Das Bendorfer Hedwig - Dransfeld - Haus
in den Jahren von 1980 bis 1996

Konflikt, Kontinuität und Neuanfang

Von Dieter Kittlauß


Zur Einführung und Vertiefung der Geschichte des Hedwig - Dransfeld - Hauses in Bendorf sei auf früher veröffentlichte Beiträge des Autors verwiesen:

Von der Villa Sayn - zum Hedwig - Dransfeld-Haus in Bendorf a/Rh.
Die Kapelle des Hedwig- Dransfeld- Hauses in Bendorf am Rhein
Dr. Charlotte (Lotte) Schiffler
In Erinnerung an Anneliese Debray


Dieser Beitrag ist in mehrere Themenbereiche aufgegliedert und setzt zeitlich bei dem Rücktritt von Anneliese Debray als Direktorin des Hedwig - Dransfeld - Hauses an.

Die für diesen Beitrag ausgewählten Fotos sind auch auf einer eigens angelegten Foto-Liste einzeln abzurufen.
alle im Text gezeigten kleine Fotos sind als kommentierte Großfotos abrufbar



Das Ringen um die Ökumene

Am 4. Mai 1984 um 15,00 Uhr gab es im HDH und damit auch für ganz Bendorf einen Höhepunkt. Mit dem Trierer Bischof, Dr. Hermann Josef Spital, wurden die sanierten und neuen Gebäude des Hedwig - Dransfeld - Hauses eingeweiht. Es passierte die Panne, dass der Bischof aufgrund eines Missverständnisses zwei Stunden später eintraf. Deshalb musste die Festversammlung, die sich bereits in der Kapelle versammelt hatte, über die Straße in das neu gebaute Hildegardhaus zurückbeordert werden, um den Kaffee vorzuziehen. Doch es gab keinen Verdruss. Eher schon beim Gottesdienst. Als der langjährige Freund des HDH, der evangelische Pfarrer Ortgies Stakemann, bei der katholischen Messfeier zur Kommunion ging, erregte dies die Verwunderung des Bischofs. Bei dem grundsätzlichen Abklärungs- Gespräch nach dem Gottesdienst machte aber nach dem Hörensagen Ortgies Stakemann keine schlechte Figur. Für den katholischen Bischof wurde dieses Gespräch vielleicht sogar zu einer "Lehrstunde über Ökumene".

Damit es für die Leser dieses Berichtes nicht zu kompliziert wird, werden lediglich die wichtigsten Entwicklungslinien dargestellt.

1980 verließ der evangelische Pfarrer, Horst Adams, der mit Willen der Evangelischen Kirchenleitung in voller Stelle dem Hedwig - Dransfeld - Haus beigeordnet war, aus persönlichen Gründen das HDH. Nach einer wenig geglückten Zwischenlösung, trat dann 1981 Pastor Horst Eisel die Nachfolge an. Die Anstellung war jedoch durch die Evangelische Landeskirche im Rheinland sehr abgeschwächt worden. Deshalb erfolgte auch die Einführung von Horst Eisel nicht in der HDH - Kapelle. Dieter Kittlauß erinnert sich: "Eines Tages kam jemand in mein Büro und stellte sich als der neue evangelische Pfarrer vor". Es war damals bereits die Zeit der Abkühlung zwischen den christlichen Kirchen. Jede Seite wollte ihre Position festigen. So war auch das Hedwig - Dransfeld - Haus für die Evangelische Kirche aus einem Ort des Zueinandergehörens zu einem Ort der Präsens geworden. Das hieß konkret: Horst Eisel war nicht wie seine Vorgänger evangelischer Pfarrer im HDH sondern kreiskirchlicher Pfarrer, der im Rahmen seines Dienstvertrages auch Tätigkeiten im HDH verrichten solle. Aber dann passierte ein kleines Wunder. Bei aller politischen und lebensmäßigen Unterschiedlichkeit zwischen Dieter Kittlauß und Horst Eisel setzte sich der Wille zur ökumenischen Gemeinsamkeit durch. So wurde die vom Ökumenischen Weltrat formulierte "Versöhnte Verschiedenheit" durch die Zusammenarbeit von zwei sehr unterschiedlichen Theologen im Bendorfer Wenigerbachtal für 15 Jahre zur Realität. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass das Bendorfer HDH zum dritten Mal ein ökumenischer Kulminationspunkt von beträchtlicher Bedeutung wurde. Ganz im Sinne des Wortes "Wach im Gewissen und Mut zum vorauseilenden Gehorsam" wurden mit Verantwortung und Augenmaß neue Wege beschritten und neue Formen erprobt. Viele Gottesdienste werden unvergessen bleiben. Dazu gehörten zu gegebenem Anlass die gemeinsame Feier der Eucharistie und schließlich auch der liturgische Dienst von Frauen am Altar. In vielen Seminaren wurden aktuelle Themen aufgearbeitet. Die Ökumenischen Wochenenden fanden lange Zeit ein gutes Echo. Dabei ging es nie nur um die sogenannten kontroversen Themen sondern immer um "das, was Christen heute angeht".

