde, Maria als unsere Mutter, Beichte und Umkehr als Funktion der Gemeinde, Spiritualität in der säkularen Welt, die Heiligen als Leitbilder" - sind nur einige thematische Beispiele. Lotte Schiffler war lange Zeit im Vorstand des Hedwig - Dransfeld - Hauses. Ende der 70ger Jahre ist sie nur noch im Kuratorium tätig. Sie bezeichnet sich selbst als "Großmutter des HDH", zu der alle kommen können, die in der Turbulenz des HDH nicht zurecht kommen, sie hatte einen entscheidenden Anteil, dass die Geschichte des Hedwig - Dransfeld - Hauses auch nach 1980 weitergehen konnte. Es war ihr besonderer Wunsch, dass Dieter Kittlauß mit seiner Familie mitten im HDH lebte, damit "das Haus eine Seele" habe. Bei den sehr tiefgehenden Konflikten um die Ablösung von Anneliese Debray war sie Vermittlerin zwischen der offenen Gegenwart und einer reichen Vergangenheit. Aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte wusste sie von der Vergänglichkeit menschlicher Konflikte. Deshalb betrachtete sie es als einen Höhepunkt ihres Lebens, als sich Anneliese Debray, nach langer Zeit innerer Verhärtung, mit ihrem Nachfolger, Dieter Kittlauß, versöhnte, und diesem als sichtbare Geste eine Engel - Keramik ihres Freundes, Eugen Keller, aus Höhr - Grenzhausen schenkte. 1992 kam für Lotte Schiffler ein Würdigung, die ihr sehr viel bedeutete. Am 11. Mai 1992 erhielt sie mit Wolfgang Thierse den Moses- Mendelssohn - Preis des Landes Berlin: "Zur Förderung der Toleranz gegenüber Andersdenkenden und zwischen den Völkern, Rassen und Religionen". Sie war schon vom Tode gezeichnet, als sie die Würdigung in Berlin entgegennahm. Die Reise geht weiterLotte Schiffler ging dann sehr bewusst den Weg, den wir alle
gehen. Sie löste ihren Haushalt auf, klärte alle ihre
Verbindlichkeiten und lebte die letzten Jahre auf dem Petersberg bei Fulda. Ein
Bett, ein Tisch, ein Telefon und die Bibel - sie hatte keinerlei
Besitzansprüche mehr an dieses Leben und bereitete sich ganz allein auf
den Übergang vor. Als ich sie kurz vor ihrem Tod besuchte, beteten wir
gemeinsam den Lobgesang des Franziskus. Vorbereitet und geradezu vorbildlich
ging sie ein wenig später in die Ewigkeit. Wie berichtet wurde, schlief
sie beim Lesen ein, der Kopf war auf die Bibel gefallen, die vor ihr
lag. Noch eine Geschichte zum Abschluss: Lotte Schiffler verlor ihren Mann Leonhard zu Lebzeiten. Sie kaufte ein Doppelgrab, um später bei ihm beerdigt zu werden. Dann starb einer ihrer adoptierten Söhne durch Suizid. Sie ließ ihn an ihrem Platz beerdigen. "Weil nun kein Platz mehr ist, will ich verbrannt werden, die Urne kann dann in dem Grab beigesetzt werden". So geschah es. Bendorf hat mit Lotte Schiffler eine großartige Frau gehabt, auch wenn sie nie Bendorfer Bürgerin war. Es ist ein Anliegen dieses Beitrages, das Andenken dieser Frau lebendig zu halten. Dieter Kittlauß, Epiphanie 2002 Die nicht näher benannten Zitate stammen alle
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