Von der Geschichte des
Bendorfer Gefängnisses
Nette Anekdoten
Von Peter Lindemann
Für Scherben der "Jungen" saßen die "Alten" Wer
nie einmal im Bullesje war...
Wer in früheren Zeiten arm war und zudem auch noch seine
Kinder nicht richtig im Griff hatte, für den waren die Aussichten
groß, das Bendorfer Gefängnis einmal von innen zu betrachten. So
mancher Familienvater, der die von seinem Sohn zerschlagene Fensterscheibe
nicht bar bezahlen konnte, mußte für zwei oder auch drei Tage im
"Bullesje", auch "Duckesje" genannt, Platz nehmen. Zwischen Kirchplatz und
Unterer Vallendarer Straße steht das Gebäude heute noch
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs aber hat es keine Insasssen mehr
gehabt. Ohnehin war es stets nur Haftanstalt für kleine Sünden
gewesen; die schweren Straftaten wurden schon seit jeher in Koblenz verhandelt
und gesühnt
Wärter und Gendarm Das Bullesje bot zudem dem
jeweiligen Polizeidiener, der Gefängniswärter und Gendarm in einer
Person war, eine Wohnung. Die Frau des Polizisten versorgte die Inhaftierten
mit (bescheidenen) Speisen und Trank.
Dem Vernehmen nach soll es nicht selten vorgekommen sein, dass
sich junge Burschen wegen einer Kleinigkeit freiwillig verhaften ließen,
um der Frau des Gendarmen gegen eine ordendliche Mahlzeit bei der
"großen" Wäsche zu helfen. Dann mussten sie an einer handbetriebenen
Waschmaschine die Kurbel bedienen.
Waren die Zellen frei, konnten auch umherziehende
Nichtseßhafte darin übernachten.
In den Jahren bis 1850 und bis zum Zweiten Weltkrieg kam man wegen
"Straftaten" ins Gefängnis, die uns heute beinahe lächerlich
erscheinen. Das rührte aber auch daher, daß die Schutzleute eine
gewisse Anzahl an Protokollen zu schreiben hatten, wollten sie bei der
Obrigkeit nicht in Ungnade fallen.
Litten unter Schadenfreude Andererseits waren die
Gendarmen bestrebt, sich bei den Bürgern nicht verhaßt zu machen,
mußten sie doch ohnehin ein gerüttelt Maß an Schadenfreude
hinnehmen, die sich - heute wie gestern - immer einstellt, wenn Uniformierten
etwas danebengeht
Verboten war beispielsweise das Umherstehen an Straßenecken
in kleineren und größeren Gruppen. Jagd machten die Polizisten auf
Radfahrer, deren Karbidlampe nicht brannte. Streitigkeiten innerhalb von
Familien endeten nicht selten mit der Inhaftierung beider Parteien, auf
daß sie im Bullesje wieder einig würden.
So um 1880 war es, als der Schulmeister Eifler den Gendarmen Johan
auf die Fährte eines Schülers setzte, der in konstanter Bosheit die
Schule schwänzte. Hinter Lenchens Haus spürte Jordan den Lümmel
beim eifrigen Spiel auf. Er packte ihn und setzte den sich heftig Wehrenden auf
seine Schultern, um ihn in Richtung Schule zu tragen. Die Gedanken an den
Rohrstock des Schulmeisters ließen dem Jungen wohl sämtliche Felle
davonschwimmen und zu einer "Verzweiflungstat" greifen. Neben einer Gartenmauer
griff er flink nach dem Helm des Gendarmen und warf ihn in hohem Bogen in den
Garten. Ein Polizist ohne Helm aber war nicht nur seiner Kopfbedeckung, sondern
auch seiner Würde beraubt
Bengel sausen lassen Was blieb dem armen Jordan da
anderes übrig, als den Bengel sausen zu lassen und über die Mauer zu
steigen? Wohl entging der Lausert damit letztendlich doch nicht seiner
Züchtigung, in den Herzen vieler Bendorfer aber blieb er ein "heimlicher
Held".
Mit wenigen Ausnahmen verstanden sich Bürger und Polizisten
im Grunde aber gar nicht so schlecht Daß die Gendarmen meistens
Spitznamen hatten, war eher ein Zeichen von Sympathie. So berührte
beispielsweise viele Bendorfer das tragische Ende des Polizeidieners Schade
sehr tief. Er war, wie so oft, eines Morgens als nebenamtlicher Ausrufer durch
die Straßen gezogen und hatte angesichts seiner bestehenden Pensionierung
gesungen: "Ach wie wohl ist dem zumut, der heut letztmalig schellen tut" Schon
am nächsten Tag verstarb der Mann an einem Schlaganfall.
"Protokollpädchen" Zum Bullesje gab es aber auch
eine Alternative, an die so mancher Bürger denkt, wenn er hinaus ins
Großbachtal wandert Der schmale Wanderweg trägt bei Einheimischen
den Namen "Protokollpädche". Wer sein Protokoll nicht bezahlen konnte, im
Duckesje aber auch nicht absitzen wollte, wurde ins Großbachtal
zwangsverpflichtet, wo er mit Pickel und Spaten den beliebten Wanderweg
anzulegen half.
Die Flucht gelungen Als nach 1933 die Zeiten schlimm
wurden, saßen mehrfach auch politisch Andersdenkende im Bullesje. Einem
Kommunisten aus Bendorf aber gelang eine abenteuerliche Flucht. Bei Nacht und
Nebel konnte er türmen, floh über Frankreich und Spanien und
kämpfte dort in den Reihen der Rot-Spanier gegen das Franko-Regime.
Da waren auch die Zeiten endgültig vorbei, in denen es in
Bendorf in Abwandlung eines alten Sprichwortes hieß: "Wer nie einmal im
Bullesje saß, das ist kein rechter Mann."
Vergleichsweise harmlos sieht das frühere Bendorfer
"Gefängnis" aus. mit Haftanstalten moderner Prägung hatte es so gut
wie nichts gemein.
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