Das geteilte Kreuz

Schon in den 60er Jahren wurde die evangelisch - christliche Ökumene durch den jüdisch - christlichen Dialog erweitert. In dem Beitrag "Von der Villa Sayn zum Hedwig - Dransfeld - Haus" sind die Anfänge dieses so enorm wichtigen Zweiges der HDH - Aktivitäten ausführlich dargestellt. In den 70er Jahren wurde der Dialog zwischen Juden und Christen durch die Einbeziehung der Muslime zum TRIALOG erweitert. In den 80er Jahren wurde Pfingsten zum Ort des christlich - muslimischen Dialoges. Es würde hier den Rahmen sprengen, das Werden dieser Arbeit im Detail aufzuzeigen, deshalb soll dies zu späterer Zeit in einem eigenen Beitrag geschehen.

Wichtig war es, diesen ökumenischen Dialog in die "normale" Bildungsarbeit einzubringen, gleich ob bei Schülerseminaren, Mütterkuren, Freizeiten oder Familienseminaren.

Erwähnenswert sind die ökumenischen Seminare, die in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Gruppe " Weltgebetstag der Frauen" durchgeführt wurden. Zielgruppe waren Frauen und (später auch) Männer aus den unterschiedlichen christlichen Traditionen, wozu auch die Quäker und die Heilsarmee gehörten. Die Themen bezogen sich auf gemeinsame spirituelle Aufgaben wie Seelsorge als Funktion der Gemeinde, Bedeutung der Marienfrömmigkeit und der Heiligenverehrung oder der Zugang zur biblischen Tradition .Zu diesen Seminaren gehörte immer die Feier der Eucharistie. Dieter Kittlauß erinnert sich: "Es war schon bewegend, Gerlind Schwöbel, erste Pastorin der evangelischen Landeskirche Hessen - Nassau, in ihrem schwarzen Talar zu erleben. Und unvergesslich wird es bleiben, wie wir Pfingsten mit Christen aus afrikanischen Gemeinden in London und Birmingham feierten. Damals fehlte uns ein katholischer Liturge. Der liebe Gott schickte uns dafür einen Bischof, von dem wir später erfuhren, dass er in London als Taxifahrer sein Brot verdient. Die deutsche Gruppe musste am Freitag abends zwei Stunden warten, da die englischen Gäste auf der Anfahrt von Frankfurt im Stau stecken geblieben waren. Aber kaum strömten sie in die Gymnastikhalle, da rissen sie uns durch ihr Tanzen und Singen aus allem Frust. Und es hat uns alle ergriffen, als am Pfingstsonntag der afrikanische Bischof im feierlichen Pontifikalornat auf einem roten Samtsessel saß und uns allen die Hände auflegte."

Ein besonders bemerkenswertes Kapitel ökumenischer Aktivität war die Theologische Sommerwoche 1993 zu dem Thema "Von Jesus, dem Juden erzählen". In der später gedruckten und viel beachteten Dokumentation schrieb Dieter Kittlauß: "Das Christentum hat nicht nur durch die Einverleibung unterschiedlicher religiöser Traditionen sondern immer auch durch die Enteignung des Judentums seine Identität aufgebaut. Nicht nur gegenüber den jüdischen Schwestern und Brüdern, sondern auch in den Raum der Kirchen hineinmüssen wir heute klar und unverkürzt sagen, dass das Christus-Bild von dem Juden Jesus nicht nur eines von vielen Christusbildern ist, sondern eine ganz zentrale Bedeutung hat. Es bedurfte vieler Gespräche und Auseinandersetzungen, bis wir es wagten, die Suche nach einer neuen Christologie in die Seminararbeit als ausdrückliches Thema einzubringen."

Nicht weniger bedeutsam war die nächste Theologische Sommerwoche zu dem Thema "Trinität". Leider musste diese Seminarreihe wieder abgesetzt werden, da es nicht gelang, die Finanzierung zu sichern.

