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der Homepage der Graf Heinrich IV. von Sayn *1539 - 1606Graf zu Sayn und Herr zu Homburgk, Moncklar und Mentzburg Von Dieter Kittlauß Teil I: Heinrich IV - Herkunft aus
der Dynastie der Sponheimer Grafen
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Im 16. Jahrhundert wurde die Grafschaft Sayn von den Unruhen des gesellschaftlichen Niedergangs und der spätmittelalterlichen Reformationszeit erfasst. Wir setzen wieder im Jahr 1529 an, wo ein Graf Johann (geb. 1518) in der Grafschaft Sayn die Regierungsgeschäfte übernahm, er wird als Johann V. gezählt.(Anm.: 19)
Dieser beteiligte 1542 seinen jüngeren Bruder Sebastian (als Sebastian II. gezählt) an der politischen Macht. Die beiden Brüder regierten zunächst kooperativ und wohl auch erfolgreich, denn am 3. November 1547 gewährt Kaiser Karl V. den Sayner Grafen die uneingeschränkte Gerichtsbarkeit für das gesamte Gebiet der Grafschaft. Dies bedeutete die unabhängige Landesherrschaft, ein Privileg, das nur wenige der deutschen Kleinstaaten hatten.
Da es bei der gemeinsamen Regierung aber offensichtlich Schwierigkeiten gab, teilten die Brüder 1555 die Zuständigkeit. Johann V., der ältere der Brüder, übernahm das Kernland um Altenkirchen und Hachenburg und machte Hachenburg zu seiner Residenz. Der jüngere Bruder Sebastian II. übernahm das nördliche Gebiet um Friedewald und die Freusburg wurde zu seinem Regierungssitz. Unter gemeinsamer Verwaltung blieben Schloss und Amt Sayn (wohl wegen des Grafentitels) und die beträchtlichen Schulden der Grafschaft.(Anm.: 20) Damit ist die spätere Teilung der Grafschaft im 17. Jahrhundert bereits vorgezeichnet.
Johann V
Territorium: Altenkirchen und Hachenburg Residenz: Hachenburg (Anm.: 21) |
Sebastian II
Territorium: Friedewald Residenz: Freusburg |
Die Grafschaft Sayn teilte mit dieser Aufgliederung das Schicksal vieler deutscher Kleinstaaten, die durch das Erbrecht immer mehr zersplitterten. Das Erbrecht der (in der Regel männlichen) Nachkommen hatte Vorrang vor dem Wohl der Menschen, deshalb wurden die staatlichen Territorien mit den in ihnen lebenden Menschen einfach je nach Zahl der Erben geteilt. Erschwert wurde diese Kleinstaaterei durch das Lehnswesen und die Leibeigenschaft. Diese Entwicklung erfasst nun auch die Grafschaft Sayn. Mit Bendorf, als Annex der Grafschaft Sayn, müssen zwei Residenzen mit den dazugehörenden Verwaltungsapparaten erhalten werden. Hier lag ein wichtiger Grund für die drückenden Staatsverschuldung und die Verarmung der Menschen. Die beiden Sayner Grafen mit ihrem jeweiligen Hof waren sogar nur "kleine Lichter in der politischen Landschaft der deutschen Kleinstaaterei", aber sie kosteten dem Volk viel Geld.
Anmerkungen:
- 19) In manchen Dokumenten und Aufsätzen auch als Johann VI, gezählt
- 20) Hennes, Friedrich ; Zur Geschichte der Reformation in der Grafschaft Sayn, in : Festschrift zum 425. Jubiläum der Reformation in der Grafschaft Sayn, Verlag des Presseverbandes der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1961, S. 74, auch für die folgenden Inhalte.
- 21) Innenstadt und Schloss von Hachenburg brannten am 13. Oktober 1654 bei einem grossen Stadtbrand völlig nieder. Graf Salentin von Manderscheid baute Stadt und Schloss wieder auf. Die Innenstadt hat noch heute die von ihm angeordnete Gestalt. Das heutige Barockschloss wurde erbaut nach den Plänen des Architekten Julius Ludwig Rothweil in den Jahren 1715 bis 1746. Es hat im letzten Jahrhundert mehrmals den Besitzer gewechselt. Heute ist es Ausbildungsstätte und Fachhochschule der Deutschen Bundesbank
http:://www.hachenburg.de/stadt/stadt_hachenburg.htm
Am 20.3.1560 starb Graf Johann von Sayn, er ist der letzte katholische Landesherr und hinterlässt drei Söhne Adolf, Heinrich und Hermann und drei Töchter.
Der älteste Sohn Adolf (1538 - 1568) übernimmt mit zwanzig Jahren das väterliche Erbe. Die beiden anderen Söhne, Heinrich (1539 - 1606) und Hermann (1543 - 1588), werden durch die Vermittlung des Kölner Erzbischofs, Gebhard von Waldburg, zu dem der verstorbene Graf Johann eine freundschaftliche Beziehung hatte, in das mächtige und gut dotierte Kölner Domkapitel gewählt.(Anm.: 22) Über die Töchter ist nichts bekannt.Doch zurück zu Sayn.
In der Sayner Grafschaft regierten also nun im südlichen Teil Graf Adolf mit Hachenburg als gräfliche Residenz und im Norden immer noch sein Onkel, Graf Sebastian II mit der Freusburg als Regierungssitz. Die Besitzverhältnisse bis zur Einigung der Grafschaft durch Heinrich IV. lassen sich wie folgt darstellen
Landesherr | Territorium | Residenz |
Adolf | Altenkirchen und Hachenburg | Schloss Hachenburg |
Sebastian II | Friedewald | Freusburg |
Herrmann | Altenkirchen und Hachenburg | Schloss Hachenburg |
Heinrich | Friedewald | Freusburg |
Heinrich | Grafschaft Sayn | Freusburg |
Graf Sebastian II. bewies einen großen Weitblick, indem er Bergbau und Hüttenwesen entwickelte und so der Grafschaft eine gute Einnahmequelle verschaffte (Anm.: 23) Davon profitierte auch der junge Graf Adolf.
Im 14. Jahrundert entwickelte sich in Europa die Eisengießerei. Durch Wasserkraft getriebene Schmiedehämmer und hydraulisch betriebene Blasebälge ließen die Schmelztemperatur auf 1500 Grad steigen, so dass der Schmelzpunkt des Eisens erreicht wurde. Mit den Eisengießern entstand eine neue Zunft, die ähnlich wie die Steinmetzen in Europa als wandernde Spezialisten herumzogen. Besonders die Zisterzienserklöster wurden zu Zentren der Eisengewinnung und - verarbeitung. Dazu kam die Extensivierung des Silberbergbaus. (Anm.: 24)
Es ist bemerkenswert, wie sich die beiden Sayner Grafen, Adolf und sein Onkel Sebastian, mit der technisch - wissenschaftlichen Revolution des Spätmittelalters vertraut gemacht haben und für die Sayner Territorien nutzbringend einbrachten.
