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Vorwort
Bendorfs bewegte Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche - keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten in den verschiedensten Publikationen, wie z. B. Heimatkalender, Jahrbücher und Zeitungen, veröffentlicht. Etliche der Zeitungen, wie die alte "Bendorfer Zeitung", "Neuwieder Zeitung" oder die "Koblenzer Zeitung", mit ihren Beilagen, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden im Laufe der Jahrzehnte, eingestellt.
Ein Inhaber der Rechte für den folgenden Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne und umgehend berücksichtigen werden.

Der erwähnte Aufsatz erschien in:
Koblenzer Heimatblatt 7. Jahrg., 1930, H 33
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.



Die Hüttenherren von Mariot.*

Georg Fiebig †


1. Jeane Mariot, der Gründer der Familie.

Schlimmer als anderswo brausten die Schrecken des 30jährigen Krieges über die heiß umkämpften Rheinlande und besonders schwerer litt das Gebiet des späteren Herzogtums Nassau unter dieser Gottesgeisel. Die unaufhörlichen Durchzüge einer zügellosen, räuberischen Soldateska stürzten die wenigen Einwohner, welche Seuchen und Hunger übrig gelassen hatten, in eine furchtbare leibliche und geistige Not. Was an kulturellen Gütern aller Art in vielen Jahrhunderten mühsam errungenen und aufgebaut worden war, das ging in diesen Wirren zugrunde, darunter vor allem die an der Lahn und den angrenzenden Gebieten so blühende Bergbau- und Hüttenindustrie. Weithin kamen die Gruben zum Erliegen und die Hüttenwerke verfielen, nachdem alle Einrichtungsgegenstände herausgerissen und fortgeschleppt worden waren. So günstig und verlockend auch die Gelegenheit für einen energischen Kopf war, diese wertvollen, industriellen Betriebe zu erwerben, wer konnte unter diesen Verhältnissen es wagen, dass Wenige aus dem Chaos gerettete in solche, noch so aussichtsreiche Unternehmen zu stecken? Und woher überhaupt die sachverständigen Arbeitskräfte nehmen?

Dass das ausländische Kapital sich diese Verhältnisse zu Nutze machte, können wieder um so mehr verstehen, als wir in jüngster Zeit Zeugen einer ähnlichen Entwicklung gewesen sind und zusehen mussten, wie wertvolle, nationale Güter zu Schleuderpreisen die Beute geschäftsgewandter, kapitalskräftiger Ausländer wurden. So kann es uns nicht Wunder nehmen, dass der Kaufmann Jeane Mariotte aus Lüttich, der Hauptstadt des "mit Wäldern, Bergwerken und Eisenhämmern durch und durch gefüllten" wallonischen Landes im Jahre 1639 seine Augen auf die daniederliegenden, wertvollen Eisenerzgruben an der Lahn und auf dem Westerwalde und dem Einrich warf. Er trat mit den Eigentümerin derselben, vorerst dem Kurfürst Philipp Christoph von Trier in Verbindung und erlangte von ihm Grubenbelehnungen und die Genehmigung hohe Öfen in Amt Montabaur und den benachbarten trierischen Ämtern errichten zu dürfen. Diese Konzession vermehrte er durch kluge Unterhandlungen mit dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt, dem Fürsten von Nassau-Diez und mit Casper von der Leyen, dem späteren Kurfürsten von Trier. Er zog aus seiner Heimat wallonische Steiger für seine Gruben und im Gießereiwesen erfahrene Hüttenarbeiter heran, baute die vorhandenen Werke nach kaufmännischen Grundsätzen wieder auf, errichtete neue und so wurde " Mariotte der Hüttenherr von Montabaur", wie man ihn nannte, da auch Fortuna ihm hold war, in verhältnismäßig wenigen Jahren ein reicher, auch in unserem Lande angesehener Mann. Sein Vermögen schätzte man bei seinem Tode im Jahre 1670 auf mehr als zwei Millionen Gulden. Nicht weniger als 14 Hütten soll er betrieben haben. Von seinen zahlreichen Bergwerken hatte ihn die Weinährer Blei-, Silber- und Kupfergrube große Gewinne gebracht.

