Unspektakuläre
Spaziergänge von stillem Reiz
von Peter Lindemann
Es ist kein Weg, auf dem hinter jeder Biegung ein
spektakuläres Erlebnis wartet. Er erklimmt keine atemberaubenden
Höhen und steigt nicht hinab in dunkle Schluchten. Alte romantische Burgen
liegen ebenso wenig an seinem Rande wie zu Tal sprudelnde schäumende
Wildbäche oder zum Himmel aufragende Aussichtstürme. Der Weg
führt vorbei an Wiesen und Feldern, lässt meist weit vorausschauen
und fast ungehindert zurückblicken. Man kann ihn gehen ohne Mühe und
die Länge der Strecke wählen so weit die Füße tragen oder
die Witterung es erlaubt.
Dieser Weg liegt auf einer sanft gewellten Hochebene innerhalb
eines Dreiecks, dessen Spitzen nach Bendorf, Vallendar und
Höhr-Grenzhausen weisen. Hier lässt es sich zu allen Jahreszeiten gut
wandern. Doch am liebsten gehe ich ihn in den Wintermonaten. An klaren,
sonnigen Tagen, wie sie uns der vergangene Winter ja reichlich beschert und
sogar noch mit Schnee verschönert hat, werden die Stunden auf seinen
Spuren zu einem kostbaren Geschenk. Erholung und Entspannung direkt vor der
Haustür. Und wenn man nicht gerade sonntags zwischen Mittagessen und
Kaffeestunde unterwegs ist, bietet er auch Stille und Einsamkeit.
Ich beginne den Rundgang meist von der Straße aus, die aus
dem Ort Weitersburg kommend nach Höhr-Grenzhausen führt. Ein paar
hundert Meter hinter dem Heiligenhäuschen am Ortsausgang liegt links in
einer Kurve ein kleiner Parkplatz, von dem aus gleich gegenüber ein leicht
abfallender Weg die Autobahn unterquert.
Das Zischen der Fahrzeuge verstummt sehr schnell und ist beim -
geradeaus -Weitergehen schon längst vergessen, noch ehe die schmale Allee
mit den alten, arg gestutzten Bäumen erreicht ist. Es ist ein Rundweg, den
ich nun schon viele Male unter die Füße genommen habe und der mich
über kurz oder lang immer wieder zum Ausgangspunkt zurückführt.
Der Weg selbst ist also das Ziel, auch wenn sich unterwegs Ziele, wie
beispielsweise die beliebte und belebte Ausflugsgaststätte
"Wüstenhof" oder die meist einsame stille Hütte am Waldrand ansteuern
lassen.
An den kurzen Wintertagen, wenn die Sonne nur wenige Stunden von
Horizont zu Horizont braucht, scheint sie hier oben am intensivsten und
wärmt auch bei frostigen Temperaturen. Wenn sie im Sommer lange hoch am
Himmel steht, treibt sie dem Wanderer zuweilen den Schweiß allzu sehr auf
die Stirn. Schattige Abschnitte gibt es nämlich kaum. Meist stehen die
alten Apfel- und Nussbäume als Solisten am Wegrand oder auch mitten im
Feld. Zur Winterszeit sind sie Ruheplatz vor allem für schwarze heisere
Krähenvögel, die nur unwillig und träge davonfliegen, wenn
menschliche Nähe sie stört. Wie dunkle Gestalten stehen die
Bäume in der weißen Landschaft, schweigsam und regungslos -
gespenstisch fast, wenn Morgennebel oder Abenddämmerung sich über sie
legen. Kaum einer der Spaziergänger scheint Notiz von ihnen zu nehmen. Das
wird sich erst ändern, wenn sie im Herbst ihre Früchte abwerfen und
die Leute in ganzen Heerscharen herbeiströmen, um die kostenlose Ernte in
Taschen und Tüten, manchmal sogar in Säcken einzusammeln.
Am "Wüstenhof" vorbei führt der Weg, läuft dann auf
den "Gummschlag" am Stadtrand von Vallendar zu, um sich aber gleich aber wieder
nach Osten hin zu wenden. Zum Rhein zieht es ihn offenbar nicht, lieber bleibt
er auf den sanften Hügeln des Ausläufers des Westerwalds. Ganz nach
Belieben kann man ihm folgen bis zum Aussichtspunkt Schauinsland, wo der Blick
auf die Gottesburg der Schönstätter fällt und an klaren Tagen
bis Koblenz mit dem hochaufregenden Mast des Senders auf dem Kühkopf.
Durch den Weitersburger Wald ist bald Höhr-Grenzhausen zu erreichen. An
mehreren Wegkreuzungen aber kann man abbiegen, den Weg abkürzen, um zum
Ausgangspunkt zurück zu kehren.
Im Frühling, Sommer und Herbst gibt sich die Landschaft
weniger schweigsam. Bienengesumm, Vogelgesang, das Muhen der Kühe und das
Motorengeräusch der Traktoren, das Rauschen des Windes in den alten
Baumkronen begleiten den Wanderer. Ein paar Ruhebänke mehr zum Rasten und
Schauen unterwegs wären nicht schlecht. Vor allem für den, der die
weiteren Runden dreht auf dieser Hochebene.
Ansonsten ist nicht anspruchsvoll, wer hier oben häufig und
nicht nur rein zufällig unterwegs ist. Landschaft und Himmel, Ruhe und
Entspannung, Aussicht und vielleicht auch Einsicht gibt es ja ohnehin satt und
genug. Zu wenig sicher für die Menschenströme, die ruhe- und rastlos
unterwegs sind von einem Erlebnis zum nächsten Abenteuer. Sehr viel aber
für die, die diesen Strömen nicht hinterher laufen wollen. Die
Unspektakuläres genießen können und sich einen Blick für
die eher kleinen Dinge bewahrt haben.
Geehrte Besucherinnen und Besucher wir danken Ihnen für Ihren
Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von Ihnen
freuen. GGH_56170 Bendorf Für Ihre Anregungen und Hinweise:
|