Beide waren auch in religiösen Fragen aufgeschlossen. Adolf war schon frühzeitig mit der lutherischen Reformationsbewegung in Kontakt gekommen. Bereits 1558 hatte er gegen den Willen seines Vaters in Eisleben , dem Geburtsort Martin Luthers, die erst 13 jährige Maria von Mansfeld (* 12. 3. 1545) , Tochter des Grafen Johann Georg von Mansfeld, geheiratet. Vermittelnd war auch hier der gerade gewählte Kölner Erzbischof, Gebhard von Mansfeld. Die ganze große Mansfelder Verwandtschaft kam zu der Hochzeitsfeier am 14. Juli 1561 nach Hachenburg. Durch die Einbindung in die Mansfelder Familie kam Adolf mit den bedeutenden Reformatoren (Anm.: 25) in Kontakt. Bereits 1527 hatten Kurfürst Johann von Sachsen und der hessische Landgraf Philipp die kirchlichen Strukturen verändert. Sie entwickelten die neue gemeindenahe Leitung der Superintendenten (Anm.: 26) sowie ein Konzept für die Weiterbildung der Pfarrer, gründeten Universitäten und Schulen, zogen Kloster- und Kirchengut zugunsten der allgemeinen Staatsaufgaben ein. Graf Adolf bekannte sich sehr schnell und öffentlich als Anhänger dieser Reformation von Gesellschaft und Kirche.(Anm.: 27)
Im Folgenden werden die wichtigsten Veränderungen und Entwicklungen dieser Zeit (Spätes Mittelalter und beginnende Neuzeit) erläutert. Wer sich hier auskennt, kann diese Exkurse überspringen.
Adolf und sein Onkel Sebastian II wurden sich einig, in der gesamten Sayner Grafschaft die Augsburger Konfession einzuführen und beriefen sich auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555.
Sie hatten damit ihre Entscheidung zugunsten der "ecclesia reformanda radicalis" getroffen. Damit waren einschneidende Veränderungen erforderlich. (Anm.: 28)
Einführung der deutsche Sprache.
Erneuerung der
Gottesdienste.
Bildung und Einrichtung von Schulen.
Abbau der
gewachsenen Aberglaubensformen.
Moderne Staatsverwaltung.
Rückschneiden der Einflüsse und Geldforderungen der
päpstlichen Kurie.
Eingrenzung der wirtschaftlichen und politischen
Macht der Prälaturen und Klöster.
Konkrete politische
Verantwortung der Landesherrn für ihr Regierungsgebiet.
Abbau
klerikalen Ämterkaufs und der Korruption.
Legalisierung der
Konkubinate von Klerikern und Ordensleuten.
Soziale Verantwortung für
die einfachen Menschen.
Der Protestantismus war mehr als Protest, er zeigte vor allem neue Werte und Ideale auf. Lernen, Lesen und Wissen wurden als Grundrechte für alle Menschen anerkannt. Die Bibel durfte in ihrem Wortlaut gehört und gelesen werden. Persönliche Frömmigkeit, solidarisches und bescheidenes Leben wurden zum Wertmaßstab für christliches Leben. Adolf war von dieser Welt der "spätmittelalterlichen Aufklärung" fasziniert und er hatte in seinem Onkel Sebastian offensichtlich einen weisen, alten Mann an seiner Seite.(Anm.: 29)
Beide hatten die Überzeugung, dass nur eine umfassende Reformpolitik die drängenden Probleme entschärfen könne. Für sie waren die Aktivitäten der (schon übergewechselten) evangelischen Landesherrn vorbildlich. Es ist allerdings bemerkenswert und heute sogar schwer verständlich, dass die Annäherung der Sayner Grafen an das (lutherische)Augsburger Bekenntnis die Beziehungen zu der traditionell katholischen Verwandtschaft in keiner Weise beeinträchtigte. Dies war zum damaligen Zeitpunkt aber offensichtlich noch möglich. Die verschiedenen Reformbewegungen innerhalb von Gesellschaft und Kirche (Anm.: 30) führten zwar einen unerbittlichen Kampf um die Macht, verstanden sich aber noch durchaus als Strömungen der einen Kirche.
Die Reformbemühungen des jungen Grafen Adolf und seines Onkels Sebastian II. waren keineswegs nur kirchlich - religiöser Art. Beispielsweise wurde beim Kaiser das Marktrecht für Bendorf, Flammersfeld und Niederfischbach beantragt, ebenfalls die Reichsunmittelbarkeit.(Anm.: 31)
Ein gutes Beispiel für die landesherrschaftliche Regierungsverantwortung ist auch die Pflanz- und Holzverordnung zum Schutz des Waldes, die der fünfundzwanzigjährige Graf Adolf am 1. März 1565 in der Hachenburger Residenz erließ. Die Rodung und Erosion der Wälder war ein großes Problem - nicht nur für die kommende Generation sondern bereits schon für die gegenwärtige. Der Graf musste drastische Strafen für das ungesetzliche Fällen von Bäumen und jegliche Holzverschwendung ankündigen. Auf der anderen Seite aber wusste er auch um die Not vieler Menschen und bewahrt sich ein soziales Empfinden. So berücksichtigte er bei dem strengen Verbot der Haltung freilaufender Ziegen (offensichtlich eine Landplage) ausdrücklich:
" ..da eine arme Wittfrau Armuths halben, keine Kuh erziehen möge, soll gemeldte Frau bei uns aufsuchen, soll ihr nach Gelegenheit, eine oder zwei vergönnt werden." (Anm.: 32)
Diese Pflanz- und Waldordnung ist auch ein wichtiges Indiz für den Stellenwert der Gemeinwirtschaft in der Sayner Grafschaft.(Anm.: 33) Graf Adolf erkennt das alte ungeschriebene Recht der Bauern an, den Wald als Gemeingut zu betrachten. Der Holzschlag soll nur geregelt und somit maßvoll ohne Schädigung von Wald und Flur erfolgen:
"Doch soll ein jeder und sonderlich dem gemeinen Mann, dem ehegemeld Hochgewält zustehet, mag zu seinem selbst nothdürfftigen Bauholtz daraus zu hauen, und dieselbig sonst zu nützlichsten doch ohne Verwüstung zu gebrauchen, nicht verbotten seyn, sondern laut der alten Ordnung, bei der Obrigkeit Ansuchung thun, und seine Nothdurfft zu bauen anzeigen, soll ihme alsdann da Holtz zu fällen erlaubt seyn." (Anm.: 34)
Dem landesherrschaftlichen Erlass war ausdrücklich ein Auszug aus der Holzordnung im Amte Freusburg beigefügt, die das bisherige Gewohnheitsrecht umfasste. In der Grafschaft spielte es eine große Rolle, dass der meiste Grund- und Boden im Besitz der Grafenfamilie geblieben war und es ihrer Tradition entsprach, den Besitz sozialverantwortlich zu nutzen. Dies dürfte auch ein wichtiger Grund gewesen sein, warum es bei der von den Sayner Grafen betriebenen Religions- und Kirchenveränderung relativ wenig Widerstand bei der Bevölkerung gab.
