Vorwort Bendorfs bewegte
Vergangenheit über viele Jahrhunderte hinweg hat schon immer das Interesse
von sehr vielen Autoren und Chronisten geweckt. Über Bendorfs Geschichte
gibt es eine reiche Fülle an Dokumenten, Aufzeichnungen und
Erzählungen, welche die Vergangenheit unserer Heimat aus den
unterschiedlichsten Blickwinkeln widerspiegeln. Es erscheint mir daher
äußerst reizvoll, einige wertvolle heimatkundliche Aufsätze aus
dieser Fülle von Veröffentlichungen erneut der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Ein Problem ist es allerdings, dass von vielen
dieser ehemaligen Autoren - trotz sorgfältiger intensiver Recherche -
keine Angaben zum Copyright auffindbar waren. Diese Autoren haben ihre Arbeiten
in den verschiedensten Publikationen, wie z. B. Heimatkalender, Jahrbücher
und Zeitungen, veröffentlicht. Etliche der Zeitungen, wie die alte
"Bendorfer Zeitung", "Neuwieder Zeitung" oder die "Koblenzer Zeitung", mit
ihren Beilagen, sowie Heimatblätter und dergleichen wurden im Laufe der
Jahrzehnte, eingestellt. Ein Inhaber der Rechte für den folgenden
Artikel ist der GGH nicht bekannt; sollte es aber einen geben, so bitten wir
höflichst um Nachsicht und entsprechende Informationen, die wir dann gerne
und umgehend berücksichtigen werden.
Der erwähnte Aufsatz erschien in:
Heimat-Blatt und Geschichtschronik. 1930 für die ehemals Wiedischen
und Nassauischen Lande, für Westerwald, Eifel und Mittelrhein.
Für die Einstellung ins Internat wurde er entsprechend bearbeitet von
W. Kutsche. |
Sitten und Gebräuche zu
früherer Zeit.
Von A. Elsen, Bendorf.
Interessante Einblicke in die Sitten und Gebräuche
früherer Zeit gewinnt man beim Studium alter landesherrlicher
Verordnungen. In ungeschminkter Sprache werden dort vorhandene
Mißstände gerügt und drakonische Strafen für Sachen
angedroht, deren Verbot uns heute als Eingriff in das Privatleben
unmöglich erscheint. Hochzeiten und Kindtaufen scheinen damals wie heute
ein Anlaß zu besonderer Freude gewesen zu sein. Dabei ist es wohl auch
öfters zu Ausschreitungen gekommen, denn am 23. September 1706 verordnet
Johann Wilhelm, Graf zu Sayn, folgendes:
Zur Erneuerungen der in Nichtbeachtung geratenen Verordnungen,
die 1684 und 1698 gegen die bei Hochzeiten, Kindtaufen und Beerdigungen
stattfindenden Mißbräuche, wird folgendes bestimmt:
- 1. Sonnabends dürfen keine Eheverlöbnisse gefeiert
werden.
- 2. Zusammenkünfte der Anverwandten und Nichtbefreundeten
der Hochzeiter am Vorabend des Hochzeitstages, und die dabei stattfindenden
Tanz- und anderen Gelage, sind bei Strafe von 50 Florin, für den Hochzeit
der und von 10 Florin für jeden Gast verboten, und ist nur die Bewirthung
der entfernt wohnenden Hochzeitsgäste mit einer nothdürftigen
Mahlzeit erlaubt.
- 3. Am Morgen vor der Copulation darf vor derselben kein
Frühstück gereicht werden, und muss
- 4. Der Kirchgang der Brautleute im Sommer längstens um
9:00 Uhr, ohne Rücksicht auf Anwesenheit der geladenen Gäste,
stattfinden.
- 5. Zu einer Hochzeit, deren keine ohne Spezialerlaubnis an
einem Sonn- oder Feiertage abgehalten werden darf, dürfen in allem nur 20
Paare ein- und ausheimische Gäste geladen werden, und darf keine
länger als zwei Tage dauern. Das Eier- und Würsteholen, so wie das
Umherziehen und Verkleiden, ist bei 10 Florin Strafe für jeden verboten.
Am dritten Tage nach der Hochzeit ist den fremden heimkehrenden Gästen ein
Frühstück zu geben gestattet, jedoch dabei die Bewirthung der
Einheimischen bei 10 Florin Strafe für jeden derselben und bei 30 Florin
Buße für den Hochzeiter verboten.
- 6. Bei Weinhochzeiten, und respektive bei Bierhochzeiten
dürfen die Gäste, jedoch ausschließlich der Geschwister und
nächsten Anverwandten den Hochzeitern keine höheren Geldgeschenke als
2 Reichsthaler respektive 6 Kopfstücke geben. Bei 20 Florin Geldstrafe
für jeden.
- 7. Sommers um 10:00 und Winters um 9:00 Uhr abends müssen
alle Hochzeitsgelage beendigt werden bei 6 Florin Strafe für jeden
länger verweilenden Gast. Auch ist das Schießen während des
Kirchganges oder der Hochzeit so wie alle andere Ueppigkeit bei
willkürlicher Strafe verboten.
