Vorwort Bendorfs bewegte
Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse
von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte
gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und
Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den
unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher
äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus
dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen
dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche -
keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten
in den verschiedensten Publikationen, wie z. B. Heimatkalender, Jahrbücher
und Zeitungen, veröffentlicht. Etliche der Zeitungen, wie die alte
"Bendorfer Zeitung", "Neuwieder Zeitung" oder die "Koblenzer Zeitung", mit
ihren Beilagen, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden im Laufe der
Jahrzehnte, eingestellt. Ein Inhaber der Rechte für den folgenden
Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir
höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne
und umgehend berücksichtigen werden.
Der erwähnte Aufsatz erschien in:
Heimat-Blatt und Geschichtschronik. 1924 für die ehemals
Wiedischen und Nassauischen Lande, für Westerwald, Eifel und Mittelrhein.
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von
W.Kutsche. |
Was die Sayn-Hachenburgische
Regierung am Ende
des Siebenjährigen
Krieges zur Besserung der Landwirtschaft anordnete.
Von Wilhelm Groß
Vorbemerkung : Wenn auch der nachfolgende Aufsatz nicht
direkt Bezug nimmt auf Bendorf , so sind wir doch der Meinung, daß durch
die Nähe und die Kenntnis der Örtlichkeiten ein Thema zu
präsentieren, daß so - oder ähnlich - sich auch so auf den
Bereich Bendorf projizieren läßt, zeigt er doch in welchem geistigen
Umfeld unsere Voreltern lebten. Territorial war Bendorf zu dieser Zeit mit dem
Westerwald durch die Grafschaft Sayn, bzw. Sayn- Hachenburg und Sayn-
Altenkirchen verbunden. Aus gemeinschaftlichem Besitz der Sayn'schen
Erbtöchter stammend; war Bendorf, durch Gesetze und Verordnungen aus
Hachenburg und Altenkichen, an den "Sayn'schen" Westerwald gebunden. Wie dem
auch sei - wir; d.h. die GGH, wünschen Ihnen ebensoviel Kurzweil,
Erbauung und Erkenntnis beim lesen der nachfolgenden Seiten.
Die böse Zeit des
siebenjährigen Krieges hatte auch auf den Westerwald ihre Spuren
zurückgelassen. Wenn sich hier auch keine bedeutenden kriegerischen
Ereignisse abspielten, so waren die Leute doch durch die häufigen
Truppendurchzüge, Winterquartiere und persönlichen Dienstleistungen
hart mitgenommen. Infolge des Mangels von Zugvieh waren viele Felder unbestellt
liegengeblieben und die Lebensmittel recht knapp geworden. Bereits 1761 hatte
die Hachenburgische Regierung das strengste Gebot erlassen, dass kein
Grundbesitzer seinem Acker unbebaut liegen ließ. Die Widerspenstigen
sollten mit Gewalt dazu gezwungen und die Unvermögenden nach Kräften
unterstützt werden. Eine erneute aus 30 Abschnitten bestehende Verordnung
wurde am 9. März 1763 erlassen. In deren Eingang wird darauf hingewiesen,
daß durch den langen Krieg die Zahl der Zugtiere und anderes Vieh
merklich vermindert und dadurch der Ackerbau in bedenkliche Abnahme gekommen
sei. Da aber auf der Wiederherstellung und Verbesserung der Viehzucht,
Vermehrung der "Tunge" und davon abhängiger Frucht-Saat die allgemeine
Wohlfahrt wie die des einzelnen beruhe, habe die Regierung den Befehl erteilt,
nachstehende Willensmeinung den Untertanen bekannt zu machen:
1 |
Jeder Untertan solle auf die Vermehrung der
Viehzucht und Besserung des Ackerbaus allen Fleiß und Aufmerksamkeit
richten und einer den anderen mit gutem Exempel, Treue und Eifer
zuvorkommen. |
2 |
Schultheißen und Vorsteher sollen bei
Strafe der Amtsentsetzung die Leute hierin kräftiglich
unterstützen. |
3 |
Die Untertanen sollen ihren Viehstand durch
Anzucht wieder auf die Höhe wie vor dem Kriege bringen und sich nicht
durch den hohen Preis zum unnötigen Verkauf verführen lassen. |
4 |
Damit es nicht an der nötigen Fütterung
fehle, darf kein Heu und Stroh außer Landes verkauft werden. |
5 |
Die Haushaltungen verwaister Kinder sollen
tunlichst weitergeführt und nicht durch unnötigen Verkauf alles
Getreides und Viehs und leerstehender Wohnungen das spätere Fortkommen
erschwert werden |
6 |
Die Untertanen sollen Wiesen wohl handhaben, sie
von Sträuchern reinigen und Bewässerungsgräben anlegen. In den
Bächen dürfen keine Abdämmungen durch Dornen oder Reisig sondern
nur aus Stein angelegt werden, damit das steigen der Fische nicht gehindert
wird. |
7 |
Beim Gras- und Grummet -mähen soll sich
jeder nach der eingeführten Ordnung richten, damit aller Schaden
verhütet werde. Heu, Stroh, Grummet, Kartoffeln, Rüben und andere
Futtermittel sollen wohl und trocken eingetan und vor Regen und Frost bewahrt
werden. |
8 |
Die Vorsteher sollen darauf sehen, dass das
Schneiden des Futters eingeführt und zu diesem Zweck
Häckselbänke angeschafft werden. |
9 |
Denjenigen, die sich besonders in der
Fürsorge für Ihre Vieh auszeichnen und es auch zu einen
größeren Bestand als vor dem Krieg bringen, wird besondere
Anerkennung zugesagt, u.a. sollen sie von allem Wege- und Straßenarbeiten
befreit sein. |
10 |
Jeder Gemeindsmann hat das Recht, so viel Vieh
mit der gemeinschaftlichen Herde auszutreiben, wie er mit eigenem Futter den
Winter über durchgebracht hat. Wo es an dem erforderlichen Weidegang
fehlt, soll jeder Viehhalter im Verhältnis der Stückzahl ein
Stück Ackerland als Weideplatz liegen lassen. |
11 |
Das mit erkauften oder fremden Futter
durchgebrachte Vieh ist von dem Auftrieb ausgeschlossen. |
12 |
Um dem besonders im Frühjahr üblichen
"verderblichen und verbotenen Laub stroppen" entgegenzuwirken, soll durch Anbau
von Klee für die nötige Fütterung gesorgt werden, damit auch bei
großer Dürre und dadurch verursachten dürftigem Graswuchs das
Vieh keinen Mangel leide. |
13 |
Besonders wird den Gemeinden ans Herz gelegt,
für tüchtige und wachsame Hirten zu sorgen. Sie sollen mit
nötiger Kost und Lohn versehen, jährlich gehalten, ohne
hinlängliche Ursache nicht beleidigt und geschlagen, noch viel weniger von
jemanden alszu hart und übel traktiert werden. Bei ihrem Abgange soll man
ihnen ein wahrheitsgemäßes Zeugnis ausstellen. Bleiben Sie den
Winter über im Dorfe, so soll man ihnen vor anderen durch Futterschneiden
und dergleichen Verdienst zuwenden und ihnen nicht gestatten, mit den Ihrigen
auf den Bettel zu gehen. |
14 |
Hirten, die sich durch besondere Treue
auszeichnen und sich in der Vieh-Arzenei-Kunst bewähren, sollen zu
Hirten-Vorstehern ernannt und besonders belohnt, dagegen liederliche und
nachlässige ernstlich bestraft werden. |
15 |
In den Gemeinden, in denen bisher Schafzucht
betrieben wurde, soll es auch fernerhin dabei bleiben. Als Schäfer soll
nur angenommen werden, wer ein einwandfreies Zeugnis über seine bisherige
Tätigkeit vorlegen kann. Bei seiner Einführung soll er den auch
anderswärts üblichen Schäfer-Eid leisten, reine und gesunde
Schafe zur Herde zu bringen und keine verdächtigen zuzulassen, der
Gemeinde treu zu sein und sich ehrlich, aufrichtig und fleißig zu
verhalten. |
16 |
Zur Verhütung der Ansteckung ist der
Durchtrieb räudiger Schafe verboten. Das bisher von eigennützigen
Schäfern vorgenommene Waschen erkrankter Schafe mit Merkur und Tabakslauge