Den Ausgang für seine industriellen Schöpfungen bildete das ergiebige Eisenbergwerk bei Dernbach, dessen Erze nach der Vallendarer Eisenhütte gingen. Wo dieses lag, ist heute nicht mehr festzustellen, vielleicht in der Nähe von Hillscheid, aus den großen Haufen von Eisenschlacken zu schließen. Reiche Ausbeute lieferten ihm ferner die Gruben bei Katzenellenbogen, deren Erze in mehreren Hütten der dortigen Gegend, insbesondere auf deren Haarmühle bei Klingelbach verhüttet wurden, während die sehr wertvollen Erze der Bergwerke Fachingen und Umgebung die Hochöfen von Nievern, den Ahler Eisenhammer und die Eisenhütte zu Hohenrhein (oder Haut-Rhin) bei Nieder Lahnstein speisten. Besonders vorteilhaft für diese Werke war ihre Lage an der Lahn. Die Erze wurden auf flachem Fahrzeugen den Fluss hinunter gefahren. "Diese Schiffe passieren die Wasserdämme auf Rutschen, so in selbigen angebracht sind". (Eversmann, Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe.)

Bei dem intensiven Streben der heutigen Zeit nach Zentralisierung der Betriebe wird man sich fragen, warum Mariotte anstelle all dieser kleinen, im ganzen Lande zerstreuten liegenden Hütten nicht ein größeres Zentralwerk errichtet hat. Die Erklärung liegt in den Betriebsbedingungen der damaligen Zeit. Die Rentabilität der Hütten - und damit auch der Bergwerke - hingen von der Billigkeit der Holzkohle ab. Diese war aber infolge ihres geringen Gewichts der voluminöste Rohstoff und da bei dem unvollkommenen Schmelzverfahren ein Vielfaches von dem Gewicht des zu verhüttenden Erzes an Holzkohlen nötig war, hätte der Transport derselben zu den oft weit entfernten Hütten so große Kosten verursacht, das von einer Rentabilität der Betriebe keine Rede hätte sein können. So transportierte man lieber das weniger voluminöse Erz nach den Stätten, wo die Holzkohle leicht zu beschaffen war.

Seinen kaufmännischen Geiste, seiner wallonischen Geschäftsgewandtheit und Rührigkeit, und nicht zuletzt seiner reellen Grundsätzen hatte Jeane Mariotte es zu verdanken, dass ihm der Wurf in unserem nassauischen Lande geglückt war. Ihm blieb im Gedächtnis der Nachwelt der Ruhm, der Gründer des Reichtums der Familie, sowie der zahlreichen Berg und Hüttenwerke in unterem Lahngebiet gewesen zu sein.

II. Jeane Francois Mariot, der Reichsfreiherr.

Jeane Mariottes Besitz ererbten seine fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter. Vorerst führten nach des Vaters letzten Willen die beiden ältesten Söhne Walter und Johann die Unternehmungen weiter. Später wurde der Mariottsche Besitz geteilt, was der alte Mariot klugerweise schon vorbereitet hatte. Die vorstehend genannten älteren Söhne, Walter, ein Geistlicher, und Johann erhielten alle Besitzungen im Hessischen, Kurmainzschen und Arnsteinnischen, die jüngeren Kinder Peter Michael, Bertram und die an den Hüttenmeister Vonille verheiratete Tochter die Besitzungen im kurtrierischen Amte Montabaur und in der Vogt Ems. Die jüngeren Söhne starben 1693 ohne Hinterlassung von Nachkommen und auch den älteren Söhnen war nur ein kurzes Leben vergönnt. Und nun vereinigte der älteste Sohn von Johannes, Jeane Francois, wie er sich wohl in der Erinnerungen an seine wallonische Herkunft gern nannte, geboren 1663, wieder den größten und wertvollsten Teil des großväterlichen Besitzes in einer Hand. Gleichzeitig hatte er damit den großväterlichen Unternehmungsgeist und das großväterliche Glück geerbt und so kam es, daß unter ihm das Haus Mariotte die Zeit seines höchsten Glanzes und des größten Wohlstandes erlebte, dessen einzigen männlichen Vertreter man weit und breit als den reichen, "glücklichen Fundgrübner" pries.

