Der Raub des "Frankenhard"
blieb ungesühnt
Gräfliche Willkür kostete zwei
unschuldigen Bendorfer Bürgern das Leben
Von Hans Scharfenstein
Mitbegründer und Ehrenmitglied der
GGH
Ein bitteres Unrecht, bis auf den heutigen Tag ungesühnt, das
dem Flecken Bendorf um das Jahr 1620 angetan wurde und bei dem zwei brave
Bendorfer Bürger eines elenden Todes gestorben sind und wobei auch noch
einer der besten Waldteile, der sogenannte "Frankenhard" im Bendorfer
Hinterwald durch brutale und unmenschliche Erpressung geraubt wurde, soll in
nachstehender Geschichte noch einmal in Erinnerung gebracht werden.
Kommen wir heute vom "Sträßchen" zum
"Steinebrückerweg" und gehen diesen hinab bis zur "Steinebrück", dann
beginnt jenseits der Brücke und des Brexbaches der Bendorfer Hinterwald,
der sich fast bis zur Burg Grenzau hinauf hinzieht und den ganzen Hang bis zur
Höhe bedeckt. Seit uralter Zeit im Besitz von Bendorf, gab es seinetwegen
schon immer Streit mit den Burggrafen von Grenzau. Diese waren ganz besonders
scharf auf den im Wald entspringenden "Filsborn" mit seinem Wasser, und sie
leiteten dasselbe, ohne sich um Besitzrechte zu kümmern, auf ihre Burg um.
Diese Eigenmächtigkeiten ließ sich Bendorf nicht gefallen, und da es
sich im Recht wußte, ging man hin und zerstörte diese Umleitungen
wieder. Daß dieses den Zorn der Grenzauer Grafen entfachte und sie sich
in ihrem Stolz getroffen fühlten, ist wohl verständlich, und sie
versuchten, mit erneuten Grenzbegehungen in den umstrittenen Distrikten durch
neutrale Gutachter eine Korrektur der Gemarkungsgrenzen zu ihren Gunsten zu
erzwingen, was aber erfolglos blieb.
Schon im Jahre 1539 setzte der Kurfürst von Trier, Ludwig von
Hagen, als Oberlehensherr der Grafen von Isenburg-Grenzau ein Manngericht ein,
welches aus den Grafen Johann von Sayn, Heinrich von Isenburg, dem Abte Thomas
von Rommersdorf, Ritter Anthoni zu Eltz, dem Trierischen Kanzler Johann von
Leuschringen und Konrad von Berenkott bestand. Diese Kommission von Hohen
Herren und Würdenträgern sollt den Besitzstreit über den auf die
Burg Grenzau geleiteten, jedoch von den Bendorfern zerstörten "Filsborn"
und den Waldteil "Frankenhard" schlichten. Man kam aber zu keiner Einigung und
der Streit setzte sich weiterhin fort
Die Grenzauer Burg, schon früher eine Herberge rauflustiger
Ritter. Denken wir nur an das Blutbad im "Gumschlag" am 20. April 1347, bei dem
Hunderte von bewaffneten Koblenzer Bürgern bei einem plötzlichen
Überfall in einen Hinterhalt gerieten und viele dabei ihren Tod fanden und
wobei die Vorfahren der obengenannten Herren eine führende Rolle spielten.
Sie warteten nur auf eine Gelegenheit um sich mit Gewalt das zu nehmen, was sie
auf rechtlichem Wege nicht bekommen konnten. Denn was nützen die besten
und verbrieften Rechte, wenn ein Stärkerer seine Gewalt mißbraucht
und das Unrecht zum Gesetz erhebt Diese traurige Erfahrung mit allen ihren
Folgen mußte Bendorf im Jahre 1620 in dieser strittigen Angelegenheit zu
seinem größten Leidwesen machen, denn der 30jährige Krieg hatte
zwei Jahre zuvor begonnen. Überall im Lande herrschte jetzt Gewalt vor
Recht.
In jenen Tagen hütete das Gesinde des Burgverwalters des
Grafen von Isenburg zu Grenzau das Vieh; unberechtigter Weise im Bendorfer
Hinterwald, wie schon so oft vorher, und sie entnahmen, demselben auch eine
Menge Holz. Nach wiederholten Ermahnungen von Bendorfer Seite, dies zu
unterlassen, da es sich um unstatthafte Eingriffe handele, stellte es sich
heraus, daß diese nutzlos und erfolglos blieben Daraufhin wurde das im
Bendorfer Wald angetroffene Vieh gepfändet und nach Bendorf
getrieben.