Ein weiteres Beispiel für die Reformpolitik von Graf Adolf war die Gründung der Lateinschule in Hachenburg zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium. Ohne Latein gab es in der mittelalterlichen Welt keinen Bildungsaufstieg. Die Lateinschule können wir - wohlverstanden - mit unserem heutigen Gymnasium vergleichen. Adolf fand auch eine Finanzierung, die in der Öffentlichkeit mitgetragen wurde. Er erreichte, dass die Zweckbestimmungen aus den Zuwendungen der Sterbe - Bruderschaften verändert wurden. (Anm.: 35)
Anmerkungen
- 28) Unter diesem Begriff "Radikale Kirchenreform" werden alle Richtungen erfasst, die grundsätzliche Strukturveränderungen und damit eine grundsätzlich neue gesellschaftliche Ordnung anstreben. Dagegen stehen die Richtungen der sog. Gegenreformation, die lediglich Abbau von Fehlentwicklungen anstreben.
- 29) Die altkatholische Gegenreformationsbewegung musste sich diesen Idealen stellen und ihre Aktivitäten auch auf Bildung, Sozialwesen und Liturgiereform ausweiten. Hier übernahmen die Jesuiten eine führende Rolle. Dieser Aspekt der reformatio ecclesiae ist hier nicht Thema, dies darf aber nicht als Geringschätzung bewertet werden.
- 30) Die damals noch eine Einheit bildeten
- 31) Lichtenberger gibt folgenden Text wieder "Kaiser Ferdinand I. beschenkte 1560 am 21. September die Flecken Bendorf, Flammersfeld und Niederfischbach mit zwei Jahrmärkten und zwar zu Bendorf am Montag vor Michaelis und folgends den Donnerstag post ononium Sanctoren (=Allerheiligen) .Ein 1560 erteiltes Privilegium gestattete dem Grafen von Sayn mit rotem Wachse zu siegeln und ein anderes eine Heertrommel zu halten, d.h. also ein saynisches Söldnerheer ins Leben zu rufen." S. 33)
- 32) Sammlung der Gesetze und Verordnungen ..in den nunmehr königlich-preußischen Landesgebieten, 2. Teil für die Abteilungen Sayn-Altenkirchen und Sayn , hrgb. von J.J. Scotti, gedruckt bei Joseph Wolf, Düsseldorf 1836, 2. Teil, S. 604
- 33) Lichtenberger S. 38ff
- 34) Ebd.
- 35) Investition in die nächste Generation nennt man dies heute.
Technisch erfolgte die Einführung der Augsburger Konfession vor allem über die Einsetzung von Pfarrern, die die Seelsorge nach den Grundsätzen der Lutherischen Ordnung betrieben. Offensichtlich versuchten die Sayner Grafen zunächst immer, die amtierenden Pfarrer und Kirchenverantwortlichen zu (Als Beispiel ein Blick auf die Sayner Geschichte) gewinnen. Hier spielte wohl auch eine Rolle, dass der allgemeine Seelsorgeklerus vor Ort für die Fragen der großen Kirchenpolitik weniger Interesse zeigte.
Die Lutherische Ordnung, die die Sayner Grafen übernommen haben, war die sog. "Ottheinrichs - Ordnung" aus Württemberg, die vor allem die Erneuerung der gesamten Seelsorge im Blick hatte, also vorwiegend praktisch - pastoral ausgerichtet war. Wir können aber davon ausgehen dass auch die Konsistorialkirchenstruktur, das Abendmahl unter beiden Gestalten und die Priesterehe eingeführt wurden. Diese Übergänge verliefen keineswegs reibungslos, im Gegenteil es gab viele Konflikte und Streitigkeiten, besonders dann, wenn finanziell - materielle Fragen eine Rolle spielten. Ein großes Konfliktfeld wurde auch das "reservatum ecclesiasticum" (kirchlicher Vorbehalt) beim Augsburger Religionsfrieden. Es ging hier u.a. um die Frage, was mit einer katholischen Abtei geschieht, wenn der Landesherr evangelisch wird. Dies war z.B. in der Grafschaft Sayn der Fall. Die beiden Abteien Marienstatt und Sayn beriefen sich auf diese Reservatsklausel. (Anm.: 36) Demgegenüber vertrat Graf Adolf (und nicht nur er) die Ansicht, dass a) diese religiöse Freiheit nur für den engeren Bereich des Klosters gelte, nicht aber für die Menschen im äußeren klösterlichen Einflussbereich, und b) die finanziellen Verpflichtungen des Klosters für die Seelsorge ungeschmälert blieben. Adolf vertrat sogar die Ansicht, dass er als Landesherr zugunsten der Allgemeinheit auf Vermögenswerte der Abteien zurückgreifen könne.
Dieser Fall trat auch in Bendorf ein, als es Graf Adolf gelang, den amtierenden Pfarrer, der in der pfarrlichen Seelsorge den Abt der Sayner Abtei vertrat, für das lutherische Bekenntnis zu gewinnen. Die Abtei musste den Unterhalt des lutherischen Pfarrers zahlen.
Die traditionelle chronische Geldnot der Sayner Grafen traf Graf Adolf besonders schwer. Später wird Heinrich IV. in seinem Testament das Schuldenerbe erwähnen, das er von seinem Bruder Adolf übernehmen musste.
Zweifellos war Graf Adolf in seinen Methoden wenig zimperlich. So eignete er sich unter dem Vorwand der Aufbewahrung den gesamten Kirchenschatz der Abtei Sayn an: 3 Monstranzen, 24 Kelche und den Abtsstab. Von hier versteht sich sein späteres Image als eine Art Raubritter, das verständlicherweise besonders von den Klöstern verbreitet wurde. Graf Adolf regiert acht Jahre und starb im Alter von 30 Jahren am 30. Juni 1568. Er hinterließ seine junge Frau und die kleine Tochter Dorothea Catharina, die später den Grafen Carl Ludwig von Sulz heiratete.
Anmerkungen
- 36) Die kaiserlichen Urkunden sind lesbar wiedergegeben in "Geschichte in Quellen Bd. III, bearb. Von Fritz Dickmann, München 1966.
