HERZLICH WILLKOMMEN Geehrte Besucherin / Besucher, Sie haben eine Seite
der Homepage der Anna Vogt und das Bendorfer Sekretariat des Jugendbundesvon Dieter Kittlauß
Mit der Insolvenz des Hedwig - Dransfeld Hauses am 7. Oktober 2003 ging die 78jährige Geschichte des Hedwig - Dransfeld - Hauses in Bendorf zu Ende. Nach der Insolvenz bestimmte der vom Amtsgericht eingesetzte Insolvenzverwalter das Geschehen und von diesem erhielt ich freundlicherweise Zugang zu allen Räumen, um nach noch vorhandenen Altakten des HDH zu suchen und diese zu sichten. Wichtige Akten konnten so gerettet werden und sind mittlerweile in einem eigenen Findbuch im Landeshauptarchiv Rommersdorf aufgeführt. In diesem Zusammenhang interessierten mich Akten aus der Zeit des Jugendbundes vor 1939. Zufällig wurde ich fündig. Ein DIN A 4 - Ordner mit Originalbriefen und Dokumenten fand sich in einer Dachkammer des ehemaligen Mütterkurheimes unter einem großen Stapel von Bauakten. Ich hielt diese Akten zurück, um sie für die Bendorfer Heimatgeschichte aufzuarbeiten, bevor sie der staatlichen Archivierung zugeführt werden. Mit diesem Beitrag realisiere ich dieses Vorhaben. Der Jugendbund war die Jugendorganisation (>Mädchen) des Katholischen Deutschen Frauenbundes und wurde im Jahre 1913 gegründet. 1926 wurde das Sekretariat des Jugendbundes von München nach Bendorf verlegt. Anna Vogt, mit der seltenen Mehrfachbegabung von Intellektualität, Charisma und Organisationsfähigkeit, die von der Kölner Zentrale des Frauenbundes mit der Verlegung und Leitung des Jugendsekretariats beauftragt wurde, gab von Bendorf aus dem Jugendbund mit seinen ca. 270 Gruppen und ca. 6000 Mitgliedern im ganzen Deutschen Reich eine bündische Form. Ich freue mich, dass es mir mit diesem Beitrag möglich ist, einen Aspekt der Bendorfer Geschichte des 20. Jahrhunderts in Erinnerung zu rufen, der in Bendorf im allgemeinen wenig bekannt ist. Der katholische Frauenbund Deutschlands (K.F.D.)1865 begann in Deutschland mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) die organisierte Form der Frauenbewegung. Führend in dieser bürgerlichen Frauenbewegung waren u. a. Henriette Goldschmidt und die Schriftstellerin Louise Otto-Peters (1819-1895), geborene Otto. Sie gründeten die erste deutsche Frauenzeitung, riefen zum ersten Frauenkongress auf und hoben den "Allgemeinen Deutschen Frauenverein" (ADF) aus der Taufe. Der ADF trat besonders für das Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit für bürgerliche Frauen ein. Bis dahin war es Frauen nach Abschluß der Höheren Töchterschule nur möglich, Lehrerin zu werden. Im Gegensatz dazu verlangte die proletarische Frauenbewegung unter Clara Zetkin die volle Frauenemanzipation und eine Verbesserung der Bedingungen der Fabrikarbeiterinnen. In den 1890er Jahren tritt die Einführung des Frauenwahlrechts und die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218 zu den Forderungen der deutschen Frauenbewegung. Zur Vernetzung der vielen unterschiedlichen Frauenvereine wurde 1894 der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) als Dachverband gegründet, der sich außerdem dem "International Council of Women" (ICW) anschloß. Die Vereine der proletarischen Frauenbewegung blieben allerdings wegen politischer Differenzen ausgeschlossen. Die bürgerliche Frauenbewegung mit dem BDF kämpfte weiterhin für das Recht auf Bildung, für freie Berufswahl und die Zulassung zum Universitätsstudium. Das Immatrikulationsrecht wurde zwischen 1900 und 1909 in den Ländern durchgesetzt, 1920 erhielten Frauen das Habilitationsrecht, ab 1924 die Möglichkeit, Richterin zu werden. Außerdem trat 1908 die lang umkämpfte Vereinsfreiheit für Frauen in Kraft, die es Frauen ermöglichte, Mitglieder einer Partei zu werden. In der Katholischen Kirche waren die Frauen in den Ordensgemeinschaften (> incl. 3. Orden), Kongregationen (> zur Pflege bestimmter Andachtsformen), Paramentenvereinen (> Erstellung von Gewändern und Textilien für Gottesdienste) und Müttervereinen (> Soziale Hilfe für Arme und Mission; Paramentenvereine ) organisiert. Politische und gesellschaftsverändernde Ziele waren weniger oder gar nicht bedeutsam. Als am 16. November 1903 in Köln der Katholische Frauenbund Deutschland gegründet wurde, erhielt die Frauenbewegung auch innerhalb der Katholischen Deutschen Kirche einen institutionellen Platz. Als erste Vorsitzende wurde Hedwig Dransfeld aus Werl (Westfalen) gewählt. Hedwig Dransfeld hatte 1897 die Schulleiterinnenprüfung abgelegt und die Redaktion der Zeitschrift "Die christliche Frau" übernommen. Sie formte die katholische Frauenbewegung maßgeblich. Bereits 1904 gründete in München ihre Freundin, die schwedisch-deutsche Frauenrechtlerin, Ellen Amman, mit dem "Bayerischen Landesverband des Katholischen Frauenbundes" den ersten Zweigverein des Frauenbundes. 