Eine natürliche Folge seines Reichtums und die Vermählung mit Klara Katharina Eleonora von Sohlern aus hoch angesehenem Hause war der Wunsch und Streben nach einer auch äußerlich hervortretenden höheren Lebensstellung und deren Ausdruck im Familiennamen. So erwarb er denn zunächst von der Familie Wolff-Metternich zur Gracht das reichsritterschaftliche Gut Langenau bei Obernhof an der Lahn und wurde daraufhin in den deutschen Reichsritterstand erhoben, also adelig.

Ohne seine Unternehmungen durch seine vornehmen Bekanntschaften und adeligen Familienbeziehungen aus dem Auge zu lassen oder gar zu Vernachlässigen lenkte sich von jetzt an sein Interesse jedoch mehr auf den Erwerb weiterer herrschaftlicher Güter.

Mit welchem Stolz mag der Freiherrn Jeane Francois Mariot von und zu Langenau, der Spross des wallonischen Bergwerksunternehmers, im Jahre 1709 seinen Namen unter die Kaufakte des einst dem mächtigen Reichsrittergeschlecht von Sickingen gehörigen, ansehnlichen Gutes in Erbach im Rheingau und unter die des großen freiadligen Sickingischen Hofes zu Geisenheim nebst den dazugehörigen Gute zu Gaulsheim gesetzt haben! War er damit doch jetzt in die Reihen des exklusiven rheinischen Adels eingerückt. Dazu kamen Güter in Waldlaubersheim, Rommelsheim und Weinsheim, ferner das pfälzische Oberamt Mosbach im Odenwald, ein höherer Verwaltungsposten, wie sie damals wie Erbleihen als Sinecuren Adligen durch Kauf übertragen wurden.

Reiche Gewinne brachten dem geschäftstüchtigen Manne während des spanischen Erbfolgekrieges Munitions- und Kriegsbedarfs-Lieferungen aller Art, Geschäfte, die ja zu allen Zeiten hohen, wenn auch meist bedenklichen Nutzen abwarfen, wovon wir ja auch noch Zeugen sind. Dem "Herrn Geheimen Rat Franz von Mariot, Freiherrn von und zu Langenau" schadeten sie an seinem guten Ruf offenbar nicht, denn er wurde von seinen durch den Krieg arg in Bedrängnis geratenen Adelsgenossen des Öfteren mit Hergabe von Darlehen in Anspruch genommen, die der allzeit nach bewährten kaufmännischen Grundsätzen handelnde, vorausschschauende Mann aber nicht versäumte, sich durch Eintrag von Hypotheken oder durch große Konzessionen sicher stellen zu lassen.

In hohem Ansehen stehend schloß Johann Franz vom Mariot (er selbst schrieb sich Frantz vom Marioth) im Jahre 1726 die Augen, in dem Bewußtsein, daß ihn vom klugen Großvater über kommende Familienvermögen weise verwaltet und, vom Glücke begünstigt, bedeutend vermehrt zu haben, in Verbindung damit aber auch den Namen der Familie Mariot zu einem weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus leuchtenden Glanze verholfen zu haben. Seine sterblichen Reste ruhen an der Seite seiner Gattin in der Stiftskirche des Klosters Arnstein.

Mit ihm hatte das Haus Marieorth den Gipfel seines meteorgleichen Aufstiegs erreicht, mit seinem Tod begann der Abstieg.

III. Franz Anton von Mariot, der Gutsherr von Erbach im Rheingau.

Franz von Mariot hinterließ eine Tochter, die sich noch zu seinen Lebzeiten mit dem kurtrierischen Hofrat Freiherrn von Solemacher verheiratete und zwei Söhne hatte; Anton, den Majoratserben, und einen jüngeren Josef.

Nach dem vom Vater hinterlassenen Testamente, dessen Vollstrecker Freiherr Langwerth von Simern war, erbte Anton von Mariot das Eisenwerk zu Weinähr, die Herrschaft Langenau und allen übrigen in Berg- und Hüttenwerke. Er war verheiratet mit einer Frein von Diez, Tochter des Freiherrn von Ardeck und Nassauischen Hofmarschalls Philipp Adam von Diez, der ihm auch seinen großen Hof anlässlich seiner Hochzeit gekauft hatte. Leider hatte Anton von Mariot mit dem großen Vermögen nicht auch die strebsame Tüchtigkeit seines Vaters und seines Urgroßvaters geerbt. In bodenlosen Leichtsinn ließ er eine unglaublich liderliche Geschäftsführung einreißen, die in wenigen Jahren die immer so reich gefüllt gewesenen Kassen der Mariot bis auf den Grund leerten. So sehr, das schon 1732 die Fuhrlöhne der Gruben und Hütten nicht mehr bezahlt werden konnten. Von Schulden durch seinen verschwenderischen Haushalt erdrückt, bat er schließlich den Landgrafen von Hessen, seine Werke selbst zu übernehmen oder Ihm zu gestatten, sie zu verkaufen zu dürfen. Noch nicht 50jährig, starb er 1742 zu Erbach, nur spärliche Trümmer seines einstigen, großen Vermögens seiner Familie hinterlassend.

Seine Witwe gab durch ihr lasterhaftes Leben Anlass zu manchem Skandal und starb nach einem abenteuerlichen Leben im Genuss einer, ihr aus Mitleid ausgesetzten, kleinen Rente bei ihrem Sohne Viktor auf der Langenau. Dieser selbst war auch ganz aus der Art geschlagen. Während seine beiden Brüder es wenigstens zu einem anständigen Auskommen gebracht hatten, - der älteste war kurpfälzischer Regierungsrat und der jüngste kurfürstlich mainzicher Hauptmann geworden -, setzte Viktor das väterliche, verschwenderische Leben fort, häufte Schulden über Schulden, intriguierte und prozessierte gegen seinen älteren Bruder und erreichte schließlich, dass ihm Langenau zugesprochen wurde. Dort hauste er nun, den Trunke ergeben, in den aller erbärmlichsten Umständen, fast ohne jedes Einkommen. Der Vormund der ihm endlich die Reichsritterschaft in der Person des Freiherrn von Stein in Nassau, dem Vater unseres großen Karl von Stein gab, hatte 20 Jahre lang schwere Arbeit und Sorgen mit diesem verkommenen Sohn eines großen Geschlechts. Er starb im Jahre 1786.

Langenau, der Stammsitz der Familie, kam nun an den einzigen Sohn des des ältesten Bruders, jenes kurpfälzischen Regierungsrates Ferdinand von Mariot. Er hatte die Rechte studiert und versuchte jetzt vergebens, noch einmal den Zustand des verwahrlosten Gutes zu heben. Als harmloser Sonderling, der unter dem Namen der "Kurat" in der Umgebung bekannt war, starb er im Jahre 1847 als der letzte seines Geschlechts. 1639 war es an der Lahn aufgetaucht, war auf eine Höhe gestiegen, wie sie nur wenigen Sterblichen in jenen Zeiten beschieden war, und nach einem Zeitraum von nur 208 Jahren wieder erloschen.

IV. Franz Josef von Mariot, der Gutsherr von Geisenheim

Kehren wir zu dem zweiten Sohne von Johann Franz von Mariot zurück. Während der ältere, wie wir sahen, seinen Wohnsitz zu Erbach hatte, war dem jüngeren Bruder das schöne Herrschaftsgut zu Geisenheim, der Sickingische Hof und die Oberamtmanschaft Mosbach im Odenwald zugefallen.

Nach der Beschreibung bestand das freiadelige von Mariottsche Gut zu Geisenheim aus einem wohl gebauten Herrschaftshaus, zwei Kellern für 70 Stück Wein, Hof- und Kelterhaus, Scheuer, Pferde- und Viehställen, einer großen Orangerie mit drei Fontänen usw. Sodann gehörten dazu zwölf Morgen gute Weinberge, zwölf Morgen bestes Ackerland und noch zwei Morgen gute Wiesen, welches alles als ein geschlossener Besitzt das Hofhaus und den Garten umschloss. Das Gut hatte Jagd- und Beholzungsrechte. Also ein stattliches, mit aller Pracht eingerichtetes Besitztum. An der Stelle des Hauses steht heute das Hotel "Frankfurter Hof".

