HERZLICH WILLKOMMEN

Geehrte Besucherin / Besucher, Sie haben eine Seite der Homepage der
Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.
kurz gesagt der "GGH" angewählt.
Die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde (GGH) hat es sich zur Aufgabe gemacht Ihnen, wenn Sie wollen, ein wenig über unsere Heimatstadt Bendorf zu berichten. Unser Angebot richtet sich in der Hauptsache an geschichtlich und heimatkundlich Interessierte.
Mehr über Bendorf und unser Angebot auf unserer Startseite


Das 'Schlacke-Hotel' im Bendorfer Hafen war ein beliebter Treffpunkt *

von Peter Lindemann


Vom Handwagen aus wurde Bier verkauft
Um die Jahrhundertwende entstand der Bendorfer Hafen
Heute ist der Hafen ein wichtiger Handelsfaktor

Der Bendorfer Hafen im Jahre 1951. Im Vordergrund der Steiger für die 'Köln-Düsseldorfer'

Natürlich würden mich alle Kenner der Sache Lügen strafen, wenn ich behaupten wollte, der Bendorfer Hafen sei jemals eine Idylle gewesen. Seine Geschichte ist nicht alt genug, um die Vergangenheit in verklärtem Licht erscheinen zu lassen, sie ist andererseits aber auch nicht so jung, daß man sie als plötzlichen Einfall der Moderne apostrophieren wollte. Der Hafen wurde aus nützlichen und durchaus weitsichtigen Überlegungen um die Jahre 1900 geschaffen. Aber eine traditionelle Geschichte hat er - zumindest bei oberflächlicher Betrachtung - nicht. Doch für die industrielle Entwicklung Bendorfs, für die Geschichte der Arbeiterschaft wird man ihn nicht außer acht lassen können. Vor der Hintergrund einer geplanten Industrieausstellung wird er demnach historische Bedeutung erlangen.

Wer an den spiegelglatten Mineralöltanks vorbeifährt, die Haufen von Kies und Sand liegen läßt, den großen Kranen mit ihren tonnenschweren Greifern verhaltene Bewunderung zollt, kommt unweigerlich zum Gebäude des Hafenamts, das Beachtung verdient, schon deshalb, weil es stilistisch alles andere als ein nüchternes Industriegebäude darstellt. Unmittelbarer Anlass für den Bau des Hauses war die Einrichtung einer Dampferanlegestelle der "Köln-Düsseldorfer" mit einem städtischen Güterschuppen für den Versandt von Waren mit den Personenschiffen. Das Haus war von Anfang an Arbeitsstätte des Hafenmeisters und dabei ist es auch bis heute geblieben. Aber die Räume des Obergeschosses, wo sich heute die Büros der Bendorfer Umschlags- und Speditions-GmbH befinden, beherbergten dereinst eine stark frequentierte Gastwirtschaft.

Das 'Hafenamt' und Hafenschenke wurde 1911 seiner Bestimmung übergeben

"Fritsche Luis" riefen die Gäste kumpelhaft die Wirtin dieses Unternehmens - "Schlacke-Hotel" nannten sie das gastfreundliche Haus. Hotel war sicher etwas hochgegriffen, denn Fremdenzimmer gab es im größeren Rahmen nicht. Zwei Räume, so erinnert sich Frieda Mildenberger, eine entfernte Verwandte der Wirtin, konnten gelegentlich vermietet werden. Doch die Bezeichnung "Schlacke-Hotel" war keineswegs ganz aus der Luft gegriffen.

Nach dem Bau der Hafenmauer mußte das dahinterliegende Gelände mit der anfallenden Schlacke aus der Mülhofener Hütte aufgefüllt werden, was eine äußerst schweißtreibende Beschäftigung war. Die durstigen Arbeiter fühlten sich deshalb bei Fritsche Luis außerordentlich wohl. Es war eine recht familiäre Stimmung im Haus. Würfel wurden auf den Tisch geknallt, Skatspieler reizten "auf Teufel komm heraus", Sorgen wurden am Tresen besprochen, denn trotz aller Arbeit war Luise eine geduldige Zuhörerin. Frieda Mildenberger verdiente sich als Kind ein paar Groschen hinzu, indem sie per Leiterwagen kleine Fäßchen Bier, aus der damaligen Brauerei Hünermann, im Auftrag und Namen von Fritsche Luis zu den hart schuftenden Arbeitern brachte und gewissenhaft anzapfte.

