| Dieser Aufsatz ist erschienen in:Heimatkalender
				für den Krs. Koblenz 1951
 Zum Andenken an meinen hochverehrten Lehrer
 Herr Gewerbeoberlehrer Erich Dittmann, Bendorf
 
 Vogelzugbeobachtungen am
				Rhein bei BendorfErich Dittmann 
 
   Die Umgebung von Koblenz gleicht einem großen Garten.
				Jahrhundertelange Arbeit haben aus dem einst alles bedeckenden Wald diese
				selten schöne Kulturlandschaft geschaffen. Der intensiven Kultivierung
				verdanken wir heute den Vogelreichtum unseres Gebietes. Der Urwald, der hier
				herrschte, barg durchaus nicht jene unerschöpfliche Fülle von Wild-
				und Vogelarten, die wir ihm gerne andichten. Seine letzten spärlichen
				Reste in einigen europäischen Staaten zeigen, daß er vielleicht
				individuenreich, aber arm an Arten war. Erst die Hand des Menschen schuf die
				abwechslungsreiche Bodenbedeckung in Form von Feld, Wald, Wiese, Weinberg,
				Garten, Obstanlage und Siedlung, die uns heute auf kleiner Fläche einen
				Artenreichtum beschert, den der Urwald niemals aufwies. 90 verschiedene
				Vogelarten sind in dieser Gartenlandschaft regelmäßige Brüter.
				Bezieht man die Seltenheiten ein, kann man sogar über hundert kommen. Den großen Vögeln, die weite, menschenleere
				Flächen brauchen, und den Wasservögeln nahm die Kultur in unserem
				dichtbesiedelten Lande den Lebensraum. Aber immer noch zieht der Rhein, wie ein
				Magnet die Eisenspäne, die wasserliebenden Vogelarten an. Zwar sind die
				Zeiten vorbei, wo der Strom breit und wuchtig durch das Neuwieder Becken
				floß und auf weiten Sand- und Geröllbänken Möven,
				Seeschwalben und Regenpfeifern reichlich Brutplätze bot, und wo auf
				mächtigen Bäumen oder in großen Schilfbeständen Reiher-
				und Raubvogelarten ihre Nester bauten. Strom und Aulandschaft gaben allen
				Nahrung. In Holland haben sich bis heute noch einige dieser Vogelarten halten
				können, die einst das ganze Rheintal bewohnten: Löffler, Purpurreiher
				und Säbelschnabler. Die Hoffnung, eine dieser Seltenheiten auch einmal bei
				uns zu sehen, ist es, die mir immer wieder das Fernglas in die Hand zwingt und
				mich an den Rhein treibt. Mit der Rhone bildet der Rhein die große Nord-Süd-Linie
				durch unseren Kontinent, der so viele Vögel auf ihrem Wanderweg folgen. Im
				Herbst und Winter sind es die Nordländer, die unser Gebiet
				überfliegen oder hier Winterquartier nehmen; im Frühjahr aber sind es
				südliche Arten, die im Eifer des Nordwärtsstürmens über ihr
				Ziel hinausschießen und im Neuland vielleicht sogar siedeln, wie dies vor
				Zeiten Steinsperlinge, Steinrötel, Zaun- und Zippammer getan haben. Der Herbst 1950 war für Zugbeobachtungen einigermaßen
				günstig. Die Trockenheit des Sommers hatte den Wasserstand des Rheines
				stark gesenkt. Besonders zwischen den Inseln Graswerth und Urmitzer Werth und
				dem rechten Rheinufer entstanden grolle Schotter- und Schlammbänke, die
				Voraussetzung für das Rasten wandernder Strandläufer sind. Schon im
				Juli waren regelmäßig Flußregenpfeifer und
				Flußuferläufer anzutreffen, aber das waren sicher einheimische, denn
				einige Flußregenpfeifer und Flußuferläufer brüten auch
				jetzt noch zwischen Koblenz und Weißenthurm. So leicht sind die
				Dickköpfe, die Regenpfeifer, gar nicht auszumachen. Ihre graue Oberseite
				gleicht den Kieseln und die schwarzweiße Kopfzeichnung fällt
				zwischen den im grellen Sonnenlicht glitzernden nassen Steinen und deren
				dunklen Schlagschatten nicht auf. Die Flußuferläufer verraten sich
				schon eher durch ihren hellen Trillerpfiff, ein helles ti-ti-ti. Wie
				Bachstelzen trippeln die lerchengroßen Vögel am Ufer entlang und
				laufen bis zum Bauch ins Wasser hinein. Kommt man ihnen zu nahe, dann werden
				sie erregt und machen eigenartige Bücklinge. Auch die Kibitze halten sich
				gern mit ihnen zusammen. Sicher sind sie in der Nähe zu Hause, und nur die
				günstige Nahrungssuche auf den Schlammbänken des
				zurückweichenden Flusses hat sie hierher gelockt. Träg ist der Flug
				ihrer runden Schwingen und selten wuchtelt einer einmal im Fluge hin und her,
