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Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.
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Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte.
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Vorwort
Bendorfs bewegte Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche - keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten in den verschiedensten Publikationen, wie z. B. Heimatkalender, Jahrbücher und Zeitungen, veröffentlicht. Etliche der Zeitungen, wie die alte "Bendorfer Zeitung", "Neuwieder Zeitung" oder die "Koblenzer Zeitung", mit ihren Beilagen, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden im Laufe der Jahrzehnte, eingestellt.
Ein Inhaber der Rechte für den folgenden Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne und umgehend berücksichtigen werden.

Der erwähnte Aufsatz erschien in:
Heimat-Kalender für den Krs Koblenz 1950
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.



Auf der Bendorfer Loh

Von Wilhelm Kleinmann, Bendorf


Morgens um sieben, gleich nach der Dusche und der Pfeife Tabak, war ich draußen.

Es war gerade die beste Stunde des Tages, um den in der Luft schwebenden Duft zu verspüren. Er kam aus den sommerreifen Gärten, aus dem am Hause vorbeifließenden Großbach, er drang aus der während der Nacht vom Regen durchwaschenen Erde, und er strömte von den Höhen herunter und von den noch nebelüberzogenen Rheinwiesen herüber. Die glänzende, aber noch nicht heiße Sonne lag blinkend auf allen Dächern der Stadt und durchwärmte fast unmerklich die frühe Kühle.

Ich blieb eine Minute mitten auf der stillen Straße stehen, pumpte die Lungen voll und schaute in den jungen Glanz und in den schönen, blauen Himmel.

Weiße Wolken, wie Ballons, strahlten durchsichtig, näherten sich rasch aneinander, berührten sich, trennten sich wieder und befanden sich plötzlich ganz woanders, wo sie soeben gerade noch waren. In blanker Helle wanderten sie nach Westen. Der goldene Hahn auf der Kirchturmspitze drehte sich, von einem leichten Windstoß getrieben, um sich selbst, er flammte wie reines Feuer. Überall zwitscherten und schmetterten die Vögel, und die Schwalben schossen, in herrlichen Kurven auf- und niedersausend und jäh sich fallen lassend, wie graue Silberpfeile dahin. Ein tollkühner Flieger ist ein kleiner Anfänger gegen sie, dachte ich.

Ehe ich nun von der Mühlen- in die Sayner Straße und dann nach wenigen Schritten in den schmalen Pfad einbog, steckte ich mir die zweite Morgenpfeife an und winkte einem Bauernburschen zu, der peitschenknallend und mit dem alten Hute schief auf dem Ohr vor seinem hochbeladenen Heuwagen herging. "Ihr Hund", rief er mir nachbarlich freundlich zu, "wälzt sich schon mit strampelnden Beinen im nassen Gras."

"Bravo! Ich mach's ihm gleich nach", antwortete ich lachend zurück. "So einem jungen Hund kann der Mensch die Daseinslust abgucken."

"Viel Vergnügen dabei!"

"Fröhlichen Dank auch!"

Als ich kurz darauf, an den blühenden Kartoffeläckern, den sauberen Gärten und an der neuen Kiesgrube vorbeischlendernd, die halbe Höhe zur Loh erklommen hatte, kam mir auf einmal die heimatliche Welt weiter, luftiger und anstaunenswerter vor. Meine Augen genossen ein Fest, und alles in mir und um mich war erfüllt von Wanderseligkeit und Licht. Was war von hier aus gesehen an allem Alltagskram und Sorgenpacken schon dran? Zum Teufel damit! Mit diesem Wanzenzeug wirst du schon fertig werden! Bange machen gilt nicht.

Da sprang der "Stropp", der kleine Münsterländer, pechschwarz von Farbe, mit langem, glänzendem Seidenhaar, mit jagdeifrigen, kohlendunklen Lichtern und gestreckten Läufen aufgeregt kläffend über die Wiesenterrassen. Ich sah das weiße Hinterteil eines Kaninchens durch das dicke, wirre Gestrüpp weghoppeln. Da stand er verblüfft, der Hundkamerad, und schnüffelte ärgerlich herum. "Ja, Stropp, nicht immer haben die Menschen und Hunde Glück auf ihren Beutezügen, deshalb geht aber die Welt nicht unter, versuch's immer wieder! Einmal klappt's!"