Auf Grund seiner Lage direckt am Rhein war das 'Schlackenhotel' auch ein beliebtes Ausflugsziehl für Jung und Alt

Gäste kamen ins Schlacke-Hotel aber auch von weit her, Bendorf, und hier vor allem der Luftkurort Sayn, waren Ziel vieler Besucher. Diese kamen per Eisenbahn oder auch in großen Scharen mit den Dampfern der weißen Flotte der Köln-Düsseldorfer, die seinerzeit noch in unmittelbarer Nähe des Schlacke-Hotels eine Anlegestelle unterhielten.

In den Jahren des Ersten Weltkrieges wurde das Hafengebiet in ein Depot für die deutsche Wehrmacht umgestaltet. Nach der Niederlage ergriffen die Amerikaner Besitz von diesem Depot und bauten es weiter aus. Das waren abwechslungsreiche und zugleich interessante Jahre für das Schlacke-Hotel. Außerdem gab es gerade in den zwanziger Jahren mehrfach großes Hochwasser, so daß die Stammgäste nur per Boot die Gaststätte erreichen konnten.

Mit dem Zweiten Weltkrieg setzte dann der Niedergang des Hauses ein. Aus den Kriegsjahren gibt es kaum noch Überlieferungen, nach 1945 schließlich wurde die Gaststätte geschlossen. Nach dem 2. Weltkrieg betrieb Lisbeth Wolf eine Hafenschenke im Später'schen Schuppen, der später dem Öltanklager weichen musste. Die Stadt Bendorf baute den Hafen zielstrebig aus, gliederte ihm 1970 bis 1972 den Mineralölhafen an und mauserte sich damit zu einem der umschlagstärksten Häfen am Mittelrhein. Es wurde eine neue, moderne Hafenschänke erbaut, in der auch heute noch von den "alten Kämpen" hin und wieder die Geschichten von damals ausgegraben werden.

Das Schlackenhotel konnte bei dem Hochwasser von 1919 nur mit dem Nachen erreicht werden

Museumsleiter Hans Scharfenstein, der auch über die Geschichte des Bendorfer Hafens und über das Schlacke-Hotel umfangreiches Material gesammelt hat, erinnert natürlich mit besonderer Vorliebe daran, daß beim Abbaggern der alten Sandbank - der Horstatt - vor dem Bendorfer Hafen ein Glücksgriff getan wurde: bei den Ausschachtungsarbeiten wurden etliche tausend römische Münzen zutage gefördert. Sie sind ein Beweis dafür, daß Bendorf schon in römischer Zeit - und sicherlich auch noch davor - ein bevorzugter Siedlungsplatz am Mittelrhein war.

Es geht dem engagierten Mann, der schon so vieles ehrenamtlich und unentgeltlich für seine Heimatstadt getan hat, nicht um oberfächlichen Ruhm oder um Ehre. Er ist vielmehr davon überzeugt, daß intensive Nachforschungen noch weitere bedeutsame Zeugen der Vergangenheit zutage bringen werden. "Aber Geschichte ist nicht nur entfernte Vergangenheit," betont Scharfenstein. "Geschichte spielt sich jeden Tag um uns herum ab. Geschichte ist mittlerweile auch das Geschehen um das Schlacke-Hotel - und viele Menschen werden meinen, das alles sei doch erst gestern gewesen."



Anmerkung:
Dieser Aufsatz ist erschienen in: Bendorfer-Zeitung vom 12.04.1988
Für das Internet wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.






Geehrte Besucherinnen und Besucher wir danken Ihnen für Ihren Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von Ihnen freuen.
GGH_56170 Bendorf
Für Ihre Anregungen und Hinweise: