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der Homepage der Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte und ist mehr am Text orientiert. Mehr über Bendorf und unser Angebot auf unserer Startseite Sayner Rhapsodie über die Liaison zwischen Franz Liszt und Carolina zu Sayn-Wittgenstein 1Heimatgeschichtliches Feature zum 200. Geburtstag von Franz Lisztvon Dieter KittlaußBei unserem Umbrienurlaub im vergangenen Jahr fuhr ich mit Anne Egbert, meiner Frau, für einen Tag nach Rom. Wir wussten von früheren Rombesuchen, dass wir das Programm streng auswählen müssten, denn der Zug kam kurz vor 10 Uhr in Rom an und fuhr gegen 18,00 Uhr nach Foligno wieder zurück. So nahmen wir uns vor, über den Petersplatz und durch den Dom zu schlendern, den alten deutschen Friedhof "Campo Santo Teutonico" im Vatikan und die Basilika Maria Maggiore zu besuchen. Dies ließ sich auch verwirklichen. Weil ich Bescheid wusste, gingen wir nach dem Domrundgang zielstrebig auf den Schweizer Gardisten am linken Tor zu und stellten uns als Deutsche vor, die das Campo Santo besuchen wollten. Es gab keine Probleme. Immerhin konnten wir uns hier auf ein altes verbrieftes "teutonisches" Recht berufen. Es war ein milder Herbsttag und in dem kleinen Friedhofsgarten waren nur wenige Besucher. Nach einem ersten Rundgang hatte ich nochmals die Gelegenheit, einzelne Grabplatten etwas eigehender anzuschauen. Da stieß ich durch Zufall auf den Namen Sayn-Wittgenstein. Links neben dem Eingang zur Kapelle gab es zwei Marmorplatten, die den Besuchern erzählen, dass die Fürstin Carolina Sayn-Wittgenstein am 9. 3.1887 in Rom im Alter von 68 Jahren gestorben und hier auf dem Campo Santo beerdigt sei. Zu lesen war auch auf einer anderen Schrifttafel, dass deren Tochter dem Campo-Santo-Verein einen kostbaren Kelch geschenkt und so die Erlaubnis bekommen hatte, ihre Mutter hier zu beerdigen. HEIC IN PACE QUIESCIT DEFUNCTA IX MARTE MDCCCLXXXVII In dem beigestellten Totenbuch wird der Hintergrund erklärt: FÜRSTIN CAROLINA SAYN-Wittgenstein Die Erwähnung von Sayn, wo ich seit meiner Pensionierung 1997 wohne, weckte meine Neugier : Wer war diese Frau, die durch ihre Heirat zur großen Familie der Sayn - Wittgensteiner gehörte? Und wie war die Beziehung zwischen dem Künstlergenie Franz Liszt und der polnisch-russischen Fürstin Carolina von Sayn Wittgenstein? Warum ist sie hier in Rom beerdigt worden? Hinzu kam meine Verbindung zu Weimar, wo ich meine Jugend verlebte, ich also gewissermaßen ein Mitbürger von Franz Liszt und seiner Geliebten war. Meine Neugier und das Liszt - Jahr motivierte mich zu diesem kleinen Feature. (Anm.: 2) Karolina Iwanowska, Tochter einer reichen polnischen Landadelsfamilie in der Nähe von Kiew, wurde am 8. Februar 1819 im polnischen (Anm.: 3) Woronince geboren und von insgesamt 12 Gouvernanten katholisch erzogen (Anm.: 4), nachdem sich ihre Eltern scheiden ließen. Auf Wunsch ihre Vaters heiratete sie mit 17 Jahren den russischen Gardeoffizier Nikolaus zu Sayn-Wittgenstein, Sohn des legendären deutsch-russischen Marschalls Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein. (Anm.: 5) Carolina (Anm.: 6), eine hochintelligente und sehr spirituelle Frau beeinflusste ihren Gatten, seine soldatische Laufbahn als Adjutant des kaiserlich-russischen Gouverneurs in Kiew aufzugeben, und mit ihr ganz in Woronince, einem ihrer Güter in der südlichen Ukraine, zu leben. Die Ehe zwischen Fürst Nikolaus und der Fürstin Carolina war aber nicht glücklich. Die intellektuellen und künstlerischen Interessen der Fürstin sowie ihr großer Freundes- und Bekanntenkreis fanden bei Fürst Nikolaus keine Entgegnung und der ehemalige Offizier konnte sich mit dem Landleben nicht versöhnen. Aus der Beziehung stammte eine Tochter Maria. Bevor wir uns den Beginn der Liaison zwischen Carolina und Franz Liszt näher anschauen, müssen wir kurz auf den Lebensweg des ungarischen Wunderkindes verfolgen (Anm.: 7). Franz Liszt wurde am 22. Oktober 1811 im österreichisch-ungarischen Raiding (Anm.: 8) als Sohn einer kleinbürgerlichen Familie geboren. Bereits mit neun Jahren gab er seine ersten Klavierkonzerte und erhielt durch Initiative seines Vater und die finanzielle Unterstützung des Grafen Eszterhàzy eine musikalische Ausbildung in Wien und Paris. Als " wiedergeborener Mozart" wurde der "petit Litz" als Pianist, Dirigent und Kompositeur europaweit berühmt. In Wien verbeugte sich Beethoven vor dem Wunderkind Franz Liszt nach dessen erstem Konzert. In Paris spielt der Zwölfjährige so leidenschaftlich, dass die Musiker ihren Einsatz verpassen (Anm.: 9). Neben der Musik liebte Franz Liszt die Frauen. Es gab viele temporäre Liaisonen; aber zwei Frauen spielten in seinem Leben eine intensive Rolle: zuerst die französische Gräfin Marie d' Agoult, später die Fürstin Carolina zu Sayn-Wittgenstein. Beide Frauen verließen ihre Familie, um mit Liszt zu leben; beide Frauen hatten großen Einfluss auf ihn und scheiterten schließlich an dessen unsteten Leben sowie an den gesellschaftlichen Verhältnissen. 1831 begegneten sich Liszt und die Gräfin Marie in Paris. Beide hatten eine depressive Lebensphase hinter sich und wurden mit "Liebe auf den ersten Blick" ein Liebespaar. Nach langem Widerstand von Liszt (Anm.: 10) ließ sich die Gräfin schließlich von ihrem Gatten, Charles d`Agoult, scheiden, um mit Liszt zusammenzuleben. Doch die Beziehung zwischen Franz Liszt und der französischen Gräfin entwickelte oft dramatische Formen. Auch ein wiederholter Urlaub auf der Insel Nonnenwerth (Anm.: 11) konnte die Beziehung nicht mehr kitten 1843 kam es zur endgültigen Trennung; um das Sorgerecht der gemeinsamen drei Kinder Blandine, Cosima und Daniel (Anm.: 12) gab es allerdings über lange Jahre Auseinandersetzungen. Bereits bei seinem ersten Konzert in Weimar, am 2. November 1842, wurde Franz Liszt so bejubelt, dass ihn der Weimarer Großherzog Carl Friedrich zum Kapellmeister ernannte. Liszt musste sich allerdings verpflichten, im Winterhalbjahr drei Monate in Weimar das Orchester zu leiten. Hinter dieser Entscheidung stand die Großherzogin Maria Pawlowna, die nach dem Tod des Hofkapellmeisters Hummel die kleine Stadt Weimar zu einem musikalischen Zentrum Europas gestalten wollte (Anm.: 13). Anfang September 1843 gab Franz Liszt anlässlich der Grundsteinlegung des Domes in Köln ein großes Konzert und fuhr anschließend nach Koblenz, wo er am 13. September zu einem Empfang des Fürsten Metternich eingeladen war. Der österreichische Außenminister und Gestalter des nachnapoleonischen Europas war ein geborener Coblenzer und kam viele Male nach Koblenz (Anm.: 14). Metternich erwähnt in seinem Brief an seine Mutter zweimal den Grafen von Boos, der 1848 sein Schloss in Sayn an den russischen Fürsten Ludwig Adolf zu Sayn-Wittgenstein verkaufte. Der russische Fürst Ludwig Adolf zu Sayn-Wittgenstein wurde darauf auch vom preußischen König Wilhelm IV. gefürstet, so dass dieser nun den Titel "Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn" führen durfte (Anm.: 15). Ob Franz Liszt bei dieser Gelegenheit den Fürsten Ludwig kennenlernte und von diesem auch auf dessen Bruder Nikolaus in Kiew hingewiesen wurde, wie es Hermann Mostar behauptet (Anm.: 16), ist durchaus möglich, kann aber nicht belegt werden. Ebenfalls ist unklar, ob die erste Begegnung zwischen Liszt und dem deutsch-polnischen Fürstenpaar in Kiew oder in Odessa (Anm.: 17) stattfand. Jedenfalls entstand Anfang 1847 bei dieser osteuropäischen Konzertreise zwischen der Fürstin Caroline zu Sayn-Wittgenstein und dem Maestro Franz Liszt eine tiefe Liebesbeziehung, die das Leben von beiden radikal verändert. Liszt besucht zweimal seine neue Geliebte auf dem Gut Woronince. "Erstmals fand Liszt in dieser willensstarken, temperamentvollen, dunkeläugigen und gebildeten jungen Frau (sie war sieben Jahr jünger als Liszt) eine Diskussionspartnerin für Themen wie Kunst, Religion und Philosophie. Er sehnte sich nach einer neuen Lebensführung, sie wiederum fühlte sich berufen, einen genialen Künstler zu leiten und zu fördern in einer feierlichen Zeremonie gaben sie sich am 22. Oktober 1847 eine Art Eheversprechen'" (Anm.: 18). Zum Jahreswechsel 1947 / 48 fährt Franz Liszt nach Weimar, um seinen Aufgaben als Großherzoglicher Kapellmeister nachzukommen. Carolina hatte bereits erste Schritte unternommen, um ihre Ehe mit Nikolaus Sayn - Wittgenstein scheiden zu lassen, was nach orthodoxem Eherecht prinzipiell möglich war (Anm.: 19). Aber ihr wurden alle Türen verschlossen, denn mit der Scheidung wäre es für den Fürsten Nikolaus zu erheblichen Einkommensverlusten gekommen. Deshalb intervenierte dieser beim Zaren Nikolaus I. und konnte so die Scheidung hintertreiben. Eine Rolle spielte auch, dass Carolina Polin und katholisch war. Als Polin stand sie in der Nähe der polnischen Freiheitsbewegung und als Katholikin war sie der Russischen Orthodoxen Kirche verdächtig. Deshalb fasste sie den Plan, sich in Weimar an die Großherzogin Maria Pawlowna, eine Schwester des Zaren, zu wenden, die eine Verehrerin von Franz Liszt war. Weil sie befürchten musste, dass ihr die russischen Behörden das Ausreisevisum verweigerten, gab Carolina als Vorwand für ihre Reise nach Deutschland eine Badekur für sich und ihre Tochter Marie. Durch den Verkauf von Immobilien verschaffte sie sich Bargeld und kurz vor der Schließung der Grenzen (Anm.: 20) gelang ihr im April 1848 der Grenzübertritt nach Österreich, wo sie Franz Liszt auf dem Gut des Fürsten Felix Lichnowsky bereits erwartete. Es wurden zwei gefüllte Wochen. Liszt zeigte Carolina auch seinen Geburtsort Raiding und besuchte mit ihr in Eisenstadt den Franziskanerpater Albach, der den jungen Franz in seiner Jugendzeit geführt und geformt hatte. Im Sommer 1948 fuhren beide nach Weimar und baten die Großherzogin Maria Pawlowna um Vermittlung bei ihrem Bruder, dem Zaren Nikolaus I. Aber auch diese Vermittlung brachte keinen Erfolg. Da Fürst Nikolaus seine Frau als polnische Agitatorin denunziert hatte, verbot der Zar die Scheidung und ließ Carolina's Vermögen unter die Verwaltung der Familie stellen. Da Carolina fest davon überzeugt war, dass sie durch den Schutz der Großherzogin ihr Ziel, Franz Liszt zu heiraten, erreichen könne, suchte sie sofort nach einem vorübergehenden angemessenen Domizil und mietete eine Etage (Anm.: 21) eines größeren Gebäudes am Stadtrand. Die sogenannte Altenburg an der Straße nach Jena war 1811 vom Herzoglichen Stallmeister, dem Obersten Friedrich von Seebach als herrschaftliches Anwesen gebaut worden. Die Fürstin Carolina zog mit ihrer Tochter Marie, deren englische Erzieherin und der Kinderfrau Kostenecka ein (Anm.: 22). Um die Etikette zu wahren, bestand der Hof darauf, dass Franz Liszt im Hotel schlief (Anm.: 23). In der Gestaltung des Hauses sah die Fürstin eine wichtige Aufgabe, um einen Rahmen für das gemeinsame Leben mit Franz Liszt zu schaffen. Sie richtete im oberen Stock ihre Privatwohnung ein und sammelte hier auch die Souvenirs, die Franz Liszt bei seinen Konzertreisen erhalten hatte. Das Erdgeschoss richtete sie ganz für die Bedürfnisse des Künstlers Franz Liszt ein. Im Blickpunkt ein Wiener Flügel und an den Wänden die Bilder großer Künstler, darunter auch die Original-Totenmaske von Beethoven. Eine kleine Kapellenzelle diente ausschließlich zum persönlichen Gebet. Die Jahre in der Altenburg waren für Franz Liszt auf der einen Seite Höhepunkt seines künstlerischen Lebens, denn Weimar wurde durch ihn zu einem Wallfahrtsort der internationalen Musikwelt und die Altenburg strahlte im Glanze vieler Konzerte, Feste und Empfänge. Auf der anderen Seite litt er unter der Fesselung an einen Ort, vermisste die großen Konzerte in aller Welt und empfand die ausschließliche Bindung an Carolina manchmal als Einschränkung. Im Frühjahr 1948 hatte Franz Liszt den Kapellmeister Richard Wagner in Dresden kennengelernt, Sie wurden Freunde. Anlässlich des Geburtstages der Großherzogin Maria Pawlowna wurde im Februar 1849 Wagners "Tannhäuser" unter der Stabsführung von Franz List uraufgeführt. Bereits im Mai wurde jedoch Wagner steckbrieflich wegen seiner Teilnahme an den sächsischen Unruhen gesucht und muss über Paris in die Schweiz fliehen. Franz Liszt half ihm dabei (Anm.: 24). Anlässlich des Geburtstages von Goethe wurde ab August 1850 Wagners Oper "Lohengrin" aufgeführt und die kleine Weimarer Bühne wurde so zum Wallfahrtsort der europäischen Musik. Aber Liszt bekam große Sorgen um seine Familie. Da Carolina unter Rheumatismus litt, brachte sie Franz Liszt mit Tochter Marie nach Bad Eilsen, wo die Fürstin schon mehrmals gekurt hatte. Doch die Situation verschlimmerte sich. Carolina und Marie erkrankten an Typhus. Liszt aber waren die Hände gebunden, zum Geburtstag der Großherzogin musste er seinen Pflichten als Kapellmeister nachkommen (Anm.: 25). Wie tief die Beziehung zwischen den beiden Liebenden war, kann man aus einem Briefwechsel aus dieser Zeit erkennen (Anm.: 26). Liszt schrieb nach Bad Eilsen: "Wahrlich, wenn ich manchmal ins Nachdenken komme, frage ich mich, ob Sie mir nicht auch einmal meine Augen und meine Hände geschenkt haben und ob Sie nicht jeden Abend die Schläge meines Herzens bewegen - so viel haben Sie für mich getan und tun es noch unaufhörlich für mich." Carolina antwortet:e "Nicht mehr mit dem Namen der Liebe kann ich diese leidenschaftliche, heftige und berauschende Zuneigung bezeichnen, die mich mit unvergänglichen und unzerreißbaren Banden an