1910 war der Frauenbund bei der Gründung der Internationalen Frauenliga beteiligt. Im Unterschied zu den katholischen Müttervereinen, die auf Pfarrebene organisiert waren, war der Frauenbund zentral organisiert und setzte sich für Chancengleichheit, Bildung und öffentliche Verantwortung der Frauen ein. "Die Frauen mit Hut", wie man die meist aus mittelständischen Familien stammenden leitenden Damen des Frauenbundes nannte, passten gar nicht in das traditionelle Bild der drei katholischen K: "Kirche, Kinder, Küche" als Lebensaufgaben für Frauen. Die Damen des Frauenbundes waren gebildet, erstaunlich offen gegenüber den Problemen ihrer Zeit, sozial engagiert, zwar treu zur katholischen Kirche - aber immer auch kritisch und mit dem Anspruch auf eigene Meinung. Sie interessierten sich für Theologie, Politik Kunst, Geschichte und Pädagogik. Sie hatten soziale Verantwortung oft schon im Elternhaus erlebt und waren oft international vernetzt. 1909 gründete Ellen Ammann die "Sozial - caritative Frauenschule" in München, um Frauen für die Übernahme sozialer und karitativer Aufgaben professionell auszubilden. Weitere Frauenschulen entstanden in Köln und in Aachen. Es war kein Zufall, dass nach 1918 führende Frauen des Frauenbundes politische Mandate im Reichstag und in den Landtagen übernahmen. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches engagiert sich Hedwig Dransfeld mit Helene Weber in der Zentrumspartei und wird Abgeordnete im Deutschen Reichstag. Als eine der ersten Frauen wird Ellen Ammann 1919 in den Bayerischen Landtag gewählt. Die Überlebenden dieser Frauengeneration gehörten nach dem 2. Weltkrieg zur Gründergeneration eines demokratischen Deutschlands (z.B. Christine Teusch, Änne Brauksiepe, Mathilde Berghofer . Die
Jugendabteilungen des Frauenbundes
|
Da ergreift Anna Vogt, eine Schülerin von Maria Buczkowska, die Initiative. Im Gegensatz zu Hedwig Dransfeld, Helene Weber, Albertine Brandenberg, Gerta Grabbel und den vielen anderen prominenten Damen des Frauenbundes, die alle eine akademische Vorbildung erworben hatten, gehörte Anna Vogt zu der Generation, die durch den 1. Weltkrieg entwurzelt wurde, Vermögen, gesellschaftliche Stellung und meist auch ihre Partner verloren hatten. Als der Frauenbund die Idee von sozialen Frauenschulen in München, Köln und Aachen verwirklichte, entschloss sich Anna Vogt zu der Ausbildung als Sozialfürsorgerin und kam so auch mit Maria Buczkowska in Kontakt. Zwischen beiden Frauen entstand eine intensive Beziehung. Als sich Maria Buczkowska auf Grund ihres Alters entschloss, die Leitung der Jugendarbeit in der Zentrale des Frauenbundes abzugeben, schlug sie Anna Vogt zu ihrer Nachfolgerin vor, die schon längere Zeit im Jugendsekretariat mit tätig war. Seitens der Frauenbundzentrale gab es zwar gegenüber Anna Vogt erhebliche Bedenken, da diese keine akademische Ausbildung hatte, aber schließlich setzte sich Maria Buczkowska mit ihrem Vorschlag durch. Anna Vogt, so berichtete ihre Sekretärin, Lotte Dichgans, war eine sehr schöne Frau; sie hatte blonde Locken und trug am liebsten blaue Kleider. Wichtiger aber war ihre Fähigkeit, Orientierung zu geben und spirituelle Einsichten in konkretes Handeln zu übersetzen. Dazu gehörten die Erziehung in einer konkret erlebbaren Gemeinschaft (Gruppe) und die Selbsterziehung zu einem verantwortlichen Leben. Mit einer unbegreiflichen Energie gibt sie dem Jugendbund eine straffe Organisation, schafft in Bendorf ein organisatorisches und spirituelles Zentrum und erhöht die Mitgliederzahl auf über 6000 Mädchen und junge Frauen. Anna Vogt richtete 1926 das Jugendsekretariat im Fachwerkhaus auf der linken Straßenseite (im Volksmund Froschhaus bzw. Gartenhaus genannt, weil es mitten im Garten lag und hier sich früher beim offenen Wenigerbach viele Frösche ansiedelten) ein und gewann Klara Nünning als Mitarbeiterin. 1929 kommt für diese Nelli Fleig-Nikola in das Jugendsekretariat und 1931 - 1934 Lotte Dichgans aus Elberfeld. Das Hanghaus, das vor Jahren der Kaufmann Rezepta für seine Frau bauen ließ, wurde als Jugendherberge eingerichtet. Anna Vogt war es maßgeblich zu verdanken, dass durch den anerkannten Architekten Schwarz eine neue Kapelle gebaut wurde. Der Teich im alten Park wurde gesäubert und wurde nun auch Treffpunkt für Gottesdienste am Sonnenaufgang. Der Jugendbund wählte sich das doppelte Kreuz als Abzeichen auf dem Kleid. Auf dem Banner gab es das schwarze Doppelkreuz auf weißem Tuch. Zum Bannertragen und bei Gottesdiensten von besonderer Bedeutung wurden ein dunkelblauer Rock und eine weiße Bluse getragen. Natur erleben und Gemeinschaft pflegen, sich bilden und freimachen von den Zwängen der Erwachsenengesellschaft, neue Ideen und Visionen haben, solche Visionen beherrschten das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Für den Jugendbund als katholische Mädchenbewegung kam die religiöse Komponente dazu und diese hieß vor allem: persönliche Spiritualität, Leben in einer Gruppe, Verarbeitung moderner Theologie, Entwicklung von Gottesdiensten in erlebbarer Gemeinschaft, christliche Verantwortung in der Welt, Kirche mitgestalten und erleben.