Der glückliche Eigentümer dieses wahrhaft fürstlichen Besitzes war vermählt mit der Tochter des kurpfälzischen Generals von Freudenberg. Der ihm schon ein Jahr vor der Hochzeit 10.000 Gulden als Mitgift seiner Tochter ausgezahlt hatte. Auch er trat aber sein Glück mit Füßen und folgte darin seinem Bruder in Erbach. Innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren hatte er nicht nur sein Vermögen und das seiner Frau durchgebracht, sondern noch Schulden darauf gehäuft, so dass im Jahre 1749 seine Schwiegermutter, die verwitwete Generalin von Freudenberg, die Mittelrheinische Reichsritterschaft um Hilfe für Ihre Tochter und Enkel gegen "die schliepffrige und den völligen umbsturz nach sich ziehende Lebensarth und aufführung" ihres Schwiegersohnes anrufen mußte. Es sei zu befürchten, dass er auch den Rest verschwenden werde, wenn nicht Vorsorge und Sicherheit für die Ehefrau und deren Kindern getroffen würde.

Joseph von Mariot, jede Schuld von sich ablehnend, brachte eine Gegenforderung von 12.000 Gulden vor, angeblich daher rührend, das ihm bei seiner Verheiratung die Oberamtsmannschaft Dilsberg versprochen worden sei, die man aber für diesen Betrag anderweilig verkauft habe. In den heftigsten Ausdrücken beschuldigte er seine Frau des Lügens. Er habe alles getan, was seine Vaterspflichten erforderten, den Sohn habe er als Kornett bei den Kaiserlichen equipiert und die Mademoiselles, seine Töchter zur standesgemäßen Erziehung in einem französischen Kloster untergebracht, außerdem seiner Frau jährlich ein Stück Wein für ihren Unterhalt (!) geschickt. Übrigens habe seine Frau einen solchen "widerwilligen humeurs", das mit ihr nicht zu Leben sei. Sie spioniere ständig, "mit welchen cavaliers, offizieren usw. (!) er verkehre. Es wäre schier kein Wunder, wenn eine schlüpferige Lebensarth der solch umbständt folgen sollte, weilen die melangolie einen cörper hierbei aufreiben muss."

So gingen die Klagen der unglücklichen Frauen und die faulen Einreden und Gegenbeschuldigungen des verkommenen, verstockten Mannes weiter bis zum Jahre 1753. Da erging endlich das Urteil der Reichsritterschaft, mit dessen Vollstreckung wieder der Reichsritterschaftrat Freiherr Langwerth von Simern beauftragt wurde. Es solle Wein und was sonst auf dem Geisenheimer Gute zu finden sein, Früchte, Geschirr und Vieh usw. verkaufen, um die rückständigen Alimente (Es waren 400 Gulden jährlich vereinbart) zu zahlen. Außerdem von dem Besitztum an Äckern, Wiesen usw. so viel abtrennen, als etwa einem jährlichen Erlöse von 400 Gulden entspräche.

Als die zum Verkauf des Weines und der anderen Pfänder bestehende Kommission im Jahre 1734 in Geisenheim erschien, war der Freiherr nicht anwesend. Im Keller fanden sie 11 lehre Stück Fässer (der Inhalt war vorher nach Mainz verkauft worden) und drei Stück sauren Winkeler, die bei der Versteigerung nur 330 Gulden erbrachten. 44 Gute Orangenbäume in der weithin bekannten Orangerie steigerte der Vertreter des Grafen von Ingelheim zu Geisenheim für je 3 1/2 Gulden das Stück, also für im ganzen 154 Gulden, an. Das Mobiliar, Weißzeug, Geschirr ergab einen Erlös von nur 524 Gulden. Das Beste davon war natürlich ebenfalls vorher verschleppt und verkauft worden. Im ganzen kamen nach Abzug der Unkosten nur 722 Gulden heraus, Die dem Anwalt der Klägerrinnen übergeben wurden.

Der gemeinste und gar nicht scharf genug zu bezeichnende Streich des sauberen Freiherrn von Mariot war aber das Abhauen von 100 der schönsten, fruchtbarsten Obstbäume auf dem seiner Frau und seinen Kindern zugesprochenen Grundstücken, von denen der Notar Rittmann aus Heidelberg im Namen seiner Klientinnen schließlich Besitz ergriff, indem er aus dem etwa elf Morgen großen Wiesen einen Rasen ausstach und aus den etwa zwei Morgen großen Äckern einen Schollen aushob.