Dich knüpft .. Ich glaube, daß die Liebe der letzte Antrieb unserer Seele sei Ich weiß, daß ich nur noch Taten der Dankbarkeit zu verrichten habe, gegen Gott und gegen Dich - Dich, Dich, Dich!" 1851 kaufte die Großherzogin die Altenburg und gab Franz Liszt und seiner Familie das Wohnrecht. Nun hat Liszt die Möglichkeit, seinen großen Schülerkreis in der Altenburg zu versammeln. Zu Hans von Bülow und Peter Cornelius (Anm.: 27) entwickelt Franz Liszt eine väterliche Beziehung. Nachdem sich die politischen Verhältnisse beruhigt hatten, ließ sich auch der Zar umstimmen und gab seine Zustimmung zur Reglung der Vermögensverhältnisse. Im Sommer 1852 kam Fürst Nikolaus von Sayn-Wittgenstein deshalb nach Weimar und unterzeichnete einen Vertrag: Danach geht der gesamte Besitz an die Tochter Marie. Carolina erhält eine Abfindung von zweihunderttausend Rubel. Im Falle der Wiederverheiratung der Fürstin bekommt der Fürst ein Siebtel des ganzen Vermögens. Die Großherzogin Maria Pawlowna übernimmt die Vormundschaft von Marie, besteht aber darauf, dass Marie im Schloss zu wohnen hat, solange Franz Liszt und Carolina nicht verheiratet sind (Anm.: 28), um den Klatsch über die wilde Ehe einzudämmen. Franz Liszt steigerte seine Aktivitäten als Kapellmeister. Im Februar 1853, wieder am Geburtstag der Großherzogin, wurde "Der fliegende Holländer" uraufgeführt; anschließend wurden die drei Wagner-Opern in einer Wagner-Woche aufgeführt. Auf der Altenburg kümmerte sich Carolina unermüdlich und ständiger persönlicher Zuwendung um die vielen Gästeum die vielen Gäste; darunter auch Johannes Brahms, Ernst Rietschel (Anm.: 29), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Clara Schumann, Hans Christian Andersen, Friedrich Hebbel und Anton Rubinstein. Fallersleben setzte den Erfahrungen auf der Altenburg ein kleines Denkmal:
Carolina litt allerdings sehr, dass ihr Zusammenleben mit Franz Liszt nicht geordnet ist. Sie wusste, wie viele im Hof über sie herziehen. Schlimmer war für sie der persönlich empfundene Widerspruch zwischen ihrer katholisch geprägten Spiritualität und ihrer "sündigen" Lebensweise (Anm.: 31). Als sie öfters depressive Anfälle bekam und sich in weltfremde Ideen flüchtete, litt Liszt stürzte sich in seine Kunst, um zu vergessen, in seine Kunst. Aber die Liebenden fanden immer wieder Zeit für sich und unternahmen lange Spaziergänge durch den Weimarer Park, an die sich Carolina später noch in Rom erinnerte (Anm.: 32). 1855 kam es zu neuen Spannungen (Anm.: 33). Der neue Zar, Alexander II., fühlte sich gegenüber Maria Pawlowna, seiner Tante, nicht so verpflichtet wie sein Vater Nikolaus. Seine Regierung forderte Carolina ultimativ auf, mit ihrer Tochter Marie nach Russland zurückzukehren und ihre Vermögensverhältnisse für Russland zu sichern. Dahinter stand auch die Forderung der Trennung von Liszt und der Beendigung ihrer "anstößigen" Lebensweise. Da Carolina sich nicht fügte, wurde sie erneut aus Russland verbannt und ihr Vermögen konfisziert. Der Weimarer Großherzogliche Hof, der diplomatische Verwicklungen befürchtete, ging in der Öffentlichkeit auf Distanz zu Carolina und stellte seine finanziellen Unterstützungen ein. Franz Liszt und Carolina bekamen große Schwierigkeiten, ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren, Zu dieser schwierigen Situation kamen für Franz Liszt Nackenschläge in