Es gelingt Anna Vogt, Bendorf zu einem Lebenszentrum des Jugendbundes zu gestalten. In einem Brief v. 1.11.1936 zum Bundesfest Gaudete (>3. Adventssonntag) schreibt Anna Vogt rückblickend: "Es ist gut, dass uns kein großer Raum gegeben war, damit wir uns ihn immer wieder erobern mußten, in dem Masse, als wir am Werk waren. - Aus allen Gauen sind Menschen nach Bendorf gekommen. Wir haben zusammengelebt und zusammen gearbeitet. Immer ausgehend und umschlossen von dem Mittelpunkt Bendorf: So wurde Bendorf Heimat für den Bund, Heimat, die uns beschenkt und deren Geist und Lebensform verpflichtet."
Für die etwa 250 Zweiggruppen (die aufgrund der Altersunterschiede auch aus mehreren Altersgruppen bestehen konnten) im ganzen Deutschen Reich bekommt der Name "Bendorf" einen ganz besonderen, identitätsstiftenden Klang.
Exerzitien (> Tage zur religiösen Erneuerung), Ferienfreizeiten und Wochenenden mit theologischen und religiösen Themen ziehen Tausende von Mädchen und jungen Frauen nach Bendorf. Sie kommen meist in Gruppen und ziehen - oft singend und mit ihren Bannern - vom Bendorfer Bahnhof oder von der Straßenbahn durch die Stadt in die Mühlenstraße bis zum Wenigerbachtal. Eine besondere Bedeutung gewinnt die Feier der Kar- und Ostertage. Im Vorgriff auf die spätere Liturgische Erneuerung durch das II. Vatikanische Konzil werden die Gottesdienste als Gemeinschaft gefeiert. Die alten Symbole werden neu entdeckt: Nacht, Morgendämmerung, Gang zur Quelle, Meditation in der Natur, Salbung, Stehen und Gehen. Es wird aber auch der Gregorianische Choral gepflegt.(Anm.: 4) Anna Vogt pflegt die Kontakte zu den Mönchen von Maria Laach und dem Kloster Beuron, die sich beide um eine Erneuerung des Gottesdienstes in der Katholischen Kirche bemühen.(Anm.: 5) Anna Vogt kennt aber auch die Versuchung, Bendorf zu "ihrem" Machzentrum zu gestalten. Deshalb legt sie großen Wert auf gleichzeitige Dezentralisierung. Sie organisiert Werk- und Ferienwochen in Württemberg, Exerzitien in Gerleve und Höntrop, sie regt viele Treffen und Veranstaltungen in den 12 Gauen an. In der Handreichung von 1930 findet sich eine Liste der Gaue und der Gauleiterinnen
Saargau | Maria Hoffmann | Saarbrücken |
Industriegau | Lotte Dichgans | Elberfeld |
Rheingau | Gerta Kremers | Viersen |
Westfalengau | Seppel Franke | Münster |
Sachsischer Gau | Anni Bauer | Höxter |
Ostmark | Dorothee Peglau | Posen |
Niederschlesien | Eva Hübscher | Breslau |
Oberschlesien | Helene Schubert | Gleiwitz |
Poln. Oberschlesien | Elisabeth Strauss | Beuthen |
Bayern | Dr. Dora Huber | München |
Würtemberg | Leni Hills | Stuttgart |
Baden | Johanna Zeiser | Bruchsal |
An dieser Liste kann man deutlich erkennen, wie die konfessionelle Struktur das damalige Deutschland prägte. Die mehrheitlich protestantischen Länder wie Sachsen oder Mecklenburg fehlen.
Aus heutiger Sicht ist es schon erstaunlich, wie weitsichtig und strategisch Anna Vogt war. Sie bildet eine Jugendkommission aus den Gauleiterinnen und anerkannten Fachleuten aus Sozialarbeit, Theologie und sonstigen wissenschaftlichen Disziplinen. "Die Aufgabe der Jugendkommission besteht darin, den inneren und äußeren Aufbau des Jugendbundes zu fördern und daran mitzuarbeiten." Sie versteht das Bendorfer Jugendsekretariat nicht nur als organisatorisches Zentrum, denn sie will die "geistige Haltung des Jugendbundes". Die Quartalszeitschrift "Jugendziele" wird zu ihrem Führungsinstrument. Anna Vogt will keine "Kirchturmpolitik, deshalb baut sie die Zusammenarbeit mit der Volksbildungs - Bewegung aus. Volkshochschulkurse werden von Jugendsekretariat im Hedwig - Dransfeld - Haus angeboten. Sie legt aber auch Wert darauf, dass die Bindungen zum Frauenbund nicht abreißen. Ohne wenn und aber verlangt sie von allen Führerinnen, dass sie in den Zweigvereinen des Frauenbundes verantwortlich mitarbeiten. Ebenso fordert sie, dass es jede Führerin als ihre Aufgabe betrachtet, in den örtlichen Zusammenschlüssen der K.J.D. (>Katholische Jugend Deutschland) und im deutschen Jugendherbergswerk sehr intensiv mitzuarbeiten.
Anna Vogt entwickelt eine straffe Organisation, eine Art "demokratischen Zentralismus" Jede Gruppe muß sich "vor Ort" bilden und wählt für die Dauer von zwei Jahren eine Führerin. Diese "ist verantwortlich für den rechten Geist und die rechte Haltung in der Gruppe und soll die Arbeit hineinstellen, die das Leben fördert.. Dabei ist sehr daran zu denken, dass die Selbst - Tätigkeit und Eigen - Verantwortlichkeit aller, die zur Gruppe gehören, angeregt wird." Die Führerin bildet Arbeitskreis für Ältere und Jüngere und organisiert monatlich einen Gemeinschaftsabend für alle. Jede Gruppe gehört zu einem Gau. Die Gruppenführerin ist das Scharnier zur Gauleiterin, der sie gegenüber berichtspflichtig ist. Jeder Gau soll seine Eigenart pflegen. Die Gauleiterin muß deshalb jede einzelne Gruppe ihres Gaues persönlich kennen, schickt in jedem Quartal einen Rundbrief und ruft die Führerinnen ihres Gaues zweimal jährlich zu einer Führerbesprechung zusammen. Die Gauleiterin berichtet zweimal jährlich dem Bendorfer Jugendsekretariat. Anna Vogt nimmt sich aber auch selbst in die Pflicht: Das Jugendsekretariat ist nach ihrem Verständnis "Dezernat der Zentrale des KDF und steht in enger Verbindung mit ihr. Es wird dem Generalsekretariat monatlich Rechenschaft über die Arbeit ablegen. Die Leiterin des Jugendsekretariates ist im Vorstand des Frauenbundes."
Am Christkönigsfest (>im Kalender der Katholischen Kirche am letzten Sonntag im Oktober) 1928 gibt sich der Jugendbund bei der gesamtdeutschen Konferenz der Führerrinnen in Bendorf eine Grundforderung (Zielstellung) und eine Bundesordnung (Organisation). (Anm.: 6)
Unsere Forderung
Im Ringen der Zeit um letzte
Entscheidungen
Wollen wir unser Leben aus katholischer Weltanschauung
gestalten:
Wir wollen im Gewissen wach bleiben.
Für die Erhaltung
der christlichen Grundlage des Verhältnisses der Menschen
untereinander,
der Geschlechter zueinander.
Wir wollen unsere Kräfte
schulen, um als Frau die Aufgaben der Zeit mit erfüllen zu
können.
Von Anna Vogt gibt es ein Papier, in dem sie ihr Verständnis ihrer Arbeit beschreibt. Wegen der historischen Bedeutsamkeit, wird dieses Dokument hier im Original wiedergegeben. Anna Vogt ging es nie nur um Religion, nie nur um Kirche, nie nur um Frauen. Sie hatte ein erstaunlich modernes Frauenbild. Da gab es zwar Hauswirtschaft, kreatives Gestalten und Kindererziehung - aber ebenso Theologie, Kunst, Geschichte, soziale Verantwortung und Streben nach einem qualifizierten Beruf . In dem Versprechen am Bundesfest werden als "gottgewollte Aufgaben der Frau" drei Bereiche genannt: Ehe, Beruf und öffentliches Leben. Bei(Anm.: 7) aller Eingebundenheit in die Katholische Kirche bewahrt sich Anna Vogt ein tiefstes Gespür für die Verantwortung des Einzelnen zu eigener Lebensgestaltung, Im Unterschied zu Hedwig Dransfeld und Maria Buczkowska war Anna Vogt weniger politisch. Aber das Politische hat sie nicht aus ihrem Denken herausgeschnitten. In einem öffentlichen Brief von 1930 schreibt sie: "Mit den Äelteren gehen wir weiter zur Auseinandersetzung mit der Zeit. Wir wollen sie schulen zur Miterfüllung der Aufgaben katholischer Frauenbewegung. In unserer diesjährigen Osterwerkwoche haben wir einen sehr guten Ausgangspunkt für die politische Schulung des Jugendbundes gewonnen."(Anm.: 8) Für die Jahre nach 1937 muss ihre frühe Erkrankung berücksichtigt werden. Nicht zu übersehen ist, dass Anna Vogt nie rein individualistisch dachte. Der Satz "Wir wollen im Gewissen wachbleiben für die Erhaltung der christlichen Grundlage des Verhältnisses der Menschen untereinander", den sie selbst formuliert hatte, zeigt, dass sie immer im Bezugsrahmen einer Verantwortungsethik dachte. Für Anna Vogt ist die Verantwortung des einzelnen Menschen für Familie, Volk, Kirche und Welt ein integraler Bestandteil ihres Denkens und ihrer Frömmigkeit. Die Ohnmacht gegenüber dem alltäglich zu erfahrenen deutschen Faschismus ist vielleicht ihre tiefste Wunde, die schließlich auch zu ihrem frühen Tod führt.
Aus allen vorhandenen Dokumenten läßt sich erkennen, wie sehr sich Anna Vogt als Inspiratorin des Jugendbundes versteht. Sie lädt die Gauleiterinnen regelmäßig nach Bendorf ein, organisiert Treffen und macht selbst viele Besuche vor Ort. Da die Leitungsgruppe "Führerschaft" in den Gefahr ist, sich zu sehr auf organisatorische Fragen zu konzentrieren, verändert Anna Vogt im September 1936 dieses Führungsorgan zum " Bendorfer Kreis", in dem auch ehemalige Führerinnen mitwirken können.(Anm.: 9)
1931 nutzt sie die große Führerinnenschulungswoche in Bendorf zur Überarbeitung der Arbeitsziele. Ein Handbuch wird erstellt. Sehr viel Kraft investiert sie in die Vorbereitung des Reichstreffens Ostern 1933 im Kloster Eibingen. Aus dem ganzen Deutschen Reich schicken die Gruppen ihrer Vertreter. Der Industriegau mietet sogar ein Schiff von Düsseldorf bis Rüdesheim, von Münster aus wird eine Gemeinschaftsfahrt organisiert. Für Anna Vogt wird es der Höhepunkt ihrer Arbeit . Sie hält das Eingangsreferat mit dem Thema "Die Osterbotschaft im Leben des Christen". Außer ihr sprechen Helene Weber (MdR) und Maria Offenberg, die Leiterin der Aachener Frauenschule. Die vielen mitgebrachten Banner wurden auf den Namen der hl. Hildegard geweiht. Der Nationalsozialismus wird keinerlei Hemmungen haben, die Formen und Bräuche der Jugendbünde zu übernehmen und mit neuem Inhalt zu füllen. Anna Vogt, die vom Frauenbund ernannte Leiterin des Jugendsekretariates, war bisher nur von der Führerinnenrunde zur Bundesführerin gewählt worden. Hier beim Reichstreffen in Eibingen wird sie von den 700 Delegiertinnen in schriftlicher, geheimer Wahl einstimmig zur Bundesführerin gewählt. Ein großer Vertrauensbeweis und eine Bestätigung ihrer hohen Autorität.(Anm.: 10)
Anmerkungen:
4. Es
gibt heutzutage gibt in der Brüderkommunität von Taizé eine
ähnliche Entwicklung mit der Wiederentdeckung der lateinischen Sprache in
vielen Liedern.
5. Beide Klöster
begründen auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der
Liturgiegeschichte.
6. Brief von Anna Vogt
zu Gaudete November 1936. Bei der hier zitierten Bundesordnung handelt es sich
um eine verkürzte Form, die aufgrund der staatlichen Gesetzgebung
erforderlich war, in dem alle bündischen Formen weggelassen wurden.
7. Materialmappe 1929, Nr. 5
8. Arbeitsmappe, Beitrag Nr. 2
9. Schreiben "Kurzer Bericht über eine
Tagung des Bendorfer Kreises' am 12./13. Sept. 1936 in Bendorf
10. Unter
dem Kreuzesbanner, Festschrift des Jugendbundes, Pfingsten 1933
Auch im Jugendbund bekommt die allgemeine Ideologisierung der Fahne ihren Platz. In der Bannerordnung (Anm.: 11) ist die Form des Banners genau festgelegt. Nur jede Bundesgruppe (>anerkannt, Mitglied des Bundes, Erfüllung der Beitragspflicht und der Bundespflichten) darf ein Banner führen.. Das Banner muss durch die Gauführerin genehmigt und durch einen Priester geweiht sein, wobei die lateinischen Texte deutsch zu wiederholen sind.. Bannerträgerinnen können nur Mitglieder des Bundes sein. Die Bannerträgerinnen und ihre Begleiterinnen tragen dunkelblauen Rock und weiße Bluse mit langem Ärmel. Selbst das Tragen des Banners ist bis ins einzelne festgelegt: "Das Banner wird beim Einzug in die Kirche und in allen feierlichen Augendblicken (z.B. Bannerlied und Te Deum) hochgestemmt getragen. Hierbei sind beide Arme gestreckt zu halten, der eine wagerecht, der andere senkrecht. Dadurch ist die Stellung des Bannerschaftes schräg (nicht wagerecht wie bei den männlichen Bünden). Beim Einzug in die Kirche wird das Banner vor dem Altar gesenkt mit einer Schwingung nach rechts und links.. Während des Gottesdienstes haben die Bannerträgerinnen straff zu stehen. Kniebeuge, Kopfneigen, Kreuzzeichen usw. fallen weg, Grundstellung: Bannerschaft am Fuß, Arm leicht gebeugt. Dadurch ist der Bannerschaft etwas schräg gestellt.. Zur hl. Wandlung wird beim ersten Schellenzeichen das Banner einfach angehoben, beim 2. Schollenzeichen gesenkt und bleibt gesenkt bis zum 3. Schellenzeichen; dann wieder Grundstellung: Bannerschaft am Fuß, Arm leicht gebeugt. Dadurch ist der Bannerschaft etwas schräg gestellt. Zur hl. Wandlung wird beim 1, Schellenzeichen das Banner einfach gehoben, beim 2, Schellenzeichen gesenkt und bleibt gesenkt bis zum 3. Schellenzeichen, dann wieder Grundstellung. Während der Kommunion des Priesters bleibt die Grundstellung. Zur Kommunion des Volkes wird das Banner gesenkt beim Ecce Agnus Dei (>liturgisches Gebet). Es bleibt gesenkt bis der Priester mit dem Allerheiligsten an den Bannern vorbeigegangen ist. Wenn die Bannerträgerin zur heiligen Kommunion geht, muß die Begleiterin das Banner halten. Das Banner darf nie allein stehen gelassen werden. Beim feierlichen Einzug in eine Kirche zieht zuerst das Volk ein, dann die Banner. Beim Auszug zuerst Banner und dann das Volk. Wir stehen, solange die Banner ein und ausziehen. Bei längeren Prozessionen wird das Banner über der rechten Schulter getragen. Die Hand unmfasst das Ende des Bannerschaftes, der Arm ruht ein Stückchen auf dem Schaft und hebt ihn ein weniges aus der wagerechten Haltung." Wie stark die Hypostasierung (>Personifizierung) des Banners auch in dem - eigentlich unpolitischen und unmilitärischen - Jugendbund verwurzelt war, sieht man an folgendem Text aus der Bannerordnung: Das Banner ist das Symbol des Bundes und darum immer in Ehren zu halten. Es darf nie zu persönlichen Zwecken gebraucht werden. Das Fotographieren Einzelner und gestellter Gruppen ist verboten. Natürlich dürfen und sollen festliche Züge mit dem Banner fotographiert werden. Nach dem Gebrauch wird das Banner abgeschlagen. Es darf nie verlassen in einer Ecke stehen. Es ist immer gepflegt und sauber zu halten."
Gelöbnis (Anm.: 12)
Neben Kreuz und Banner ist das Gelöbnis das äußere Zeichen der bündischen Bindung. Es wird bei der Aufnahme und am Bundesfest Sonntag Gaudete gesprochen:
Ich verspreche katholisch zu leben
Ich
verspreche, in der Welt für die Lehre des Christentums zu kämpfen.
Im Zeichen des Kreuzes, dass ich als Bundeszeichen annehme,
verpflichte
ich mich zu diesem Gelöbnis.
Gott schenke mir seine Gnade.
In jedem Jahr wird am Bundesfest zum Gaudete - Sonntag das Versprechen wiederholt.
Anmerkung:
11. Schreiben "Bannerordnung" mit dem Stempel
"Katholischer Deutscher Frauenbund * Jugendsekretariat * Bendorf (Rhein)*
Hedwig-Dransfeld-Haus", o.J. ~ 1932
12. Rundbrief von Clara Nünning ,
verfaßt in Bendorf am 8. November 1935
In der Arbeitsmappe von 1929 ist unter Nr. 4 ein Beitrag von Idamarie Solltmann mit der Überschrift: "Geschlechter zueinander."
Der Jugendbund steht in Fragen von Ehe, Familie und Sexualität ganz auf der Linie der damaligen Katholischen Kirche: Unterdrückung sexueller Wünsche außerhalb der Ehe, Geschlechtsverkehr nur innerhalb der Ehe, Ablehnung von Scheidung und Wiederverheiratung, Ablehnung der empfängnisverhütenden Mittel und Anerkennung der Jungfräulichkeit werden im Einzelnen benannt.
Beim flüchtigen Durchlesen könnte man sagen "Nichts Neues". Aber wir haben das Jahr 1929. Gerade in Bezug auf Sexualität, Ehe und Familie ist die moralisch - ethische Spannbreite zwischen Viktorianischer Prüderie und sozialistischer freier Liebe unüberbrückbar groß. Wir werden den jungen Frauen des Jugendbundes, die sich ja bewusst zur Katholischen Kirche ("Wir sind die junge Kirche") bekennen, deshalb nur gerecht, wenn wir auf ihren Versuch, Neues zu sagen, genau hinhören. Und da läßt sich erstaunlich viel vernehmen, Es wird zunächst wahrgenommen, dass es viele "sehr kluge und sehr geistreiche" Menschen gibt, die anders denken, fühlen und auch leben. Das "Gütige, Menschenfreundliche und Ernste" ist nicht nur auf der Seite der Christen. Es wird auch auf die moderne Psychologie und auf ihre Analysen und Warnungen hingewiesen. Und selbstkritisch wird gefragt: Das Leben, das wunderbare, schmerzende und beglückende Geschenk Gottes an die Menschen, der tiefe dunkle, geheimnisvolle Strom, der uns durchpulst - sind wir seine Gegner? Und unsere Feinde seine Freunde?" Sind wir keine "Freunde des Lebens", keine "Kämpferinnen", nicht "in der vordersten Linie kämpfend für die großen Güter der Menschheit, für Liebe, für Gerechtigkeit, für Freiheit, Freiheit vor allem?". Und ohne Spott wird auf die oft dunkle Hinterseite der sexuellen Freizügigkeit und Zügellosigkeit hingewiesen. "Immer gibt es bei allem Zahlende" Bemerkenswert ist auch die Frage: Was sehen die anderen bei uns?" Und ganz neu ist diese Sicht, dass es keineswegs nur um Halten von Normen und Regeln geht, sondern immer um ein geglücktes Leben, für der jeder Mensch selbst verantwortlich ist." Wir müssen tapferer sein, entschlossener, kräftiger! Wir müssen mehr aufzuweisen haben von dem starken beglückenden Lebens, das uns aus seinem Urgrund immer wieder neu gespeist wird .. Wir dürfen nicht den Eindruck von Gedrückten und Armen erwecken, sondern müssen stark und freudig unser Leben anpacken." "Starke, frohe, mutige Frauen" brauchen Welt und Kirche".
Es war kein Zufall, dass viele dieser katholischen Frauengenerationen in ganz unterschiedlichen Situationen ein "starkes Leben" führten: verheiratet (wie Lotte Dichgans - Schiffler), unverheiratet (wie Hedwig Dransfeld und Anna Vogt), in Lebensgemeinschaft (wie Maria Buczkowska). Alle hatten sie zwar ihre eigene Lebensform, aber immer waren sie tolerant für die anderen Menschen. Und immer haben sie sich für die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse eingesetzt, weil sie wußten, dass viele Menschen in ihrem Schicksal Opfer der Verhältnisse sind.