Dahlhoff berichtet von dem Rechtsstreit mit dem Kloster Marienstadt, welches dem Grafen die Gerichtsbarkeit nicht zugestehen wollte. s. S. 18
Heinrich von Sayn war 1565 zum Domdechanten des Kölner Domkapitels gewählt worden und hatte sich für die weitere Karriere im Kölner Kurstaat entschieden. Deshalb verzichtete er nach dem Tod seines Bruders Adolf auf die Erbfolge und gab diese an Herrmann, den jüngsten der drei Brüder, weiter. Hermann gab 1568 sein Amt als Mitglied des Kölner Domkapitels (Capitularcanoniker) auf und übernahm in Hachenburg die Regierungsgeschäfte. Im Vertrag v. 17.2.1571 erhielt Heinrich für seinen Verzicht die Rechte über das Amt Altenkirchen und damit eine Abfindung im Wert von 22.000 Taler.(Anm.: 37)
Hermann war zu dieser Zeit erst 21 Jahre alt, hatte aber bereits durch seine Tätigkeit im Kölner Domkapitel politische Erfahrungen gewinnen können. In seiner zwanzigjährigen Regierungsverantwortung des Hachenburger Teiles der Grafschaft zeigte er ein besonderes Geschick, qualifizierte und loyale Mitarbeiter zu finden (Frauen waren damals in der Regel nicht in öffentlichen Ämtern ) und diese zu motivieren.(Anm.: 38) Er heiratete 1571 Gräfin Elisabeth von Erbach und setzte zielstrebig die reformatorischen Bestrebungen seines Bruders Adolf fort. Insbesondere bemühte er sich um stärkere Disziplin und religiös - theologische Weiterbildung des Seelsorgeklerus.(Anm.: 39)
Ein wichtiges Mittel war die Durchsetzung von Visitationen durch die Superintendenten.(Anm.: 40)
In den wenigen erhaltenen Visitationsprotokollen sind viele Klagen über den Verfall von Kirchen, Verschleuderung von Kirchengütern, finanzielle Probleme sowie über bedrückende Missstände bei den Pfarrern. Am 1. Januar 1573 starb Graf Sebastian II. Die Sedisvakanz benutzte Graf Hermann, um einen Arbeitskreis aus der ganzen Grafschaft zu bilden. Dieser so genannte Hachenburger Arbeitskreis wurde von dem Hachenburger Superintendenten Michael Jacobinus geleitet, der dafür von Graf Hermann eine umfassende Ermächtigung bekam. Ihm zur Seite gestellt wurden die beiden aufgeschlossenen Theologen Leopoldus Optichtus und Sebastian Floretus, beide aus der Superintendantur Freusburg, sowie drei hochkarätige Beamte aus der gräflichen Verwaltung. Ziel des Arbeitskreises war eine Überarbeitung der bisher geltenden Kirchenordnung (Ottheinrich - Ordnung s.o.) mit strengeren Anforderungen an die Pfarrer sowie verbindlichen Regeln zur Abhaltung von Synoden.
Die Anregungen dieses Arbeitskreises flossen unmittelbar in die Synode 1573 für das Amt Hachenburg ein: Feier des Abendmahles an Sonn- und Feiertagen, konsekrierter Wein und übrig gebliebenes Brot sollen bis zum nächsten Abendmahl ehrfürchtig aufbewahrt werden, die Beerdigung Armer ist gratis, die Zahl der Heiligenbilder soll allmählich verringert werden, die Gemeindemitglieder sollen ihrem Pfarrer bei der Landwirtschaft helfen, die Pfarrer sollen beim Gottesdienst einen Talar und Chorrock anziehen. Bereits im folgenden Jahre 1574 wurde die neue Sayner Kirchenordnung gesetzlich festgelegt.(Anm.: 41)
1577 heiratete Maria von Mansfeld, die Witwe des verstorbenen Grafen Adolf, den Kölner Domherren Peter Ernst Freiherr von Criechingen. Als ihre Schwester Agnes 1583 den Kölner Kurfürsten Gebhard Truchseß von Waldburg heiratete, hatte Graf Hermann große Mühe, die Grafschaft aus dem so genannten "Kölnischen Krieg" herauszuhalten. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die Grafschaft Sayn nicht in der Lage war, ein Söldnerheer zu unterhalten. Dieses Vakuum erforderte ein großes Geschick, um die Grafschaft gegenüber den militärischen Aktionen der "Großmächte" zu schützen.
Doch Hermann war frühzeitig krank (Anm.: 42), und starb mit 45 Jahren im Jahre 1588. Er hinterließ seine Gattin und deren gemeinsame Tochter Anna Elisabeth, die später durch ihre Ehe mit Graf Wilhelm von Sayn - Wittgenstein die neue Erbfolge der Wittgensteiner Grafen einleitete.
Anmerkungen
- 37) Gensicke Hellmuth, Landesgeschichte des Westerwaldes, Selbstverlag der historischen Kommission für Nassau , Wiesbaden 1987, S. 339
- 38) Hennes, S. 83
- 39) Die folgenden Informationen stehen ausführlich bei Hennes ab S. 83
- 40) Friedrich Hennes bringt in seinem Beitrag viele konkrete Beispiele.
- 41) Es lässt sich nicht belegen, ob Graf Heinrich diese neue Kirchenordnung sofort übernommen hat; so nach Hennes
- 42) Deshalb muss ihn sein Bruder Heinrich schon 1587 vertreten
1573 starb Graf Sebastian II. der den Norden der Grafschaft Sayn regierte. Er hinterließ keine Erben. Dies sah der zweite der drei Brüder, Graf Heinrich, der Kölner Domdechant, als eine Chance, dem unter Kurfürst Salentin (von Grenzau-Isenburg) erstarkten Katholizismus im Kölner Kurstaat den Rücken zu kehren.
Damit wir diese Entscheidung verstehen, müssen wir die turbulenten Auseinandersetzungen in Köln im 16. Jahrhundert wenigstens mit groben Strichen verdeutlichen.
Die Situation im Erzstift (Kurstaat) Köln:
Der Erzbischof von Köln hatte damals eine vierfache Funktion; er war:
Der Kurstaat war territorial wesentlich kleiner als die Erzdiözese. Dadurch überschnitten sich die Kompetenzen. In der Erzdiözese außerhalb des Kurstaates hatte der Kurfürst keine staatlichen Rechte, ebenfalls nicht in den reichsfreien Städten des Kurstaates. Als Kurfürst hatte er besonderen Einfluss auf die Reichspolitik.
Zu beachten ist die Sonderstellung der Stadt Köln: Der Regierungssitz des Kölner Kurfürsten war schon seit 1525 Brühl am Rhein, die Bischofskirche (Kathedrale) blieb der (damalige) Kölner Dom. Die Stadt Köln war seit 1475 freie Reichstadt, unterstand also direkt dem deutschen Kaiser und gehörte deshalb nicht dem Kurstaat. Köln war die geistige Metropole in Nordwestdeutschland (Anm.: 44)
Nach dem Tod bzw. Rücktritt des Erzbischofs / Kurfürsten übernahm das Domkapitel die Regierung des Kurstaates und die Leitung der Erzdiözese. Zum Domkapitel gehörten 24 Kapitularkanoniker.(Anm.: 45) Sie allein waren berechtigt, den neuen Erzbischof zu wählen. Bevor der neue Erzbischof gewählt wurde, musste er die so genannten Wahlkapitulationen unterschreiben und wurde auch auf diese vereidigt. Diese wurden zwischen Domkapitel und Kandidat ausgehandelt und sicherten die bisherigen und neu angestrebten Privilegien des Kapitels. Die Wahlkapitulationen begrenzten die Handlungsmöglichkeit des neuen Kurfürsten und sicherten die Rechte des Domkapitels. Oft wurde festgelegt, dass das Domkapitel bei wichtigen finanziellen Angelegenheiten zustimmen musste.
Das Domkapitel hatte als Körperschaft eigenes Vermögen (Pfründen) von beträchtlichem Umfang. In der Praxis führte dieses Verfahren dazu, dass immer wieder Verwandte ernannt wurden und das Kapitel von einer kleinen Gruppe von Familien beherrscht wurde. Das Domkapitel nahm innerhalb des Staatsverbandes eine nahezu autonome Stellung ein. Es war von Zöllen und Steuern befreit und hatte das Recht auf eine eigene Verwaltung seiner Güter. Außerdem verfügte es über eine eigene Jurisdiktion (Selbstverwaltung, rechtliche Autonomie) und einen persönlichen Beamtenapparat, der die Geschäfte besorgte. Es hatte das Recht zur freien Zuwahl seiner Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder des Domkapitels (Domherren, Kapitulare) war festgeschrieben, auch welcher Adelsrang vorgeschrieben war. An der Spitze stand der Dompropst, der vom Kapitel gewählt wurde. Ihm zur Seite stand der ebenfalls gewählte Domdechant, dem die Geschäftsführung oblag. Die reichsunmittelbare Stellung der Domherren, die Existenz der Wahlkapitulationen und die Tatsache, dass ihnen bestimmte Ämter im Staat vorbehalten waren, sicherte dem Kapitel Privilegien, Immunitäten und Einfluss auf die Politik. Man hätte sich in jedem Fall einem tyrannischen Kurfürsten widersetzen können.
Als Beamte in der Verwaltung mussten die Domherren den Befehlen des gewählten Kurfürsten Folge leisten, um ihre Stellung nicht zu verlieren. Sie waren also nach der Wahl eher gezwungen, sich dem Kurfürsten unterzuordnen, als dass sie es sich hätten leisten können, die Interessen des Kapitels allzu stark zu vertreten. Dies traf vor allem dann zu, wenn es die Domherren anstrebten, Familienmitglieder in der Verwaltung unterzubringen. Auf der anderen Seite stammten Kurfürst und Domkapitel meist aus der gleichen Gesellschaftsschicht und damit Interessengruppe. Insofern galt Ausgleich und Mäßigung als Verhaltensregel zwischen beiden und war auch Voraussetzung für den Erhalt der Regierungsform. Die Kurfürsten hatten ein hauspolitisches Interesse, möglichst viele Verwandte im Kapitel unterzubringen, von denen vielleicht einer die Nachfolge antritt und damit die eigene Regierungsweise stabilisiert. Mit diesem Ziel konnten die Kurfürsten sich nicht rücksichtslos über die Interessen des Domkapitels hinwegsetzen. Zwischen Kurfürst und Domkapitel existierte quasi eine Symbiose, beide waren voneinander abhängig, beide versuchten die Macht des anderen einzuschränken.
Das Domkapitel fühlte sich aber immer als "Erbherr" des Erzstiftes, verantwortlich für die Tradition, und neben dem Kurfürsten gewissermaßen als "Mitsouverän".(Anm.: 46) Reformen und Veränderungen konnten ohne Zustimmung des Domkapitels praktisch nicht durchgeführt werden.
Zwischen dem Kurstaat und der reichsfreien Stadt Köln war schon durch diese Strukturen der Dauerstreit programmiert, umso mehr, wenn es zwischen Domkapitel / Kurfürst / Stadt Interessenkonflikte gab.
Auch in der Stadt Köln gab es unterschiedliche Interessengruppen, aber Stadt und Universität waren vorwiegend katholisch - konservativ und achteten sehr auf Ihre Unabhängigkeit vom Kurstaat. Seit Anfang der dreißiger Jahre fühlte sich der Stadtrat als Bollwerk der katholischen Kirche am Rhein und wachte eifersüchtig darüber, dass die bischöfliche Behörde keine neuen Bräuche einführte. (Anm.: 47)Als Hermann von Wied 1515 vom Domkapitel zum neuen Erzbischof gewählt wurde, verweigerte ihm die Stadt Köln zunächst den Zutritt zu der Stadt, weil er die geforderten Unabhängigkeitserklärungen nicht unterschreiben wollte. Deshalb musste der neue Kurfürst in Münster zum Bischof geweiht werden und erhielt durch den Stadtrat erst sieben Jahre später das Recht, als Kurfürst in die Stadt einzuziehen. Am 15. Juli 1522 konnte Hermann als Kurfürst mit 800 Reitern in Köln einziehen.
Anmerkungen
- 43) Der durch die Bestätigung des römischen Papstes zum Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation wurde.
- 44) Franzen, August; Bischof und Reformation - Erzbischof Hermann von Wied in Köln, Münster 1971
- 45) S. Handbuch des Erzbistums Köln Bd. I Köln 1966
- 46) Franzen, S. 80ff
Je nach Interessenlage kann der nachfolgende Exkurs eingesehen oder überschlagen werden:
Von hier aus ist nun zu verstehen, warum für Graf Heinrich die Tätigkeit im Domkapitel so wichtig war. Zweifellos bedeutete ihm das Amt als Domkanoniker nicht - wie sonst üblich - nur bloße Versorgung (Pfründe), sondern war auch Plattform für Verantwortung und politische Gestaltung. Dies können wir daraus schließen, weil er die Erbfolge nach dem Tod seines Bruders Adolf ausschlug und dann im Kölner Kurstaat ein mächtiger Mann wurde(Anm.: 48). Wie kam es dazu?
Um die äußere und innere Entwicklung Heinrichs und seinen Weg zu einem der mächtigsten Männer des Kurstaates zu verstehen, müssen wir die damalige Kölner Situation betrachten und bis zum Kurfürsten Hermann von Wied zurückgehen, weil dieser für die Konflikte der Folgezeit eine Schlüsselrolle spielte. Zum besseren Verständnis zunächst die Liste der Kölner Erzbischöfe des 16. Jahrhunderts:
Die Kölner Erzbischöfe im 16. Jahrhundert | ||||
(rot = für die Anhänger der protestantischen Reformbewegung) | ||||
1515 | - | 1547 | Hermann von Wied | |
1547 | - | 1556 | Adolf von Schauenburg | |
1556 | - | 1558 | Anton von Schauenburg | |
1558 | - | 1562 | Gebhard von Mansfeld | |
1562 | - | 1567 | Friedrich von Wied | |
1567 | - | 1577 | Salentin von Isenburg | |
1577 | - | 1583 | Gebhard Truchsess von Waldburg | |
1583 | - | 1612 | Ernst von Bayern |
Anmerkungen:
- 47) Franzen S. 47
- 48) Sammlung Roth Nr. 19, Kölner Diözesanarchiv, . (Hermann Heinrich Roth lebte 1858 - 1938. Seine Sammlung "Colonia Sacra" wurde 1930 vom Erzbistum Köln aufgekauft.
Erzbischof Kurfürst Hermann von Wied (Regierungszeit 1515 - 1547 ) war einer der Königsmacher von Kaiser Karl V. gewesen. Als Primas der geistlichen Kurfürsten nahm er am 23. 10. 1520 dem neu gewählten deutschen König Karl V. im Aachener Dom den Treueeid ab und leitete die Krönungszeremonie. Hermann von Wied war nach allgemeiner Einschätzung kein besonders hervorragender Theologe und sah seine Rolle vor allem als Vermittler zwischen den verschiedenen Reformgruppen. Vor allem aber wollte er die Interessen des Kölner Kurstaates gegenüber der päpstlichen Abgabenpolitik durchsetzen. Typisch für ihn war, dass es ihm gelang, die beiden Reformtheologen Martin Bucer (Vertreter einer protestantischen und damit radikalen Veränderung der Kirche) und Johannes Gropper (Anm.: 49) (Vertreter einer Erneuerung der katholischen Kirche) zusammenzubringen, so dass diese beiden unterschiedlichen Männer sogar zwei Jahre Freunde wurden, bevor sie sich dann erbittert bekämpften. Noch 1540 wurde Kurfürst Hermann vom päpstlichen Nuntius als papsttreu eingeschätzt, als dieser nach Rom meldete, dass er von diesem die "feste Versicherung erhielt, dass er niemals gegen den Willen des Papstes sich für irgendeinen Kompromiss entscheiden werde."(Anm.: 50)
Aber Hermann von Wied entschied sich schließlich doch für den radikalen Weg der Reformation. Wie ist sein plötzlicher Gesinnungswandel zu erklären? Eine sichere Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Doch ist Hermann zu gute zu halten, dass sich der allgemeine Umbruch des Denkens damals in einer Schnelligkeit vollzogen hat, die schwer vorstellbar ist.(Anm.: 51) Der Historiker Franzen schlussfolgert: Kurfürst Hermann war fasziniert von einer Säkularisierung des Erzstiftes und der politischen Unabhängigkeit von der päpstlichen Kurie. Die vielen Besuche aus den protestantischen Reformbereichen, erzeugten am kurfürstlichen Hof in Brühl ein euphorisches Klima der Offenheit für alle neuen Ideen. Aber der Kurfürst hatte im Domkapitel nur eine Minderheit hinter sich und unterschätzte den Widerstand von Stadt, Universität und der kurialen Kräfte, so dass er am 25. Februar 1547 resigniert zurücktrat.(Anm.: 52)
Als Reaktion auf den "Abfall" wählte nun das Domkapitel einen "strammen Katholiken" zum Nachfolger:
1547 - 1556 Adolf v. Schauenburg,
einen Anhänger der katholischen Gegenreformation, dessen Ziel sogar mit "Rekatholizierung mit Gewalt" (Anm.: 53) umschrieben werden kann. Doch diese Entwicklung wird hier übersprungen. Als Kurfürst Adolf von Schauenburg neun Jahre später starb, hatte die gegenreformatorische Fraktion im Domkapitel immer noch die Mehrheit und wählte Anton von Schauenburg zum neuen Erzbischof und Kurfürsten, den Bruder des verstorbenen Kurfürsten Adolf. Von dem neuen Kurfürsten wurde erwartet, dass dieser die Ziele seines Bruders beibehielt. Doch der neue Kurfürst starb bereits nach zwei Jahren, also 1558.
1558 - 1562 Gebhard von Mansfeld
In diesen zwei Jahren muss es im Domkapitel eine Veränderung der Mehrheit gegeben haben, denn mit Johann Gebhard von Mansfeld wurde ein Mann gewählt, dessen Sympathien und Offenheit für die protestantische Erneuerung von Kurstaat und Kirche bekannt war. Solche schnellen Veränderungen waren damals besonders in den Rheinstaaten durchaus nichts Ungewöhnliches, wobei der Ausgang immer durch die jeweiligen Machtverhältnisse bestimmt wurde. Als Beispiel kann auf die gleichzeitigen Auseinandersetzungen in Trier hingewiesen werden: 1559 kam es im Trierer Kurstaat zu einem Reformationsversuch, der sich mit dem alten politischen Gegensatz zwischen dem Erzbischof und der Bürgerschaft verquickte. Mit Hilfe des Adels und der Landbevölkerung und gestützt auf die niederländisch - spanische Regierung zwang jedoch Kurfürst Johann von der Leyen die Stadt zur Unterwerfung und die Protestanten zu Auswanderung. (Anm.: 54)
In Köln erhielt der Sayner Graf Heinrich durch die Wahl Gerhards von Mansfeld eine Chance. Wir können daraus schließen, dass Heinrich in seinen Zielen dem neuen Kurfürsten nahe stand, denn mit 19 Jahren wurde Heinrich im selben Jahr, also 1558, Archiediakon.(Anm.: 55) Das bisherige "Versorgungsmitglied" des Domkapitels machte in der Hierarchie des Kölner Kurstaates steile Karriere. Als am 23.11.1558 ein neuer Domdechant zu wählen war, verhielt sich Heinrich sehr geschickt. Er gab seine Stimme für den Grafen Friedrich von Wied, der ein Neffe des resignierten Kurfürsten Hermann war, für Heinrich als Westerwälder ein Landsmann, und der vom neuen Kurfürsten Gebhard protegiert wurde, da er sich öffentlich zu den Zielen der Reformation bekannte.(Anm.: 56) Damit kam Graf Heinrich noch stärker in das Einflussfeld des Kurfürsten. Er wurde nun zu einem der mächtigsten Männer im Kölner Kurstaat und konnte sich offen für seine Reformideen äußern und einsetzen.
1562 - 67 Friedrich von Wied
Da der neue Kurfürst, Gebhard von Mansfeld, bereits nach vier Jahren verstarb, wurde eine Neuwahl fällig. Diese erfolgte am 19. November 1562. Zum neuen Erzbischof und Kurfürsten wurde der Domdechant, Graf Friedrich zu Wied, gewählt. Er war der 73. Erzbischof von Köln. Damit war die Stelle des Domdechanten wieder vakant. Im Domkapitel muss zwischenzeitlich eine Pattsituation entstanden sein, denn mehr als zwei Jahre gelang es nicht, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Die Fronten waren offensichtlich verhärtet. Dass sich Graf Heinrich als Ausweg anbot, lässt die Schlussfolgerung zu: seine Position in der Vakanz war noch stärker geworden war, wahrscheinlich aber spielte auch eine Rolle, dass er trotz seiner Nähe zur lutherischen Reformation in vielen Kontroversfragen eine gemäßigte Position bezog. Wir müssen uns vor Augen halten, dass zu dieser Zeit die Ziele der Lutherischen Reformation noch sehr "katholische Züge" hatten. Außerdem gab es innerhalb der katholischen Gegenreformation viele fortschrittliche Kräfte, die eine echte Erneuerung der Kirche wollten. Wir müssen auch verstehen, dass die Fronten fließend waren. Dass Graf Heinrich in dieser Situation so steile Karriere machte, ist ein sicheres Indiz, dass er als Mensch, Theologe, Kirchenmann und Politiker für die unterschiedlichen Gruppen in Köln akzeptabel war.