				wie sie es im Frühling so gern tun. Es ist, als wenn sie das Fliegen
				verlernt hätten, oder sparen sie ihre Kräfte für den weiten Flug
				ins warme Winterquartier?   Wundervolle Flötentöne kommen aus der Luft. Ein paar
				Brachvögel ziehen hoch oben vorbei. Selten schwingen sich die Keilhaken,
				wie man sie an der Wasserkante nennt, hier ein. Sie lieben die Weite. An den
				Meeresküsten halten sie sich gerne auf, aber das Land überfliegen
				sie. Ihre kleineren Vettern dagegen rasten schon eher auf den
				Schotterbänken. Am häufigsten traf ich die Rotschenkel. Sie sind
				reichlich amselgroß, wirken aber durch ihre langen Beine, den langen Hals
				und den langen Schnabel wie Miniaturstörche. Weithin hallt ihr
				klangschönes clü-clü-clü. Nur die größeren
				Grünschenkel tun es ihnen hierin gleich. Aber sie stellen sich viel
				seltener bei uns ein. Vom dunklen Wasserläufer sah ich nur ein Exemplar.
				Sein zweisilbiger Ruf, der wie tju-it klingt, ließ mich aufhorchen. Der
				Vogel machte es mir nicht schwer. Er ließ sich aus nächster
				Nähe betrachten. Diese Nordländer sind oft recht vertraut. Sie kennen
				den Menschen kaum und haben noch keine schlechten Erfahrungen mit ihm gemacht.
				Das Tollste in dieser Hinsicht erlebte ich mit einem Sanderling. Er ließ
				mich bis auf einen Meter heran. Diesen Abstand wahrte er allerdings. Ich wollte
				ihn gern fliegen sehen und ging näher. So schnell seine kleinen Beinchen
				ihn tragen konnten, trippelte er vor mir her. Als ich schneller lief, wurde ihm
				die Sache zu dumm, und er flüchtete sich ins Wasser. Erst als ich ihm auch
				dahin folgte und mit den Händen nach ihm griff, flog er einige Meter
				weg. Im September sah ich einige Halsbandregenpfeifer. Sie sind etwas
				größer als unsere Flußregenpfeifer und noch dickköpfiger.
				Neben ihnen wurmte ein Trupp Alpenstrandläufer in dem Schlamm. Diese
				kleinen Tolpatsche setzen einen immer wieder in Erstaunen, wenn sie fliegen.
				Wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt, führen sie ihre Schwenkungen aus.
				Jetzt zeigen alle die weiße Unterseite, im nächsten Augenblick
				winkeln sie nach rechts ab. Keiner kommt auch nur um den Bruchteil einer
				Sekunde zu spät. Auch Stare machen solches Exerzierfliegen, aber den
				Alpenstrandläufern gegenüber sind sie Stümper. Die Inseln haben auch Dauergäste. Elstern, Rabenkrähen
				und Stare schwingen sich in die hohen Bäume gern zum Schlafen ein. Die
				Eisvögel fühlen sich hier ungestörter. Lachmöven und
				Stockenten suchen die Stellen auf den Schotterbänken auf, die nicht so
				leicht erreichbar sind. Trägen Fluges kommen allabendlich die Fischreiher
				gezogen, um auf der Insel zu nächtigen. Sie hielten sich lange, und erst
				das winterliche Hochwasser zwang sie, bessere Futterplätze aufzusuchen.
				Auch die Schwarzmilane sollen nicht vergessen sein, wenn sie auch schon
				früher die Reise nach dem warmen Süden antraten als die Reiher.  Im Oktober und November zogen Gänse und Kraniche.
				Graugänse waren selten dabei. Saatgänse, die man hier
				Schneegänse nennt, kamen in größeren Flügen. Da sie nach
				Südwesten ziehen, queren sie den Rhein nur. Der Anblick des gewaltigen
				Stromes bringt sie aber doch in Aufregung. Am 21. Oktober 1950 flogen hoch in
				den Lüften etwa 70 Saatgänse in vorbildlichem Doppelkeil über
				Bendorf. Als sie sich dem Rhein näherten, geriet ihre Flugordnung
				tüchtig durcheinander, und es dauerte geraume Zeit, bis sie sich wieder
				zur Keilform zusammenfanden und weiterflogen. Im November und Dezember
				beherrschten die Enten das Bild. Über zweihundert Stockenten bezogen
				Winterquartier auf Graswerth. Ab und zu erhielten sie Gesellschaft. Tafel-,
				Krick- und Knäkenten blieben gewöhnlich nicht lange. Ein Flug
				Mittelenten dagegen verweilte über eine Woche. Abseits von den Enten
				hielten sich die kleinen Zwergtaucher, die wie Korkbällchen auf dem Wasser
				schwammen. Einmal war sogar ein Schwarzhalstaucher unter ihnen. Bekassinen und
				grünfüßige Teichhühner suchten die Schlammbänke nach