Die Schuldenwirtschaft und der damit verbundene Skandal wurden allmählich so groß, daß die Reichsritterschaft zwei Jahre später, im Jahre 1756, den Verkauf des Geisenheimer Gutes verfügte. Aus der auffällig niedrigen Taxe und dem schließlichen Erlöse im 3.Versteigerungstermin können wir uns einen Begriff machen, wie der Besitzer das herrliche Besitztum herunter gebracht hatte. Es wurde zu nur 16.175 Gulden dem Freiherrn Wolfgang von Wallbrunn zu Parthenheim, Württemberg, Geheimer Rath und Oberhofmarschall zu Stuttgart, zugeschlagen.

Mit einem letzten Schwindel schied Josef Anton vom Mariot ein halbes Jahr später im Juli 1757, ungefähr 50jährig, aus dem Leben. Trotzdem er wusste, dass das noch auf dem Gute vorhandene Inventar verkauft war, er also nicht mehr darüber verfügen konnte, verschleppte er davon, so viel er nur konnte und schließlich setzte er seinen Unredlichkeiten die Krone auf, in dem er die Hälfte der Kreszenz des Gutes, dass ihn gar nicht mehr anging, den Armsten Geisenheims vermachte. Diese, begreiflicherweise unbekümmert um die Rechtslage, auf derer Erfüllung dieser letztjährigen Verfügung des "guten, freigebigen" Freiherrn bestehend, verursachte dadurch seinem Nachfolger, dem Freiherrn von Wallbrunn und noch lange Zeit große Unannehmlichkeiten. Wo der unselige Mann geendet und die letzte Ruhe gefunden hat, ist nicht festzustellen. Weder die Kirchenbücher von Geisenheim, noch die von Kloster Arnstein melden hierüber etwas.

Mit dem frühen Tode des einzigen Sohnes, der als Leutnant bei den Kaiserlichen Gelhay'schen Kürassieren stand, war denn auch dieser Zweig der Familie Mariot im Mannesstamm erloschen.

V. Das Mariottische Glück und der Volksglaube.

Ludwig Beck hat das große Verdienst, die am Staatsarchiv von Wiesbaden und in verschiedenen Hausarchiven ruhenden, umfangreichen Urkunden über die Familie Mariot durchsucht und das Resultat seiner Forschungen in einer ausführlichen Darstellung in seinen "Beiträgen zur Geschichte der Eisenindustrie in Nassau" niedergelegt zu haben. Wenn wir uns aufgrund dieser hochinteressanten Geschichte und unter Berücksichtigung der Zeitgeschichte nun ein genaues Bild von dem schier märchenhaften Aufstieg und dem so tragischen Untergang der Familie Mariot machen können und dessen Ursachen genau erkennen, die Phantasie des Volke, daß noch Zeuge der Entwicklung gewesen war, konnte an die Natürlichkeit derselben nicht glauben und fand die Lösung in einer schönen Sage, die uns der Rheinische Antiquarius erzählt.

Vorausgeschickt sei, dass sie an die Sage von den Hanzelmännchen anknüpft, jenem Zwergengeschlecht, das unter einem Zwergenkönig in den Lahnbergen das kostbare Erz hütet und dem gläubigen, braven Bergmann ein helfender Freund in seinen schweren, gefährlichen Berufe ist.