Am 17.10.1565 (Anm.: 57) wurde Heinrich, Graf zu Sayn, Herr von Homburgk, Munkler und Mentzenberg, Domkapitular und Archiediakon der Erzdiözese Köln und des Erzstiftes (Kurstaat) zum Domdechanten gewählt. Es war eine zielstrebige Karriere: Domkapitular, Archiediakon und jetzt Domdechant.
In der Erzdiözese Köln gab es damals 10 Archiediakonate. Die Pröpste von Köln, Bonn, Xanten und Soest galten als Majoris Archidiaconi. Sie standen in der kirchlichen Hierarchie nahe am Bischof und hatten deshalb im Domkapitel kein Stimmrecht. Neben den Majoris Archidiaconi gab es die Minoris Archiediaconi. Dazu gehörte der Domdechant von Köln, die Dechanten der Dekanate Zülpich und Marias an den Stufen in Köln, die Pröpste von St. Kunibert und St. Georg und der Abt der Abtei Steinfeld.(Anm.: 58) Diese Archiediakone standen in der kirchlichen Hierarchie tiefer. Doch der Domdechant hatte eine Sonderstellung. Er war die graue Eminenz in Köln, "der Königsmacher, der Mann, ohne den nichts lief". Und dies galt besonders dann, wenn zwischen Kurfürst und Domdechant "die Chemie stimmte". Der Domdechant Graf Heinrich hat diese Rolle voll ausgefüllt - davon können wir ausgehen.
Ob Heinrich Priester war oder nur die niederen Weihen hatte, ist nicht genau zu klären. Nach seiner Wahl zum Domdechanten gelobte er zwar dem Domkapitel, dass er sich binnen Jahresfrist zum Priester weihen lasse. Aber ob dies auch tatsächlich geschehen ist, lässt sich nicht belegen. Es spricht vieles dafür, weil die Priesterweihe bei den Kölner Domdechanten normalerweise gefordert war. Aber es gibt auch gegenteilige Stimmen. Dazu gehörte der Kölner Historiker Hermann Roth (1858 - 1938), der in Heinrichs Verzicht auf seine Pfründe ein gewisses Indiz dafür sah, dass sich dieser von der Priesterweihe dispensieren ließ.(Anm.: 59) In jedem Fall können wir wohl davon ausgehen, dass das Mess - Priestertum im Verständnis der damaligen römisch - mittelalterlichen Kirche für Graf Heinrich keine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt hat. Aber ohne Zweifel muss er ein zutiefst gläubiger Christ gewesen sein, ein Mann der Kirche, und ein Mensch, der aus seiner christlichen Überzeugung immer Verantwortung für das Leben seiner Mitmenschen getragen hat. Dies lässt sich aus den überlieferten Dokumenten der späteren Zeit als Landesherr ableiten.
Heinrich war ein Verehrer Luthers und sah in den Ideen der Reformation offensichtlich die beste Chance zu einer Erneuerung von Staat, Gesellschaft und Kirche.(Anm.: 60) Hier spielte möglicherweise auch ein Rolle, dass sein späterer Konkurrent, Salentin von Isenburg, ein Vertreter katholischer Machtpolitik war und nicht der katholischen Reformbewegung, die die Kirche von innen her erneuern wollte. Es spricht auch sehr viel dafür, dass der verstorbene Kurfürst Hermann von Wied, der sich bereits 1540 für die Reformation und damit auch für die Umwandlung des Erzstiftes in eine säkulare Landesherrschaft entschieden hatte, ohne sich durchsetzen zu können, ein besonderes Vorbild für Graf Heinrich war. Auch Albrecht von Brandenburg ( 1568), der Hochmeister des Deutschen Ordens,(Anm.: 61) dürfte zu den Vorbildern Heinrichs gehört haben. Albrecht hatte sich zur Reformation Luthers öffentlich bekannt und es war ihm gelungen, auf Luthers Rat den ostpreußisch -litauisch-polnischen Ordensstaat zu säkularisieren. Durch den Vertrag von Krakow wurde Albrecht weltlicher Herzog von Preußen unter der Lehnshoheit des Königs von Polen.(Anm.: 62) Diese Ideen kreisten im Kölner Kurstaat (Anm.: 63) und Graf Heinrich gehörte mit Sicherheit zu denen, die diese Visionen realisieren wollten.
Heinrich erlebte aber auch die wachsenden Auseinandersetzungen zwischen den beiden Flügeln der Reformation: Luthertum und Calvinismus (für den sich der Name "Reformierte" einbürgerte und der im Pfälzer Kurfürsten einen starken Rückhalt fand.) Hier dürften die Wurzeln liegen, warum die reformierte Variante der Reformation später für Graf Heinrich so suspekt war und er leidenschaftlich darum kämpfte, dass die Grafschaft Sayn nach dem Regierungswechsel lutherisch blieb.
Anmerkungen
- 49) Propst des Cassius - Stiftes in Bonn, bis ihn Erzbischof Hermann an seinen Hof holt.
- 50) Franzen S. 64
- 51) Franzen S. 57f. Franzen nennt dann drei vermutliche Gründe: Hermann fühlte sich von der päpstlichen Kurie nicht ernst genommen und hintergangen; bei einer Reise 24. - 29.9.1536 zu Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war er sehr beeindruckt von dem neuen protestantischen Staats- und Kirchenwesen; er wollte das päpstliche Stellenbesetzungsrecht abschaffen und dieses in die eigene Hand nehmen.
- 52) Franzen S. 61ff
- 53) So der katholische Kirchenhistoriker Hubert Jedin
- 54) Geschichte des Rheinlandes I.Bd. Essen 1922
- 55) Möglicherweise zuständig für das Dekanat Neuß (s. Handbuch des Erzbistums Köln)
- 56) Sammlung Roth Nr. 19: "Als am 23/11 dieses Jahres Dech.Wahl war, wählte er Fr. v.Wied "
- 57) In den meisten Artikeln wird das Jahr 1964 angegeben, ich halte mich an die Datierung in der Sammlung Roth, wo sogar Tag und Monat erwähnt wird.
- 58) Handbuch des Erzbistums Köln Bd. I
- 59) Roth. "Er neigte zum Protestantismus; nach seiner Wahl zum Dechanten (08/10 1565) gelobte er in Jahresfrist Priester zu werden {Lossen, Köln Krieg I, 23{' hat sich aber wohl nicht weihen lassen; ferner resignierte er damals seine Präbende, die als durch Verzicht vakant 5/12 1565 in Besitz genommen von Ernst von Bayern {G. Abt. 87/1) ".
- 60) Lortz Joseph "Die Reformation ist ein Kampf um die wahre Form des Christentums", Geschichte der Kirche, Bd. III, Münster 1958, S. 260 (> Lortz 2)
- 61) Albrecht von Brandenburg
- 62) Ploetz, S. 279
- 63) Franzen S- 61
Zur Vertiefung werden im folgenden Exkurs einige wichtige Unterscheidungsmerkmale der drei großen Konfessionen dargestellt.