Graf Ernst von Isenburg- Grenzau sah jetzt seine Stunde gekommen
und nahm dieses Vorkommnis als willkommenen Anlaß, den schon lange
währenden Streit zu seinen Gunsten zu entscheiden. Er nahm vier Bendorfer
Bürger gefangen, darunter zwei Gerichtsschöffen, warf sie in ein
finsteres Verließ auf der Burg Grenzau und verlangte von Bendorf 1000
Reichstaler als Strafe und 650 Gulden für seine Unkosten.
Da Bendorf nicht gewillt war, diese unverschämte Forderungen
zu erfüllen und nicht zahlte, nahm der Graf aus dem in der Pfalz stehenden
Kriegsheer des Generals Spinola, dem er mit seinem Regiment angehörte,
zwei Kompanien Soldaten unter dem Befehl der Hauptleute Naß und
Breitbach, und besetzte Bendorf. Diese hausten daraufhin sechs Wochen im
Flecken, wie es ihnen beliebte, drangsalierten die Bevölkerung aufs
Äußerste und erpreßten außerdem von derselben 12.000
Reichstaler. Ferner verlangte der Graf für die Freilassung der vier
gefangenen Bürger den im Hinterwald gelegenen Walddistrikt "Frankenhard".
Alle Bemühungen, die unschuldig eingekerkerten vier Bürger zu
befreien, scheiterten, obwohl dem Isenburger eine hohe Kaution bis zur
Entscheidung des Streites für deren Freilassung geboten worden war. Er
bestand auf der erpresserischen Forderung, nur im Tausch gegen den Waldteil
diese freizulassen. Über Jahr und Tag zogen sich die Verhandlungen und
Bemühungen hin, während die armen Opfer gräflicher Willkür
und Gewalt unter menschenunwürdigen Behandlungen und Bedingungen langsam
dahinsiechten. Als zwei der im Kerker zu Grenzau inhaftierten Bendorfer an
Hunger, Kälte und Entbehrungen eines elenden Todes unschuldig gestorben
waren, unterzeichneten Bürgermeister und Schöffen, um das Leben der
zwei anderen zu retten, den erpreßten Verzicht auf den Waldteil
"Frankenhard".
Diese Urkunde, welche die Schändlichkeiten des Grafen Ernst
zu Isenburg-Grenzau für immer dokumentiert ist noch vorhanden. Kaum im
Besitz des geraubten Waldes, ließ er als erstes in diesem für etwa
800 Reichstaler Holz schlagen und verkaufen.
Durch die Wirren des 30jährigen Krieges (1618-1648) konnte
die Bürgerschaft Bendorfs ihr Recht nicht geltend machen und eine
Wiedergutmachung dieses Unrechtes nicht erreichen. Der Kaiser, an den man sich
wandte und um Hilfe bat, verwies die Sache wohlwollend an den im Jahre 1651 in
Nürnberg tagenden Reichskonvent Die Bendorfer Deputation konnte dort aber
leider nichts erreichen, weil es an den wichtigsten Dokumenten fehlte. Diese
Urkunden nämlich hatte während der langjährigen Besetzung
Bendorfs durch den Freiherrn von Metternich mit seinem Kriegsvolk von 1638 bis
1645, die als eine der unglücksseligsten Zeiten von Bendorf bezeichnet
werden muß, dieser selbst verschleppen und verschwinden lassen. Ja man
könnte heute sogar behaupten, daß der Graf wie auch der Freiherr,
die beide nur darauf aus waren, soviel, wie möglich aus dem wohlhabenden
Bendorf zu ergaunern, unter einer Decke steckten. Bei der alles verschleppenden
Gerichtspraxis damaliger Zeit konnte nichts mehr erreicht werden; und so blieb
dieses Unrecht bis auf den heutigen Tag ungesühnt. Zu erwähnen
wäre noch, daß Graf Ernst im Jahre 1664 kinderlos in Brüssel
starb.
Bendorf aber hat auch dieses überstanden wie so vieles in
seiner langen Geschichte. Der "Frankenhard", dieses jahrhundertelange
Streitobjekt, ist jedoch schon seit langer Zeit im Besitz der Gemeinde Nauort.
Es hieß immer, er sei 100 Morgen groß, aber nach einer Anmerkung in
einer Heimatschrift des kath. Pfarrers von Bendorf, Michael Neureuter, aus dem
Jahre 1845 hat der geraubte Waldteil die Größe von 500 Morgen.
Eine kleine Genugtung dürfte der Hinweis auf die Tatsache
bedeuten, daß bis auf den heutigen Tage in Nauort der "Frankenhard" im
Volksmund nicht anders als "Bendorfer Ort" genannt wird. Dies beweist
eindringlich, daß die Erinnerung an den wahren Besitzer
unauslöschlich im Volk vorhanden ist.
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