Am 30. Januar 1933 übernehmen in Deutschland die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die politische Macht. Eines ihrer Ziele war die Gleichschaltung der Jugendverbände und die Monopolisierung der Jugendarbeit. Am 4.11. 1934 wird von der Reichsregierung ein Sammlungsgesetz erlassen, das für öffentliche Sammlungen und Warenverkäufe die vorherige staatliche Genehmigung zwingend vorschreibt. Den Kirchen wird das Recht gegeben, in kirchlichen Räumen und in Verbindung mit einem Gottesdienst öffentliche Sammlungen durchzuführen. Damit ist allen Jugendverbänden die finanzielle Basis entzogen. Durch Verordnung der Preußischen Geheimen Staatspolizei vom 25. Juli 1935 wird auch dem Jugendbund praktisch alle Öffentlichkeitsarbeit untersagt. "Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch den für den Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich - religiöser Art ist, insbesondere eine solche politischer, sportlicher und volkssportlicher Art, untersagt." (§1). Jegliche Art von Uniform oder einheitlicher Kleidung ist verboten. Das Tragen von Abzeichen, öffentliche Aufmärsche, Musikparaden, Zelten und öffentlich - gemeinsames Wandern sind untersagt. Fahnen und Banner sind nur bei rein kirchlichen Veranstaltungen zugelassen. Im Namen der katholischen Bischöfe gibt der Kölner Kardinal eine Erklärung ab: "Diese ( in der Verordnung festgelegte) kirchlich - religiöse Tätigkeit umfaßt im Sinne und Geist des Konkordates und damit auch der genannten Polizeiverordnung sicher die gottesdienstlichen Veranstaltungen aller Veranstaltungen aller Art, Einkehrtage und Exercitien die ordnungsgemäßen Vereinsversammlungen zu den vorgenannten Zwecken, einschließlich Heimabende, die Führerkurse und Tagungen zu denselben Zwecken und zwar alles auch außerhalb der Kirche, wenn auch nur in geschlossenen Versammlungen."(Anm.: 13)
Für den Jugendbund bedeutet dies konkret: Die Gruppen können sich praktisch nur noch in kirchlichen Räumen treffen, müssen sich auf religiöse Themen beschränken und unterliegen einer Altersbeschränkung.(Anm.: 14) Anna Vogt gibt den staatlichen Einschränkungen und Verboten eine religiöse Deutung: " Die Haltung des Christen zur Zeit ist nun einmal eine wechselvolle. Sie schließt im Verlauf der Menschheitsgeschichte die verschiedenen Möglichkeiten und Verpflichtungen in sich." Sie versucht Bendorf als sprituelles Zentrum zu retten, indem sie den Adressatenkreis weitet: " Deshalb werden Einladungen zu Werkwochen, Excerzitien und religiösen Tagungen über den Bund hinaus an junge katholische Menschen geschickt." Sie appelliert: "Zur Erfassung größerer Kreis müssen wir Gemeinschaftsformen schöpferisch gestalten, die ganz lebensvoll, reich, schön und stark sind. Wir denken an Andachten, Wallfahrten, Einkehrtage, Excerzitien, Feierstunden, und vor allem die Teilnahme an der gottesdienstlichen Feier bzw. deren Vorbereitung." (Anm.: 15)
Im April 1936 gibt der deutsche Episkopat die "Richtlinie für die katholische Jugendseelsorge" heraus.(Anm.: 16) Darin wird die kirchliche Jugendarbeit als "Erziehungsrecht der Kirche" begründet und beschrieben. Danach gehört die kirchliche Jugendarbeit zur ordentlichen Seelsorge und ist Aufgabe des Pfarrers. Die allgemeine Pfarrjugendseelsorge spricht alle Jugendlichen an, um sie "zum bewußten, frohen Leben mit der Kirche zu führen." Neben der allgemeinen Pfarrjugendseelsorge kann es "lebendige Jugendgemeinschaften (Kernscharen)" geben, in denen sich Jugendliche sammeln, die besonders intensiv mit der Kirche leben wollen. Zu den besonderen Aufgaben der Kernschar gehören Erziehung zu Ehe und Familie, Apostolat im Beruf, Glaubenskatechese, caritative Tätigkeit der Pfarreien und Hilfe für die Missionen.
In den vorhandenen Dokumenten (Rundschreiben, Briefe, Drucksachen) ist deutlich zu erkennen, wie sich auch das Bendorfer Jugendsekretariat und der noch - wenn auch rudimentär - bestehende Jugendbund auf rein religiöse Themen konzentrieren müssen.
Anmerkungen:
13. Brief des Jugendsekretariates an alle
Führerinnen des Jugendbundes, Bendorf, 17. 9.1935
14. Bisher ließ sich die genaue
Altersdatierung nicht eindeutig feststellen.
15. Brief des Jugendsekretariates an alle
Führerinnen des Jugendbundes, Bendorf, 17. 9.1935
16. Sonderdruck
Bei der Tagung des Bendorfer Kreises am 30. - 31. November 1937 gibt Anna Vogt bekannt, dass sie die Leitung des Jugendsekretariates und das Amt der Bundesführerin nicht mehr wahrnehmen kann. In der von ihr verfaßten Mitteilung heißt es: " Aus dem inneren Gesetz der Jugendarbeit ergibt es sich, dass sie immer wieder von neuen, jüngeren Kräften getan werden muß. Anna Vogt begründet ihr Scheiden damit, dass sie diesen Zeitpunkt für gekommen hält und dass sie deshalb in völliger innerer Freiheit die Verantwortung für die Aufgabe weiter geben möchte."(Anm.: 17) Anna Vogt bittet darum, dass ihr Ausscheiden am Sonntag Gaudete allen Gruppen bekannt gegeben wird. Anna Vogt weist daraufhin, dass es nicht zwingend geboten ist, die beiden Aufgaben "Leitung des Jugendsekretariates" und "Amt der Bundesführerin" in Personalunion zu besetzen. Bis zu einer Neubesetzung der beiden Funktionen werden diese von Kläri Nünning kommissarisch wahrgenommen, die bereits im Jugendsekretariat mitarbeitet.