seiner künstlerischen Tätigkeit. Im Januar 1856 kam es beim Mozart-Festival in Wien zu einem Eklat, als Clara Schumann, die nach dem Suizidversuch ihres Mannes Liszt Vorwürfe wegen fehlender Hilfe machte, sich weigerte unter Liszt als Dirigenten zu spielen. Im Februar verließ Victor Berlioz, der Liszt seine Erfolge beneidete, bei der Lohengrin - Aufführung mitten im Spiel die Bühne. Bei der Einweihung der Kathedrale in Gran wird Liszt von Kaiser Franz Joseph so brüskiert, dass er vorzeitig die Kathedrale verlassen muss (Anm.: 34). Auch in Weimar vermehren sich die Widerstände gegen die "neue Musik". Der von Liszt zunächst protegierte neue Theaterdirektor Franz von Dingelstedt wird sein größter Feind. Als Liszt sich für die Aufführung der Oper "Der Barbier von Bagdad" seines Schülers, Peter Cornelius, durchsetzte, kam es in Weimar zu einem Theaterskandal: Liszt wurde ausgepfiffen (Anm.: 35). Carolina und Franz Liszt fühlten sich tief verletzt und flüchteten sich in die persönliche Frömmigkeit. Franz Liszt vertonte den Psalm 137 "An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir Zion gedachten."(Anm.: 36). Am 13. Dezember1859 starb in Berlin Liszts Sohn, der zwanzigjährige Daniel. Liszt fuhr zur Beerdigung. Weil Carolina ein ungutes Gefühl hat, dass sich ihr Geliebter etwas antun könnte, fuhr sie Liszt bei dessen Rückfahrt bis Halle entgegen (Anm.: 37). Unterdessen haben sich allerdings die Verhältnisse in Russland zum Positiven gewendet. Nach dem Tod des Petersburger Metropoliten Hotoniewski war sein Nachfolger zu einem Kompromiss bereit. Gegen Zahlung von siebzigtausend Rubel wurde die Einwilligung zur Scheidung nach russischem Recht gegeben. Marie, als Vermögensträgerin, unterschrieb kurz vor ihrer Hochzeit mit Konstantin von Hohenlohe-Schillingfürst die Vereinbarung. Am 17. Mai 1860 trifft die Scheidungsurkunde in Weimar ein (Anm.: 38). Doch auch nach der Scheidung hätten die Fürstin Carolina und Franz Liszt nur die Erlaubnis zur Ehe bekommen, wenn sie beide zum protestantischen Glauben konvertiert worden wären. Das Großherzogtum Sachsen - Weimar war eine protestantische Landesherrschaft und der amtierende Großherzog Alexander, Sohn von Maria Pawlowna, war ebenfalls ein Bewunderer des großen Künstlers Franz Liszt. Doch weder die katholische Polin Carolina noch der ungarische Katholik Franz Liszt waren zu einer Konversion fähig. So blieb nur der Versuch, über den zuständigen katholischen Bischof von Fulda die erste Ehe von Carolina beim Vatikan anzufechten. Nach katholischem Eherecht konnte eine Ehe rückwirkend für ungültig erklärt werden, wenn sie z.B. unter Zwang durch die Eltern zustande gekommen war. Als der Fuldaer Bischof jedoch die Annullierung der Ehe verweigerte, reiste Carolina im Mai 1860 nach Rom, um beim Papst Pius IX. persönlich zu intervenieren. Bei Lina Ramann findet sich auch hierzu eine lebendige Schilderung dieses ganzen Prozesses (Anm.: 39). Weil Carolina bei allen Audienzen immer wieder die Gunst und Sympathie des Papstes gespürt und auf dessen Zusagen vertraut hatte, war sie voller Zuversicht über den Erfolg ihrer Bitte. Doch die Entwicklung nahm dramatische Formen. Zuversichtlich über die Ehegenehmigung durch den Papst, ließ Carolina für den 23. Oktober 1861 in der Kapelle Santo Carlo um 6 Uhr früh die Trauungszeremonie vorbereiten. Deshalb war Franz Liszt bereits am 