- 8. Kindtaufen sollen des Sonntags nach der mittäglichen
Predigt vollzogen und nur den entfernt von der Kirche wohnenden Einwohnern
dasselbe am Morgen gewährt werden.
- 9. Bei denselben sollen nicht mehr als 3 Gevattersleute und bei
den desfalsigen nur auf einen Tag zu beschränkenden Gelagen nicht mehr als
8 Personen gestattet werden. Die Gewährung eines Frühstücks an
die am 2 Tag abziehenden auswärtigen Gevattersleute ist dadurch nicht
verboten.
- 10. Vor der Taufe soll weder Gesöffe noch Gasterei
gehalten und bei dem Kirchgang, bei den im § 6 angeordneten Strafen, keine
Mahlzeit gehalten, sondern nachhause gegangen werden und sind
- 11. alle Leichen-Gelage bei 50 Florin Strafe verboten. Jedoch
ist es erlaubt, den Pfarrern, Schulmeistern, Glöcknern,
Leichenträgern und Totengräbern, wo der Ortsgebrauch besteht, eine
Mahlzeit zu reichen.
Mit dem gleichen Gegenstand befaßt sich ebenfalls eine
für die Grafschaft Sayn-Altenkirchen am 12. August 1776 erlassene
Verordnung in der bestimmt ist, dass behufs strengerer Handhabung der
landesherrlich bestätigten Verordnung vom 7. Juli vorigen Jahres, wonach
bei Kindtaufen nur zwei, höchstens drei Gevattersleute zulässig sind,
die Beamten angewiesen werden, "diese Bestimmung wiederholt zu publizieren und,
bei ferneren Entgegenhandlungen, die daran sich beteiligten Pfarrer und Eltern
des Täuflings zur Bestrafung anzuzeigen."
Am 27. Dezember 1781 wird für das gleiche Gebiet zu
Altenkirchen folgende Verordnung erlassen: "der kostspielige Gebrauch,
daß die Unterthanen ihren Gevattersleuten um die Neujahrszeit einen
Schmaus geben, wird für die Zukunft bei 10 Reichsthalern herrschaftlicher
Strafe verboten."
Sehr eingehend sind auch die Bestimmungen, die das Verhalten der
Trauergäste bei Beerdigungen regeln. Christian Friedrich Karl Alexander,
Graf zu Sayn verordnet am 12. Juli 1788:
"Zur Beseitigung vieler Mißbräuche bei der Trauung
und Beerdigungen von Verstorbenen in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen werden
die nachstehende Vorschriften zur allgemeinen Nachachtung und respektive
Handhabung verkündet:
- 1. Das Trauern in schwarzer Kleidung ist ohne Ausnahme,
desgleichen auch
- 2. Die Abgabe von Trauerbekleidungsgegenständen an
Dienstboten und Gesinde durchaus verboten.
- 3 die Anwendung von kostbaren Kränzen bei Kinderleichen,
so wie
- 4. der an den Särgen stattfindende Aufwand, ist ganz
untersagt; und sollen Letztere ganz einfach, ohne Zierrathen und kostbare
Beschläge, von Tannenholz, und nur da, wo dieses fehlt, oder, wenn des
toten Hinterbliebene großen Vorrat an Eichenbrettern besitzen, von
Letzteren gefertigt werden.
- 5. Leichen-Gelage oder Mahlzeiten dürfen bei 15 Florin
Strafe, halb zu Gunsten des Fiskus und halb zum Vorteil der Ortsarmen, nicht
gehalten werden.
- 6. Das durch Verordnung vom 17. Juni 1784 bereits erlassene
Verbot der Beerdigungen in Kirchen, und der gleichzeitige Befehl zur
ordentlichen Bewirkung der selben auf den Kirchhöfen, wird, unter
Abschaffung aller Familien-Erbbegräbnisse, dahin erneuert, das
- 7. Alle Leichen, ohne Unterschied des Standes und Alters,
reihenweise auf den Gottesäckern in den Städten und auf dem Lande
eingesenkt werden müssen.
- 8. Jedem ist es erlaubt, die Beerdigungen seiner Verstorbenen
am frühen Morgen in aller Stille und ohne Glockengeläute bewirken zu
lassen; und sollen
- 9. anstatt der seither üblichen und ferner zu
unterlassenden Leichenreden am Grabe, die Pfarrer für die während
einer Woche in der Stille beerdigten Verstorbenen, an dem darauf folgenden
Sonntage, nach Beendigter Amtspredigt, eine kurze und schickliche
Gedächtnisrede halten. Für jede in der Stille beerdigte Leiche soll
den Geistlichen, Schuldienern und Glöckner die herkömmliche
Stol-Gebühr, sodann auch, wo es hergebracht ist, das Leichenopfer mit 1
Florin rhein. entrichtet werden.
- 10. Keine eines natürlichen Todes sterbende Personen, sie
sei Christ oder Jude, darf vor Ablauf von 72 Stunden nach Eintritt des Todes, -
in sofern nicht die Zeichen der Verwesung vorhanden und von einem Wundarzte
(gegen 30 Kreuzer Gebühr) beim Amte angezeigt worden sind -, beerdigt
werden.
Die Übertretungen der obigen Vorschriften
sollen mit nachdrücklicher herrschaftlicher Strafe belegt
werden.
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