Anna Vogt bleibt im Hedwig - Dransfeld - Haus und teilt sich mit Frau Bracht die Hausleitung. Damit ist auch ihre finanzielle Zukunft abgesichert. Wichtiger ist es aber für Anna Vogt, die Zukunft des Hauses überhaupt zu sichern. In ihrem Abschiedsbrief an die Gruppen schreibt sie:"(Anm.: 18) Nun möchte ich Euch noch ein Wort zu meiner neuen Arbeit sagen: Der Heimleitung im Hedwig - Dransfeld - Haus. Ich habe mich, seit das Jugendsekretariat hier in Bendorf ist, immer mit verantwortlich gefühlt für die Aufgabe und für die Gestaltung des Hedwig - Dransfeld - Hauses. Aber das war doch mehr ein von Außen kommen. Jetzt trage ich unmittelbar die Verantwortung für das Lebens des Hauses mit.
Ungezählte Mitglieder des Jugendbundes sind seit 1926 hier gewesen und haben hier einen sehr schönen Raum für jugendliches Leben gefunden, in der Herberge, im Sekretariat und im ganzen Gelände um das Haus. Es war ein Raum, der neben dem Haus mit seinen Gästen stand, mit seinen Mütterferien und all seinen Aufgaben. Der eine Raum war dem anderen zugeordnet. Aber er war doch eigen und mußte eigen sein. So soll es auch in diesem Sommer wieder hier sein. Aber es ist jetzt doch anders, weil ich von Euch komme, und weil ich Euch nicht verlassen habe. Ich möchte Eure Verbundenheit mit dem Hedwig - Dransfeld - Haus stärken.
Und noch ein anderes, und das ist mein dringender Wunsch, den ich Euch sehr ans Herz legen möchte, den ich vor allem den Älteren, soweit ich sie auch mit diesem Brief erreiche, sagen möchte:- tragt bitte an die, von denen Ihr wißt, daß es sie angeht, diesen Wunsch weiter. Das Hedwig - Dransfeld soll jetzt nicht mehr nur jugendlichem Leben Raum geben, sondern das Haus selbst soll denen, die aus der Jugendgemeinschaft heraus gewachsen sind, in einem neuen Sinne lebensmässige und geistige Heimat werden. Ich wollte daran mithelfen, daß der junge Frauenbund' hier Heimat behält, und sie jetzt erst recht ausbaut. Das ist einer der Gründe, warum ich hier geblieben bin. Wir brauchen heute eine Heimat außerhalb unseres alltäglichen Lebenskreises. Wir brauchen eine Heimat für die Erholung unseres ganzen Menschen, für unsere körperliche Erholung und für das Leben unserer Seele und die Sammlung unseres Geistes. Das charakteristische Merkmal des Hedwig- Dransfeld - Hauses ist, daß es draußen liegt, weg von der Stadt in der Stille, inmitten einer schönen Natur. Das Haus selbst gibt Raum einem einfachen aber gepflegten Leben. - Aus dieser Besonderheit kann das Haus uns beschenken und bereichern, Mittelpunkt des Hauses ist die Kapelle. Es wird für mich in diesem Jahr eine entscheidende Erfahrung sein, in wieweit Ihr von draußen her an der Erfüllung dieses Zieles, Bendorf als Heimat des jungen Bundes, mitwirkt. Werden die Älteren des Jugendbundes und die nicht mehr im Bund sind, die Bitte, nun in neuer Verbundenheit zu Bendorf zu stehen, aufnehmen?"
Anna Vogt wurde schwer krank und lebte in den Folgejahren zurückgezogen, bis sie am 26. März 1943 im Alter von 46 Jahren nach langem Leiden verstarb. Sie wurde in Issny beerdigt.
Nach dem Krieg kam es in der allgemeinen Renaissance der Bündischen Jugend auch zur zeitlich begrenzten Neugründung des Jugendbundes.
Anmerkungen:
17. Mitteilungen aus der Tagung des "Bendorfer
Kreises" am 30. / 31. Nov. 1937 in Bendorf (Maschinenkopie)
18. Rundbrief, Bendorf in der Oktav von Maria
Lichtmeß 1938
Anmerkung:
19. Szenisches Sprechspiel bei der Aufnahme
neuer Mitglieder am Bundesfest (Sonntag Gaudete)
Es lässt sich nicht genau klären, wann Anna Vogt Bendorf verlassen hat. Wahrscheinlich war es um 1940. Dies würde heißen, dass sie 14 Jahre in Bendorf gelebt und gewirkt hat. Unsere Stadt kann stolz sein, auf diese Frau.
Von der Schwarz - Kapelle, in der die jungen Frauen des Jugendbundes, gebetet haben, gibt es nur noch die Fenster, den Tabernakel und die Mitte des Altarfußes.
Der Jugendbund ist Geschichte. Es war der Versuch einer jungen katholischen Frauengeneration, in einer oft unmenschlichen Zeit "mit aufrechtem Gang", solidarisch und wahrhaftig zu leben.
Geehrte Besucherinnen und Besucher wir danken Ihnen für Ihren
Besuch auf unserer Seite und würden uns über eine Nachricht von Ihnen
freuen.
GGH_56170 Bendorf
Für Ihre Anregungen und Hinweise: