Rheinromantik einmal anders
und die harte Wirklichkeit
Anneliese Ries-Scheid
Eine Betrachtung des Rheintals von der Höhe zwischen Bendorf
und Vallendar aus der Sicht eines Wanderers
Wer zu Fuß von Bendorf über Weitersburg nach Vallendar
wandert, verspürt auf der Höhe beim Blick in das Rheintal unter
Umständen einen Hauch von Rheinromantik - zugegebenermaßen eine
etwas andere Art der Rheinromantik als die, die im Jahre 2002 gefeiert
wurde.
Der Wanderer dort oben stellt sich vor, dass er- könnte er
die Zeit um einige Jahrhunderte zurückdrehen - in ein Tal blickt, in das
der ungebärdige Rheinstrom seine Mäander zeichnet. Vor sich sieht er
ein Bild, den Gemälden ähnlich, die - von Künstlern der Romantik
gemalt - heute im Koblenzer Mittelrhein-Museum zu sehen sind. Er blickt auf
sumpfige Schilfflächen, blühende Feuchtwiesen und Auwald, dessen
Füße im Wasser stehen. Die Stillwasserbereiche sind voller
Teichrosen. An den Steilufern finden Uferschwalbe und Eisvogel Lebensraum und
Brutmöglichkeiten. Der Auwald ist voller Wildarten; Fisch- und
Vogelreichtum in Fluss und Landschaft sind schier unbeschreiblich.
Kurzum, er schaut von der Höhe in eine echte Rheinaue,
geprägt von periodisch auftretenden Überschwemmungen, eine
einzigartige Naturlandschaft mit vielgestaltigen, artenreichen Tier- und
Pflanzengesellschaften.
Der Wanderer weiß aber trotz seiner augenblicklichen,
romantischen Sichtweise, dass der Mensch dieses Paradies erobert. Der Rhein,
vor 200 Jahren noch ungebändigter Wildstrom, wird in ein enges Bett
gezwungen. Die Feuchtwiesen werden entwässert, die Schilfflächen
aufgeschüttet. Durch die Begradigung beschleunigt der Rhein seine
Fließgeschwindigkeit. Er gräbt sich viel tiefer ein; die Ufer
stürzen zusammen. Wertvolles Land wird weggeschwemmt!
Ihm, dem Wanderer, ist bekannt, dass die Ufer teilweise mit Beton
und Stein befestigt werden, dass für immens viel Geld Hochwasser-
Rückhalteraum anstelle des zuvor zerstörten geschaffen werden muss.
Uferschwalbe, Eisvogel und ungezählte andere Tier- und Pflanzenarten
stehen auf der "Roten Liste" oder sind bereits für immer verschwunden.
Noch immer gehen tagtäglich wertvolle Lebensräume für die Natur
unwiederbringlich verloren.
Dem Wanderer fällt das Pestalozzi-Wort ein: Früher oder
später, aber gewiss immer wird sich die Natur an allem Tun der Menschen
rächen, dass wider sie selber ist!
Und ihm will scheinen, der Mensch habe nicht viel aus seinen
Fehlern gelernt. Um Wertvolles, das der Wanderer zu Beginn dieser Geschichte
vor seinem romantischen Auge sah, wenigstens bruchstückweise vor der
endgültigen Vernichtung zu retten, wurde am 18. April 1978 ein Teilbereich
zum Naturschutzgebiet (NSG) "Insel Graswerth" erklärt.
Dieses 75 Hektar große Schutzgebiet umfasst die Insel
Graswerth, einen Teil des Bendorfer Rheinufers und die dazwischenliegende
Wasserfläche. Entlang des Bendorfer Rheinufers befinden sich der
größte noch existierende Auwald sowie die größte
zusammenhängende Schilffläche am ganzen Mittelrhein. Das im
Vallendarer Stromarm vorkommende Schwanenblumenröhricht ist von seiner
Ausdehnung her einzigartig in Mitteleuropa.
Der schier unbeschreibliche Wild- und Vogelreichtum allerdings ist
jämmerlich geschrumpft. Noch brüten im NSG "Insel Graswerth" etwa 60
Vogelarten; davon sind viele in ihrem Bestand bedroht. Hierzu zählen u.a.
Schwarzmilan, Pirol, Nachtigall, Eisvogel, Beutelmeise.
Innerhalb des Rheintals, das von großer Bedeutung für
den Vogelzug ist, gilt das NSG "Insel Graswerth" als wichtiger Trittstein
für die ziehenden Vögel. Sehr schön beobachten lässt sich
dies im Frühling, wenn die Schwalben kommen. In großer Zahl erholen
sie sich an diesem Ruhepunkt, bevor sie in ihre angestammten Brutreviere
weiterziehen. Als Rast- und Wintergäste kommen alljährlich ca. 180
Vogelarten hierher, z.B. Fischadler und Schellenten.
Die für den Mittelrhein einmalige Bendorfer Auenlandschaft
ist nicht nur für Pflanzen und Tiere, sondern auch für Menschen von
außerordentlicher Bedeutung. Ihnen dient das NSG "Insel Graswerth" zur
stillen Erholung mit der Möglichkeit, Natur zu beobachten, was andernorts
in dieser Form und diesem Umfang kaum noch möglich ist.
Darüber hinaus gehört auch die Bendorfer
Bevölkerung zu den über 8,5 Millionen Menschen, die ihr Trinkwasser
aus dem Rhein erhalten. Die Stadt Bendorf bezieht 57% (Mittel der Jahre 1999,
2000 und 2001) des wichtigsten Lebensmittels aus dem großen Strom
(Uferfiltrat). Dieser Anteil wird möglicherweise noch steigen, wenn in
Bendorf weitere Quellen durch Bimsausbeute verloren gehen.
Damit das NSG "Insel Graswerth" existenzfähig bleibt, gilt es
unbedingt den Schutz auf die umgebenden Flächen als sogenannte Pufferzonen
auszudehnen. Solche sind hier das Gelände des Wasserwerks, die
Naherholungsfläche Rheinanlagen mit ihrem natürlichen Uferbereich und
die Sportanlagen. Wenn die Bendorfer Hafenerweiterung wie geplant verwirklicht
wird, werden Rhein- und Sportanlagen verloren gehen. Die Industrieansiedlung
wird dann unmittelbar an die Grenze des NSG "Insel Graswerth" heranreichen.
Naturnahe Flussauen gehören mit zu den am stärksten
bedrohten Landschaftsflächen.
Die Einmaligkeit der Rheinaue und ihre Bedeutung für die
Gesamtökologie unseres Bendorfer Landschaftsraumes machen ihren Schutz zum
unbedingten Muss!
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