20. Oktober angereist (Anm.: 40). Am 21. Oktober empfingen Franz Liszt und Carolina die Kommunion in Santo Carlo. Am Abend kam jedoch der Pfarrer von Santo Carlo und brachte den vatikanischen Bescheid, dass dem Gesuch von Carolina nicht stattgegeben werde (Anm.: 41). Durch das lange getrennte Leben - Carolina in Rom und Franz Liszt in Weimar - war zwischen beiden eine gewisse Entfremdung gewachsen. Nun wirkte das päpstliche Eheverbot für die Beziehung der beiden wie ein Todesstoß. "Die Fürstin wohnte in der Via del Babuino No. 89, Liszt bezog einige Zimmer in der Via Felice 113, alsdann auf dem Monte Maria, Madonna del Rosaria u.a.", beschreibt Lina Ramann die äußere Beziehung. Die erotische Beziehung zwischen beiden war wie eine Flamme erloschen, aber Carolina's Verehrung des Künstlers Franz Liszt blieb ungebrochen. Sie griff ihm auch finanziell unter die Arme. 1864 kam Franz Liszt auf Bitten des Großherzogs für einige Tage nach Weimar, aber fährt nach Rom zurück, wo er intensive Kontakte zum Papst pflegte und für diesen in Castel Gandolfo Konzerte gab (Anm.: 42). Offensichtlich knüpfte Franz Liszt an seinen Jugendtraum an, katholischer Priester zu werden, als er sich 1865 die Niederen Weihen geben ließ. Von nun an trug er eine schwarze Soutane und bezeichnete sich als Abbè (Anm.: 43). Der Cardinal von Hohenlohe, sein langjähriger Förderer, gewährte Franz Liszt großzügige Wohnrechte im Vatikan und später in seiner Villa d'Este in Tivoli. Ab 1869 lebte Franz Liszt wieder in Weimar und verstarb bei einem Besuch in Bayreuth am 31.7.1886. Auf Wunsch der Tochter Cosima wurde er im Bayreuth begraben. Carolina wurde in Rom zu einer stadtbekannten Persönlichkeit. Sie lebte allein in ihrer Wohnung und empfing von früh bis spät Besucher, jeden -wie der Papst bei seinen Privataudienzen- einzeln und nur für eine bestimmte Zeit. Sie hatte die Vision, sie könnte ein neue Religion stiften, schrieb und publizierte, und starb nach gut einem halben Jahr am 10. März 1887. In einem ihrer letzten Briefe an Franz Liszt schreibt die Fürstin Carolina : "Nicht ohne tiefe Bewegung schreibe ich Dir diese Zeilen nach Weimar, - wo Du in unserem Namen alle Orte grüßen wirst, deren Bild mit den liebsten Erinnerungen unseres Lebens verbunden sind - die als Rahmen so schöner Augenblicke, Deines Ruhmes und unserer Liebe dienten - ewige Erinnerungen unserer ewigen Liebe. Diese Orte haben sich äußerlich sicherlich nicht verändert, soweit es sich um die Natur handelt. Der Fichtenwald, der Lauf der Ilm, der Park, die idyllischen Landschaften, alles das ist noch so wie es war. Die Altenburg wird im Äußeren noch die gleiche sein, aber im Inneren besteht sie nicht mehr. Das beweist, daß das menschliche Herz, weniger unbeweglich als die Natur, dauerhafter ist als die Dinge. Unsere Liebe hat sich mit den Jahren gewandelt, aber nicht aufgehört zu sein! Ich habe Woronince geopfert und Weimar Rom - denn Du bist und wirst größer in Rom sein, als Du es in Weimar hättest sein können .Inzwischen, grüße, grüße unsere liebe Vergangenheit, jede Fichte des kleinen Waldes, jede Well der Ilm, jeden Kieselstein der Allen im Park. Die Deine in saecula saeculorum." (Anm.: 44) Anmerkungen : 1) Andere Schreibweisen: Caroline bzw. Karolyna
Elisabeth Fürstin zu Sayn-Wittgenstein, s. wikipedia "Caroline zu
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