				Futter ab. Manchmal huschte eine Wasserralle zwischen ihnen umher. Je weiter es
				in den Winter hineinging, um so mehr der kleinen Taucher verschwanden, und mit
				ihnen die Lachmöven, die durch die Herbstmauser ihre schokoladebraune
				Kopfzeichnung verloren hatten und nun ihren Jungen glichen. Das winterliche Hochwasser machte alle Hoffnungen auf gute
				Beobachtungen zunichte. Lediglich ein Zwergsäger fischte im Januar auf dem
				Rheinarm zwischen Graswerth und Bendorf. Sein reinweißes Gefieder machte
				ihn weithin kenntlich. Erstaunlich war, daß er sich nicht abtreiben
				ließ. Die Strecke, die ihn die Flut stromab riß, holte er beim
				Tauchen wieder auf.   Leider hielt das Hochwasser bis weit in das Frühjahr hinein
				an. Sogar die Stockenten suchten ruhigere Wasserflächen auf. Was von ihnen
				auf der Insel zurückblieb, getraute sich kaum noch ins Wasser. Der
				Frühjahrszug wurde durch das kalte Wetter verzögert. Aber
				schließlich verschwand doch der Rauhfußbussard, der den Winter hier
				verbracht hatte. Die Schwarzmilane kehrten wieder und ihr helles Wiehern
				gesellte sich zu dem Katzenschrei des Mäusebussards. Pfingsten konnte ich
				einen Fischadler beobachten. In seinem eleganten Mövenflug ging er
				über den rechten Rheinarm stromauf, drehte bei, folgte dem Wasser
				flußab und kam wieder zurück. Die weiße Unterseite leuchtete.
				Deutlich war die Kopfzeichnung zu sehen. Plötzlich winkelte er nach unten
				ab, fing sich wieder, zog einen Kreis und schoß, die Fänge weit nach
				vorn streckend, aus 50 Meter Höhe ins Wasser, das hoch aufspritzte. Bald
				peitschten seine Schwingen wieder das Wasser und schwer schlagend hob er sich,
				einen Fisch in den Fängen, in die Luft. In großen Kreisen schraubte
				er sich bis zur Höhe der Hänge empor, um schießlich in
				Nordwest-Richtung abzufliegen. Das Glas hielt ihn fest, bis er im Blau der
				Ferne verschwand. Wenn man jetzt Zeit hätte, vielleicht könnte man
				wieder einmal in einen Fischadlerhorst sehen! Während schon die
				Mauersegler, Rauch-, Ufer- und Mehlschwalben über dem Wasser hin- und
				herschossen und in den schmalen Schilfstreifen des Ufers Teich-, Schilf- und
				Drosselrohrsänger konzertierten, waren immer noch einige gefiederte
				Gäste anwesend. Ein Pfeifentenerpel leistete den Stockentenmännern
				Gesellschaft, die meist faul im Schilf einer kleinen Insel zwischen Graswerth
				und dem Bendorfer Ufer herumlungerten. Wenn er sich aber mit ihnen in die Luft
				hob, dann war er ihnen bald voraus, und immer wieder mußte er seine
				Flügel quer stellen, um seinen rasenden Flug abzubremsen. Zur gleichen
				Zeit hielt sich auch noch ein nicht ganz ausgefärbter Schellentenerpel
				hier auf. Meist lag er tief im Wasser und tauchte nach kurzer Atempause mit
				elegantem Kopfsprung weg. Wenn man nicht selbst Brutstätten dieser Ente
				gefunden hat, dann glaubt man es kaum, daß sie sich Baumhöhlen dazu
				auswählt, aus denen die Daunenjungen wie Mäuse herausklettern. Aus
				drei oder vier Meter Höhe purzeln dann die Federbällchen herunter und
				burren dem Wasser zu, wo die Mutter wartet und lockt. Ende Mai kamen die letzten Durchzügler. Es war ein Flug
				nordischer Schafstelzen. Sie schienen es durchaus nicht eilig zu haben. Unsere
				Schafstelzen hatten ihre Nester bereits fertig. Im hohen Grase der Rheinwiesen
				knarrten die Wachtelkönige, die letzten Heimkehrer, ihr eigenartiges Lied.
				Tagsüber sang kaum noch eine Nachtigall. Der Gartenspötter mit seinem
				scharfen, aufdringlichen Gesang führte jetzt das große Wort. Die
				Sumpfrohrsänger fanden das Getreide hoch genug. Sie verschwanden aus den
				Brennesselwäldern des Uferstreifens, in denen sie sich zunächst
				herumgetrieben hatten. Da haschten noch zwei Dutzend dieser Nordländer
				Fliegen, Mücken und Schnaken am Rheinufer. Während hier der
				Frühling allmählich in den Sommer überging, zogen sie langsam
				nordwärts, ihrer fernen Tundraheimat zu, in der die Sonne eben erst die
				Gewalt des Winters zu brechen begann. 
 
  
 
 
 
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