"Etwas später als um die Mitte des 17. Jahrhunderts war es, als sich jener Johann Franz von Mariot, der Enkel des Gründers der Familie, Geschäfte halber nach Lüttich begeben hatte, seine Gemahlin zu Nievern zurückgelassen. In der an Geheimnissen so reichen Walpurgisnacht wachte diese in ihrem Schlafgemach, durch eine plötzliche Helle geweckt, auf und erblickte an ihres Bettes Seite ein gar kleines, eine Laterne von ungewöhnlicher Erfassung tragendes Weiblein. Mit dringenden herzlichen Worten bat das die Mariotte, doch mit ihm zu gehen, "drüben" liege eine vornehme Dame, fürstlichen Ranges, in Kindesnöten und erwarte von Ihr, die selbst drei Kinder geboren hatte und auch vornehmen Stande sei, Hilfe in ihrer Not. Nicht zweimal ließ sich die herzensgute Mariottin bitten und erhob sich sofort, um dem Weiblein eilends zu folgen. Dieses führte sie zu einer anfänglich breiten, zur Lahn hinunter führenden Treppe, die dann aber aufwärts in ein gar wunderbares, hell erleuchtetes Gewölbe mündete, wo Scharen von Diener sie erwarteten, und durch immer prächtigere, schier die Augen blendende Gänge geleiteten, am Ende derselben eröffnete sich auf leises Klopfen eine überaus reich geschnitzte Tür und eine Zwergin von vornehmsten Aussehen und dem feinsten Manieren fasste die Mariot an die Hand und führte sie zu der Wehmutter, der Zwergenkönigin. In wenigen Minuten hatte ihre geschickte Hand die erbetene Hilfe glücklich geleistet. Unter Worten des innigsten Dankes überreichte ihrr die Königin ein kostbares Ringlein mit den Worten: "solches am Finger, wolle sie am nächsten Johannisabend, wenn etwa die Sonne untergehen will, zu Weinähr, an des Silberberges Fuß, sich einfinden, und den Pfad hinabsteigen bis zu der Stelle, wo ihr einen Raben und zwei Habichte in dem Streite um eine tote Taube treffen werdet. Die Stelle merkt Euch wohl, denn sie birgt Euer Patengeschenk. Solange der Ring unverletzt in Euerer und Eurer Nachkommen Gewahrsam bleibt, solange wird das Glück Euch begleiten. Von der Zwergenführerin zum Ausgang des Gewölbes geleitet, fand sich die Mariottin am linken Ufer der Lahn, zwischen Ems und Fachbach wieder und eilte nach Hause.

Von Visionen sprach ihr zurückgekehrter Gemahl, als sie ihn von der wunderlichen Begebenheit berichtete. Doch das Ringlein machte ihn stutzig und als der Johannistag herankam, begab er sich doch mit ihr gegen Abend an die angegebene Stelle und völlig bekehrt wurde er sodann, als er des Raben Kampf mit den zwei Habichten sah. Schon am nächsten Morgen ließ er von seinen Häuern an dieser Stelle einschlagen und stieß bald auf mächtige Adern von Silbererz, die ein volles halbes Jahrhundert hindurch die Mariot mit Reichtum überschütteten.

In die Verlassenschaft des "glücklichen Fundgräbers", zu der auch das Ringlein des Zwergenkönigin gehörte, teilten sich seine beiden Söhne und seine einzige Tochter. Halsstarrig und boshaft bestand der zweite (jener Josef Anton, der Gutsherr von Geisenheim) auch auf der Teilung des Ringleins. Von der Stunde an jedoch, in der der Koblenzer Goldschmied es in drei Teile zerschnitten hatte, war es mit dem Glücke der Mariot vorbei. Die Erzgänge zu Weinähr schlossen sich für immer."

Längst sind die Hütten der Mariot an der Lahn, am Rhein, auf dem Einrich und dem Westerwald zerfallen. Und von manchen ist auch keine Spur mehr vorhanden, nur die Geschichte kündet von ihrer einzigen Blühte. Längst sind auch ihre Gruben zu Bruch gegangen, doch werden auf ihren Gängen noch heute Erze gewonnen und da kann es vorkommen, dass die Häuer in der Tiefe noch auf alte Türstöcke und Pfosten mit Jahreszahlen aus dem 17. Jahrhundert und einen eingehauenen "M" stoßen, die Zeichen der einzigen Bergwerks- und Hüttenherrn von Mariot.





Anmerkung *:
Wegen seiner Bedeutung, auch für die Bendorfer Industriegeschichte, wurde dieser Aufsatz in die Reihe unserer Veröffentlichungen auf unsere HomePage aufgenommen.
Ein Mitglied der Familie Mariot hatte Ende des 17. Jahrhunderts in Bendorf-Mülhofen eine Herrschaftliche Mühle gekauft und es wurde am Platz der Mühle, von den "Mariots", der "Rothe Hammer" erbaut. Dieser ging um die Mitte des 18.Jahrh. in den Besitz des Trierischen Kellners Steitz(oder auch Steiz) über. Dieses Gelände wurde in späteren Jahren von der Familie Lossen erworben und wurde zur Keimzelle der "Concordiahütte"






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