Ich überquerte eine frisch gemähte Fläche, an einzelnen Halmen, an denen die scharfe Sense vorgeigeglitten war, hingen noch die glitzernden Tauperlen. Sollte ich sie fortblasen? Nein, laß sie von selbst zersprühen. Ich freute mich über ein großes Feld, das gelb in der Sonne leuchtete, und in dem rote Mohn- und dunkelblaue Kornblumen in verschwenderischer Fülle wuchsen. Ein märchenbunter Anblick. Wenn das nicht schön war, was wäre denn dann schön? Ich freute mich über herumsegelnde farbige Schmetterlinge, über ein tiefes Hummelgebrumm und das Auftauchen einer zarten, schillernden Libelle. Wieder fegte Stropp hetzend hinter etwas Lebendigem her, ich konnte das flüchtige Tier nicht erkennen. Und dann erspähte ich das Herrlichste an diesem Morgen — zwei Bussarde, die den mächtigen Himmelsraum durchschwebten, ihre wunderbaren Kreise zogen, eine Weile bewegungslos im funkelnden Äther verharrten und weiterschwebten, ihre Schreie drangen dünn zu mir herunter . . . Jetzt waren sie über den dunkelgrünen Wäldern des Brex- und Saynbachtales, und jetzt waren sie im Gleiß des Firmamentes zwei verschwindende Pünktchen.

Das Dorf Stromberg auf seiner bewaldeten Bergeshöhe glänzte weiß in der steigenden Sonne. Es erinnerte mich an ein Bergnest in der spanischen Sierra Nevada, das ich auf meiner Zirkusfahrt vom Auto aus gesehen hatte, und das mir im Gedächtnis haften geblieben war.

Das Glockengeläut der Bendorfer Kirche klang verwehend herauf zu mir, und mitten in die dunklen Töne gellte plötzlich das langgezogene Signal des Westerwaldzuges, der wohl gerade in den ersten Tunnel einfuhr. Das satte Grün ringsum tat meinen Schreib- und Leseaugen gut, und meine Seele wuchs davon. Ich fühlte es mit jedem Atemholen. Wenn du auch von Beruf ein Zimmermensch bist, so bist du doch kein Stubenhocker geworden und bist das noch, was du von jeher warst — ein unbekümmerter, lebensgläubiger, die Heimat liebender und von der Ferne besessener Vagant. Gott meinen Dank dafür! Ein Luft- und Freiheitsmensch. Wer kann sagen, wie die Zeiten sich demnächst oder in Zukunft gestalten. Ich lebe sie, wie sie sind, aber ich will sie frei und luftig haben, sonst stelle ich mich gegen sie mit allen meinen Kräften.

Auf der Loh.

Ich hockte auf einem verwitterten Feldstein unter den fünf breitkronigen Eichen wie in der dämmerig-kühlen Halle eines gewaltigen Domes. Der Sonnenschein fiel durch das dichte Laub und verzauberte mit seinem matten Leuchten den Platz.

Stropp, müde und keuchend, lag neben mir hingestreckt mit heraushängender, roter Zunge.

"Ströppchen", sagte ich zu ihm, "wenn wir einen Haufen Geld hätten, pfiffe ich noch heute alle Handwerker unseres Städtchens heran, und sie müßten sofort mit dem Bau einer einfachen, aber allen Stürmen trotzenden Freiherrn-Burg für uns beginnen, genau an dieser Stelle."

Sieh dir das rheinische Land von hier aus an!

Da weit hinten strömt aufblitzend unser Rhein, jede hurtige, blausilbrige Welle ist deutlich zu sehen, weiße Schiffe, dunkle Schlepper, bauchige Kähne, einer hinter dem anderen, durchziehen flußauf- flußabwärts die Fahrtrinne, aus ihren Schornsteinen flattern lange graue Rauchfahnen. Du siehst die grünen Ufer, die geduckten Ortschaften und weiter weg die sich dehnenden Felder, wie buntfleckige Tischtücher liegen sie da. Und im feinen Dunst der Horizonte erstreckt sich die Bubenheimer Höhe von den Koblenzer Waldungen bis zu den Andernacher Bergen, du siehst die Vorberge des Hunsrückes, der Eifel, des Westerwaldes.

Kirchtürme ragen auf ihren Gipfeln weit in das mittelrheinische Land hinaus, die Weitersburger, die Rübenacher Kirchen, du kannst sie von allen Seiten aus sehen, wie fern du auch von ihnen weg sein magst in unserem Koblenzer Raume.

