Dieser Aufsatz ist erschienen in: "Rechts des Rheins" eine
Rubrik in der Rhein-Zeitung , vom: 22,11,1988
Auf dem Bendorfer
Friedhof
Peter Lindemann
Grabsteine erzählen von der Vergangenheit
Die Stadt pflegt Gräber berühmter Persönlichkeiten
Der November neigt sich seinem Ende entgegen. November, das ist
der Monat, in dem sich die Natur auf den Winterschlaf vorbereitet, Für den
Menschen bedeutet November eine Zeit der Besinnung und des Gedenkens.
Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag und
Totensonntag erinnern an die Vergänglichkeit des Lebens, erinnern Christen
aber auch an die Hoffnung der Auferstehung. Friedhöfe werden in keinem
Monat häufiger besucht als im November - Gräber werden
geschmückt, Lichter angezündet und Gebete gesprochen.
Auf dem Bendorfer Friedhof an der Hauptstraße, unmittelbar
gegenüber der Kirche, gibt es eine Reihe von Gräbern berühmter
Persönlichkeiten, deren Familien großen Einfluß auf die Stadt
ausübten. Umso erfreulicher ist es, daß es sich die Verwaltung zum
Anliegen gemacht, diese Gräber weiter zu pflegen, um das Gedächtnis
an diese Personen im Bewußtsein der Bürger aufrecht zu erhalten.
Da ist in erster Linie wohl das Grabmal von Sanitätsrat Dr.
Adolf Albrecht Erlenmeyer (1822-1877) und dessen Sohn, Geheimrat Dr. Albrecht
Friedrich Erlenmeyer (1855- 1938) zu nennen. Der Vater, der sich Ende der 40er
Jahre im vergangenen Jahrhundert als praktischer Arzt in Bendorf
niederließ, gründete 1848 die Nervenheilanstalten, die sich schon
bald einen hervorragenden Ruf im In- und Ausland erwarben. Sein Sohn, Dr.
Albrecht Friedrich Erlenmeyer, der als ganz besondere Kapazität in der
Nervenheilkunde galt, erweiterte die Anstalten durch die Errichtung der
Wasserheilanstalt Rheinau und durch den Bau der Männer- und Damenvilla im
Stadtpark, die heute als Rathäuser I und II der Verwaltung dienen.
Geheimrat Dr. Albrecht Friedrich Erlenmeyer genoß nicht nur
als Arzt einen hervorragenden Ruf, sondern machte sich auch als
Fachschriftsteller einen Namen. Er war Gründer und Herausgeber des
"Zentralblattes für Nervenheilkunde", An den zum Ehrenbürger Bendorfs
ernannten Arzt erinnert ferner noch die gleichnamige Straße, die von der
Unteren Bachstraße abzweigt.
Besonders auffällig ist die Grabstätte der Familie Remy
in unmittelbarer Nähe des Erlenmeyer'schen Grabmals. Zahlreiche
gußeiserne Kreuze stehen hier auf engem Raum, die ausnahmslos in
heimischer Hütte angefertigt wurden. Hüttenbesitzer Wilhelm Remy
(1702-1761) gründete mit seinem Schwiegervater Hoffmann und seinem Vetter
Johannes Remy die Handlungssozietät Remy-Hoffmann & Cie, die bis 1895
Bestand hatte. Die Stadt Bendorf ehrte den erfolgreichen Förderer der
heimischen Eisenindustrie, so berichtet es auch der bekannte Bendorfer Chronist
Peter Pius Ohlig, indem sie die zur ehemaligen Remy'schen Erzgrube
führende Straße ,,Remystraße" benannte. Darüber hinaus
galt die Familie Remy aber auch als eine großherzige Familie, die
vielerlei Wohltaten verteilte und auch der Kunst sehr zugetan war.
Hoch ragt ein Kreuz aus rötlichem Marmor empor auf der
Grabstätte der Geschwister Prinz Ferdinand von Bentheim-Steinfurt (das
Geburtsdatum ist nicht mehr zu erkennen, gestorben ist der Prinz 1889) und
Ferdinande von Bentheim-Steinfurt (1851-1892). Der Prinz war nervenkrank und
Patient von Dr. Brosius, der 1878 mit dem Bau der Villa Waldesruhe am Eingang
des Großbachtales (jetzt Hedwig-Dransfeld-Haus) und der Herrichtung der
schönen Waldanlagen begann.