Im Kölner Kurstaat bahnte sich mittlerweile ein erneuter Wechsel an, weil sich der neue Kurfürst, Friedrich von Wied, weigerte, den vom Papst und von der zwischenzeitlich geänderten Mehrheit des Domkapitels geforderten tridentinischen Eid zu leisten. Kurfürst Friedrich sah sich von der Mehrheit der Kölner Stände (Anm.: 64) bestärkt, verehrte Martin Luther und sah in ihm den Erneuerer der christlichen Kirche. Aber gegenüber der Stadtkölner katholischen Mehrheit und der gewachsenen Macht des Kaisers, vielleicht auch aufgrund innerer Widersprüche, zerbrach Friedrich und musste schließlich 1567 kurz vor seinem Tod zurücktreten.
Graf Heinrich, der mächtige Domdechant, setzte nun alles auf eine Karte und ließ sich für die anstehende Kurfürstenwahl als Kandidat aufstellen. Sein Konkurrent war Salentin von Isenburg.
Aus dem Gegensatz dieser beiden Kandidaten für das Kurfürstenamt lässt sich - gewissermaßen als Spiegelbild von Salentin - Graf Heinrich besser verstehen.
Die Mehrheit des Domkapitels stand mittlerweile auf Seiten der katholischen Reformpartei und stellte deshalb mit Graf Salentin von Isenburg - Grenzau einen Kandidaten auf, der mit Sicherheit keine kirchenpolitischen Probleme bringen würde. Salentin war Mitglied des Domkapitels und hatte zahlreiche andere Ämter. Er war eine schillernde Figur. Die Beschreibung von Heinrich Müller () (Anm.: 65) ist immer noch zutreffend:
"Am 23.12.1567 wurde Salentin zum Erzbischof und Kurfürsten von Köln gewählt, obwohl er keine priesterlichen Weihen empfangen hatte und auch betonte, dass er zu gegebener Zeit ins weltliche Leben zur Fortführung seines Hauses zurückkehren werde. Domkapitel und Kaiser nahmen dies auch an, nicht aber Papst Pius V., der eine Neuwahl verlangte. Ehe es dazu kam, starb der Papst. Sein Nachfolger Gregor XIII. schätzte jedoch die Vorteile für die Kurie anders ein und bestätigte Salentin endlich im Dezember 1573 in seinem Amt. Salentin schien zunächst einmal die Vorteile, die ihm sein Amt verschaffte, auch für seine eigene Grafschaft zu nutzen. So gelang es ihm, gegen Kurtrier, das ihn als späteren Grundherrn in Isenburg-Grenzau zum Landsassen herabsetzen wollte, die Reichsunmittelbarkeit für seine Grafschaft durchzusetzen. Als Johann Graf Hoya, Bischof von Osnabrück, Münster und Paderborn, am 4.4.1574 starb, wurde Salentin am 21.4.1574 auch vom Domkapitel zu Paderborn zum Bischof gewählt und alsbald von Rom bestätigt. Zugleich wurde ihm erlaubt, die rein kirchlichen Verrichtungen wie in Köln seinem Weihbischof zu übertragen. Am 9.12.1574 ritt Salentin in Paderborn in prachtvoller Ritterrüstung ein, umgeben von einem glänzenden Gefolge von tausend Reitern.
Das Stift Osnabrück fiel währenddessen unter Mitwirkung Salentins an den Bremer Erzbischof, Herzog Heinrich von Sachsen-Lauenburg, während das Bistum Münster dem clevischen Prinzen Herzog Johann Wilhelm vorbehalten blieb. So sicherte sich Salentin mächtige und dankbare Freunde. . In den zehn Jahren seiner Regierung hatte Salentin mit straffer Verwaltung und geordneten Finanzen aus dem Erzstift Köln einen blühenden Kurstaat
Salentin resignierte, als er in der Gräfin Antonia Wilhelmina von Arenberg, einer Tochter des Grafen Johann von Ligne und Margarete Gräfin von Arenberg (oberes Ahrtal), die passende Frau gefunden hatte. Am 5.9.1577 verzichtete er auf das Stift Paderborn und am 13. September auf das Erzstift Köln. Vor den versammelten Landständen verabschiedete er sich auf Schloß Brühl und heiratete am 10.12.1577. Mit seiner Gattin bewohnte er zunächst Schloß Arenberg / (Rhein bei Hönningen), um in der Nähe seines früheren Wirkungsbereiches zu bleiben".
Salentin war durch und durch Politiker, ein Mensch der Macht, eine Lebemann, ein glänzender Organisator und Erfolgsmensch, gefühlsmäßig weit weg vom Volk. Kirche und Religion waren für ihn Mittel zum Zweck zum Erreichen seiner Ziele. Er genoss den Erfolg und musste immer im Mittelpunkt stehen. Salentin war ein Renaissance - Fürst ganz im Sinne des Staatsdenkers Niccolo Machiavelli.
Demgegenüber hatte Graf Heinrich - noch dazu ohne Mehrheit im Domkapitel - keine Chance. Denn Graf Heinrich vertrat mit Sicherheit einen anderen Typ von Politiker; er war Theologe und hatte den Kontakt zum Volk nicht verloren, er wollte die Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern und war bereit, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und sich dafür einzusetzen.
Mit der Wahl Salentins wurde die gegenreformatorische Fraktion in Churköln noch stärker. Diese prokatholische Tendenz wurde gestützt von den verstärkt einsetzenden Interventionen des Papstes. Die Gründung der "Congregatio Germanica", einer Art Clearingstelle zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich führte zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Curie und den deutschen Bischöfen. Die Errichtung des Collegium Germanicum förderte die Ausbildung von romtreuen Klerikern. Seit 1573 bereiste der päpstliche Nuntius die deutschen Fürstenhäuser, die noch nicht protestantisch waren. Eine große Rolle spielten auch die Jesuiten, die als Beichtväter der Fürsten, als Lehrer an den Hochschulen und als Seelsorger vor Ort zur tragenden Kraft der katholischen Gegenreformation wurden. Die prokatholischen Kräfte konzentrierten sich deshalb auf den Kölner Kurstaat, da die Protestanten im Kurfürstenkolleg durch einen protestantisch orientierten Kölner Kurfürsten die Mehrheit erhalten hätten. "Von der Entwicklung im Rheinland hing der Ausgang des universalen Ringens zwischen den beiden Bekenntnissen ab."(Anm.: 66)
Es dürfte in Köln einsam geworden sein um Graf Heinrich, den einst so mächtigen Domdechanten. Wir gehen wohl nicht falsch, wenn wir ihn in der wachsenden Rolle eines Außenseiters sehen und dass bei ihm so der Wunsch gewachsen ist, Köln zu verlassen. Der Tod seinen Onkels Sebastian wurde dazu ein willkommener Anlass.
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