soll bei der Vermeidung hoher Strafen unterbleiben, da es nicht allein
unwirksam ist, sondern für die ganze Herde sehr nachteilige Folgen haben
kann. |
17 |
In der Haltung des so nützlichen
Schweine-Viehs soll aller Vorschub geleistet werden, mit dem Vorbehalt, dass
die Tiere von Hirten ausgetrieben werden. Nur in den eingefriededen
Dörfern dürfen Sie frei umherlaufen, solange die Gassentore
geschlossen sind. |
18 |
bis 20. Jedermänniglich soll sich mit
Bebauung der Felder nach dem in der betreffenden Gemeinde geltenden Brauch
richten. Besonders wird vor aussaugen der, von Unmündigen und Waisen,
gepachteten Grundstücke gewarnt. Auf die Ausrottung der gelben Blumen,
worunter wohl in erster Linie die gelbe Wucher-Blume (Chrysanthenum segelum)
gemeint ist, soll aller Fleiß verwandt werden. Bei völliger
Ausrottung wird Befreiung von der Zehntabgabe für jedes 20. Jahr
gewährt. |
21 |
Anbauzwang, niemand soll seine Ländereien
unbebaut liegen lassen, widrigenfalls sie von Gemeinde wegen in Bau gegeben
werden. |
22 |
Weiter werden die Untertanen ermahnt, zur
Vermehrung der Einnahmen durch Handarbeiten oder Übernahme von Fuhren bei
den Berg- und Hüttenwerken Verdienstes zu suchen und sich zu diesem Zweck
Zugvieh anzuschaffen. Wer dem nachkommt, soll von Straßenarbeit befreit
sein. Auch sind die Kinder fleißig zum Baumwollspinnen anzuhalten. |
23 |
bis 26. Damit in den vorerwähnten
Vorschriften recht nachgelebt würde und jeder zur Hebung seines
landwirtschaftlichen Betriebes rechten Fleiß anwendete, fand im Sommer
alle acht Tage und im Winter alle zwei Wochen eine Versammlung statt, in der
jeder Gemeinds-Mann bei Strafe von fünf Kreuzer zu erscheinen hatte. Wer
Zank und Streit erregte, musste dies mit 10-15 Kreuzer büßen. Was da
alles zur Sprache kam, erfahren wir aus dem weiteren Inhalte der
Verordnung: |
|
Ob jemand in der Bewässerung der
Wiesen, Streichen der Maulwurfhaufen und Beseitigung der Sträuchersaum
selig gewesen ob jeder bei der Gemeindearbeit das Seine getan ob er seine
Gartenhecken und Gartenmauern ausgebessert ob er die zum Mähen
festgesetzten Zeit innegehalten ob er das Gras in den Wiesen verfault oder
die Heide ungebrannt liegen lasse ob er bei Einbringung der Ernte saumhaft
und umordentlich verfahren ob er mit der Fütterung verschwenderisch
umgegangen ob er zu verbotener Zeit oder anderen zum Schaden sein Vieh
ausgetrieben habe ob die über das Hirtenwesen und zur Beförderung
einer guten Haushaltung gegebenen Vorschriften befolgt worden
wären.
Wer in einem dieser Punkte schuldig befunden wurde, musste
eine Gemeinds-Strafe von 10-30 Kreuzer, im Wiederholungsfalle bis 45 Kreuzer
bezahlen. Diese Strafgelder sollten in erster Linie zur Bestreitung des
Hirtenlohns und "einiger Erkenntlichkeit gegen fleißige Feldschützen
" verwandt werden, das übrige dagegen in den Versammlungen, jedoch "ohne
Schlägerei und Übermaß", vertrunken werden. |
27 |
und 28. Größere Vergehen.
(Hartnäckige Nichtbeachtung der obigen Verordnung, Felddiebstahl, Ackern
und Mähen über die Grenzen, Baumfrevel, Auslaugung gepachteter
Felder, Verkauf der Früchte außerhalb des Landes,
Dienstvernachlässigung der Hirten und Schützen, Ruhe- und
Friedenstörung durch Schlagen und Zanken) sollen beim Amte allmonatlich
angezeigt werden. |
29 |
Bei dem geringsten Verdacht einer
Horn-Vieh-Seuche oder Räude hat der Send-Scheffe bei Vermeidung hoher
Strafe Anzeige zu erstatten. |
30 |
Den Armen Gemeindseingesessenen, sonderlich den
Witwen und Waisen, sollen die besser gestellten bei der Aussaat und Ernte nach
allem Vermögen beistehen, "damit der göttliche Segen über die
Gemeinde reichlich ausgebreitet werden möge". |
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