Wohl aus Geschwisterliebe zog Prinzessin Ferdinande ebenfalls nach
Bendorf und lebte in einer Pension (heute Praxis Dr. Unckell), um ihrem kranken
Bruder stets nahe zu sein, Auch nach dessen Ableben blieb sie zeitweise in
Bendorf, starb aber in Wiesbaden drei Jahre nach dem Ableben von Prinz
Ferdinand und wünschte in ihrem Testament, neben Prinz Ferdinand in einem
gemeinsamen Grab in Bendorf bestattet zu werden.
Dr. Braun
Nicht vorübergehen kann man natürlich auf dem Bendorfer
Friedhof an der Kriegsgräberstätte, wo die Gefallenen beider
Weltkriege ruhen. Bestattet wurden dort aber auch jene 68 Toten, die in der
Mittagsstunde des 31. Dez. 1944 durch einen Bombenangriff auf Bendorf ums Leben
kamen. Schlichte Steinkreuze sind Mahnmal für die Lebenden, sich
beharrlich und mit ganzer Kraft für die Erhaltung des Friedens
einzusetzen.
Unmittelbar an der katholischen Kirche St. Medard liegt das Grab
von Dr. Carl Fries, der von 1852 bis 1896 in Bendorf Pfarrer in Bendorf war.
Carl Fries war nicht nur ein äußerst beliebter Seelsorger, sondern
auch ein praktischer Mann. Unter seiner Leitung wurde zwischen 1864 bis 1867
das Gotteshaus erweitert. Die Baukosten beliefen sich auf rund 13700 Taler,
eine erkleckliche Summe für die damalige Zeit.
So kann es nicht verwundern, daß der rührige Priester
immer wieder in Geldnot geriet und er manchmal nicht wußte, wie er die
Bauarbeiter bezahlen sollte. Folgende Geschichte ist darüber
überliefert: Als der Pfarrer an einem Wochenende wieder einmal nicht
wußte, wo er das Geld für die Löhne hernehmen sollte, versank
er in inbrünstiges Gebet, in dem er um Hilfe aus seiner Not bat, da er es
nicht übers Herz bringen konnte, die Arbeiter zu vertrösten. Da
schellte es kurz darauf an der Tür und eine Bedienstete der Familie Remy
lud den Pfarrer zu einem Besuch im Remyschen Haus ein. Dort wurde Dr. Fries
nicht nur freundlich aufgenommen und bewirtet - obwohl die Familie Remy
evangelischen Glaubens war -, sondern er erhielt zudem einen ganzen Beutel mit
Geld, das ihn seiner Sorgen um den Kirchenbau weitgehend entledigte.
Beim Gang über den Friedhof, beim Besuch der Gräber von
Verwandten, sollte man es nicht versäumen, auch den Gräbern bekannter
Bendorfer Bürger einen Blick zu schenken. Grabsteine können
Geschichte erzählen und Lebenden Anregungen für die eigene Zukunft
geben.
Foto : Der Name der Familie Remy (ihre Grabstätte auf dem
Bild oben) ist mit der Eisenindustrie in Bendorf eng verbunden. Die Familie hat
aber euch eine Reihe bedeutender Gebäude in Bendorf errichtet, wovon das
sogenannte "Goethe-Haus" in der Unteren Valendarer-Straße sicher das
bekannteste ist. Die Familie Remy förderte zudem die Kunst im heimischen
Raum und engagierte sich auf sozialem Gebiet. Dr. Albrecht Erlenmeyer, Vater
und Sohn trugen den gleichen Namen, leisteten bahnbrechende Arbeit auf dem Feld
der Psychiatrie und begründeten mit den Ruf Bendorfs als eine Stadt, in
der nervenkranke Menschen wohltuende Aufnahme fanden. Das Grab (Bild unten)
wird von der Stadt sorgsam gepflegt.
Geehrte Besucherinnen und Besucher wir danken Ihnen für Ihren
Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von Ihnen
freuen. GGH_56170 Bendorf Für Ihre Anregungen und Hinweise:
|