Ein "unmoderner"
Schulausflug
Frl. Maria Siebenmorgen
Bearb. W. Kutsche
Beim Stöbern in alten Büchern und Schriften auf einem
Floh- bzw. Trödelmarkt fiel mir dieser Tage ein altes, stark ramponiertes
Schulheft in die Finger. Das war an und für sich nichts besonderes, ja,
wenn da nicht ein fein säuberlich aus der Zeitung ausgeschittener Bericht
eingeklebt gewesen wäre. Dieser Artikel war am 14. Juli 1955 in der
"Bendorfer Zeitung" erschienen. Nach über 55 Jahren ist es auch für
uns Heute noch interessant, diesen Bericht zu lesen und vor allen Dingen die
Zeitumstände - 10 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - zu
beachten.
Bendorf-Mülhofen war zu dieser Zeit sehr stark von der
Industrie geprägt. Fast alle Einwohner waren in der Concordiahütte
oder in der Bimssteinindustrie beschäftigt. D.h. fast 90% der
Erwerbstätigen in Mülhofen waren Arbeiter und Angestellte, darunter
ein großer Anteil ( ca. 25% ) Flüchtlinge und Heimatvertriebe; mit
anderen Worten: die finanziellen Mittel der Eltern waren begrenzt. Ein
Schulausflug stellte viele Eltern vor die Frage, ob sie ihre Kinder bei einem
Schulausflug mitfahren lassen konnten. In vielen Fällen war das nicht der
Fall. Es ist darum bemerkenswert wie die Lehrerinnen versucht haben den
Schulkindern einen Schulausflug mit geringen Kosten zu ermöglichen.
Hier nun der Berich aus der Zeitung vom 14.Juli 1955:
"Schulausflüge sind zu der jetzigen Jahreszeit keine
Seltenheit. Einige Wochen vorher fragt der Lehrer in der Klasse nach, wer alles
mitfährt und dann wird der Omnibus bestellt. Am Ausflugstag sitzt man dann
in dem bequemen Wagen und sieht die Landschaft an sich vorbeifliegen. Nichts
gegen Omnibusse; man muß auch betrachten, wie sehr sie unseren
älteren Jahrgängen willkommene Gelegenheit zu Ausflügen geben.
Aber die Jugend? Gibt es noch Jugendliche, die sich ihre Heimat erwandern, die
ihre Heimat somit erleben? Es sind herzlich wenige und doch gibt es sie noch!
Hier der Beweis!
Die Mädchenoberklasse der Volksschule Mülhofen machte
folgenden Ausflug, den viele Leute als "unmodern" bezeichnen würden: man
fuhr frühmorgens mit dem Dampfer rheinaufwärts bis nach Boppard und
dann waren es nur noch "Schusters Rappen", die man als Verkehrsmittel in
Anspruch nahm. Man erstieg die Hunsrückhöhen über den
Serpentinenweg. Es war mühsam, aber die Mädels hätten mit keinem
Seilbahnpassagier getauscht. Man kam, in den Hunsrücker Wald und auf die
Hunsrück-Höhenstraße.
Ein besonderes Erlebnis war die Kletterpartie durch die
Brodenbacher Klamm. Von schmalen Pfädchen sah man in eine schwindelnde
Tiefe. Ehe man in der Brodenbacher Jugendherberge übernachtete, kochten
die Mädels auf eigenen Herdstellen in freier Natur selbst ihr Essen ab und
man kann sich denken, daß hier ein edler Wettstreit der
Kochkünstlerinnen entstand. "Brrr!" wird jetzt mancher denken; aber den
Mädels hat's ganz bestimmt geschmeckt!
Am nächsten Tag besuchte man bei Brodenbach die Ehrenburg,
die noch aus dem zwölften Jahrhundert stammt. Zu Fuß gings dann
zurück in Richtung Koblenz. Man stattete noch dem Stadtwald einen Besuch
ab und dann führte der Dampfer die Mädchen wieder
rheinäbwärts der Heimat zu. Mit pechschwarzen Kochpötten,
müden Gliedern aber lachenden Augen marschierte man singend in
Mülhofen ein und hatte dann so vieles zu erzählen, denn diese
Wanderung war für sie reich an Erlebnissen und Abenteuern. Zu bemerken
bliebe noch, daß diese Tour unter der Leitung von Frl. Siebenmorgen und
der Lehrerin Frau Bachl stattfand. Wer möchte es den Mülhofener
Mädels nachmachen? "
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