Da sind die Orte Bendorf, Sayn, Engers, Kaltenengers, das Kirchspiel mit seinen Dörfern Weis, Heimbach, Gladbach, da sind Kesselheim, Mülheim, die Humboldthöhe, der Ehrenbreitstein, um nur die sichtbarsten Ausblicke zu nennen.

Ich sog das fesselnde Gemälde in mich hinein, als ob ich es nie zuvor betrachtet hätte. Unzählige Ausblicke, dachte ich, hast du in deinem langen Wander- und Reiseleben in dich aufgenommen, hat es viele solche wie hier von der Bendorfer Loh aus gegeben? Ich mußte angestrengt darüber nachsinnen. Gewiß, da waren eindrucksvollere, gigantischere, fremdartigere, aber diese hier gehören nun einmal zu dir, sie haben deine Jugend begleitet, haben dich mitgeformt, dich zu dem rheinischen Menschen gemacht, der du bist.

"Ihr Rheinländer seid lebensbejahende, liebenswürdige Leute, ihr seid begeisterungsfähig und optimistisch, begabt mit einem leichten Sinn, das heißt: Nur dann, wenn es euch gut geht und ihr bei Wein, Weib und Gesang sorgenfrei dem nächsten Tag entgegenjauchzt", sagte mir einmal ein Norddeutscher, der weit herumgekommen war, "aber wenn's dem rheinischen Völklein dreckig geht und das Leben nicht so glänzt, wie besonders ihr vom Rhein es wünscht, dann ist nichts los mit euch, dann seid ihr eine verdrießliche, schlechtlaunige, mutlose und schwarzseherische Gesellschaft, sehr zum Unterschied von uns Berlinern und Hamburgern. Noch eins: Ihr seid rasch und groß im Versprechen, morgen schon ist alles vergessen. So ist es!"

Hatte er recht, der Seefahrer und Weltbummler von der Waterkant? Vielleicht, dachte ich, ein Kern Wahres wird dran sein, aber ich freue mich dennoch, ein rheinischer Mann zu sein! Die anderen haben auch ihre Untugenden und rissige Stellen. Wesentlich ist, daß wir einander vertragen!

Plötzlich stand in der Wiese nicht weit von meinem Dom der Schäfer mit seiner Herde und seinen wachsamen, zottigen Hunden. Stropp hatte sich schon mitten in die Herde hineingestürzt. Er wurde schnell rausgepfiffen.

"Am schönsten ist's hier oben bei Sonnenuntergang. Diese Farben am Himmel! Kein Maler bringt das fertig, glauben Sie's?" "Ich weiß es", erwiderte ich, "und ich kenne auch das Bild in kalten Winternächten, wenn der Schnee im eisigen Sternenglühen schimmert, und unser Bendorf da unten mit seinen tausend Lichtern in den Häusern, Fabriken, Bahn- und Hafengeländen wie eine Riesenstadt wirkt."

"Möchten Sie wieder in die Welt hinaus, so wie sie heute da draußen ist?" "Ja. Immer zieht es mich hinaus. Ich bin ein Wanderer. Ich muß unterwegs sein, sonst bin ich ruhelos in meinem Inneren. Aber wenn ich draußen bin, lockt diese Bendorfer Loh wieder, daß ich Heimweh nach ihr bekomme." Der Schäfer nickte, wir verabschiedeten uns.

Ich eilte noch einmal zum Klosterschlagwald mit seinen hohen prächtigen Buchen, und dann rannten wir, mein Hund und ich, einen kurzen Blick noch auf die Sayner Burgruine werfend, über abgemähte Wiesen, kleine Hügel, durch enge Hohlen, wildes Gestrüpp ins Tal hinab.

Und morgen oder übermorgen, wenn's dich am Schreibtisch wieder überfällt und du mit deinen Geschichten nicht vorankommst, dann kommt die Kreuzhecke an die Reihe, der Meisenhof, der Römerturm, und die Wälder nach Grenzhausen zu warten auch noch auf uns.-----------

Mein Hund nahm keine Notiz mehr von meinem stummen Selbstgespräch. Er raste in die Küche.

Ich kritzelte auf meinen Schreibblock, bevor ich mich an den Mittagstisch setzte: Heute noch! Nicht verschwitzen! Auf der Bendorfer Loh. Skizze!






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