An dieser Stelle sei für die junge Theologin Edith Sauerbier eine kleine Laudatio ausgesprochen, die die Fragestellungen und Antworten der feministischen Theologie in die Arbeit des HDH einbrachte und sehr qualifiziert die Dokumentationen des HDH verantwortete. Hierzu gehörte auch die Schrift über die Würdigung der Sionsschwester Charlotte Klein, die zu den Pionieren des jüdisch - christlichen Gespräches zählte und 1963 bei der 1. jüdisch - christlichen Bibelwoche im HDH dabei war. Leider gab es im Bildungsteam so starke Spannungen, dass Edith Sauerbier ihre Mitarbeit im HDH beenden musste. Dieter Kittlauß tat es sehr leid, dass ihm eine Lösung dieses Konfliktes nicht gelang.

Einige Namen müssen hier eigens genannt werden: Prof. Dr. Paul Eisenkopf † von der philosophisch - Theologischen Hochschule in Vallendar wurde zu einem kontinuierlichen Partner im ökumenischen Dialog. Dass er sich auch die Herzen der vielen jungen Leute eroberte, ist vielleicht noch wichtiger. Pfarrer Wemmer von Troisdorf kam viele Jahre nach Bendorf, um seelsorglichen Dienst bei lebensbedrohten Frauen innerhalb der Müttergenesung zu leisten. Ute Stamm, Bildungsreferentin für Familienarbeit im HDH, übernahm mit großem Engagement die Organisation der großen Interreligiösen Tagungen. Dr. Jonathan Magonet, Direktor des jüdischen Leo - Baeck - College in London, garantierte die Weiterführung der jüdisch - christlichen Bibelwoche. Nicht zu vergessen werden dürfen der schon erwähnte evangelische Pfarrer Ortgies Stakemann und Dr. Lotte Schiffler, die Ehrenvorsitzende des HDH. Beide sorgten dafür, dass im HDH "Gott weiterhin geliebt wurde" und "dass in Bendorf der Geist nicht ausstirbt". Durch die die Freundschaft mit Scheich Bashir Dultz (Bonn - Bad Godesberg, Leiter der Deutschen Muslim-Liga, Scheich des Suffi - Ordens) wurde der Dialog mit den islamischen Gläubigen im HDH beheimatet.

Ostern im HDH

Was viele Bendorfer oft nicht ahnten, war weltweit bekannt: Da gibt es am Rhein ein Zentrum, wo sich die Menschen aus unterschiedlicher religiöser Tradition respektieren, sich gegenseitig zum Gottesdienst einladen und vielleicht sogar lieben. Hier feierten katholische und evangelische Christen Eucharistie, hier feierten Juden den Shabbat, hier beteten Muslime zu Allah und Männer und Frauen aus der Suffi - Spiritualität mit dem DIKR ihren nächtlichen Gottesdienst, hier zogen christliche Frauen als Diakoninnen und Priesterinnen feierlich ein, hier predigten Offizierinnen der Heilsarmee. Ganz bewusst sollten mehrere Bilder in der Kapelle diesen Geist der Versöhnung aussagen. Dazu gehörten das Relief mit den Symbolen der Religionen des Bildhauers Karl Franke aus Meerbusch bei Düsseldorf und einige Meter weiter das Bild von Peter Weißkopff, international anerkannter Künstler in Mönchengladbach, das auf den lebendigen Gott als die Mitte der drei abrahamitischen Religionen hinwies (heute entfernt). Das Bild "Mahl der Völker", von der französischen Sozialarbeiterin Brigitte Devaud mit einer Kindergruppe gemalt, hängt heute noch über dem Altar. Bemerkenswert waren auch das Schutzengelbild eines psychisch Kranken und die Komposition eines jungen Polen, entstanden auf dem jüdischen Friedhof in Sayn anlässlich eines deutsch - jüdisch -arabischen Seminars zum Thema "Holocaust" (leider auch nicht mehr erhalten).

hier weitere Fotos:
Pastor Ortgies Stakemann - Porträt
Drei Theologen
Horst Eisel - Porträt
Katholische Kirche im Umbruch - Frauen am Altar
Osterfeuer im alten Park des HDH
Ökumene im vorauseilenden Gehorsam
Das Wunder nach der Shoa
Internationale Leitungsgruppe in der interreligiösen Arbeit
Bashir Dultz - eine Laudatio
Ökumene zu Pfingsten 1992
Die Schwarzen und die Weißen
Im Gedenken an die Shoa
Rückblick auf Paul Eisenkopf †


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